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ZEITSCHRIFT
FL'R
DEUTSCHES ALTERTUM
L'ND
DEUTSCHE LITTERATUR
HERAUSGEGEBEN
EDWARD SCHROEDER UND GUSTAV ROETHE
DREIUNDVIERZIGSTER BAND
DER NEUEN FOLGE EINUNDDREISSIGSTER BAND
BERLIN
W EIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
1S99.
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3003
INHALT.
Die spräche der namen des ältesten Salzburger verbrüderungsbuchex.
von Schatz (vgl. Anz. s. 395) 1
Zu Hrotsvits Theophilus v. 17, von vWinterfeld 15
Die quelle der Origo gentis Langobardorum, von Brückner ... 17
Der dialog des alten Hildebrandslieds, von Joseph
Aus der litterarischen tätigkeit eines Augsburger büchsenmeisters des
16 jhs., von Hörn Mi
Der mythus des zweiten Merseburger Zauberspruches, von Niedner . 101
Zu Konrad von Würzburg, von Schröder 11 '2
Per dichter des Waltharius, von Wilhelm Meyer (aus Speyer) . . . 113
Altvile im Sachsenspiegel, von Björkman 146
Zur geschichte von der 'säugenden tochter', von Kretschmer . . . 1Ö1
Copulative eigennamen, von Bichard MMeyer
Zum rhythmus Ganymed und Helena, von Praechter 169
Chatti und Hessen, von Möller
Heinrich von Hesler, von Schröder . . 1V|>
Das lied des Möringers, von dems
Über Dietrichs erste ausfahrt, von Lunzer (vgl. Anz. s. 395) .... 193
Zu Moriz von Craon, von Schröder
Erek und Lanzelet, von Gruhn
Wülpenwert und Wülpensand, von Schröder
Büdiger von Bechlaren und die Harlungensage, von Maltbaei . .
Lückenbüfser : Zum Guten Gerhard, von Schröder ...
Die heimat der altsächsischen Bibeldichtung, von Wrede
Steigerung und häufung der allitteration in der westgermanischen dich-
lung, von Schröder »61
i. Die anwendung alliterierender nominalcomposita ...
Die herkunft Erasmus Albers, von frhrn Schenk zu Schweinsberg
Zu Ebernands Heinrich und Kunigunde, von Jellinek . .
'Christi geburt' v. 88 ff, von dems
DIE SPRACHE DER NAMEN DES ALTESTEN
SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCHES.
Das älteste verbriideruügsbuch des Stiftes SPeter in Salzburg
ist als original erhalten und ligt in zwei ausgaben vor; die erste
veranstaltete ThC.vKarajan,\Vien 1652, die zweite besorgt SHerzberg-
Fränkel für die Monuraenta Gerraaniae (Necrologia n 1 , 1890).
die beschreibung der hs. gibt Karajan einleitung s. vf. in dem
puncte, der bei der ausgäbe eines solchen denkmals am meisten
ins gewicht fällt, in der bestimmuog der zeit einer eintragung
und in der absonderung der einzelnen Schreiber von einander,
war der erste herausgeber nicht glücklich; Herzberg-Fränkel hat
das in einer sehr lesenswerten abhandlung im IV'euen arch. d.
ges. f. alt. deutsche geschichtskunde (1857) 12, 53 ff nachgewiesen
und vüüig von neuem die Scheidung der bände und die zeitliche
bestimmuog der eintragungen vorgenommen, danach ist das ver-
brüderungsbuch im j. 784 angelegt worden; der erste Schreiber
war nur in diesem jähre tätig und hatte nur namen zu ver-
zeichnen, deren träger dem bairisch-salzburgischeu kircheubezirk
angehörten, die fortsetzer hielten sich fast gar nicht mehr an
die einteilung, welche der erste Schreiber geschaffen halte, so
viel namen wie dieser hat auch kein späterer eingetragen : der
grundsteck umfasst nahezu 900 deutsche namen, darunter etwa
175 weibliche, die mehrzahl der spätem Schreiber, bei denen
sich nicht mehr die örtliche bescbränkung in der aufnähme der
namen zeigt, wie beim ersten, war vom ende der SO er jähre de^
8 jhs. bis zum 3 Jahrzehnt des 9 jhs. tatig; einige lassen sich
aus der 2 haltte des 9 jhs. nachweisen, im 10 jb. sind die ein-
tragungen nur spurenweise zu finden.
Die neue ausgäbe lässt die namen aus der band des ersten
Schreibers durch corpusdruck hervortreten, ein steru bezeichnet,
dass ein neuer Schreiber beginnt, s. 4f sind jene uamenlisten
zusammengestellt, die vom herausgeber je einem Schreiber zu-
gewiesen werden; wo sich eine zeitliche bestiminuug der eiu-
Z. F. D. A. XLIII. N. F. XXXI.
2 SCHATZ
tragungen treffen liefs, hat der herausgeher es angemerkt
(8. 8/9. 9. 10 uaa.); nieine arbeit stützt sich ganz auf die vor-
arbeiten Herzberg- Fränkels.
An der spitze jedes abschnittes sind die lautlichen Verhält-
nisse, die sich beim ersten Schreiber finden, genau dargestellt;
seine spräche verdient diese Sonderstellung, da das Salzburger
verbrüderungsbuch das älteste bairische original ist, das uns er-
halten geblieben ist.
Vocalismus der Stammsilben in uamen des ersten
Schreibers.
Umlaut des a. nur wenige namen weisen die Schreibung
des umlauts auf; das Verhältnis des nicht umgelauteten a zum um-
gelauteten e, ae, ce, e ist 11 : 1. die namen mit bezeichnetem
umlaute sind folgende : Aediram 11, 11. Elizo 43, 39. JEgino
44,20. Reginhoh 58, 192. Tepizo 58, 37. Regindnid 70 , 4.
Meginhilt 70, 9. Reginfrid 71, 15. Egiolf 83, 182. Eginolf 83, 28.
Hreginni 95, 3. JEgina 96, 12. von diesen erweist sich Elizo
43, 39 als späterer zusatz des Schreibers, wie man aus der der
ausgäbe beigegebenen abbildung deutlich erkennt: sp. 42 und 43
enden in gleicher tiefe, Elizo ist auch weiter rechts eingesetzt
als die andern namen der spalte, welche alle genau untereinander
stehn. zu Reginhoh 58, 192 merkt der herausgeber an: 'a prima
manu scriptum sed fortasse add.' eine reihe von namen in dieser
spalte sind spätere zusälze des 1 Schreibers (auch Enzolo 58, 342).
Die namen mit e in den sp. 70 und 71 , in welchen die
verstorbenen nonnen verzeichnet erscheinen, fass ich als nach-
gebessert auf; ursprünglich stand einfaches e, das a wurde nach-
träglich übergeschrieben, in der absieht die nicht umgelautete form
herzustellen, eine derartige regelung zeigt Agihilt 97, 9, wobei
der herausgeber 'corr. ex Egihilf anmerkt. % ist vom Schreiber
nur zur bezeichnung des aus ai entstandenen e verwendet wor-
den, anfechten liefse sich allenfalls noch Mgino 44, 20% man
vgl. die abbildung, dann Eginolf 83,28, das der letzte name
dieser spalte von der band des ersten Schreibers ist, und Egiolf
83, 182, das an zweiter stelle steht, zu Tepizo 58, 37 ist Tapizo
76, 38 zu vergleichen.
Zweierlei lässt sich aus den vorgeführten namen abnehmen :
einmal kannte der Schreiber den umlaut und seine bezeichnung
(e, ae), dann vermied er es, ihn zu schreiben; die änderung
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBl CH
Agihilt aus Egihilt zeigt deutlich, dass a statt des umlaul
Schreibweise gemäfs war und dass er es überall durcbgi
haben wollte, aus den vereinzelten bezeichnungen des umlautet
ergibt sich, dass dieser, wie er in der spräche gesprochru wurde,
auch der Orthographie nicht mehr fremd war. die ältere Beitreibung
ist hier bewust durchgeführt.
Das aus ai entstandene ahd. F ist in den stammen gSr und
er- belegt; sicher gehört hierher auch Aeuo 9, 15, s. Förstemano
i 392f; geschrieben findet sich kaer- 10 mal, aer- 2, -kaer 11,
-gaer 8, kqr- 2, -ker 1, ker- 3, er- 1, -ker 4, -ger 1, ker- 1,
ker- 6, -ger 2, also im ganzen ae 32, e 9, e 3, e 9 mal, und
zwar in der Stellung als erstes glied ae 13, e 4, e 2, e 1, als
zweites glied ae 19, e 5, e 1 , e 8. eine genauere Scheidung
der Schreibungen nach ihrer Verwendung lässt sich nicht durch-
führen; möglich ist es, dass er einer nachbesserung zuzuschreiben
ist und also aus er durch darüberschreibung iU'* a ein aer her-
gestellt werden sollte — unter den 19 fällen mit alleiniger
Schreibung ae von spalte 79 — 97 steht Kerrod 82,26, die an-
dern e stehn von sp. 63 an. in sp. 70, 2 steht Kerlind, hier ist
e auch als umlautsbezeichnung verwendet, s. üben, es erhellt
übrigens deutlich, dass e im schreibgebrauch noch entschieden
vom e getrennt gehalten wird. Hrodker 26,28 und Eerman
58, 102 sind in der ausgäbe als Zusätze bezeichnet.
Das aus au entstehnde ö iindet sich im ersten gliede bei
diesem Schreiber 4 mal als au : Audo 42, 28. Auto 74, 8. Mm
76,17. Cauzo 76,29, dagegen als ao in caoz- ISmal, in aot- 15,
aostar- 7, aon- 4, Craos 1, Maoricho 1; diesen 40 au steht im
ersten gliede nur einmal Sconhari 20,2 zur seite; im zweiten
namengliede steht -gaoz 4, -caoz 9, -/mos 1 mal gegen -yos 3,
-eoz 2 (IfcAo* 20, 19. Richoz 78, 17, vgl. ifcAooa 79, 11, in
Perhtcoz 30,30 ist o über o geschrieben, wol ebenso eine nach-
besserung wie Caozharih 30,29, wo statt -hari rih
werden sollte), ferner -holt 4, -ÄdÄ 1, -hooeh Imal; es zeigt
dass im zweiten wortgliede o nichts ungewöhnliches i-:
14 paoz (c-, *-) kommen 9 0 in -</oi ic-) 5 und -ÄOÄ I
und dazu noch je ein 6, oo. ich glaube, es ist zu bi ai nten,
das einzige o im ersten gliede in Sconhari in einem stammt
treten ist, der von dieser band sonst nicht vorkommt, d
der hier nur als zweites glied auftretende stamm -höh i
i*
4 SCHATZ
ao geschrieben sich findet, dagegen aber je einmal mit 6, oo,
bezeichnungen, welche für diesen laut sonst nie verwendet er-
scheinen, die regelmäfsig durchgeführte bezeichnung ist ao, im
zweiten gliede machen sich einige o geltend, von denen die hälfte
auf den stamm höh kommen, die 4 au weisen ebenso auf eine
frühere periode zurück, wie die o auf die sich bahn brechende
neuem ng.
Das alte ai erscheint nur einmal sicher als ei in Comaleih
11, 13, sonst kennt dieser Schreiber nur ai; Zeizo 43, 302 und
58, 22 sind vom herausgeber als zusätze bezeichnet; vgl. die
namen Teotlaih 26, 31. Hugilaih, Tutlaih 75, 3. 7, dann Sigihaid
34, 2. Teotlaip 71, 13. Cholduuaih 96, 16. Inguaid 96, 2. Mi-
mistain 81, 16; im ganzen stehn dem einen ei in Comaleih 35 ai
gegenüber.
Die Schreibung des alten o ist regelmäfsig o, daneben kommen
vor oo, 6, u, uo; neben 13 odal- zeigt sich einmal Udalhart 29,23
im Verzeichnis der lebenden bischöfe; neben 28 hrod-, 10 rod-
und 2 -rod (Suaprod 43, 1. iCerrod 82, 26) erscheinen Hruod-
suind 94, 34. Rruodßdt 94» 35 und Ruodhart 11,37. — zu den
erstem fällen gehören auch die zusätze Hrodker 26, 282 und
Hrodkart 58, 39. für die formen To. to 10, 31. Tooto 26, 38.
Toto 77, 2. Toto 80, 4. Tota 94, 9. 97, 2. Totti 95, 6 ist sicher
ö anzusetzen, vgl. die belege bei Förstemann i 339, bei Piper1
s. 518 Tuata, Tuato, Tuota, Tuoto (dazu s. 517 Tota und Toto);
daneben hat das verbrüderungsbuch von der band des ersten
Schreibers Tutilo 73, 2 und Tutlaih 75, 7, beide namen gehören
sicher zum stamme tot-, vgl. bei Piper Tuotilo ii 50, 33 als name
eines SGaller mönches, s. 517 Totila, und für Tutlaih, dessen
erste silbe lang sein muss, den namen eines Weifsenburger
mönches Totleib i 211, 6. zur erklärung des Stammes s. Brückner
Sprache der Langob. s. 94, der tuot- zu ahd. tuom stellt und
anderseits Wrede Ostgoten s. 120. — langes o ligt vor ferner in
Oto 27, 3. 78, 18. Öta 96, 17. Ötilo 78, 19. Özilo 75, 32.
Otilo 62,27 und 73,39; ao dieser stelle hat es der Schreiber
für Aozalo eingesetzt ('corr. ex Aozalo' merkt die ausgäbe an),
woraus zu ersehen ist, dass mit o ein andrer laut bezeichnet
werden sollte als mit ao, denn sonst wäre ao gewis stehn ge-
1 Libri confraternitalum ... ed. PPiper 1884 (Mon. Germ.).
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCII 5
blieben; belege für den stamm finden sich bei Förstemann
i 1209f, bei Piper s. 519 Uata, Uato, s. 521 Uota, Uoto in reicher
anzahl, es ist also sicher altes ö vorhanden, die in den Frei-
singer Urkunden vorkommenden namen mit oat haben nicht aus-
sondern od- als grundform, sie sind von Wagner Namen der
Freisinger Urkunden s. 57 f verzeichnet und danach als Schrei-
bungen oa für ao beurteilt, s. Wüllner Hraban. glossar s. 83 und
und Braune Ahd. gr.2 § 45, 2. es sind folgende : Oatiloni 2 mal
v. j. 747, in derselben Urkunde Hroadolti, Hrodeo, Goalfridi;
Cozrati. 758 Oato und Poatilinpah , in diesen fällen ist oa un-
zweifelhaft Vertreter des alten ö; 769 Oatachar neben Bauzano
(Bozen); 770 Oatlant neben Oadalhart, Odalperhti und Cozzo ;
794 Oathareshusir neben Toato und Cozmar; 804 Oatperht neben
Otperhto, Otlant, Totinhusir, Tuti, Hrodmunt, Hroadperht] dazu
seien erwähnt 791 Oazo 3 mal und 809 Oato. vergleicht man
diese neben einander stehenden Schreibungen, so lässt sich daraus
nur schliefsen, dass den oaf-formen altes o zukommt, unmöglich
ist es nicht, dass Oatachar, Oatlant, Oathares-, Oatperht ver-
schreibungen für ao sind, wie Braune es auffasst. zweifelhaft
bleiben Utto 30, 22. 73, 37. 78, 30. 79, 18. 20; Uto 76, 19.
die Schreibung mit u ist zu häufig, als dass man ohne weiteres
annehmen könnte, es vertrete hier altes ö; Piper hat s. 521 I
101 Uto (Üto, Vto), und 12 Vtto (Utto) gegen 61 Uato, Uoto
s. 519. 521. wenn es nicht ein verbreiteter schreibgebrauch ist,
dass hier für ö einfach u geschrieben wurde, so lässt sich nur
ein stamm ut- aufstellen, da ut (im ablaut zu öt- aus aud-) zu
ot- hätte werden müssen, neben Puoso 73,9. 74, 2m kommt
Posso 76, 3 vor, zur lautform des nameus vgl. Henning Ruoen-
denkmäler s. 82. nur uo zeigt der stamm guot in CuololfTi. '■
Cuotfrid 58,5; nur o haben die namen Popo 82,
76, 21. Bouo 82, 13. Alchmod 77, 11. Climot 95, 7.
58, 31. Keparoh 82, 7. Ogo 36, 2 (vgl. bei Piper Oago
Uago s. 518. Uogo s. 521, im Salzb. verbrüderungsbucl
einem spätem Schreiber Uogo 49, 93. 18, 21, weitere
Förstemann i 751). Pöto 79, 19 {Puato, Puoto I
Uuicpot 11,2 (Wicpuot Piper n 103, 11, üame i
aicber mönches, Hadubuot bei Kossinna 8.
(Zuazo Piper s. 537), vgl. Wrede OstgoteD - 135.
wage ich nicht zu beurteilen.
6 SCHATZ
Im zweiten gliede tritt nur o auf : -rod, -mod, -mot, -roh, -pot
im ganzen 7 mal; im ersten zeigt sich 62 mal o geschrieben,
8 mal 6, 9 mal m, wenn utto, uto mitgezählt wird, 7 mal uo und
2 mal oo (to . to, tooto).
Vocalismus der nebentonigen silben.
i und j der ableitung sind erhalten, vgl. im ersten glied:
Sigifrid 77, 1. Suniperht 43, 28. Munigis 74,28. Mimistain
81, 16. Pilidruth 62, 232. Aediram 11,11. Hugilaih 75, 3. Chuni-
hard 31, 1. Hartman 26, 9. Uuarimunt 44, 16. Gauuiperht 27, 12.
üauuirih 74,25. ifo'/mr/ 44,3. Agirih 11,40. Hiltimunt 11,21.
Aligund 96, 35. Uuillirat 81, 7. Frauigis 78, 25. Jüfartoft 76, 13.
Altigund 97, 12. %*0Z/ 83, 18; aber JfrftoZ/ 44, 26. Mfo//"
58, 6. Haliduni 76, 6. Raginpald 82, 18. Maginraat 80,27.
Uuinidhari 11,5. Agishari 82,9. mit langer Stammsilbe Aigü
10, 7. Angilfrid 75, 15. Uuantilperht 42, 24. Irmingaer 11, 37. —
im auslaut des zweiten gliedes ist i in jo-stämmen erhalten, zb.
Kisalhari 79, 34. Hrehtuuili 11, 1. Lantuuari 81, 31, sonst aber
fehlt es zb. Suanahilt 62, l2. Cotadiu 35, 2. Akiuuiz 71, 1.
Nebentoniges m ist geblieben zb. Fridugoz 58, 37. Hadu-
perht 82, 30. Patufrid 11, 25. Uuisnrih 63, 14, sü/i- zeigt also,
dass es schon früh zur belasse übergetreten ist. unter allen
Salzburger namen mit sigi- ist nur Siguuualh 2, 23 (am ende
des 9 jhs. eingetragen) mit u vorhanden, das hier durch das
folgende mm entstanden ist. vgl. auch Pipers index s. 507, dazu
Wrede Ostgoten s. 85. a der nebensilben tritt auf in Comaleih
11, 13. Suanahilt 62, l2. Tagaperht 73, 31. Aarahad 68, 1.
Alarih 81, 33. Peraharl 75, 37. Keparoh 82, 7 (Peradeo 81, 22.
Kepahart 82, 15. 83, 12. Kepadrud 96, 39). uach langer Stamm-
silbe und im auslaut des zweiten gliedes ist a wie u und stamm-
haftes i verloren; für inlaut. nebentoniges a bieten folg. stamme
belege : Uuolchanhart 30, 28. Erchanperht 9, 25. Isanperht 26, 6.
Uuldarhilt 96, 34. Aostarperht 10, 13. Sundargaer 79, 10. Madal-
gaoz 42, 29. Mahalcaoz 80, 11. Rapanolf 79, 23. Kaganhart
79, 32. Camalperht 81, 12. Amalgaer 14, 1. iwiaZ 83, 18. OcZaZ-
#aer 9, 12; neben regelmäßigem arfaZ- kommt vor Adolo 74, 16.
76, 25. Adolunc 80, 33. Adolgaoz 11, 35. ir/oZum' 58, 40 (Ada-
luni 58, 352). Podal 78, 24 neben Podulunc 73,38. 76,24.
neben Epar- Epor 81, 4. £poro 82, 17. Gundulmar 43, 3. CWi-
dMZ^erZrt 80, 17. 81, 1. 82,39. 83, 16, aber Gnndalperht 73, 18.
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 7
Gundalmar 58, 13. neben Kisalhart 79, 4. -hari 79, 34. -frid
75,9. 14. -drud 97,3 steht Kislolf 10,8.74,2.79,15 (Kyslarios
42,1), verschrieben ist Kislahart 82, 37; neben ios/ar- Aostrolf
73, 40; zu Lopolf 58, 20 vgl. man bair. Lopadeo bei Forstemann
i 879. Cotaperht 73,3. -örtid 95,10. Cotoperht 78,31. -ttuar
94,32. 95, 18 {Cotuuar 94,7 ist, wenn es langes ö hat, regelrecht),
dazu Cotoni 78, 18. 19 männlich, Cot ani 96, 172 weiblich. Aloholj
79, 232 gegen Alchmod 77, 11, Uualahin 71,4. 96,26; sicher
zu trennen ist davon Uualahari 42, 17.21. 82,28 (uuala-).
In der Schreibung des vocalismus stellen sich die
spätem eintragungen folgendermafsen dar : von den im
8 jh. (nach angäbe des herausgebers) eingetragenen namen zeigen
die vom Schreiber der reihe 12, 7 verzeichneten 3 mal den um-
laut : Engilperht, Fendio, Pernheri, nie a; dann o für au in Adal-
hoh, Chunihoh; für ö Hroddrud, Oto; 1 mal Hailrat. sp. 14 stehn
die namen der mönche von SAmand; es findet sich kein fall des
umlautes gegen 8 a; 2 hart-, 6 -hari; nur ae : Harigaer, Friskaer,
Kaerperht; nur ao : Kaoz, Helmgaoz. 46, 9P finden sich 4 a:
Kqrhari, Uuolfhari, Rumhari, Frauuilo, 4 e: Chüniheri, Engil-
pald, Regingaoz, Alpheri und 1 ei in Eigino; 2 ae, 1 e, 1 e; A ao:
Aotperht, Alhcaoz, Adalhaoh, Regingaoz gegen 3 o : Morolf,
Chunihoh, Kepahoh; für o 3 o und 7 d; 2 aiiLaipuni, Kailo,
3 ei : Heilrat, Peinunk, Eigilperht l.
Von namenlisten, die Herzberg datiert, seien aus den mit
8/9 bezeichneten folgende erwähnt : 34, 25 = 70, 25 enthält eine
reihe weiblicher namen mit recht altertümlichem lautstand; 8 a:
Uuantilpurc, Franchin, Raginhilt, Hahlpurc, Maginpirc, Haliduuar,
Sacgila, Acgiuuiz und 2 e : Ellianpurc, Kasellia; für das neue ö
finden sich 5 ao im stamme aot-; für alles ö 9 o; kein ei gegen
3 oi in laidrat, Aothaid, Madalhaid; nur 1 mal belegt ist i
Gaemi. die beiden umlaute stehn 70,25; nach Karajan boII
34, 25f nach 840 eingetragen sein, dagegen 70, 25 f um 780,
beide von verschiedenen Schreibern natürlich, die unmftglichkeil
dieses ansatzes erhellt auch aus sprachlichen gründen, und biei
1 unter den namen dieser eintragung findet sich 4(1, 33 loh
m. man hat ansprechend vermutet, dass hier der name
des Verbrüderungsbuches vorliege, weil sp. 46 bald nach
grundstockes entstand und unter allen namen keiner den beisaU scrib
weist (Herzberg N. arch. 12, 75).
8 SCHATZ
wie oft, wo Herzberg in der zeitlichen festsetzung der ein-
tragungen von Karajan abweicht, zeigt sich die verlässlichkeit der
neuen ausgäbe auch von sprachlicher seite. in bischof Arnos
zeit, vgl. N. archiv 12, 91 f zu 73,16, setzt Herzberg die grofse
eintraguog 66, 16 = 67, 1 = 68, 8. sie zeigt 4 a : Hariolf,
Chunihari, Raginheri, Kauuiperht (Arpeo) gegen 13 e; für e uur
e 4 mal; 3 ao : Aotpald, Adalgaoz, Caozheri gegen 1 o in Ascoz;
für altes o nur o 9 mal; für ai 2 ei: Hiltistein, Heimperth.
85, 34 f zeigt 3 e gegen 5 a : Reginhelm, Irminheri, Meginhari,
Erchanhari, Hariprant, Uuolfhari, Alyan; dann Haimperht, Hilti-
kiaer. bei den 15 namen 43, 40 f stehn 2 e : Elingo, Engüpald
gegen 4 a : Raginpald, Casticho, Uuillihari, Maginperht; 1 ao in
Eparhaoh; 1 Ö in Hrodhart. 84, 382 kommen vor Cundhari,
Raginolt, Agilfrit, Isanger, Keparoh. 81, 43 Aengilgaer, Kaemuant,
Kozbald, Odalpald. 12, 25 f fylanuuolf , Ellanperht, Reginhelm,,
Sconheri; für He; für altes au 1 o; für ö 2 o (Poso); dann
Ödalgher, Hartnud (vgl. Kernod 66, 16. 68, 12), Zeizrih. 103, 1
Erphari (Erph-hari), Raginbertus, Frauuilo gegen 13 heri und
Reginolf; für e nur e; 2 ao : Caozpald, Kaozpald, 3 o; für ö 9 o
und 4 oo : Oodalheri, Tooto, Toozo, Poopi; nur noch ei. 103, 40
kennt aufser Arpeo, Ampriho, Hamminc nur e, 39 mal, darunter
2 mal Teuit, das auch 34,38 und 40,9 in dieser form auftritt,
während der älteste teil nur Dauid 10,6 kennt, für neues e
wird ausschliefslich e verwendet, ebenso in Üuelant, für neues 5
nur o, für altes ö 9 o, 1 oo, 5 wo, 5 om (Owfo, oudal-), 1 <Wa/-,
m in Hrudhelm vielleicht auch in Rupo s. Forstemann i 1062.
1064; nur ei.
Man sieht, wie sich in der Schreibung des vocalismus die
neuerungen durchringen; die fälle mit nicht umgelautetem a
werden seltener, anstatt ae wird für e e gesetzt, ai verschwindet
und nur o für ö bleibt herschend. wo sich also in namenver-
zeichnissen, für welche die ausgäbe keine Zeitbestimmung ent-
hält, a, ai, ae und ao zeigen (dieses hält sich am längsten), kann
die eintragung nur in die zeit bis 800 verlegt werden. 35, 6 f
findet sich Agilpurc. Angilperht. Aginolf. Raginni, kein e; Hilti-
gaoz. Caozperht, kein o; Ilismot; 35,73f Allansuid. Raginsuid.
Angilman. Aella; Haohni. Mahalcoz; Ulo; Raitun, Kaila; — 4b,Qf
Danchilo. Ragenpald; Aeuo. Hartkaer gegen 3 ker, beleg für neues
ö fehlt; Hrodker. Roso; Ainhart; 83,35 Raginperht; Haohuni;
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 9
Uualthaid; 84,3* Harimöt. Kqruuantil, Ali.., Angilpald, Kysal-
hari; 2 ker, 1 ker; 2 höh; 1 hrod (Aio); 84, 33 Rihari. Rodunc.
Comalaih (für die Verwendbarkeit so kleiner eintragungen vgl. die
in der ausgäbe ins 8 jh. gestellte eintragung der drei nameD
Mimistain, üuillihari, Zuzo 44, 39 — 41). 89, 12 kennt den um-
laut, 1 ao und 1 o, für altes ö 2 oa, Oatilo, Röacheri und 3 u,
2 Tutti, Tuto; Haimo. 87, 32 Uuinidhaeri. Haerimunt. Zaeizheri;
Kaozhilt. Aotuni; Trogo. Rodmar.
Eine reihe kleinerer namenverzeicbnisse, die in der ausgäbe
mit 8/9 bezeichnet sind, also aus paläographischen gründen nicht
viel über 800 hinaus versetzt werden können, zeigen, wo über-
haupt belege vorhanden sind, in den umlautsfällen e, für neues
e e, für ai ei, für altes o herscht o vor, daneben manchmal wo,
vereinzelt ist oa; 36, 19 (8/9) stehn nebeneinander Zuozo. Mo-
tilo. Oadalger. Oadalhilt. Tuata; Engil. Arpio; Aota. beim Schreiber
von 8 , 10 f, dessen tätigkeit sich nach Herzbergs bestimmung
N. arch. 12, 85 über ein Jahrzehnt bis 830 verfolgen lässt, findet
sich der umlaut, e für e, 2 ao neben 6 o, für altes ff 4 o, 8 wo,
2 ao, Aodil, Aodalgoz. — 48, 19 f (anfang des 9 jhs.) findet sich
umlauts-e und 3 mal ei'. Eillanperht. Eillanhilt. Eillanmuot 72, 372-4;
5 ao gegen 3 o; 2 o und 5 uo; 1 ai (Mimistain) gegen 4 ei. —
ao für neues ff kommen, teils ausschliefslich, teils neben o vor
bei den Schreibern von 79, 62. 86, 252. 59,23. 16,7. 34, 324.
36,14. 70,13. 36,37. 33,4. bei diesen eintragungen mit ao
zeigen 16, 7 und 36, 37 für neues e die Schreibung ae, 86, 25"
2 mal e, die übrigen nichts, was auf die Verhältnisse des 8 jhs.
zurückweist. — 20, 1 (noch unter Arno eingetragen) hat Odalgaer
neben Kerhart als einzige altertümlichkeit, sonst je zwei o. —
34, 37 f (9) Kaerhoh neben Nidcer, Adaiger 2, sonst nur o und
ei. — 37, 2*f (8/9) hat für den umlaut 2 ae, 2 a, de, für e 2 e,
für neues ö o, für altes o 4 o, 1 Uoto. — 50,13 (8.9) weist den
umlaut auf, für e, o nur e, o für altes ö, 3 ff, 1 uoto. — für altes
ff zeigt 69,9 (9) Ogo neben Ruodpreht; 61, l2 (9) Nuoto g
9 o; 72,42 (9) 1 uo, l 6, 2 o; 49, 31 f (2 haltte des 9 jhs.)
I o, 1 uo, 1 u; 41, 232 (nach 850) 5 uo gegen 3 o;
(ende des 9 jhs.) 1 o, 1 uo, 1 u. späte eintragungen (9/
schreiben altes ff mit o 52, 213, o, 3 u 84,1, out, out ."
o 86, 153, 3 m 87, l2. neues e und ff sind durchwegs mil
bezeichnet.
10 SCHATZ
So ergibt sich, dass in diesen aufzeichnungen im vocalismus
zuerst a dem umlauts-e weicht, mindestens gleichzeitig damit ai
dem ei (bei einigen Schreibern kommen gar keine namen mit
diesem diphthong vor); dann folgt e, für das ae, q im an-
fange des 9 jhs. nur mehr selten ist und bald aufser gebrauch
kommt; etwas länger erscheint ao, bald allein, bald neben o, und
am längsten hält sich o für altes o : erst in der 2 hälfte des
9 jhs. überwiegt die bezeichnung uo, früh schon sieht man 6,
also ein unterscheidendes zeichen über o verwendet, vereinzelt
ist o in früherer zeit, oa finde ich 6 mal im ganzen : 36, 19
Oadalger, 22 Oadalhilt, 38, 1 Oadilolf, Oadaluuih, 89, 19 Röacheri,
20 Oatilo, je 2 bei einem Schreiber, sämtlich um etwa 800 ein-
getragen, oo für neues ö hat der Schreiber von 17, 3 (8/9 — 9)
in Coozperht, Noothart 17,7.9, für altes ö 103,1 in Oodalheri
103,10 Tooto, Toozo, Poopi 106,3. II3. 18 (gegen 8 o).
Mit ausnähme des Zeichens e, das ich als doppelschreibung,
nachtragung des a zum e (ae), beurteilen zu können glaube,
finden sich alle vocalzeichen der ersten hand in späteren ein-
tragungen wider, alle die merkmale, an denen wir die ältesten
ahd. texte zu erkennen gewohnt sind, treffen wir beim ersten
schreiber als regel; die soeben dargelegte Weiterbildung der
vocalzeichen bei den spätem namenlisten lässt, wenn man sich
allgemein ausdrücken darf, die Schreibung der vocale wie ein
grundriss erkennen, es ist Salzburger Orthographie, dass diese
bezeichnung berechtigt ist, ergibt sich aus der vergleichung der
namen der bairischen klöster Monsee, Chiemsee, Mattsee, Metten,
(Nieder-)Altaich, die in das Reichenauer verbrüderungsbuch auf-
nähme gefunden haben (Piper s. 184 f. n 98 f). diese eintragungen
dürfen zur ermittluug der Schreibweise in den bairischen klöslern
verwertet werden, sie sind von den Schreibern a und ß ver-
zeichnet, die nach Pipers vorrede s. 148 im zweiten und dritten
Jahrzehnt des 9 jhs. (a) und um 830 (ß) schrieben, die getreue
widergabe der bairischen namen erkennt man sofort, wenn man
die eintragungen der SGaller und Reichenauer namen zum ver-
gleiche heranzieht, in dem Verzeichnis der lebenden SGaller
mönche s. 148 f. n 43 — 46, das von a herrührt (vgl. s. 168 unten
gegen s. 148), sind folgende vocalschreibungen zu beobachten:
der umlaut ist mit ausnähme von Maginhoh 43,25 und Wtnidharius
46, 30 (Lallinc 45, 16?) vollständig durchgedrungen und durch
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 11
e bezeichnet; für neues e stehn 10 e gegen 5 ae (nur -gaer als
zweites glied); für neues ö kommt nur o vor; für altes ö wird
14 mal ua verwendet, 3 mal o : Hrodolf, Theotoroh, Ralpot 43, 8.
II. 16; ein beleg für ei fehlt, bezüglich der b-, jp-schreibung
sei erwähnt, dass anlautend 1 B gegen 7 P steht, inlautend 18 b
gegen 12 p (1 -pot, 4 -pold, 7 -pret). a trug auch die namen
der SGaller verstorbenen ein, n 52 — 53: derumlaut ist herschend;
e erscheint 3 mal in -gaer; für ö sind die altertümlichen namens-
formen Autegarius 53, 13 und Audomar 52, 1 (abt 720—59) vor-
handen, sonst nur o; altes ö tritt 4 mal als ua auf, 2 mal als «,
Gutfrido 52, 18. Zuzo 53, 18 und als o in Bosilinus 53, 33;
1 mal ej in Zeizmuat 52,25. p zeigt sich nur anlautend, 4 mal
gegen 1 b, inlautend ist nur b geschrieben, 10 mal.
a hat ferner die namen der toten Reichenauer n 24 — 28
eingeschrieben : für den umlaut e, für e e, für neues ü o, für
altes o 6 ua, 5 o, 2 u. im anlaut 4 p, 5 b, inlautend 1 p, 14 b.
die namen der lebenden Reichenauer stammen von ß : e be-
zeichnet den umlaut und e, o neues ö, für altes ö 9 ua, 1 u;
5 mal ei. 21 b gegen 3 -j?o/rf. diese lautverhältnisse weichen
von den bekannten hochalemannischen dieser zeit nicht ab. da-
gegen halte man nun der reihe nach die bairischen namen:
1) Monsee, Piper s. 187 von «. Raginpert 107, 12. Ragin-
heim 107, 22. Machlari 108, 15. Agino 108, 2. Willihaere 107, 9.
Heripert 107, 5. Meginheri 107, 20; also 4 a, 3 e, 1 ae. Ärt?ro/(,
Keruni (so les ich für ÄTerum 107, 38) gegen Hrodhgaer 107, 13.
Waldgaer 107, 36. für neues ö 1 mal Perfcoz 107, 35. altes ö
5 mal als o, 2 mal (Ruad-) ua, 1 mal «. 3 ei und 1 aei (Zaeizzo).
13 i>, 4 &, Wolfbert 107, 16. 108, 8. Gundberl, Albgis 108, 1. 5.
2) Chiemsee, Piper s. 191 von «. Orlhari 124, 4. Hrodhari
124, 9. Fftm/ipa^ 124, 16. Haribert 124, 18. Haripert 124, 31.
Angilrat 124, 34. Reginhari 124, 21. Reginberht 124, 5. HVm'/o
125, 14. Reginhelm 125,33; also 7 o, 4 e. Pertgaer 124, 19.
keruni 125, 9. Gerbald 124, 38. Helmgaoz 124, 25; für altes ö
ua lmal (ßuad.), o 8mal; Orllaip 124, 20. 125, 3. Laipioart
124, 24. (^'o 124, 32. Mainperl 124, 37). Mimistein 12 1
15 p und 8 &.
3) Mallsee, Piper s. 188 von ß. 7 e und 3 o, MzrinperAi
III, 11. Liuthari 111, 25. Angilscalc 1 11, 28; für g 1 <\ ^a&7o
111, 26. Aolbert 111, 34. .4dafcos 112. 7. ÄodpaW 112, 14. Ootto
112, 20. Coatfrid 112, 3. Ruadbold 111, 30. /uro 111, 15.
/Wd 111,3. tfa/do//- 111,37. Welanti 111,9. fFWanl 111.
8 p darunter Eparolt, Alpoll, 7 b.
12 SCHATZ
4) Metten, Piper s. 189 n 115—118 von ß 119 von «. für
den umlaut stellt e und 6 mal (ß) ae; für e 6 e gegen 5 ~gaer\
neues ö ist nur durch ao vertreten 8 mal; altes ö durch 15 o, 3 ua,
1 u (Ruadgaoz 116, 20 -pulo 110, 23 -bert 116, 31. Tulo 115, 19).
Haipo 117, 1 gegen 4 ei; a liat nur p. ß 40 p und 8 & (6 -oert
gegen 16 -bert). Kebahart 117, 15 aber Rapanolf, Liupilo 117, 21.
25. llbunc 116, 13 ß, aber //punc 119, 16 a.
5) Kiederaltaich, Piper s. 184 f, sp. 98 — 104 von a. der
umlaut ist durch e bezeichnet, cc steht in Pulharius 98, 8. Angel-
berlus 101, 24. ^o/no 98, 28 (gegen Egino 100, 18. 32). Wini-
harius 101, 28. Awigaoz 101, 33; 2 mal ae in Aengilmot 99, 22.
Wallhaeri 102, 38; für e 10« und 4 ae (2 -oaer und Aerih 101, 1.
Kcerharl 99, 7); für neues ö 14 ao, 1 oo, 5 o; für altes o 14 o, 2 «,
2 uo, 1 ua; nur ei; p • b = 2 : 1.
Die bairischen namen zeigen also im vergleich mit den
alem., wie sie a und ß eingetragen haben, die besonderen kenn-
zeichen ihrer heimat; die beiden Schreiber schonten die spräche
der ihnen vorliegenden namen. um einen kennzeichnenden über-
blick zu gewinnen, halte man die lautverhältnisse alle zusammen ;
beim umlaut verhält sich e : a wie 2:1; e: ae wie 4:1; ei : ai
wie 2:1 (im ganzen 2 aei, ei: aei =11:2); für e verhält sich
ae : e wie 3:4; ao : o = 3 : 1 ; für altes o sind 44 o, 4 u (Tuto,
Uto, Znzo, Usso), 2 uo, 1 oa, 1 oo belegt; die 7 ua fallen den
alem. Schreibern zur last, das Verhältnis von p : b ist nahezu wie
3:1, in den angeführten namen aus SGallen und Reichenau aber
gerade umgekehrt, so spricht alles dafür, dass in diesen aus
Baiern stammenden namen die heimatliche Schreibung zum Vor-
schein kommt; sie bieten, schematisch genommen, genau dieselbe
entwicklung wie die eintragungen im Salzhurger vb., dessen
grundstock zeitlich wie in der Schreibweise an der spitze dieser
namen steht, zu einer schärferen Scheidung dieser bairischen
klöster bezüglich ihrer Schreibweise gelangt man aber nicht.
Der vocalismus der Freisinger Urkunden, die Wagner
1876 behandelt hat, weicht von dem des grundstockes im Salz-
burger vb. sowie von der allmählichen entwicklung, die sich nach
den vorgeführten erscheinungen beobachten lässt, recht erheblich
ab. 747—757 stehn neben 16 bezw. 12 a bereits 14 e, 758—772
neben 23 a schon 54 e; 773—804 32 a und 225 e und zwar
in den 14 Urkunden, welche a enthalten, 32 a gegen 82 e. für
neues e kommt nur 2 mal ae vor, 759 Haero, 770 Odalgaer, sonst
nur e, für neues ö verzeichnet Wagner s. 57 f 5 altertümliche
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 13
au, in einer Urkunde von 793 6 ao (gegen 1 o), 811 2 ao, 1 o.
die formen mit oat- sind oben s.5 besprochen worden, altes ö zeigt
sich bis 760 9 mal als o, 8 mal als oa, bis 780 ist das Verhältnis
48 o : 43 oa, bis 814 kommen 78 o, 68 oa vor; für ua ver-
zeichnet Wagner s. 55 f Huasuni (= Oasuni derselben Urkunde),
Suamperht, Chuanrat, Huasmot, für uo Hruodprant, Tuolpah.
Puoh. von 825 — 848 stehn 37 oa, 5 uo und 2 ua gegen 26 o
Wagner s. 56. für altes ai stehn bis 763 5 ai gegen 5 ei (752
2 ai, 1 ei, 763 1 a?\ 1 ei), bis 790 5 ai gegen 27 ei (nie neben-
einander), von da an herscht ei.
Die durchführung der Umlautsbezeichnung steht zu den er-
scheinungen der behandelten namen im gegensatz; diese haben,
wenigstens in der altern zeit, eine gewisse Vorliebe für a; ganz
dasselbe zeigt sich bei ai : hier festhalten an ai, in den Freisinger
namen vordringen des ei, das bereits zu einer zeit herschend ist,
in der in den früher behandelten namen ai noch häufiger ist als ei.
mehr als die regelmäfsige Schreibung e für neues e fällt auf, dass ao
so ganz aufserhalb des schreibgebrauchs der Freisinger Urkunden
steht, eine bezeichnung, die in den Salzburger namen noch im anfange
des 9 jhs. nicht selten ist und in früherer zeit herschend, wie noch in
den namen der behandelten bairischen klöster. altes ö wird in diesen
namen durchaus festgehalten, die vereinzelten diphthongierungen
zeigen uo und nur 7 oa; in den Freisinger namen ist o nur schwach
im Übergewicht gegen oa (bis 814 135 o und 119 oa).
Ein mittel zur genaueren kenntnis der Freisinger Schreibung bieten
auch die namen aus Kempten, Augsburg, Ellwangen, Feuchtwangen ;
sie umgeben und isolieren Freising, im SGaller vb. stehn Kemptener
namen bei Piper i 83 f = 202—203. für altes 5 ist nur ein beleg
vorhanden: Oadalfrid 203, 13, aber Uadalfrid geschrieben 84, 18;
die 204 f später eingetragenen namen zeigen Roadwig, Ruodger, Rodoll,
Adalnot, Ralpot 3, Ruodpret, Truako. die übrigen vocalzeichen sind
regelmäfsig umlauts-e, e, ei, o. beachtenswert ist, dass in der
frühesten eintragung 83 f = 202 f nur 3 b, Erlabold, Gerbold, Suabolt
gegen 17 p vorkommen, vgl. Liupman, Alpker , lladaprehl. eine
zweite namenreihe steht im Reichenauer vb., Piper u 1581
815—820 geschrieben, vgl. Pipers anm. s. 206. es ßndi
mäfsig umlauts-e, e, ei, o; für altes ö 1 ua, 1 uao, 3 uo. 2 o, 1
(30 p : 8 b). das dritte Verzeichnis stammt von ß, Pipern 1«J
4 o, 1 uo, 1 ua (20 p : 8 &).— namen aus Augsburg bei Piper
von a : 3 o, 1 uoa, 1 uo, 1 ua; e, o für neues t
aus Ellwangen, Piper i 111 T vgl. i 256 f : für a
man, Adalnoal, Ebarnoat, 4 o, Unroh, Odalger, H<m>"' ÜUo- l
14 SCHATZ
Einmuat, Ruadmar i 256 f, 2 oa, Oadalman, Einmoat, 5 o, 2 ua.
Piper ii 443 f, 3 uo, Adalmuol, Huodilman, Unruoh, 2 o, Ebarnot,
Keroh, 2 ua, Ruadmar, Ruadheri, 1 OMo. — aus Feuchtvvangen, Piper u
128 f von a : 1 Aerhart gegen 8 e, Aolhart, Aotmar, Aolhram, Ötolf,
Gerhoh, Goozberlus, Goozolf, Ootwin für altes ö 2 o, 3 oo, 2 «o,
1 wo; nur ei (3 p: 19 6). — in den namen aus Ottobeuren, Piper ii
418 f finden sich 3 Oadal- , 2 Uto , 3 Ruad-; zu beachten ist die
Schreibung ea in der eintragung 419, 8 — 40, Leahlolt, Thealmar,
-pret 2, -hart, -olf, daneben kommt kein eo vor, die liste ist leider
nicht zeitlich bestimmt (vgl. 419, 12 Wialanl), ich möchte sie nicht
vor 850 setzen. — von den Freisinger namen, Piper ii 545 f, ist ein
teil noch von a eingeschrieben; für altes ö bietet dieser älteste teil
keinen beleg, die spätem eintrage haben wol o, uo, ua aber nur 1 oa,
Roadger 547, 40, daneben von der hand des gleichen Schreibers
Swidhmuot. das, worauf es ankommt, findet sich nicht, nämlich über-
wiegendes oa; die EUwanger namen mit oa sind eine eigentümliche
erscheinung, Kauffmann Gesch. d. Schwab, mda. s. 99 belegt für das
9 jh. als gewöhnliche form ua, das im 8 jh. schon überwiegt, oa
kommt zwischen 763 — 838 vor; auch in Weifsenburger namen findet
sich oa, Piper i 210 f Oadalgis , -heri, -rih 3, Hillimoal, 13 ua,
3 uo (Ruadmuat und Ruodmuot 218, 1 und 27), 3 o, sie sind nach
Piper s. 71 vor 840 geschrieben, aber die gleichen namen sind im
Reichenauer vb., Piper ii 252 f, ohne jedes oa.
Freising steht also mit o, oa ziemlich allein, es lässt sich
mit der Schreibung der Ottobeurer namen kaum eine Verbindung
herstellen, ebenso sind die belege aus Ellwangen für ein engeres
Verhältnis nicht beweisend, die Kemptener namen stehu den
Freisinger nameu ferner, näher aber den namen aus den bai-
rischen klöstern, besonders auch in den p-, 6-schreibuugen, was
um so mehr auffällt, da Kempten heule auf schwäbischem ge-
biete ligt. auch ein teil der Ottobeurer namen, nämlich die ein-
tragung ii 419, 8—40, kennt im anlaut nur p, 28 mal, im inlaut
2 mal o : in Ebarhart, Tabo.
Nach den vorgeführten Schreibungen könnte man mit recht
daran zweifeln, dass in den Freisinger Urkunden der ursprüng-
liche schreibgebrauch in Cozrohs abschriften übergegangen sei,
vielmehr glauben, dass die schreibgewohnheit dieses mannes die
ältere bezeichnung verdrängt habe und diese Urkunden nur für
die kenntnis der schrift und spräche im 9 jh. von wert seien;
s. Henning DLZ. 1888, sp. 15, Kögel Lbl. f. germ. u. rom. phil.
1887, sp. 108. aber gerade beim alten ö, das gegenüber den
Salzburger namen und denen der bair. klöster in den Freisinger
DAS ÄLTESTE SALZBÜRGER VERBRÜDERUINGSBUCH 15
Urkunden seine eigene bezeichnung oa fast so oft wie o aulweist,
haben diese eine starke stütze an dem ältesten bairischen glossen-
denkmal Pa. hier verhält sich o : oa wie 184 : 95, Kögel Keron.
glossar s. 10. in den übrigen bair. denkmälern fehlt oa, vgl.
Wüllner Hraban. glossar s. 9 (1 froa gegen 113 ©), s. 84 f,
Weinhold Bair. gramm. § 96, Braune Ahd. gramm.2 § 39 b.
daraus erhellt erstens , dass die Schreibung oa der Freisinger
namen als ursprünglich und regelrecht zu gelten hat, das heifst,
dass man in Freising gewohnt war neben o oa zu schreiben,
zweitens, dass Pa und die Freisinger Urkunden in dieser
hinsieht verwant sind im gegensatz zu allen andern bair. Sprach-
denkmälern der altern zeit, in allen andern fällen der vocal-
schreibung stellt sich Pa zu den ältesten bair. namen und ins-
besondere zum grundstock des Salzburger vbs. das zeichen ao
für späteres o ist für alle bair. deukmäler kennzeichnend, s. o.
über die namen, Wüllner s. 83 über die glossen und alten denk-
mäler; die Hraban. glossen, die Casseler haben ao, im ganzen
stellen sie sich in die gleiche reihe wie die behandelten namen,
Pa hat (die angaben immer nach Kögel) 2 oo, 4 o und 84 ao,
in den Freisinger namen aber sind nur 793 und 811 unvermittelt
ao vorhanden, bereits in frühester zeit herscht o. da kann wol
kein zweifei obwalten, dass die o vom abschreiber Cozroh für
die ao eingesetzt wurden : zu seiner zeit war o allein berechtigt,
dagegen war für altes o noch oa stark im gebrauche, sodass er
diese bezeichnung nicht zu ändern brauchte, nur so erklärt sich
der gegensatz, in dem die Freisinger Urkunden zu allen andern
denkmälern stehn; sie weisen eine Schreibung auf für die
2 hälfte des 8 jhs., welche die andern bair. deukmäler im anfange
des 9 jhs. haben und unterscheiden sich von dem sprachlichen
Charakter, den diese im 8 jh. tragen, sehr scharf, dass diese
Umsetzung in die Schreibweise des 9 jhs. eine gleichmafsii
kann man nicht erwarten, mit den Salzburger namen und den
ältesten denkmälern hat Pa die Schreibung ae neben seltenerem
e für monophthongiertes ai gemeinsam (78 ae, 10 e), ae ist
den Casseler glossen in der überzahl, im Hraban. glos
den Monseer bruchstücken übervvigt e, Wüllner s. 82, Ben
s. 102, im 9 jh. verliert es sich; in der Schreibung ai
steht der grundstock des verbrüderungsbuches an der s
bair. deukmäler, nur 1 ei ist hier sicher; Pa bat 105 ai,
16 SCHATZ
aber schon das hraban. glossar nur 4 ai gegen 100 ei. hinsicht-
lich des umlauts endlich zeigen die denkmäler denselben zustand,
der für die namen der Verbrüderungslisten oben dargelegt ist.
Pa hat 215 a, 40 e, die ältesten Salzburger namen stehn auch
Pa gegenüber voran.
Pa wird von Kugel, zuletzt Litteraturgesch. i 2, 428 um 740
angesetzt und ich glaube, dass auch ohne die Freisinger Ur-
kunden diese bestimmung gemacht werden kann, der grundstock
des Salzburger vbs., nach welchem man Pa später setzen könnte,
ist nach einem orthographischen Systeme gearbeitet, das oben
hinreichend klar gelegt ist; der Schreiber kannte den umlaut,
vermied es aber, ihn zu bezeichnen, ei ist ihm nur einmal
hineingeraten, aber in den später zugesetzten Zeizo durchwegs,
beachtet man diese puncte, so erscheint der lautstand des grund-
stockes dem von Pa bedeutend näher gerückt, in der bezeich-
nung des germ. ö zeigt der gruodstock bereits das starre fest-
halten am o, das sich weit ins 9 jh. hineinzieht, der unter-
schied von Pa hierin kann nur örtlich bedingt sein, es ist sicher
nicht da entstanden, wo die Salzburger Orthographie gehandhabt
wurde; wer als entstehungsort vo n Pa Freisi ng annimmt,
hat alle beweise, welche die spräche für die heimat dieses denk-
mals zu bieten vermag, für seine behauptuug als stütze.
In der beurteilung der sprachlichen grundlagen, welche von
der Schreibweise des vocalismus überdeckt werden , kann als
sicher folgendes gelten : a war zur zeit der entstehung von Pa
bereits dem umlaut erlegen, ai war zu e geworden, au vor den-
talen bereits angegriffen und 784 zu ö geworden, in nebentonigen
silben früher als in haupttonigen, wie die Salzburger namen
zeigen, ai vielleicht zu ei gewandelt, 5 diphthongiert, anders in
Freising als in Salzburg und den übrigen orten, die denkmäler
bieten, wäre die diphthongierung nicht vorhanden gewesen, so
liefse sich die Schreibung oa in Pa (und den Freisinger Urkun-
den) nicht erklären ; die Verschiedenheit der diphthongierung er-
weist die streng befolgte Schreibweise.
In den vocalen der nebensilben hat der erste Schreiber die
ursprünglichen Verhältnisse ziemlich rein bewahrt, u und i sind
fest, nur a ist einige male als o, u belegt; in den Zusätzen des
Salzburger vb. sind i, u, a in der mehrzahl der fälle regelrecht
vertreten, doch tritt a besonders für u häufiger ein : Hadapurh
DAS ÄLTESTE SALZBÜRGER VERBRÜDERUNGSBUCH 17
29, 14. Hadamuot 54, 26. Hadapurc 101, 12. 103, 583. Hadamar
51, 42. Fridapurc 19, 12. 32, 2. 37, 125. Fridagoz neben Ha-
duger 45, 30. 31 ua. man vgl. Sigarod 36, 36. Sumnihilt 35,27.
Engalfrit 62, 10. Fridouualh 54, 24. Uuasogrim 72, 381 Mfa-
purc 85, 49. Isinpirin 93, 28. Erminger 88, 27. Erchinger
34, 42. 52. Ellinrat 62, 222 ua. im allgemeinen erhält man den
eindruck, dass der ursprüngliche bestand von i, a, u in neben-
silben um 900 zerrüttet ist und im gründe ein einheitlicher
laut dafür eingetreten ist, der wol nicht überall derselbe war
und sich den vocalen der benachbarten starktonigen silben an-
schmiegen konnte.
Consonantism us.
Germ, d und ß. die regelmäßige Vertretung des germ. d
ist t. wortglieder, deren hd. t nur durch t bezeichnet wird, sind
in folgenden namen enthalten : Uuatil 9,31. Cotaesscalc 10,9.
Tooto 26,#38. Pöto 79, 19. Uuicpot 11,2. Hiltimunt 11, 21.
Suanahilt 62, l2. Lantperht 11, 22. Ratperht 11, 36. Laidrat 31, 2.
Uuüliport 26, 14. 'Oto 21, 3. Cuotolf 27, 7. Tassilo 30, 1. Fater
30, 31. Pato 36, 2. Uuantilperht 42, 24. Truhthari 42, 31.
£/M#ofc 58, 1. 4tfA 58, 14. Tepizo 58,37. Hrodkart 58, 39. Jaofo
64,25. Hraitun 70, 10. T/sa 71,8. Tagaperht 73,31. Patufrid
77,25. Sunthari 77, 33. Uuanito 79, 3. flantoft 79, 14. infrft
82,2. Pefar 80, 9. Man? 80, 18. Sigiflat 94 , H*. Ctindfriit
94, 24. 2Wa 96, 13. germ. /> ist durch </ in folgenden stammen
ausnahmslos vertreten : Pa/cfo 9,5. Sindo 9, 10. Odalgaer 9, 12.
Hrodperht 9,26. Ir/Wd 9, 27. Fridugoz 58 , 37 . Gundulperht
10, 10. Adalperht 10, 26. Hadupurc 71, 9. Aarahad 68,1. C/ut'ntd-
Äan 11,5. Aediram 11,11. Nandilo 74,22. Adalnand 11,15.
Pfrdfor 11,34. lanfra* 31,2. Madalgaoz 42,29. Sawrfraf 66,7.
Uuaclind 71, 2. Norduni 73, 32. Podulunc 73, 38. Haliduni 76, 6.
Uuolfdragil 78,28. Sundargaer 79, 10. Uuerdmunt 79,21. Pero-
rfeo 81, 22. AWfiart 83, 7. Uuolfdanc 83, 20. Hraginsnind 94, ."».
/n#M<nd 96, 2. Cholduuaih 9ü, 16. Uuldarhilt 96, 34.
Dazu folgende bemerkungen : Reginfrid 75,15 ist weiblich;
auf -/Wtf lautet hier sonst kein frauenname aus, dagegen sind
sp. 94—96 neun weibliche namen auf -/Wf (/W<7, /WO b<
zur abstammung von /nf s. Kögel Litteraturgescb. i 2,214.
stamm ahd. /rlf kommt als 2 glied der namen wol ausschliefs-
Z. F. D. Ä. XLIII. N. F. XXXI.
18 SCHATZ
lieh den weiblichen zu. man vgl. aus späterer zeit im ver-
brüderuügsbuche die sicher weiblichen namen : Engilfrit, Sigifrit
34,36. Alafrit 34,8. 253. 70,31. Unaltfrit 38, 22. Deotfriit
70, 13. Aostarfrü 89, 122. Erchanfrü 89, 13 und bei Piper die
ebenfalls weiblichen : Engilfrit i 109,8. 173, 18. liutfrit i 114,19.
24. Thiotfrit i 125, 52. Thietfrit i 145, 10. Theotfrit 146, 23.
Cundfrit 156,20. Peratfrit 179,20. Engelvrit 179,27. männ-
liche namen auf frit sind mir aus jeuer frühen zeit, in der noch
auslautende -d nicht als t geschrieben wurden, keine vorgekommen,
das oben genannte Reginfrid wird wol ein schreibversehen sein,
da ich unter den weiblichen namen kein glaubwürdiges -frid
gefunden habe. Sunthari 77, 33 hat sicher nt, weil dieser
Schreiber nie nd für das zahlreich vorkommende nt hat (Sunt-
hari Mon. boica xxvm 2 s. 28, vor 800). Uuaclind 71,2. Hrodlind
94, 2. 28. 95, 8. /rm/mrf 94, 29. Xfrffnd 70, 2. Odallind 71,7.
Cundlind 94,20 zeigen die hd. allein vorkommende form lind
Grimm Gramm, n 505 ; lint vermag ich nicht nachzuweisen.
Podulunc 73, 38. 76, 24. Podal 78, 24 haben echtes d, s. die aus-
führuugen Müllenhoffs in Haupts Zs. 10, 162, Podalunc 758, Po-
dolunc 111 in den Freisinger urkk., die Wüllner aao. s. 99 falsch
als identisch mit Polo beurteilt, ebenso wie Henning SGallische
sprachdenkm. s. 125, 2 der form Podal echtes d abspricht; das
o ist kurz, s. MülleuhofT aao. und die formen Podal, Podalolt,
Podalunc, Bodal, Bodalung bei Piper s. 419 und 491. Sundar(gaer)
79, 10 vergleicht sich seiner bildung nach der form Aostar {-Mit
97,14 ua.). s. Süthar- bei Heyne Altndd. eigenn. s. 25 und die form
Westar- bei Förstemaun i 1278; Kögel t). d. keron. gl. s. 116.
Die regelmäfsigkeit in der bezeichnung dieser beiden laute
erscheint in folgenden fällen durchbrochen : Perhtold 77, 39 da-
gegen Perhtolt 11,10.58,3.77,19 und in andern namen nur
-oft (18 mal); Kunialdus 42,2 ist der name des genossen des h.
Rupert und reicht also um fast 200 jähre vor die entstehung des
verbrüderungsbuches zurück (Herzberg IV. archiv 12,63), auch
Aldolfus 42, 6 stammt aus weit früherer zeit. — die namen der
unter bischof Virgil (745 — 84) verstorbenen münclie beginnen
erst 42,19. Aldfrid 11,3. 79,15. 80,32 steht Altum 66,10,
Altigund 97, 12 gegenüber; da das ahd. in diesem stamme
grammatischen Wechsel zeigt, Braune Ahd. gramm.2 § 163, 6,
könnte man das angeführte vorkommen von ald und alt darauf
DAS ÄLTESTE SALZBÜRGER VERBRÜDERUNGSBUCII 19
zurückzuführen. Aldolf bei Piper 11 442, 22 und 665, 16 sprechen
bestimmt dafür, aus den SGaller Urkunden bringt Henning s. 1251
bei Äldoino, Aldemanni, Aldingas und Altolffi, Alterati, Alta, Altini.
Sicher zwei stamme, walt- und wald-, glaub ich mit VVüllner
Hrab. glossar s. 109 f annehmen zu müssen : Uualto 9,22. 58,7.
82, 38. Uualtni 94, 9. 10. 95, 21. 97, 7. Uualtolf 58, 17. Uualtrat
62, 24. 70, 3. Uualtila 94, 4. Uualtpurc 95, 25. Uualthaid 97, 1.
dagegen : Uualdker 9, 9. 42, 25. 76, 40. 75, 19 (ker, ker). Uualdrih
29,24. Uualdfrid 58, 6. 75, 20. Uualdolf 78, 3 4. Uualdkis
76, 32 (Inguald 79, 192. Uualdrud 94, 17. Uualtrud 96, 29). ein
schwanken der Schreibung zwischen Id und It im allgemeinen
kann nicht vorliegen, sonst müste doch das häufig gebrauchte
hilti- -hilt einmal mit Id erscheinen; wol aber ist ein solches
schwanken möglich und leicht erklärlich, wenn uuald neben uualt
sprachlich berechtigt ist. für Uuald spricht entschieden der name
Uualdker; hier und in den Freisinger Urkunden weist er nur d
auf, bei Piper im index finden sich 39 Uualdker, 55 Uualdger
und nur 5 Uualtker (eher), 2 Uualtger (s. 522 — 24); ich habe
nicht alle belege nachgeprüft, aber ein solches Verhältnis, 94 uuald-
gegen 7 uualt-, wäre nicht möglich, wenn It allein berechtigt
wäre, auch für andre namen bieten die listen bei Piper lehr-
reiche belege : 61 Uualdram gegen 5 Uualtram und 4 Uualthram,
107 Uualdpreht (-pert uä.), 18 Uualdbert (-bret uä.) gegen 17
Uualtpret (uä.), 3 Uualtbret (berth, bertus). dagegen sind Uuullo
Ualtrat sehr in der überzahl gegenüber Uualdo Utialdrat, Uual-
tila 7 mal hat kein Id neben sich, dagegen ist bei Piper nur
Uualdpurg (uä.) belegt, Uualtni und Uualthaid fehlen; umgekehrl
finden sich nur belege für Uualtfrid (30), kein Id; zu 7 Uual-
dolf kommen 15 Uualtolf. SGaller namen mit Wald- in ziem-
licher anzahl bei Henning s. 127, freilich sind die namen mit
Walt- nicht besonders aufgezählt, in den ostfräuk. Urkunden er-
scheint nach Kossinnas Verzeichnissen die form Uuald- in der
zeit von 795 — 813, sonst Dicht.'
Liudfrid 27, 1 steht vereinzelt gegen Liutfrid 44, 23. 58, 0.
Liutpirga 30,1. Liutkaer 27,9. 83,24. 78,4. Liutperht 78, 12.
neben Alchmod 77, 11 (männl.) steht Clismot 95, 72 (weil
das erste steht wol falsch für möt , scheint jedoch öfters
zukommen. Audo 42, 28 ist eine altertümliche form,
mar bei Piper h 52, 1, abt von SGalleu 720 — 759. Odrih
20 SCHATZ
77, 18 ist zu vereinzelt; möglicherweise hat Brückner recht,
wenn er, Sprache d. Langob. s. 288, zu odal eine form od auf-
stellt, neben einander begegnen namen mit -hart und -hard:
Ainhart 10, 19. 79, 27. Buodharl 11, 37. Udalhart 29, 23. Uuol-
chanhart 30, 28. Isanharl 36, 1. 74, 39. Chundhart 43, 4. Akihart
44, 3. Sigiharl 58, 32. 77, 5. 17. 78, 15. Brodhart 73, 13. Rih-
hart 74, 32. 81, 35. 83, 19. Cundhart 74, 37. 79, 18. Perahart
75, 37. Odalhart 75, 41. Kisalharl 79, 4. Eislaharl 82, 37. #a-
ganhart 79, 32. Aerhart 80, 22. Uuolfhart 80, 29. Eparhart 81, 24.
Jrminhart 81, 30. Raginhart 81, 34. 39. Snelhart 82, 8. Eepahart
82, 15. 83, 12. Nidhart 83, 7. Hartperhl 80, 39. Chunihard 31, 1.
Eparhard 58, 25. 73, 7. 74, 18. Sigihard 74, 31. 76, 41. tfard-
#er/a 79, 20, also 35 * gegen 7 d. es ist sicher nur ein nach-
würken der altern Schreibung Aard, wie sie in lateinischer form
und vor dem festwerden des hd. sich zeigt, für hart als erstes
glied vgl. man Piper index s. 454, hard- verschwindet gegen hart.
keiner rechtfertigung bedürfen die d in Theodolt 62, 24. Theod-
perht 82,10. 24. Theodfrit 94,27 gegen 26 t.
Für germ.^ steht anlautend aufser in den angeführten namen
th in Theothelm 42,36. Theolo 62,21. Theotilo 77,34. Theot-
perht 62,22. 82,25. Theotuni 74,6. Theotpald 83,17. Theotrih
83,22. Theotfrit 94,33. Theotrdt 96,33, dagegen * in Teotmar
9,38. 74,5.35. 7eo/Äad 10,33. reoiteÄ 26,31. Teotolf 58,41.
7eotfa«> 71,13. Teotrat 70,11. 7eo;/Wd 75,8. 76,7. 78,40.
Teothelm 11, 27. 78, 14. 81, 38. Teothari 83, 8. d nur in Deofo
30,2. — Thurinc 75,30.
Trudhari 44, 13. Tnidt 94, 19. Trudni 94, 23. Drwd-
p?rc 95,31. 14+ 1 th, 18 t, 2 rf.
Pilidruth 62, 23. Arindrud 62, 26. Regindrud 70, 4. ^e/m-
tfrwd 71, 6. 94, 38. Amdrud 71, 10. Pilidrud 94, 1. Ftm^-
tfrwd 94, 39. Cotadrud 95, 10. Kaüdrud 95, 23. 96, 27. #rm-
drad 95, 30. Angildrud 96, 6. Kepadrud 96, 39. Kisaldrud
97, 3. Erchandrud 97, 8. Irmindrud 97, 11. Uatfrwd 62, 26.
Hroddrud 94,6. Hrodrud 29,8. 30,4. üorfntd 70,8. ^7/rwd
70, 6. Uualdrud 94, 17. Uualtrud 96, 29. aus diesen belegen
lässt sich nur eine ahd. form drwd abnehmen, das einmalige -th
gehört einem namen aus früher zeit an, Pilidruth starb 724
(Rarajan einl. s. xl). im freien anlaut stehn 3 trud neben 1
dmd, im inlautenden anlaut steht nach stimmhaften lauten nur
d, nach d und t zeigt sich ein ineinandergehn der beiden zu-
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRCDERÜNGSBUCH 21
sammenstofsendeD dentale, für das vergleichsweise aus Pipers in-
dex genannt sei : 25 Ruadrud neben 36 Ruaddrud, 7 Hü
24 Hiltrud (und 4 Hiltruth) neben nur 2 Hilttrud, 2 l'ualdrwl
und 4 Uualtrud, 3 Ctmdrud, 4 Bliddrud und 2 Blidrud, \~>
Pliddrud, 10 Plidrud (4 Plidlhrud, 1 Plidlrud); schwerlich steckt
in einem dieser namen -Ärörf. auch außerhalb des Verbrüderung-
buches, das auch in seinen spätem teilen nur eine form drüd
bietet — Truta 23, 124. 57, 142 mag zu tritt gehören — zeigt Bich
nur drüd : die von Wagner gesammelten namen haben nur drud,
s. Wüllner s. 99; was Henning SGallische sprachdeukm. s. 1371
anführt, lässt nur auf drud schliefsen (3 Thr, 3 Tr, 2 Dr und
4 dr, auslautend 11 d, 1 t); aus Pipers index hab ich an 460
namen mit -drud gegen etwa 30 mit auslautendem t gefunden;
s. Wilkens Z. hochalem. consonant. s. 32; im ostfränk. zähl icli
bei Kossinna s. 37 f. 40 f 30 fälle mit d als zweitem dental,
8 inlaut. und 22 auslaut. und nur 4 mit auslautendem /; fürs
elsäss. vgl. Socin s. 244f. 264, 3. 270a, unter den zahlreichen
namen mit der bildung drud ist nur ein einziger Trutman (wol
zu trüt zu stellen, das sich nur vereinzelt und verhältnismäßig
spät in namen zu finden scheint), zur erklärung des Stammes,
germ. prüpiz 'kraft', s. Henning Runen s. 116 f.
Im inlaut. anlaut zeigt verschiedene Schreibweise abd. dl« in
Cotadiu 35, 2. Cotestiu 34, 3. 70, 7. Cotesthiu 95, 33 (vgl. P,
81, 22), im auslaut Luduih 29, 6. Luthperht 74,21; im vb. kommen
von spätem Schreibern noch 6 Ludperht vor und niemand wird
einspräche erheben, wenn darnach lad- als regelmäfsige abd. tonn
wenigstens in Luthperht betrachtet wird. Luduih ist Ludwig der
Fromme, auch hierfür lässt sich nur abd. lud- ansetzen, länge
des vocals wegen des mangels vocalischen auslaut s, vgl. Hhiduig
7 mal im Ludwigsliede; in den Strafsburger eiden Ludher
manisch), Ludheren (deutsch), Lodhuuicus 5mal, Lodhuuuicus lmal
(lateinisch), Lodhuuigs, Lodhuuuig (rom.), Ludhuuuige, Ludhv
(deutsch), dass der dental germ. ]> ist, darf nicht bei«
werden, man vergleiche aus Werden im 12 jh. Lull
Heinzel Geschichte der nfränk. geschäftssprache -. 105,
Ludewich 1293. Ludweich 1311. Ludweik 1329 und
menta boica vn 148f ua.) : hieraus sehen wir auch,
form ludo- kurz war und hludu voraussetzt, der stamm
zahlreichsten in westfränk. namen vertreten, im bd.
22 SCHATZ
weiter verbreitet. Luduih wird auf rechnung des bairischen
Schreibers zu stellen sein, dem lad als erstes namensglied be-
kannt war. wie die spätere zeit beweist, ist im bair. die echte
form Hluduwig eingebürgert worden, für lud spricht auch Lud-
burc und Ludhere bei Piper n 509, 4 und 66, 29; vielleicht darf
für hlad der umstand geltend gemacht werden, dass sich bei der
Zusammensetzung mit -hari nie ein auslautender vocal zeigt, s.
Förstemann i 603 und zb. Ludher (rom.), Ludheren (deutsch) der
Strafsburger eide; wo t erscheint, ist Hluth-hari zu trennen;
über o in Hlodhari für u wird wol erst eine behandlung der
westfränk. namen auskunft geben können.
Die namen mit haid : Haidkaer 82, 23. Sigihaid 34, 2.
Folchaid 62, 21. Madalhaid 71,5. Perhthaid 96, 18. Uualthaid
97, 1 (dagegen Anstahait 95, 28 mit t, woher soll das auslaut. a
sein?), bei Förstemann i 581 sind an 80 frauennamen mit -haid
aufgeführt, darunter nur 5 mit -t. schon JGrimm Gramm, n 498
anm. 1 hat auf die Schreibung mit d hingewiesen; sie zeigt sich
in frauennamen als allein herschend. bei Henning s. 117 findet
sich Wallhaid, Lantheida, Rekinhaid, Heidcauge (Heidcauwe), Eei-
dinc also nur d, bei Kossinna s. 38 f die ostfränk. uamen Otheida,
Uualthaid, Liutheid, Gundheid, Berahtheid, Uuolfheid, Adalheid,
Ratheid, Alpheid, Gotaheid, Adalheid, niemals aber -heü; man vgl. bei
Heyne Andd. eigennameu Gerheth, Helheric. es bedarf keiner weiteren
belege um zu zeigen, dass ahd. haid germ. haip- verlangt und nicht
mit ahd. heü identisch ist. [vgl. -hcep der ags. namen. E. S.]
In den Zusätzen ist die bezeichnung des dem germ. d ent-
sprechenden lautes durch t fast ausnahmslos durchgeführt.
Verstöfse dagegen sind : Hralold 84, 4 (von der gleichen hand
Hratolt 84, 8). Suuapold 100, 19. Uualdold 103, 53 aber derselbe
sclireiber 103, 4 Off Meizolt 3 mal, Cundoll 3, Rihholt 2, Riholl, Herioll,
Drudoll, Ermanolt, Adaloll, Hrodolt. ahd. deol- erscheint mit inlauten-
dem d in Theodolt 18, 52. 36, 10. 87, 42. Teodolt 28, 2. Teod-
suind 34, 13. Deodrat 88, 29 : jeder beleg von einem andern sclireiber
geschrieben. Teodolt 28, 8 scheint noch ins 8 jh. zu gehören vgl.
Gaozhari von derselben hand. 85, 34 ff steht Asbrand, Dagaperht,
aber auch Righuni, Birhtilo gegen HiUiporl, Cundpato , Deolharm,
Deolrih, Haimperht ua. so dass man annehmen muss, -brand und
daga- stellen eine bedeutend ältere Schreibung dar und sind einer vor-
läge entnommen, fälle wie die eintragung 68, 43 (8/9) AgilberhL
Liudulf, Hardrad, (Engilo, Engilperht, Isanheri) sind gewis auch
auf eine vorläge zurückzuführen; ganz scheidet sich aus 70, 17 Liaf-
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 23
hure, Thiadgund, Aua, Ricifus, Liudgard, Sigifrid (weiblich, hd.
-frU) {Gerulf, Reginsuuind, der gleiche Schreiber trug ein 12, IS
Theodricus, Kysalharius, 45. 33 Hrodperht, Purihc hat also offenbar
drei gruppen von namen einzuschreiben gehabt, die letzteren gehören
zu den verstorbenen mönchen, die andern zwei zu den lebenden, die
weiblichen namen stehn unter den verstorbenen nonnen. eine mischung
scheint auch vorzuliegen 52, lf; hier findet sich neben Kerhardus,
Hardini auch Kerhart, Hartbaldus , Herimunt, Hucbert (Odricus,
Odich haben vielleicht echtes d aus gerni. p). latinisierte formen wie
Romuoldus, Liulmundus zählen nicht.
Auch die bairischen namen im Reichenauer verbrüderungs-
buche zeigen ausschliesslich t.
Die Freisinger Urkunden haben nach Wüllner s. 98 f Thede-
ricus, Deodalt, Audulfo 2 mal. Podalunc hat echtes d = germ. p
vgl. s. 18. az Reodir 784. az Reode 807. Erphunesreod 808
haben ebenfalls echtes d und stehn im ablaut und grammatischen
Wechsel zu Riutte 778 (germ. reupa- n. und reudjö- f.). die heu-
tigen Ortsnamen 'Ried' und 'Reut' '-reuth' uä. entsprechen genau
diesen frühen belegen *. auch für Kernod(i), Ellannod nehm ich
echtes d an; im Salzburger Verbrüderungsbuche fordern die Schrei-
bungen Kernod 66, 16. 68,12. 103, 423 (8/9) unbedingt ahd. d;
des weitern kommt vor Kernod 71, 5. 75, 44, bei Piper i 339, 17.
Hartnod 2, 365, 18; sie können, wenn mau die dazugehörigen
namen vergleicht, bezüglich der echtheit des d nicht angezweifelt
werden, in den Freisinger namen ist bei Wagner belegt: Ellannod
6 mal, Ellannodi 4 mal, Ellannodo 2 mal (s. auch Wüllner s. 99),
nie aber Ellannot. vgl. bei Piper Folhenod n 169, 142. Alanod
ii 219,34. Ebernod n 250, 202. Gemoth n 427,9. Adelnodu,1M,rS
(vom gleichen Schreiber Sifred 3, Aeäelwald, Folcbold, Osbald,
Eadulf, Erodulf). Ratnod, Willnod n 225,4, bei Heyne Aliud,
eigennamen s. 21 f Radnoth, Ostnod. Kögel hat schon, Litteratur-
geschichte i 2,317, darauf hingewiesen, dass hier germ. / vor-
liege, aber ich glaube, nicht naup sondern nöp ist anzusetzen;
Hartnud Salzburger vb. 13, 4 (8 jh.) zeigt doch wohl dasselbe glied
-nod. als erstes glied iu namen ist nöd- sicher in Nodimar ebenda
31, 132 (vereinzelt), in den namen aus Cbiemseebei Pipern 127, 32
Nodgart. 36 Nuodine, das d ist hier sicher; aus Mattsee Noduuih
ii 114, 15. Nodkart ii 112, 18, ferner Nodolf n 420". Nodi
1 ESchröder wendet ein : 'aber az Reode bedeutet 'ad carectmn', i\
in feuchter niederung liegenden ried-orie sind keine rodi;
24 SCHATZ
Nodolt ii 229, 9; vielleicht gehört Nuotha in 25, 5 hierher. (Clisnod
Salzb. vb. 69, 40 [Karajan 76, 43 Elisnod] ist ein weiblicher uame.)
Das ahd. kannte aber in namen auch eine form not mit
altem ö, also gänzlich verschieden von not mit neuem ö, das als
naot- in namen vorkommt, vgl. bei Piper n 36, 10 K2 Nuata,
Nuota (und index s. 482). Salzburger vb. Nuoto 61, 105. Noata
Weinhold Bair. gramm. s. 97; dass dieser stamm auch als zweites
glied verwendet werden konnte, geht mit Sicherheit aus den Ell-
wanger namen Adalnoat, Ebarnoat hervor, Piper i 112, 16. 22.
wegen des oa vgl. oben s. 13, das t ist ebenfalls völlig gesichert,
von den drei stammen, die sich so fürs ad. ergeben, ahd. not,
nuot, nuod, wird auch der erste als zweites namenglied vorge-
kommen sein in namen wie Kernot, Ercannot, Adalnot, Folchenot,
Frechenot, Fridanot, Hiltinot. sicher altes ö haben Glisnot 34, 282
und Nota 70, 362, weibliche namen, die von derselben hand im
Salzburger verbrüderungsbuche eingetragen wurden; da neues ö
ausschliefslich als ao erscheint, altes als o erhalten ist, müssen
diese zwei namen mit altem o angesetzt werden; Clisnot 51, 462.
von der hand des ersten Schreibers rührt Cliisnöt 95, 32 (weibl.) her.
Zu Odrih 11, 18 des grundslocks halte man Odolt 61, 54.
Odrat 103, 46, vielleicht Odricus, Odich 52, 1. 7. Vodo bei Dronke
797, ferner vgl. man die bemerkungen Socins Strafsb. Stud. i 228
und Brückners Sprache der Langobarden s. 95 anm. 8 und s. 288;
beide sehn sich veranlasst, ein zu ödal gehörendes öd zur klar-
stellung der namen zu fordern, als ausnahmen gelten bei Wüllner
s. 99 ferner die namen auf -heid und die mit drud, die immer d
statt des zu erwartenden t zeigten; ihr d ist jedoch regelrecht
ahd., s. oben s. 21 f. so zeigen also auch die Freisinger namen,
vereinzelte fälle wie die von Wüllner genannten Leidraad, Modri-
kingas, 779 Chadold, 804 Drudold ausgenommen, die strenge durch-
führung des ahd. t. der Wechsel zwischen hard, hart Wüllner
s. 99 f ist wol nur durch latinisierung hervorgerufen , bez. be-
wahrt, vgl. oben s. 20. dass die mit -lind gebildeten (weiblichen)
namen nur ahd. d und nicht t enthalten, liefs sich bereits aus
den namen des grundstockes im Salzburger verbrüderungsbuche
erschliefsen; auch die Freisinger namen haben nur -lind, ad Lintun
802 ist ein Ortsname; aus Pipers index habe ich 345 namen mit
-lind gesammelt, dagegen im ganzen 17 mit -lint, von denen mir
zwei Kotelint i 316, 15. Richlint i 342, 18 in der Schreibung des
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 25
nt nicht angefochten werden können (es kommen aber 33 Cote-
Cotalind u. s.w., 27 Rieh- Rihlind vor), die 345 mit -lind habe
ich freilich daraufhin nicht geprüft, ob nicht etwa lind für lint
regelrechte Schreibung sei, aber das vorkommen von lint in ahd.
Personennamen bliebe noch zu erweisen.
Für germ. p erscheint im Salzburger Verbrüderungsbuche bei
den spätem eintragungen einigemale t statt des gewöhnlichen d.
frühe belege dafür sind Uuinitharius beim schreiber der spalte 14,
daneben Uuinidkys (3 Jh.), sonst ist t und d hier regelmäfsig;
bei den namen aus Mosburg 103, 1 f (8/9 jh.) findet sich Plitheri
104, 16. Cuntheri 106, 7, auch hier sind t, d in den zahlreichen
belegen sonst regelrecht vertreten, aus den Mettener namen im
Reichenauer verbrüderungsbuche, Piper n 119, 33, ist Guntheri
zu nennen, sonst ist die Schreibung d, t genau durchgeführt, man
wird nicht irren, wenn man sich in diesen frühen namen die
Schreibung t für d dadurch erklärt, dass das folgende h dem
schreiber veranlassung gab, statt des d ein t(h) zu schreiben;
denn nur vor h zeigt sich so früh d als t häufiger, unter allen
namen des Salzburger vbs., die der zeit vor 850 zugewiesen werden
müssen , erscheinen aufser den genannten mit t-h nur Liutpolt
27,13 (nach der ausgäbe 8/9 jh.) und vielleicht Raginpalt 97,17
mit t für d, letzterer fällt wegen des a früh; nirgends ist auch
nur ein schwacher anhaltspunct dafür, dass auslauteudes d aufser
vor h als t geschrieben worden wäre. Hrodlint 34, 32 (8,9 jh.)
mag ein fehler der neuen ausgäbe sein, da Karajan 40,40 das
sprachlich allein berechtigte Hrodlind, also d, hat. in der zweiten
hälfle des 9 jhs. jedoch kommt es häufiger vor, dass auslautendes d
als t geschrieben erscheint, vgl. 49, 31 f (2 hälfle des 9 jhs.), wo t
regelrecht vertreten ist, ebenso d im an- und inlaut; im auslaut
zeigt sich neben Deotlind, Rodheri, 3 mal -frid auch Cuntlint,
Cuntfrid, Cuntheri, Lehsuint, 5 mal -polt, 2,231' Otnant, Cuntrat,
Cuntahit, Paltrih neben 3 -frid, -rod, Ruodpirin. hingegen findet
sich bei 41, 232 (geschrieben nach 850) regelrecht d in -frid,
Nordhad, Cundolf, Livpsuind, Hartpald, Hruodpreht, Drudheri.
nur Uuolftregil zeigt t für d, vgl. Uuolfdragil des ersten Schreibers
78,28. alle namengruppen, welche vom hrsg. mit 9/10, 10 be-
zeichnet sind, haben t für auslautendes d häufiger, wenn auch
nicht regelmäfsig. vgl. 84, 1 f üuintheri, Rudpolt, Adalheit. Suuit-
hart; 56,19 Ercansint, Perhsuint, Persunt, liiehsuint , Rihgunt,
26 SCHATZ
Himildrut, Liutfrit ptr (also ein männlicher name) neben Liut-
frid pbr, 3 Reginfrid, 87, l2 Volchsuuint, Suuithart, Rüdpolt (und
Rüdpreht). da sich vor 850 keine Schreibung t für auslautendes d
nachweisen lässt, aus der geschlossen werden könnte, dass irgendwo
diese eigentümlichkeit häufiger gewesen sei, muss sie der 2 hälfte
des 9 jhs. zugewiesen werden; demnach fallen auch jene namen
im Salzburger vb. , die vereinzelt stehend auslautendes d als t
geschrieben zeigen, in diese spätere zeit. Hiltisuint 5, 20. Cunther
5, 22. Deotsuint 4, 22. Adalsuint 82, 29. Cunthri 36, 434. Cunt-
pirc 65, 17. Guntlant 16, 6. (Gunthart 37, 9 neben Lehsuint,
Rihpold.) Gunthalm 63, 32. Rütker 36, 3. Rutpolt, Adalheit
54, 22. Liutheit 57, 3. Hiltigunt 75, 27 (9 jh.). Perhtgunt 97, 38
(neben Folhlind). vgl. noch 17, 17 f Frouuipolt, Lantsuuint (Cun-
tileo) neben Heripald, Sindmiar. Deotlint 93, 14. Chunigunt 98, 3 12.
Adalsuint 55, 1 neben Otpald. Irminlint 41,19. Nordhat 51,32;
dagegen sonst nur -had: Nordhad 47 , 92. Liphad 45, 42. Deothad
45,25. Cnndhad 59,19. Rodhad 33,9. Liuthad 36, 404; 61,15.
Im inlaut kommt nur d vor. im wortanlaute zeigt sich d, th, t
wie beim ersten Schreiber, die belege für anlautendes t fallen
alle sehr früh, es sind Teodolt 28,8. Teodsuind 34,13. Teotlind
34,15. Teotni §1, 36. Teotrih 37,1. Teotfrit 84, 402. TeoJ/Wd
79, 122. Teotpert b2,2\. Truduni 3 1, 10. Trw/o/f 52, 184. (viel-
leicht 7Wtf*7a 98,39, vgl. Durdpertus Piper n 317, 202.) weit
zahlreicher und noch im 9 jh. vorkommend ist Theot- und etwa
doppelt so häufig und mit der zeit immer mehr überhand nehmend
Deot. zu Trud- halte man Drudolt 103, 40. Drudmun 84, 31.
Drudperth 67, 18. Drudheri 49, 9\ — Trut 103, 536. 2Y«/a 23, 12*.
57, 14. Trutin 108, 122 gehören wol zu ahd. Trüt, das jetzt neu
in die namenbildung einzutreten scheint, wie selten sind die
TrüMormen in Pipers index s. 517 f. Thenchila (neben Thruhtlind
89, 30) ist aufser den genannten der einzige beleg für th- (vgl.
Danchari 14, 9. Dancuuar 99, 15. Danchilo 45, 222. Danchof
85, 93. ganz vereinzelt ist Dhruduni 4, 28. drud hat im auslaut
dt in Uuolchandrudt 34, 333 (t in Himildrut 56, 23), th in Liutruth
98, 83 neben altertümlichen namensformen (8/9 jh.); sein anlau-
tendes dental wird d geschrieben, wenn stimmhafte laute voraus-
gehn: Gotadrud 49, 162. Kotadrud 56, 14. Cotadrud 34,5. Ifym-
rfrwd 63 , 30. Kisaldrud 87 , 483. Engildrud 92 , 5. Himildrud
97,31. Hrindrud 97,33. Regindrud 98,37. Geauidrud 98, 32.
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 27
Irmindrud 98, 13. Ehadrud 98, 17. Zemidrud 101, 13. Arndrud
38, 1. Ragindrud 38, 2. Uuinidrud 34, 18 (vgl. Uuinihilt 49, 31);
nach stimmlosen kommt t und d vor Hroddrad 15, 13. Rattrud
34, 172. Libdrud 75,1 (vereinzelt). Pertdrud 91,30 und PW/ri«!
50,20. .RdtfmUl,39. #a«n«/ 28, 1 82. Deottrud 87 , 472 ; flaf-
frwf 17, 42 mag vielleicht beide Schreibungen, die in Rattrud und
Himildrud vorliegen, vereinigen, das ineinandergehu der beiden
dentale zeigen Uualtrud 52, 172. 34, 14. Plidnid 89, 133. Per-
trud 98, 264. Hrodrud 62, 42. Zan/rud 70, 333. Altrud 101, 165.
Liutruth 98, S3. ganz die gleichen Verhältnisse findet man beim
ersten Schreiber, t und rf wechselt in -diu: Cotestiu 98, l3 gegen
Cotesdiu 34, 14. 49, 27\ Uuolftregü 42, 18 gegen Uaolfdraegi
12, 1. vgl. Uuolfdeo 54, 20 und Peradeo, Sigideo, Herideo, Co-
tadiu ua.
Für die kenntnis der ausspräche des d im altbair. lässt sich
nach diesen Schreibungen wol nur eines geltend machen, dass d
stimmlose lenis war, die nach stimmlosen lauten fortisartig wurde.
Germ. k. im anlaut erscheint 2 mal k : Kamfio 10, 38, der
letzte name der spalte, und Kunialdus 42, 2, der name des ge-
nossen des b. Ruppert (um 600). ch tritt auf iu Chunihard 36, 1.
Chuniperht 77, 6. Charlus 29, 1. 4. 62, 1. Charhnannus 62, 3.
germ. sk wird nur sc geschrieben : Cotaesscalc 10,9. Odalscalch
44, 22. Sconhari 26, 2. Scafluni 64, 24. Horsco 26, 34. oach /•
wird ch verwendet, Erchan kommt 14 mal vor, Starcholf 80, 20;
Uuerchari 75, 27 ist wol dazu zu rechnen, nach / Uuolchanhart
30, 28, wol sicher für geminata; -scalc und -scalch, Folhmar
82,34. Folcholt S3, 15. Fokhaid 62,21. nach n Franchin 94, 40
und Uuolfdanc 83, 20. zwischenvocal. geminata in Aotachar 36, 1.
Cundachar 77,7, vielleicht in Racholf 75,11. vgl. bei Piper
Raccholf ii 150, 13, dazu Reccheri n 149, 4 vom gleichen schreiben
im auslaut 15 -rih und 1 -rieh in Hunrich 30, 21, toi'A (leih) 1 mal,
Mauruch 76,17 und ilfiÄ 58,14, also 20 -A, 2 -cÄ. im iolaul
Imicho 11,24. Maoricho 5C, 17. imtefto 77, 8. 79,26. imWcfto
77,20. %«cäo 77,31. Pa/wcfio 80,38. 83,11. 5o/«cÄo ^3,11'
(nd. iko -uko); Hricho 58,19 hat vielleicht uichl reibelaut wie
die angegebenen, sondern geminata. im auslaut des liedea
ffriA-
28 SCHATZ
81, 2. dazu Rtchoz 78, 17 (geschrieben wie Alchoz 26, 19. Alchaoz
79, 11). auch hier ist -h herschend, -ch wird häufiger, wenn das
zweite glied mit h- anlautet; es ist eine graphische Verbindung
zweier buchstaben, der sicher auch in der ausspräche ein einheit-
licher laut, ein reibelaut, entsprochen hat.
In der Schreibung der entsprechuugen für germ. k zeigen
sich in den Zusätzen irn ganzen die Verhältnisse des grundstockes.
im anlaut ist ch regel; nur 2 mal zeigt sich k: Kuno 18, 17. Kuniperhl
91, 31 (9 jh.), germ. sk erscheint anlautend als sk in Skilputic 61,4
(9 Jh.). als sc in Scaflrih 17, 5. 36, 33. 61, 16. Scaftuni 79, 82.
Sconheri 13,3. Sconpirc 100,11. Scafuuat 88,31. Scalo 31,5.
85, 14 (vgl. Skarenza 41,38), sc ist regelmäfsig in scalh -scalh,
2 mal seh in Engilschalh 42, 163. 193 nach 850 von einer hand ein-
getragen. — inlautend steht sk in Horskio 83, 272 also wider vor i,
sc in Horsco 25, 3. 34, 40. 66, 22. Horscman 103, 414; seh in
Horscholf 106,9 (S/9 Jh.), Äschrih 73,19" (9 Jh.), dagegen 6 mal
Ascrih. — im auslaut steht nach vocalen im ersten gliede h, ch, hh,
letzteres nur, wenn das zweite glied vocalisch beginnt (zh. Rahhant 39,2.
Rahholf 103, 52l. Raholf 36,21. Racholf 75, 11. Richolf 36, 35.
37, 2. RichhelmS, 18, Richelm 46, 18. 81,2. Richül 70, 36. 90,28).
im auslaut des zweiten gliedes sieht nur einmal ch in Odalrich 91, 41
(10 jh.), -rih ist sonst häufig, geminala enthalten Hrocholf 68, 10.
Roccolf 41, 18. Recho 37 , 45. Reccho 87,48. Reckeo 18,21.
Rekkeo 100, 134. Fricco 85, 42. Friccho 11, 7. 20, 1. Fricho
18, 64. 66, 62. 80, l2. ich muss mich begnügen die belege anzu-
führen, eine Scheidung nach dem gebrauche der zeichen will hier
ebensowenig gelingen wie bei hh, ch, h. — jedesfalls geminata ligt vor
in -achar, vgl. Paldachar 7,8. 62, 202. Cundachar 7,11. 12,4.
66, 43. Chundachar 47, 21. Aotachar 83, 30. 42. Olachar 21, 252.
49,4. 51,38. 55,6. 57,6. 61,13. Otacchar 105,10. Aotakchar
36, 92. Autähar 8, 17. Cundakar 63, 31. die Schreibung Aötdhar
berechtigt wol nicht zu schliefsen, dass hier reibelaut vorliege und
nicht geminata; bei Piper finden "sich im index s. 427 14 Cundachar
s. 484 21 Olachar, 6 Otacher, 2 Otakker. 2 Olakar, 1 Otacchar
kein beleg für ahar. germ. nk ist belegt in Franchin 34, 27 (8/9 jh.)
Frenchin 93, 7 (9 jh.). Frenkin 49, 46 vereinzelt, Thenchila 89, 39
Danchilo 45, 222. Dancuuar 99, 15 (9 Jh.). Danchof 85, 93. Dan
chari 14, 6. nach r ist in Erchan ch die gebräuchliche Schreibung;
c zeigt sich Ercanpurc 20, 39. 93, 19. Ercanpald 52, 37. Ercansint
(10 jh.) 56,20. Ercanrod 62,5 (8/9 jh.). Ercanhilt 83, 223, k in
Erkanpald 68, 43 (8/9 jh.). Erkanrat 49, 305, k und c beim gleichen
Schreiber nebeneinander in Ercanpurc , Erkanuualh 49, 382. 453,
cch in Ercchana 53, 24; dem gegenüber haben die zusälze im Sahb.
vb. etwa 80 namen mit Erchan-. Slarhmot 72, 23 (8/9 jh.). 73, 234.
Starholf 15, 25. Slarholt 52, 36. Starchmot 46, 11 (8/9 jh.).
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCII 29
Starcholf 50, 21. 92,10. 103, 4616. 497. 104,26.29. 105,19.
Starchilt 74, 303. nach l ist c, ch, h belegt : Cotesscalh 16, 21.
Cotescalch 72, 3. Engilscalh 47, 27. Adalscalc 67, 41, alle 8/9 jh.
Engilscalh 12, 36. 54,8. 17, 10. Engilschalh 42, 163. 193 (nach
850). Kotesscalh 47, 29. 103, 593. Odalscalh 8, 152. Cotescalch
36, ll3. Eingüscalch 36, 272. Engilscalchus 37, 28. scaM 48,37.
Folchuni 61, 162. Uolchral 70, 3 52. Folchun 103, 2. Folcholt 103,6.
FoZc/tsuum« 87, 43. Ruodfok 72, 432. Folcheri 16, 9. Jof/ieW
72, 172 (?). Folhlind 97,39. Hrodfolc 61, ll5. Heidfolc 36, 39s.
Fulcrih 14, 16. Uuolchanheid 99, 33. Uuolchandrudt 34, 333.
es fragt sich, ob diesen Schreibungen verschluss- oder reibe-
laut zu gründe ligt, des weitern, ob der verschlusslaut rein, oder
ob er aspiriert beziehungsweise affriciert war. wo Ih, rh erscheint,
scalh, folh, starh, kann man den reibelaut ansetzen, er könnte
aber auch durch Ich, rch bezeichnet worden sein, vgl. Marcheo
103, 42. Marcholt 61, 134. Marchuni 28, 2. Marchuuart 90, 242. 252,
daneben kein marh; mit Wahrscheinlichkeit lässt sich ermitteln,
dass den Schreibungen dieser namen eine laulverschiebungsstufe
zu gründe ligt, nach der Ik, rk nicht zum reibelaut wurden,
die formen mit Ih, rh also auf Iah, roh zurückgehn. was aber den
Schreibungen folch, folc, starch, march, erchan, uuolchan, danch,
danc die lautliche grundlage gibt, lässt sich vorläufig nicht Bicher
erkennen, vgl. Kögel s. 78, Wüllner s. 97, Braune Ahd. gramm.'
§ 144, Hench Monseer bruchstücke s. 117f, Wilmanns gramm. r
§ 49, Behaghel Grundriss2 § 128, Imster mda. s. 99 f.
Germ. g. im anlaut wird Ä", c, g geschrieben: k vor i im
stamme Kisal- {Kisl-, Kisla-) 10 mal; vor e im stamme Kepar 1 mal
dann in Kaer (Ker, Ker, Ker) 16 mal, vor a in Kaila 95, 12.
Kaildrud 95, 23. 96, 27, in Kaganhart 79, 32; c oder g kommt
in diesen im anlaute des namens nie vor. nur c wird verwendet
in Caoz- ISmal, Cauzo 1 mal, in den mit Cola- gebildeten Damen
18 mal wenn Cotuuar 94,7 dazu gerechint wird, Cogo
Cuotfrid 58, 5. Cuololf 27, 7. Comaleih 11,13. ( amalpei ht 81, 12.
Carohari 75, 6. Craman S2, 29. Clismoc 95, 7. c und g a
einander zeigen sich in den stammen Cund (Cundul-,
Gundul-) 36 c und 8 g, in Crim-, CWmofc2mal, Grit*?
Cauui- 2 c und 3 g. im inlautenden anlaut kommen ror: kis
4 mal und gis 4 mal und zwar k nach /, </, p, aber o nach i, /. 1
fraer (fr?r usw.) 21 mal nach p, f, t, d, h und 1 mal nach w.
kaer 26,18, dagegen ^aer (ger . .) 1 1 mal nach i, /. i
30 SCHATZ
c und g wechseln in caoz; es steht c 6 mal nach t, f (dazu Alchoz,
Richaoz, Richoz), dann in Hugicaoz 75, 17. Mahalcaoz SO, 11.
Haricaoz 80, 13, dagegen gaoz (goz) 6 mal nur nach den stimm-
haften lauten, i, u, l, r, n; einmal kommt Rodkaoz vor (75, 42 der
letzte name der spalte), daran reihen sich Äligund 96, 35. Alti-
gund 97, 12. Perhtkart 96, 28. Hrodkart 58, 392. Hrincrim 30, 25,
letzteres wegen Hrindrud 95, 30. vgl. namen wie Rinbald, Rinbot,
Ringrim, Rinolf, Rinolt, Rinsuind bei Piper 501 (s. Brückner
Sprache der Langob. s. 298 und Förstemann i 1057).
Im inlaute ist germ. g durchweg durch g vertreten; Uuicco
44, 11 und Sicco 77, 302 zeigen geminata wie Liutto 83, 23. Posso
76, 3. Äzzi 75, 13. Nitto 43, 33. Immo 83, 1. Imma 70, 5. Totti
95, 62 uam. nur Akihart 44, 3. Akiuuiz 71, 1. Akihari 73, 5.
Akiperht 79, 8 weisen die Schreibung k auf und zwar k für g,
wenn man Agirih 77,40. Agihilt 97,7. ^'o//- 83, 182 dagegen
hält, da k sich nur in diesem worte inlautend findet, in zahl-
reichen fällen mit zwischenvocal. g vor i nur g geschrieben ist,
muss man k wol als zeichen für gedehntes g auffassen, agi wäre
dann die ungedehnte nebenform zu aki == aggi. dass doppel-
formen in namen, die mit germ. agja- gebildet sind, vorkommen,
beweist eben der Schreiber des vbs. durch die namen mit agi-,
wenn man namen wie die später eingetragenen Ekkihart 36, 43.
41,28. Ekkila 38,2 ua. oder die Egke-, Egge-, Eggi- in Pipers index
s. 434 vergleicht, im silben- und wortauslaut steht abgesehen
von Ringolf 42, 32, wo g zur zweiten silbe gehört, nur c für g,
zb. Hucperht 62,26. Uuicpot 11,2. Machelm 10,28. Uuaclind
71,2. Hrodunc 80, 34. Hamminc 82,4. Cauuipirc 97,6. Hadu-
purc 71, 9.
Cholduuaih 96,16 zeigt ch für g im anlaute; wahrscheinlich
der gleiche fall ist es, wenn ch in Chunda 96, 7. Chundhart 43, 4
geschrieben ist. Luduih hat h statt c imauslaut; hier ligt jeden-
falls ein einsetzen von uih für uuig durch den Schreiber vor.
die Schreibung des germ. g ist bei den frühen eintragungen im Salz-
burger verbrüderungsbuche völlig dieselbe, welche beim erslen Schreiber
gefunden wird, im wortanlaute bleibt g selten — 34, 25 f kommen
neben 5 c, 2 fc im anlaut vor Glisnot, Gaerni, Grimhilt (8/9 jh.)
69, 9 f, Gundhart, Grimhart, Gotapert, Gisalhart; Crimperht — ,
aufser diesen eintragungen steht g im wortanlaut nur vereinzelt; vor
i, e ist k regel, vor u, o meist c; vor a ist k häufiger als c; zu-
sehends nimmt die fe-schreibung zu in Kaoz-, Koz- für Caoz-, Coz-,
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 31
frühe belege für die Setzung des k vor u Kundrat 50, 192. Kundhari
85, 103. Kundlind 103, 5211 (8/9 jh.) von drei verschiedenen Schrei-
bern, in einlragungen des 9 jhs. finden sich folgende belege für
Kund-, jeder von einem andern schreiber : Kundheri 36, 38. 56, 4.
Kundolf 23, 42. 41, 432. Kunduuar 34, 363. 36, 282. Kundhari
52,46. Kundhilt 62, 17. Kundhoh 61, 32. Kundpald 60,26. Kunl-
lant 27, 25. diesen 14 fallen stehn mehr als 70 Cund- (cunl-)
gegenüber, vor ö begegnen ebenfalls scbon beim schreiber von 103,401"
(S/9 jh.) 2 k in Koloni, Kolmunt; neben 44 Cot- zähle ich 10 Kot.
vor a überwigt k. vor consonanten ist nur ein beleg für k vor-
handen : Krimpald 61,3, derselbe schreiber hat Cundpald, Kundhoh,
Komerih, Kozheri, Kozfrid, Kisalhrod (Ekkihart 2, Hekilant und
Skilpunc). die bairischen namen bei Piper stimmen ganz zum ältesten
teile des Salzburger verbrudmingsbucb.es, sie haben k nur vor i, e,
a, c nur vor a, o, u; jedoch ist hier g etwas öfter gebraucht, in
den Freisinger Urkunden ist nach Wüllner s. 104 c vor u, o gebraucht
(2 caoz-, 2 kaoz-), vor a steht c und k, vor e, i, y kommt nur k,
nie c vor. Kaganhart 776 ist der erste beleg für k vor a, dagegen
Cauuipald 755. Carthari 757. Cauuo 758. 759. 760. vor u be-
gegnen 2 k : Kundperht 802. Kundheri 804; ungefähr zu gleicher
zeit erscheinen im Salzburger vb. die ersten Kund-.
Die denkmäler haben nach Wüllner s. 105 f k um so häufiger,
je später sie anzusetzen sind, k vor o, u und vor consonanten.
Pa hat wie die ältesten namen vor u, o (aufser kikoz) und con-
sonanten nur c, vor a ist k seltener als c (Kögel s. 108). ganz
vereinzelt begegnen in den Salzburger namen Ceerpurhuc 71, 23
(vom gleichen schreiber 8/9 Alplind, Gisalni) und Cerpald ^7, 29
(der gleiche schreiber hat 87, 31 Keruni geschrieben, aber sonsl
begegnen bei ihm altertümlichkeiten Liutruth, Leuto, Autouuar,
Causit).
Im inlautenden anlaute, also im anlaut des zweiten gliedes,
zeigt der grundstock der Salzburger namen jene Verhältnisse, welche
Wüllner als regel in den bair. deukmäleru beobachtet hat (s. loh,
k, c erscheinen dort, wo stimmlose lauie vorausgehu, y aber nach
stimmhaften. A" und c verteilen sich wider so, dass c W>r u, u
seine Stellung hat, k vor e, i, vor a beide vorkommen.
stimmlosen lauten steht in den spätem eintragungen g in / "
Deotgis 25, 1. 37, 7. Uualdger 65, 1 1. üualtger 84,
Uuihgart 98, 122. 192 (10 jh.); nach stimmhaften steht
mikis, Mahalcoz 36,7. Pemker 36,18. AdaOter, 7«J»A-
103, 40f. Uuisucart 35, 3. Alticund 3, 232; vor./
Rihkund 29, 19. Ruodkund 33, 14' (ü Jh.). 34. 31
einzige mal inlautend c vor e in NMcer vor, tob
32 SCHATZ
Kaerhoh 34, 43. 83, 292 steht Sundarcaer (8/9). in der cintragung
aus dem 10 jh. 87, l2 findet sich Hillikart wie Richkart 2, aber
Irmengart. man erkennt leicht, dass in der namensclireibung der
spatern zeit die gleichen Verhältnisse wie im grundstocke zu finden
sind; hier kommt nach stimmlosen kein g vor, nach stimmhaften k, c
in Haimkaer, Hugi-, Hari-, Mahalcaoz, Hrincrim.
Gerade aus diesem überschuss der k-y c-schreibungen muss
man schliefsen, dass nach stimmlosen mit k, c ein andrer laut
bezeichnet werden sollte.
Wäre zb. g in Helmgaoz derselbe laut gewesen, wie c in
Perhlcaoz oder k in Liutkaer, so könnte man doch nicht erwarten,
dass die Scheidung so scharf durchgeführt ist, so dass zb. der erste
Schreiber der Salzburger nameu g nur nach stimmhaften, nie nach
stimmlosen (p, t, d, f, h) gebraucht; wenn nun uach stimmhaften
einigemale k, c gebraucht wird, so erklärt sich das leicht, weil in
der Stellung als erstes glied k, c regel war. in der spätem zeit
sind die nur nach stimmhaften lauten berechtigten schreibuugen
-9er> _<7?s> -gart auch nach stimmlosen gesetzt worden.
Kauffmann hat iu seinem aufsatze über ahd. Orthographie
Germania 37, 243 f überzeugend dargelegt, dass die Verteilung der
k- und c-schreibung rein orthographischer natur ist und nicht aus
den deutschen lautverhältnissen erklärt werden kann und darf,
die Verwendung von k, c gegenüber g im anlaut des zweiten gliedes
muss auf lautlichen Verhältnissen beruhen, denn es wäre undenk-
bar, dass sich eine rein orthographische regel gebildet hätte, nach
der in der Stellung nach p, t, d, f, s, h nur k, c hätte verwendet
werden dürfen, während nach vocalen, liquiden und nasalen nur g
am platze gewesen wäre, im freien anlaute der namen könnte
das seltene auftreten von g für regelmäfsiges k, c immerhin da-
durch befriedigend erklärt werden, dass ein schreibgebrauch das
zeicheu g hier nicht zuliefs.
Nach Wüllner s. 101 haben die Freisinger namen ebenso wie
die Salzburger im wortaulaul g selten ; im anlaut des zweiten gliedes
ist nur 1 mal nach stimmlosen lauten g vorhanden, 763 Rotahgauue,
dagegen steht hier k, c 13 mal nach i, u, n, m, l (nach p, t, d, f,
s, h 26 mal); wenn aus der zuletztgenannten erscheinung geschlossen
werden könnte, dass es überhaupt gebräuchlich war k, c statt g zu
setzen, so weist die beobachlung, dass g mit einer ausnähme nur nach
stimmhaften, nicht nach stimmlosen lauten steht, wider daraufhin, dass
vorausgehude stimmlose laute auf g so ändernd einwürkten, das; die
schreiher mit Sicherheit die setzung des g vermieden; wie bei d ist
DAS ÄLTESTE SALZBUKGER VERBRÜDERUNGSHUCH 33
auch bei g mit Sicherheit stimmlose lenis anzusetzen, die mich stimm-
losen lauten forlisartig wurde.
Die liairischen namen des Reichenauer verbrüderungsbuches stimmen
in dieser hinsieht nicht zu denen aus Salzburg und Freisinn aus
Metten stammen Mahlgis, Alhgis , Hrod-, Ruad-, Rihgaoz , Aolger,
Wolfgrim, Alp-, Rihgus (-giis?), jedoch im wortanlaul nehen Gunt-
heri, Gamalberl, Ger wie : 6 Cund-, Crimolf, k'eruni, Kebaharl; aus
iMonsee Waldgaer, Hrodhgaer, Albgis nehen Perlcoz (Kerolt, herum),
aus Chiemsee Perlgaer, aus .Mattsee nur Adalgoz, Pernger [Kisalharl,
-frid, Coalfrid); nur Allaich hat nehen Albgaerus, Blidgerus, Reid-
gaer, Liupgis -auch Rod-, Alb-, Plid-, Aol-, Svidker und nach i, a,
l, r, m, n 12 mal g, man könnte also nur die Allaicher namen zu
den Salzhurger und Freisinger namen stellen, die übrigen weisen
SGaller und Reichenauer Schreibweise auf.
In Pa kommt im inlautenden anlaut nach stimmhaften lauten k,
c und g vor (Kögel s. 10S), nach stimmlosen find ich nur c, \g].abcrunti
Ahd. gll. i 50, 36. crislcrimmot 150, 17.25. erislcrimmod 188, 11.
naheapura 156, 4. ufeanc 194, 13. die von Wüllüer behandelten
hairischen denkmaler zeigen nach dessen ausfiihrungen s. 102 f im in-
lautenden anlaul k, c nach stimmlosen lauten (ausnahmen Exhorlalio
hs. B uuidargol Ihesgajheizes, A uuidar gaoles caheizes, Emmeramer
gebet hs. B mih gahallan, A mih cahaltan, Freisinger glossen, Ahd. gll.
ii 346, 5 hanlga scrip) , nach stimmhaften steht fast in allen aeben
g auch k, c; ilie Übereinstimmung mit den namen ist klar erkennbar.
Im auslaul ist die regelmäfsige Schreibung c; k erscheint ver-
einzelt schon um 800. vgl. 103, 40 f Prunink neben Hamminc,
Irinc, Adalunc, Herilunc, Olunc, Ilpunc. 89, 91 Aduluiik 2 mA.
103,1 Adalunk neben Suuidunc, Irinc. 50,7 Peinunk neben Hor-
nunc 46, 40 (vom gleichen Schreiber), etwas später fällt Tarnink
92, 24. derselbe Schreiber hat einmal im silbenauslaut k in i'uik-
frid; trink 28, 143. Prunink 92,30 und 17,11. auch hier ist c
regelmäfsige Vertretung dieses lautes, k haben noch UuikperlU 36. 29".
Makhelm 15, 29. nach r sieht k in Ruodpirk 60. 30 (dieselbe band
Reginpurc 60, 33). Ellanpurk 89, 304 (S/9). Liulpurk 86, 23*. Cund-
pirk 58, 462. g erscheint in Adalung beim schreiber von 7 1. 19",
dessen namenformen immerhin auffallend sind, vgl. Adalmot, Odal-
suind, Odalmar; Gerbirc 2 mal, Eccipurc, Ralpurc, Hucsuind, I
Uuilligis 3 mal, Sigibald. 84, 264 Maghelm, für die schreibu
treten die ersten belege im anfange des 9 jhs. auf. Hrdtpurch
Hrodpurch 90, 23, etwas später üuanpurch 62, L9*. /-'•
61, 20\ Richpurch 56, 6. Hrodpurch 90, 23. Deotpurrh
Alpurch 48, 21. vereinzelt steht Luallunvh 35, 28. üuall\
von einer band sind Allpurhc Liulpirhc 61.27.
Uuilipirhc 34,21; vgl. von einem schreiber Amatunhc Ltutmunhi
37, 32-3 oder Rikharl 36, 194, das sicher für Rihkari
Akiahrt 85, ll2 als verschreibungen. 103. 401
Z. F. D. A. XLIII. N. F. XXXI.
34 SCHATZ
und Oudalpirc 4516; dieses h ist der früheste ganz vereinzelt stehnde
beleg für eine später häufiger werdende Schreibung. 56, 19 f (9/10 jh.)
finden sich Outpurh, Oulpurh, Onpurh, Irnpurh, Ellinpurh, Meripurh
vom gleichen Schreiber, daneben kein c oder ch, k, g im auslaut. Hada-
purh 29, 14 mag in die spätere zeit des 9 jhs. fallen; vgl. das ver-
einzelte Deolprih 30, 15 (zur Schreibung erinnert man sich an Ceer-
purhuc 71, 23). die Verwendung von h, ch im auslaute für alles g
weist auf eine spätere periode der bairischen mundart; ohne eine ab-
schliefsende darlegung über die bairischen auslautenden ch der spätem
zeit kann eine erklärung der h, ch in den namen nicht gegeben
werden.
Im inlaute kennt die Schreibung der Salzburger namen für ein-
faches g nur g, aufser in Sikipirh 103, 4915 und in Uuirdika 35, 102;
neben dem erstem namen stehn eine reihe von solchen mit inlauten-
dem g, zb. Sigideo, Siguni, Sigimar, zu letzterem vgl. man Uuirdigo
89, 182; es herschl also vollkommene Übereinstimmung mit der Schreib-
weise des ersten Schreibers, der nie k oder c im inlaute verwendet,
so wird man kein bedenken haben, k in Akiahrt 85, ll2. Ekihoh
89, 204 als zeichen der geminata zu betrachten wie im grundslocke;
mau vgl. beim Schreiber von 61, l2 Hekilant neben Ekkihart 2 mal
und Hacco (auch Kundhart s.o.); Ekerich 34, ll4. Ekkerich 34, 1 24.
Ekkileih 31,25. Ekkila 87,47 (wie Pekkihill 4h2). Ekkila 38, 23.
Ekkihart 31,20. 36, 433. 41,28. Ekkolf 108,34. Eccho 103,45.
Hucco 103, 33 neben Tukko 106, 92. Hukko 46, 512. Takko 72, 37.
Pucco 51,5. Uuicco 58,44. Sicca 77, 422. 103, 548 (Clisekka
101, l4 und Frisikka 89, 293). es zeigt sich gleichmäfsigkeit in der
bezeichnung der geminata, entweder kk oder cc, beides schon früh.
Eccho beim schreiber von 103, 40f zeigt eine alleinstebnde bezeich-
nung der geminata gg durch cch, die sich auch in den Monseer bruch-
stücken findet, s. Hench s. 119. Sacgüa, Acgiuuiz 70, 37 (nach
Herzberg N. arch. 12, 92 a. 1 der gleiche name wie Akiuuiz 71,1
des grundstockes) haben cg, s. über dieses zeichen Braune Ahd. gramm.2
§ 149 a. 7.
Es muss immerhin auffallen, dass diese Salzburger namen für
inlautendes einfaches g die Schreibung k, c völlig vermeiden; denn
die Freisinger namen kennen k, c für zwischenvocalisches g ebenso
wie die glossare Pa und R, s. Wüllner s. 106, Kögel s. 109.
wenn auch die belege aus den Freisinger Urkunden seilen sind,
so haben die beiden glossare immer eine stütze an ihnen zum be-
weise, dass diese Schreibung auch auf bairiscbem boden verwendet
wurde. die bairischen namen des Reichenauer vhs. kennen keine
k, c für g zwischen vocalen, wol aber finden sich k für g in
dieser Stellung in Passauer Urkunden: Monum. boica xxvm 2 s. 6
(um 775) Ekinolf, Mekilo vgl. s. 15 Magilo (754), Mekinhelm,
Rekinolf (auch s. 18), s. 8 (788) Cakanhart, s. 22 (um 800) Taka-
perht neben Engilharl, Reginhart, s. 20 Sikimar, Kakanhart (788),
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 35
weitere belege aus Passau hat Weinhold Bair. gramm. § 4 Anküperht,
Ankilhaoh, Ankinaha, Lankincawi ; Takaharlinka , Uuikinka, Hei-
minka -es -um 6 mal, Heimincum (und Tuzlingas, Aeringa, Tulingun)
s. 54, Enküperht s. 50, Takaperht s.52. 55. da nach Wüllner von den
bairischen denkmälern nur das Freisinger pater noster und das
Emmeramer gebet A (dessen heimat Kögel Litteraturgeschichle i 2, 556f
in Freising sucht) zwischenvocalische k aufweisen, so ist man zum
Schlüsse vollauf berechtigt, dass die Schreibung k, c Tür zwischen-
vocalisches einfaches g auf hairischem boden örtlich beschrankt war
und dass nur zwei orte, Freisiog und Passau, hierfür sicher angeführt
werden können, Salzburg und Monsee aher, und mit ihnen wol andre
bairische klöster, sicher sich jenen beiden gegenüberstellen (llench
Monseer bruchslücke s. 119) *.
So hat sich ein zweites sicheres beweismittel für die Sonder-
stellung Freisings ergeben; das vorkommen von oa neben o und
inlautendem k neben g ist für die Freisiuger namen bezeichnend,
mag sich auch Cozrohs Schreibweise zur Schreibung der von ihm
abgeschriebenen Urkunden des 8 jh. in einer weise verhalten, die
man jetzt noch ohne genaue kenntnis der spräche in den von
Cozroh verfassten Urkunden nicht zu beurteilen vermag, das ist
gewis, dass die genannten beiden eigentümlichkeiten bereits den
frühen Freisinger Urkunden angehörten, aber dafür, dass die alten
bair. litteraturdenkmäler bestimmten örtlichkeiten zugewiesen wer-
den könnten, reichen die sprachlichen keunzeichen nicht aus.
beim ersten Schreiber des Salzburger verbrüderungsbuches lässt sich
deutlich ein absichtliches durchführen einer bestimmten Schreib-
weise in der behandlung des umlautes erkennen, ebenso kann man
sich mit dem fast völligen maugel von ae und ao in den Frei-
singer Urkunden nicht anders abfinden, als dass Cozroh sie absicht-
lich vermied, die sog. Hrabanischen glossen haben altes 5 so gut
1 die hier zum vergleich herangezogenen Urkunden aus Passau stehn
in den Monumenta boica xxvui 2 s. 1 f abgedruckt; es sind keine originale,
vgl. s. 23 'Hie finis manus antiquissimi et quaternionis pro pago Rotagao*,
können aber mit recht für die bestimmung der gegend, in der inlautend k
gesetzt wurde, verwendet werden, da eine spätere band bei der abschr
sicher keine k eingesetzt hätte, wenn sie nicht dem original eigen -
wären, man muss beachten, dass die namen dieser genannten sammln
für altes ü regelmäßig o, selten oo, uo haben, für neues 5 mehrfach
Adalhaoh s. 7. Craos 9. Aodolt 12. 15. Raota, Taozi, Aotker, Adalhat
Kerhaoh 16. Raota 17. Haohunsteti, Aotker 19. Aoiinga» 23
fällen a für umlauts-e, und dass sie auch in der Setzung des k im an- u
auslaut zu den oben genannten bairischen Sprachdenkmälern stimmen.
3*
36 SCHATZ
wie gar nicht angetastet, solche erscheinungen drängen die er-
wägung auf, dass in der frühen zeit die spräche eines original-
denkmals ebenso wie vom sich bildenden beziehungsweise über-
lieferten örtlichen Sprachgebrauch auch im besondern von der
individuellen Schreibweise und der Überlegung des schreibenden
beeinflusst erscheint, und so wird man sich hüten, aus einer
sprachlichen besonderheit auf den entstehungsort zu schliefsen,
wenn keine andern Zeugnisse eine solche Vermutung wahrschein-
lich machen.
Germ, h, im wortanlaut vor vocalen ist es regelmäfsig als h
bezeichnet, im silbenanlaut fehlt es nur einmal Aonilt 34,1, im
auslaut nach vocalen einmal ch in Hrodhooch 11, 28 gegen Rodhöh
1b, 40 und 4 mal -höh; nach l steht ch in Alchmod 77,11 (vgl.
Alchoz 26, 19. Alchaoz 79, 11. Machelm 10, 28. 82, 35. Uuichart
77,12. Uuichelm 78,3), dagegen Aloholf 79, 23. Adaluualch 80,5
gegen Uualahin 11,4. 95, 6. 96, 26. Uualahari 42, 17. 21. 82, 28
wag ich nicht mit Förstemann zu Uualah zu stellen; vgl. den
14, 19 noch im 8 jh. eingetragenen namen Uualaperht, dessen
lautliche gestalt nicht anfechtbar ist.
Er erscheint 30 mal in Hrod-, dagegen 11 mal Hod-, 2 mal
-rod. ürincrim 30, 25. Hrindrud 95, 30. vgl. Rapanolf 79, 23.
Hramperht 81, 37. falsch angesetzt ist h in Hrehtuuili 11, 1.
Hratperht 43, 20. Hrathari 44, 21. Hratan 94, 18. Hratpirc 95,24.
Hricho 58, 19. Hrihfrit 96, 5. 24. vgl. Caozhrih 30, 29, wo hrih
aus hart corrigiert ist, indem blofs das a mit dem tilgungszeichen
versehn wurde; Hraginperht 44, 1. Hraginhelm 74, 38. Hragin-
suind 94, 5. Hreginni 95, 3. Huuisni 95, 35. perht ist regel-
mäfsig, nur einmal kommt die form Mailpreth 43, 37 vor. Hari-
holt 79, 29. Uuolfholt 44, 5. Ahiholt 76, 23 können im hinblick
auf die nicht zu bezweifelnden Uuolfholt bei Piper n 161, 2. 467, 21
Uuolfhold 465, 17 sowie auf die mit Hald- Halt- beginnenden
(ebenda index 453) als -holt gefasst werden, dazu vgl. man bei
Kossinna Uuolfholti, Golholti s. 58b.
In den Zusätzen begegnet einigemale h vor vocalen : Herchan-
perht 3, 9. Hellanpurch, Herchanfrid 15, 21. 23. Honhart 12, 21.
Heperharl 36, 43. Haoslarpald 36,12. Hosterpert 58, 423. Haas-
mol 49, 17. Hasperht 105, 26. Haspald 59, 5. Hirminperhl 31, 6.
Hirminharl 51,21. Hengilram 65,1. Hengilperht 76,44. Hisker
30, 16. Hekilant 61, 11. Hecchacosa 98, 73, die lalle sind zu ver-
einzelt, um zur frage nach der and. bair. prolhese des h aufklarend
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERüNGSRUCU 37
beizulragen (Garke Prothese und aphairese des h im alid. s. 34 f).
vor r schwindet das lautlich berechligte h immer mehr, je jünger
die Überlieferung ist, doch begegnen auch spät noch Hrod-, Hruod-
wie Hrat-, Hrih-, im auslaut zeigt sich früh schon ch in Cotauuich,
Deolnuich (wie Hrichpirc) 34, 298. 323, Hroduuich 50, 82 neben
Paldrih (8/9 jh.), Kerualch 18, 55, ganz vereinzelt steht Adaluihc
99, 3.
Für germ. p sind beim ersten Schreiber die namen Erpolf
73, 35 und Erfo 76, 22 heranzuziehen; ersteres kann nicht wol
als Erp-olf — Arbi-olf gefasst werden, weil der umlaut nicht zu
erwarten wäre, p und f sind hier hezeichnungen der affricata pf,
vgl. Erpholt 773. Erpho 776. Erphuni 80S in den Freisiuger Ur-
kunden.
Germ, b ist im an-, in- und auslaut durch p vertreten, vgl.
Popili 76, 21. Suap 58, 3. nur Albuinus 30, 23. Ambricho 77, 20.
Bouo 82, 13 machen eine ausnähme; der erste ist latinisiert (Karajan
Einleitung s. xxxii, Herzberg N. Archiv 12, 107), im zweiten ist b
zwischen m und r nicht ursprünglich, s. Kögel Litteraturgesch.
i 2, 214, vgl. in frühen Zusätzen Ampricho S6, 32. Ampriho 103, 533,
der dritte ist niederdeutsch, vgl. Bovo, Boving bei Heyne Allodd.
eigennamen.
Germ. / erscheint im grundstock stets als f.
Anlautendes w wird mit uu bezeichnet, durchweg im anlaul
des namens; inlautend kommen uu vor in Gauui 5 mal (vgl.
Geuuidrud 98, 32), in Eauuirih 74, 25. Auuo lü, 12; dagegen u
in Aeuo 9, 15. Auo 10, 23. Frauigis 78, 25. im anlaut des zweiten
gliedes steht uu in Hrehtuuili 11, 1. Ainuuolf 66, 13 (sonst nur
-olf). Akiuuizl\,l. Lantuuari 80,36. 81,31. Cotouuar 94, 32.
95, 18 (Cotuuar 94, 7). Cunduuar 95, 12. 40. 96, 1. Cholduuaih
96, 16 {Hroduui 96, 20 nd.J. s. Piper i 319—326), u in Luduih
29, 6 {Albuinus 30, 23. Iduinus 42, 4). Gunduin 79, 13. lnguald
79, 19. Inguaid 96, 2 (vielleicht gehört Aloih 79, 17, in dem mau
o für m vermuten konnte, zu Alohih 82, 13 und hat ausfall eines A,
wenn das letztere richtig in Aloh-ih zerlegt wird), in d<
hindung mit einem vorausgehnütn consouanlen wird In
angewendet in Huuisni 95, 35, sonst jedoch nur u und zwar
suind 12 mal. {UuldarhÜt 96,34 kann für die bezeichne
anlautenden w durch u nicht geltend gemacht we
Germ, b ist wie im grundstock, so auch in den Zusätzen
mäfsig durch p bezeichnet, b kommt nur vereinzelt vi
38 SCHATZ
41,9. 87,25. Albuinus 14,20. 64,27. Albuuinus 24, 82. Albuin
63, 18. Pabo 89, 332; früher eingetragen sind Bilimool 70, 14 und
Buohhila 98,18 von einer hand, die kein p schreibt; Albrat 87, 35,
Blidkaoz neben Hülipald 15, 1, Asbrand 85, 36 und Birhlüo 86,7,
Ebersuindus 47, 32 neben Eparhart (und Liulmundus) , Eberhart
59, 122 neben Selpker; Sigibot 37, l8, Libdrud 75, 1 uea. der
grofsen anzahl der p-schreibung gegenüber sind diese b ohne bedenken.
Für germ. f zeigen die zusätze früh schon u. Uuluihho 104, 23.
Uuluicho 103, 4016. Uuoluo 67, 26 (8/9 Jh.). Zuuiual 109, 5.
Zuiual 47,41. Engiluorhl 34, 376. Eingiluorht 90, l4 vgl. £n#«7-
/bWU 84,39. Uaslrat 91,38. Volchsuuinl 87, 43 (10 jli.). Uolch . . t
100, 176 (ende des 9 jhs.); inlautend findet sich germ. /" in den
namen zwischen stimmhaften lauten recht selten, frid, frjt ist immer
mit f geschrieben, Sigifrid, Odalfrid, Erchanfrit (nur Engilurit
101, 124).
Germ, p kommt in folgenden namen der zusätze vor : Helfrih
23,8. Helfoll 108,37. Helphrih 39,3. Dorpfuni 45,10. Erphari
105, 1 ; man vgl. im grundslocke Kamfio 10, 38, Erfo, Erpolf.
Die bairische mundari der abd. zeit kennt den ausfall eines n
in haupttoniger silbe nicht; wo also formen auftauchen, welche
scheinbar n-schwund zeigen, ist entweder an entlehnung aus dem
norden zu denken oder eine von jeher n-lose form anzunehmen,
unter den Zusätzen im Salzhurger vh. finden sich namen, deren
erstes glied Suuid- ist; im zweiten kommt nur -suind vor. Suid-
mot 103, 4416. Suuidker 35, 21. Suuidunc 68, 13. 106, 4 (8/9 Jh.).
Suidkaer 36, 40 (dieselbe hand Hratheri 44). Suidpurc 84, 312.
Suidker 83, 182. 92,12. Suidger 58, 422. Suuühart 77, 372. 90, 153.
102,1; diese drei belege aus später zeit, unter allen namen
kommt keiner mit Suind im ersten gliede vor. das muss auffallen,
wenu in Suid eine entlehnte form vorliegen soll; dazu aber Suid
für nd. zu halten fehlt es an beweisen und so wird man den
zweifeln Förstemanns i 1 135 f , ob alle Suid zu Suind gehören, ihr
recht geben und ahd. suid, germ. *swip- in den namen suchen,
die namen Suindpret bei Piper n 103, 62. 302, 7. 316, 202. 523, 36.
i 336, 9 stammen alle aus später zeit; der index verzeichnet s. 511
an 80 namen mit Suid, Suuid an erster stelle. Kossinna führt
s. 59 zwei namen mit Suid- an , aber keinen mit Suind. aus
Förstemanns namen ist nur Suindger (a. 805) und Suindheri aus
Meichelbeck nr 606 (9 jb.) zum vergleich heranzuziehen; dazu der
elsäss. ortsname Suinderadouilla (Schwindratzheim) Tradd. Wiz.
nrr 35. 162 (a. 737). es kann keinem zweifei uuterliegen, dass
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 39
ahd. Suid als erstes glied in namen vorligt; Sui?id erscheint da-
neben seltener l.
Zweimal kommt unter den Salzburger namen die form ans-
vor: Ansa 29,15 beim ersten Schreiber, Anseri 61, 7 ' im 9 ib.,
sonst nie; dagegen zeigen sich mehrere namen mit as als erstem
teile, beim ersten Schreiber kso 43, 30. Aaso 44, 18. Asilo 26,15.
Asi 27, 5. Aasmar 43, 34. Aasfrid 79, 16. Aasperht 78, 9.
79, 5. 81,8. Äsperht 79, 22. Aashilt 94, 8. Aasni 97, 10; die be-
zeichnung der länge durch doppelschreibung des a ist hier beliebt,
in spätem Zusätzen Aso 15, 11. 77, 42. Asila 98, 4l2. Asrih 16, 25.
Asmunt 47, 142. Asprant 41,32. Asbrand 85,36. Aspert 69,28.
Asperth 68, 34. Asperht 36, 62. 73,1. Asfrid 72,30. Aaspert 37, 48.
Asuni 12,10. Äsuni 46, 47. Asni 98, 23. Aeshilt 91, 26. Haspald
59, 5. Hasperht 105, 26. es ist kennzeichnend, dass die form a»s-
so gut wie ganz fehlt, dass jene Zusammensetzung, in der ans-
im hochdeutschen am häufigsten erscheint, Anshelm (vgl. Pipers
indes s. 412, Förstemann i 108), nie als Ashelm sich zeigt, auch
bei Piper und Förslemann nicht, es unterligt gar keinem bedenken,
wenn äs- als selbständiger germ. namenstamm angesetzt wird.
Kluge stellt ihn Grundriss2 § 6 zu keltischem esu- in Esunertus.
(s. auch Brückner Sprache der Langobarden s. 224.)
Anders steht es um Ospirin 34, 255. 314, von einer band
(8/9 jh.) eingetragen; auch hier ligt es nahe, an ans und seine
anglofriesische gestalt ös zu denken; es läge also ein entlehnter
stamm vor. unter den spätem namen des Salzburger verbrüderun^s-
buches finden sich jedoch folgende: Uöspirc 32, 7. Osa 101, 2.
Huosa 98, 242. Osso 2, 242. Uaoseolt 18, 63. Uuospirin 101, 3'.
zur Schreibung der beiden letzten vgl. man die nicht seltenen
Uuodal- Vuodal- uä. bei Piper index s. 533; aus diesen namenformen
kann nur eine ahd. form uos, früher ös gewonnen werden, unter den
Freisinger namen kommen vor 782 Huasuni, Oasuni (und Oadalrih)
773. Osinwanc = Oasinwanc der Überschrift ca. 770 (ur 42). 777
Ospurga (814 Huasmot), Weinhold verzeichnet Bair. gramm.
aus Meichelbeck Oaspald, Oaspirin, Oasker, Oaspurc, Oasriri'
Piper Uospret i 165, 10. Yaspreht n 3, 36. Yosbret n 51
Uasker n 15, 29. Vasger ii 574, 18. Ospirin i 1 10. 10. 1
1 ESchröder bemerkt, dass es auch namen mit dei ■
gibt, und verweist für das paar swip - srcinp auf mhd.
sinde, sit {sid) neben sint.
40 SCHATZ
325, 4. 5. 358, 3. Vosprin n 3, 11. 312, 12. Vosbirin n 220, 20.
Uosleib ii 504, 142. Osleip ii 169, 36. aus Altaich Oso n 99, 36,
(Huoseker n 353, 102. Hosiger n 329, 36. Hospirint ii 207, 183.
Hosber ii 629, 2 von derselben hand Asmot, Asa, haben jedesfalls
prothetiscbes h; ob Huso ii 482, 7. 401, 18. 467, 12. Husigrimus
i 200, 23. Husigolt u 110, 10 (aus Monsee). Husi ii 214, 22. 215,39
zu trennen sind?), aus Fuldaer Urkunden Vosburg 822. Voswih 801
angeführt von Förstemann i 1337. alle diese belege stützen den
ansatz ös-, ahd. uos- und sprechen gegen die erklärung des ös,
die es als nd. auffasst und aus ans entstanden sein lässt — der
name müste denn als ös zu jener zeit ins hd. übernommen worden
sein, in welcher germ. ö hier noch unberührt war, und mit diesem
zusammengefallen sein, eine unhaltbare Vermutung. — wenn man
namen nebeneinander findet wie Paatto und Pöto (Salzburg 20, 17.
79, 192). Taato 64, 25. Tooto 26, 38. Aato 52, 45 und 'oio 78, 18.
As- und Os-, möchte man an einen Zusammenhang denken.
Einstämmige, mit suffix gebildete namen und kurznamen
haben der mebrzahl nach den nominativ der «-stamme, die männ-
lichen auf -o, die weiblichen auf -a. Baimo 9, 2. Paldo 9, 5.
Sindo 9, 10. Aeuo 9, 15. Uualto 9, 22. Popo 9, 23. Cogo 9, 35.
To. lo 10, 31. Arno 26, 35. Ölo 27, 3. Horsco 26, 34. Ogo 36, 22.
Palo 36, 2\ Manno 42, 5. Aso 43, 30. Zeizo 43, 302. Agino 44, 172.
Hricho 58, 19. Theolo 62, 21. Puoso 7 3, 9. Adolo 74, 16. Raato
75, 26. Alo 76, 3. Ulo 76, 19. Erfo 76, 22. Cauzo 76, 29. Talo
78, 13. Pd«o 79, 192. {Lupo 80, 6?) t/ua#o 80, 14. Snello 81, 15.
Eporo 82, 17 (= fipftoro 42, 22). lulo 82, 23. Perhlo 83, 10. 27so
78, 4. Sigo 83, 122 vielleicht eine ursprüngliche bildung zum u-slamm
sigu-. Kamfio 10,38. Hrodio 77,36. f/ua«o 9,20. Hülo 9, 24. tfoHo
9,34. Appol\,\9. Petto 26, 12. f/«o30,22. ^«o29,25. Anno 30, 32.
M«o 43,33. Hemmo 73, 15. ^zzo 74, 17. Pazzo 75,34. Sicco 77, 302.
Penno 78, 29. ^o 80, 62. Memmo 82,40. /mwo 83, 1. Allo 83, 19.
Zw«o 83, 23. Otüo 7 8, 192. Tutilo 7 3, 2. Pe«i/o 58, 72. Amilo
44, 17. Theotilo 77,34. iW«mi7o 7 6,36. f/m'^7o 7 7,4. Nandilo 74,22.
Kaerilo 11,20. Ca<m7o 77,13. #um7o 77, 38. Joü7o 83, 72.
Tassilo 62, 25. Pap^7o 42, 20. Ozilo 7 5, 32. Zozzolo 58, 82. £nzofo
58, 342. Uuanilo 36, 25. ^si7o 26, 15. Immino 75, 5. Cunzo 42, 15.
Tapizo 76, 38 {Tepizo 58, 37). i/apüo 81, 6. Elizo 43, 39. Unanito
79,3. t/saJo 79, 35. Maoricho 58, 172. Ambricho 77, 20. Sipicho
77, 31. Amicho 79, 26. — auf -i enden Uo<# 78, 5. Ta^' 66, 9.
Gw«2i 10, 29. Popili 76, 21, hierher zu ziehen ist auch Pagiri
78, 27. 41, falls agi für aü steht und also Paiir-1 zu lesen ist1.
1 Weinhold stellt in der Bair. gramm. s. 1 anm. 2 alte belege dieses
volksnamens zusammen, Pegiri, bei Wagner 813 aus Fieising deckt sich
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDERUNGSBUCH 41
Weibliche namen. Epa 94, 42. Tala 94, 362. Tola 94, 92.
Pulda 95, 11. ifai/a 95, 12. PeMa 95, 172. ^«a 95, 37. ^a<a 71,2
Chunda 96,7 (C/t?). £Ti7(f7a 96,9. Cozrn 97,41. 89,32. Mala
96, 13. vgl. Maio 10, 14. '0«a 96, 18. Papa 96, 21. K*a 71, 8.
Imma 70,5. Aegina 96,12. Cundüa 94,3. Uualtila 94,4. PaJ-
di7a 95, 26. — Hilli 94, 122. ZVudi 94, 19. Totti 95, 62 sind als
deminutivbildungen gleichwie die männlichen Rodi, Tati aufzufassen.
Eine eigene gruppe bilden die männlichen namen auf -uni.
der erste schreiberkennt Laipiini 11, 29. Sinduni 26, 37. Perhtuni
27, 8. Gunduni 43, 14. Adaluni 58, 35'2. Adoluni 58,40. Scaftuni
64, 24. Norduni 73, 32. Theotuni 74, 6. Haliduni 76, 6. Helmuni
81, 28. Cotoni 78, 18. 19. die zusätze haben die namen Ringuni
72, 354. ^dafuni 41, 36. 66, 44. 84, 153. Scaftuni 79, 82. Folchuni
61, 162. Truhluni 61,8. Perhtuni 59,6. 61, 143. J//wm 46,30.
52,9. ;%uni 49, 7K4. 71, 32. 89, 363. 103, 514. Laipuni 46,49.
Lepuni 103,48. Asuni 12,10. 'Asuni 46,47. Mahlluni 46, 32.
Mahluni 48,27. Dorpfuni 45,10. Helmuni 15,20. 37, 152. TYu-
duni 31, 10. Hanluni 29, 5. 32, 21. 84, 212. Rifuni 27, 21. 73, 182.
Teoruni 28, 12. Marchuni 28, 2. Dhruduni 4, 29. 0<swm 6, 1 (?).
Liupuni 62,20. Haohuni 84, 223. J4o<wm' 87,37. i?a(unt 73, 193.
Keruni 87,31. Righuni 86,4. Zeizuni 106, 2 13. in den Freisinger
Urkunden bei Wagner Rihhuni 755. Helzuni 7 72. h'epuni 777.
0(u?u 782. Liuluni 790. Alpuni, Helmuni 791. Crimuni 792.
Erura 804. Hantuni, Cozzuni 807 . Marchuni, Erphuni 808. Pazzuni
809. Huasuni (= Oasuni) 782. Weinhold führt Bair. gramm. s. 214
an Palduni, Dinguni, Aruni, Heimuni, Hringuni uaa. unter den
bairischen namen bei Pipern kommen vor ^erum 125,9. Aegiluni
116,1. Hanluni 124,35. iferwm 117,11. Zeüw/u 99,24. Mada-
Juwi 119,23. Folchuni 101,10. .4/tum 119,4. Kemptener namen
sind Rehiuni, Hütuni, Hluduni, Danchuni, aus Feuchtwangen Ooda-
luni, Hruoduni; aus Passau stammt Selpuni 788 (Mon. boica xxvm 2
s. 13) aus Pfäffers Siguni Piper n 52, 32, ferner Erluni n 316,26;
es werden sich noch andre stamme mit der bildung auf -um linden.
vereinzelt sind Richoni Salzburg 36, 252. Rodoni 53,21.
mit Pagiri wie Heimo mit Haimo; aus den Casseler glossen, Ahd.gll. m 13, 5
ist der nom. plur. Peigira bekannt, wol sicher die form der o-stämme, nicht
der /o-stämme, die in der altera zeit regelmäßig im nom. plnr. -e li
Braune Ahd. gramm.2 § 198, 4. die formen Pagiri, Pegiri, Peigiri (
bei Meichelbeck 814, s. Weinhold) können aber nicht sing, zum plu
gira sein, wenn diese form der o-declination angehört; der -
klärt sich nur als erweiterte form; wie zu Popilo (Bubi!» bei Piper
II 415, 332) Popili als deminutivform (Braune Ahd. gramm.s §
inanns Deutsche gramm. u § 243) gebildet wurde, so zu Tato ein Tati, si
*Paiii' ein Paiiri (Pagiri).
42 SCHATZ
Im alem. stehn diesen bildungen mit -uni zahlreiche namen
mit -ini gegenüber, das in der spätem zeit als -ine erscheint:
Albini Piper index s. 408. Altini 409. Kerini 422. Cundini 428.
Deotitii 430. 514. Otini 485 ua. Pipers Puatoni n 474, 23 legt
die annähme nahe, dass -oni in Cotoni, Richoni, Rodoni des Salz-
burger Verbrüderungsbuches durch einen auslautenden vocal ver-
ursacht worden ist (Cota-uni, Richo-uni, Rod(i)o-uni wie Puato-uni).
Müllenhoff setzt Denkm.3 n 155 -ini, -uni gleich -uuin (ebenso
Henning s. 109, Behaghel Grundriss2 § 88), er erkannte schon,
dass -uni die bairische, -ini die alemannische form sei (vereinzelt
kommt alem. uni und noch seltener bair. ini vor, im elsäss.
scheinen beide formen vorhanden zu sein), aber seine annähme,
dass uni aus wini entstanden sei, wird durch die auslautgesetze *
widerlegt: i müste geschwunden sein, vgl. Friduwin, Liobwin Kluge
Grundriss2 § 152 und Kossinna s. 28 f, Förslemann i 1315 f. als
ein ursprünglich selbständiges wort lässt sich -uni nicht auffassen,
sondern nur als suffixbildung, s. Fürstemaun i 944 f , Weinhold
Bair. gramm. § 213. das auslautende i erklärt sich nur entweder
als deminutivsuffix wie in Rodi, Tali, oder alsnom. eines/ö-stammes,
Gunduni = Gundhari ; wenn i hier lang wäre, bliebe es als i er-
halten, YVilmanns Gramm, ii § 243, 3, 1, aber im alemannischen
tritt in den namen mit -ini später e ein, bei Piper n 266 Albine,
Coldine wie Othere, Reginhere, Ruodhere, Cundhere, n 176, 4 unten
Altine wie Engilhere. demnach ist die urform dieser bildungs-
silbe -unjaz aus -nfos nach consouanten, beziehungsweise -enjaz,
so dass in -ini vollstufe des suffixvocales, in -uni Schwundstufe
vorligt. (aus dem altndd. verzeichnet Heyne Bernani, Marcuni,
Moduni, Oduni, Osuni, Sithuni, Thiadoni, Modani).
Nun begegnen aber im Salzb. vb. beim Schreiber der namen
des bair. klosters Moosburg 103, lf (8/9 jh.) Folchun, Eparun,
Liupotun, Pazzun, mit dem beisatz pur m. diac, also sicher
mäuneruamen, neben Eparuni, Zeizcuni, Deotuni. Alois Walde
macht mich darauf aufmerksam, dass in ihnen der urgerm. nom.
-iz der jo- stamme zu sehen ist, so dass -un und -uni auf
dieselbe bildung zurückgehn , s. Streitberg Urgerm.gr. § 146 a.
vielleicht lassen sich fränk. namen auf -in — Kossinna s. 29 er-
wähnt, dass 765 — 841 15 fälle, vorkommen — in der gleichen
1 der auffassung Kluges widerstreiten nach ESchröders hinweis freilich
formen wie Gevuuini, Jltuuini, Oluuini (Hersfeld a. 835).
DAS ÄLTESTE SALZBURGER VERBRÜDDRUNGSBUCH 43
weise erklären, dass sie den ursprünglichen notn. -eniz -iniz dar-
stellen; wenn -in wie Kossinna annimmt auf -win mit schwund
des 10 wie in Otachar = -wachar zurückgienge, konnten nicht so
viele helege mit win als zweitem gliede, also mit erhaltung des w
vorliegen und die annähme, welche man allenfalls dafür machen
könnte, dass Fruoluuin, Eruoduuin Dronke 771. 772 und ähn-
liche ihr uu nach art von Friduwin, Sigiwin wider eingesetzt
hätten, liefse sich schwer erweisen, unter den Salzburger namen
finde ich noch auf -un Alpun 92, 6. Theotun 33, 1, der zweite ist
sicher männlich, der erste kann auch weiblich sein; die Kemptener
Teothun, Deothun Piper i 84, 2 sind mit -hun zusammengesetzt.
Franchin 94, 40 ist eine weibliche bildung wie kuningin,
ebenso auch Uualahin 95, G und Arin 96, 3 vom stamme är.
Wie bei den männlichen namen begegnen auch bei den
weiblichen ein reihe namen mit suffixalem n auf i auslautend.
Uualtni 94, 9. 10. 95, 21. 97, 7. Adaini 94, 11. 95, 8. 32.
Cundni 94, 12. 97, 5. 35, 1. Mahalni 94, 13. Caozni 94, 15.
95, 19. Trudni 94, 23. Hrodni 95, 1. 9. Hreginni 95, 3. Odalni
95,16. Huuisni 95,35. Kaemi 96, 14. Cotani 95, ll2. 96, 172.
30, 3. 70, 12. Aasni 97, 10. schon diese belege von der hand des
ersten Schreibers reichen hin, um -ni als suffixalen teil abzutrennen.
Jacob Grimm hat in Kuhns zs. 1, 431 f diese bildungen in der
weise erklärt, dass ni aus niu hervorgegangen sei. diese annähme
verbietet schon die form Adalniu 94, 21, welche zeigt, dass niu als
zweites glied ganz so entwickelt ist wie -diu. weitere beleg»- für
diese bildung sind aus den Salzburger namen Rihni 35, 11. 100, 5.
101,2. Somni 34, 254. Sundarni 35, 182. 100,2. EiUini 100,12*.
Theotni 72, 38. 98, 36. Haohni 98, 2. Hraginni 97, 34. Raginni
97,25. Itiny 34, 28. Kisalni 91,23. Gisalni 71,24. Kysalny 19, lo.
Mahalni 34, 313. 70, 32. 85, 94. Cunni 34, 281. Uualni Tu. :,7
(vgl. CfaWta 94, 26). Uuerdni 71, 222. Kerni 59,26. Alpni 35,
Adaini 34,31. Hrodni 34, 285. Aotni 34,33. 70,25. CWa/n 15,12*.
24,3. Uualtni 6,6. Goznil, 4; aus Pipers namen habe ich ver-
zeichnet idofoi n 37, 172. Adaini ii 497, 5*. 4mi ii 26 1
Jhuufoi ii 37, IS2. 500, 312. Cozni i 163, S. n LI, 17. 21.
ii 425, 252. Gemi u 425, 36. Keerni n 425, 30*. Rihni n 355, 1 1 :
es werden sich noch mehr stamme mit der bildung auf -n
winnen lassen, vgl. Farani, Golni, Sigini, Tagani bei Grimm a
flerani, Eburni, Frowini, Gebini, Hadani, Liutni, Randni '<
44 SCHATZ
manu i 959 f. man erkennt leicht, dass kein nomen diesem -ni
zu gründe liegen kann, sondern dass es wie -uni, -ini nur als
suffixbildung erklärt werden kann, da kein vocal vor dem n sich
zeigt, muss die grundform nach dem n einen vocal gehabt haben,
-ni ist ursprünglich, der gleichsetzuug dieses feminina bildenden
suffixes mit dem idg. nom. -ni widerstehn die lautgesetze, da
das i des nom. dieser bildungen im auslaute geschwunden ist;
aber trotzdem muss zu diesem suffixe bei der erklärung gegriffen
werden, denn die weiblichen uamen Hratan Salzburg 94,18.
Hraüun 70, 10, dann von späterer band Perhtun 27, 232. Raitun
98, 1. Hreitun97, 43. Eginun9$,Q\ Früun 98, 43. Trusun 37, lf
lassen suffixales an, un erkennen, das aus silbischem n nach con-
sonauten entwickelt sein könnte •; sie weisen also auf eine urgerm.
femininbildung, die nur -ni gewesen sein kann und haben die
lautgesetztlich entwickelte form mit Schwund des i, Braune Ahd.
gramm.2 § 209, 2. § 210, 5. AWalde erklärt das erhaltene i in
der weise, dass der urgerm. nom. zb. *Hrdpiii wegen seines acc.
*Hröpnjön westgerm. zu *Hröpnjö nach analogie von ö-stämmen
(gebdn acc, gebü nom.) umgebildet wurde und dass diese secundär-
form regelrecht zu *Hröpni führen muste2. hiermit ist zweifellos
die richtige erklärung gegeben; das alter dieser bildung (Wil-
manus gramm. n § 240) wird durch die form Cunni Salzburg
34,28* (8/9 jh.) bestätigt: Cunni ist aus Gunpni entstanden und
p ist geschwunden wie in sinnan aus sinpnan und ähnlichen,
vgl. Streitberg Urgerm. gramm. § 129, 6b. der Zusammenhang
dieser bildungen mit den männlichen namen auf -uni ist unver-
kennbar, vgl. Theotuni — Theotni, Adaluni — Adaini, Truduni —
1 ESchröder bemerkt dazu : 'dass die frauennamen auf -un (in den
Fuldaer Urkunden wenigstens) morphologisch zu beurteilen sind wie die mo-
vierten feminina auf in {Frenchin, kuningin), geht daraus hervor, dass die
(latinisierten) flexionsformen stets nn haben, also : nom. Hruadun, abl. dal.
Hruadunne Dronke nr 100; gen. Hruadunne nr 241 ; n. pl. duae Ruadunnae
nr388; vgl. auch ebda den frauennamen Uuirlun'.
2 'diese neubildung war um so näher liegend, als durch einen solchen
nom. Sgl. fem. auf -njö eine deutlichere femininform gegenüber den ent-
sprechenden männlichen eigennamen mit dem nom. Sgl. auf -jaz gewonnen
wurde, während die daneben weiterbestehenden nom. Sgl. fem. -ni (wie die
oben angeführten wie Hratan, Hraüun usw.) im Sprachgefühl jedesfalls als
zu den nom. sg. masc. auf -iz {Fulchun, Eparun usw.) in näherer be-
ziehung stehend empfunden wurden'. AWalde.
DAS ÄLTESTE SALZBÜRGER VERBRÜDERUNGSBUCH 45
Trudni, Ealiduni — Helidni , Cundtini — Cundni, Hiltuni (vgl.
Hiltolf) — Hiltini, Haohuni — Haohni, Kenini — Kernt, Alpuni
— Alpni, Hroduni — Hrodni, Liupuni — Liupni, Asuni — Aasni,
Aotuni — Aotni, Odaluni — Odabii; jeder versuch, uni, ini etwa
als nomen zu erklären ist ausgeschlossen, seit dem 11 jh. sind
diese weihlichen namen wie weggeblasen, sagt JGrimm, und ebenso
verschwinden auch die männlichen dieser art. sie zeigen den rest
einer urgermanischen namenbildung, die wenigstens bei den femi-
nina in die idg. zeit zurückreicht und wol schon seit jeher als
ableitung zu einfachen namen verwendet war.
Sicher zusammen gehören die weiblichen Salzburger namen
Aruna 90, 32. 94, 36. Siguna 27, 24. Liutuna 100,4, wol alle
noch aus dem 8jh.; -una ist die erweiterte nominativform, die
in den oben genannten weiblichen namen auf -un einfach vorligt.
falls für Hratan 94, 18 Hratun die grammalisch richtige form ist,
lassen sich alle diese namen wie ahd. wirtun, wirtin, auf ur-
sprüngliches -?mi zurückfuhren, s. darüber Wilmanns gramm. u
§ 240, 1.
Innsbruck. JOSEPH SCHATZ.
ZU HROTSVITS THEOPHILUS v. 17.
Theophilus wird einem bischof zur erziehung übergeben,
damit dieser ihn 'aus dem bronnen siebenfacher Weisheit tränke
dh. ihn in den sieben schuhvissenschaften des triviums und
quadruviums unterweise *.
Cumque pio satis exhausti puero foret 2 ipsi,
15 Digno confestim provectus hotiore gradatim
Perveniebat ad officium sibimet satis aptum,
Quod lingua vulgi scimus vicedomno vocitari.
so gibt Baracks ausgäbe v. 17, und so glaubte wol schon Celles
die züge der Münchener hs. deulen zu müssen, wenn er dem
1 die richtige erklärung des bildes gab WMeyer Sitzungsber. d. Münch.
akad., philos.-philol. und hist. cl. 1873 s. 58.
2 Barack bei seiner absonderlichen Vermutung forent
weder der parallele in den Gesta Oddonis erinnert, v. 1S1 (= v. 10$
Pertz) ast ubi collecti visum fuerat salin ipsi, noch
bildes beider stellen, des Boethius in der Gonsolatio Philosophiae iv c. 1. 1
atque ubi iam exhausti f'uerit satis.
46 v. WINTERFELD ZU HROTSVITS THEOPHILÜS v. 17
versbau durch die waghalsige änderung scimus dictum vicedomni
zu hilfe kam. freilich, wenn richtig wäre, was Köpke l angibt,
dass vocitari von der band des alten correctors zugesetzt sei, so
wäre die änderung nicht allzuverwegen; denn um die glaub-
würdigkeit des correctors (oder richtiger der correctoren) ist es
nicht zum besten bestellt2, aber vocitari ist unzweifelhaft3 von
derselben band wie die ganze Umgebung und nur darum dunkler
geraten, weil die feder frisch eingetaucht war. Wilhelm Meyer4
vermutete vocari; indes eine Verkürzung der schlusssilbe in vice-
domno wäre bei Hrotsvit unerhört, und auch die construction
hätte ihr bedenkliches, da die analogie des dativs in der Verbin-
dung mihi nomen est Gaio nicht passen will : und so allein könnte
man doch den ausdruck rechtfertigen.
Auszugehn ist von lingua vulgi. das kann nur die spräche
des Volkes, das deutsche sein, im gegensatze zum lateiu der ge-
lehrten nonne. und dazu passt trefflich die wahre lesart der
Münchener hs. vicedo : natürlich nicht vicedeo, wie die Pommers-
felder abschrift auflöst, sondern vicedom. Theophilus steigt in
der kirchlichen laufbahn von amt zu amt, bis zum vitztum, dem
Stellvertreter des bischofs. mit diesem titel hat die dichterin ihn
im verlaufe der legende zu nennen; und während sie später
immer5 vicedomnus sagt, braucht sie hier zur einführung die
volksmäfsige form.
Berlin. PAUL v. WINTERFELD.
1 Hrotsvit von Gandersheim (= Ottonische Studien h, Berlin 1S69)
s. 240.
2 die begründung dieser behauptung kann ich erst in der für die Mon.
Germ. hist. vorbereiteten ausgäbe bieten, da die kritische Sachlage ziemlich
verwickelt ist und hier ja auch gar keine correclur vorligt.
3 die wertvolle Münchener hs. lat. 14485 hab ich im mai 1898 in
München verglichen, wo ich mich der liebenswürdigen gastfreundschaft
Traubes erfreuen durfte; die Pommersfelder abschrift (n. 2883) wurde mir
zu längerer benützung hierher an die königl. bibliothek gesant.
4 aao. s. 57 anm. 4.
5 v. 34. 59. 281. 424; durchweg als versschluss. in der Überschrift
heifst er vicedominus.
DIE QUELLE
DER ORIGO GENTIS LANGOBARDORUM.
Der versuch , als quelle wenigstens des ersten teiles der
Origo gentis Langobardorum ein deutsches allitterierendes lied
nachzuweisen *, hat von verschiedenen seiten anfechtung erfahren.
Much freilich (GGA. 1896 s. 892) hat sich die Widerlegung sehr
leicht gemacht, und auch Kraus (Zs. f. öst. Gymn. 47 s. 314) hat
keine gewichtigen sachlichen gründe, die gegen jene annähme
sprechen könnten, beigebracht, ich halte aber die frage, ob aus
der lateinischen und prosaischen Origo die existenz eines deutscheu
liedes zu erschliefsen sei, auch principiell für so wichtig, dass es
sich wol der mühe lohnt, etwas ausführlicher darauf zurückzu-
kommen, nun ist allerdings von vornherein zuzugeben, dass sich
eine solche annähme, da die reconstruction des ursprünglichen
niemals völlig gelingen kann, auch nicht mit völlig zwingenden
gründen dartun lassen wird, dass man sich vielmehr mit mehr
oder weniger sicheren Wahrscheinlichkeitsbeweisen begnügen muss.
gerade bei der Origo g. L. treffen nun aber so viele charak-
teristische und ins gewicht fallende erscheinungen zusammen, dass,
wie ich meine, die zweifei auf ein sehr geringes mafs zusammen-
schwinden müssen.
Wenn ich im folgenden versuche, ein lied als quelle der
Origo zu erweisen, setz ich dabei voraus, dass das werkchen uns
im wesentlichen in ursprünglicher gestalt erhalten ist. Mommsen
(N. arch. d. ges. f. alt. dlsche geschkde. 5, 5711) hat bekanntlich
darzutun versucht, dass die Origo ursprünglich in viel umfang-
reicherer gestalt vorhanden gewesen sein müsse, dass dies.' ur-
origo die gemeinsame quelle für die uns erhaltene, einfach daraus
excerpierte Origo, für das sog. Chronicon Gothanum und für
Paulus gewesen sei, und dass diese urorigo höchst wahrscheinlich
in dem von Paulus in 29, r 40 citierten, aber verlorenen wer
des Secundus von Trient De gestis Langobardorum erkannt h
müsse, diesen ausführungen Mommsens gegenüber scbliefs
mich rückhaltlos den skeptischen bemerkungen von Wailz
arch. 5, 421). insbesondere der berichl des Paulus über d
Wanderung des Volkes und die veranlassung dazu weichl von d
« Spr. d. Langobarden (QF. 75) s. I9ff. Koegel Gesch. d.d.lhXi I
48 BRÜCKNER
erzählung der OgL. so sehr ab, dass von einer gemeinsamen
quelle nicht die rede sein kann.
Um sicherer zu gehn, behandle ich die Origo im folgenden
nicht als ganzes, sondern betrachte die einzelnen teile derselben
für sich gesondert.
Das 1 capitel erzählt die bekannte geschichte, wie Wanda-
len und Winniler zum kämpfe bereit zusammenstofsen, wie Frea
in listiger weise zu gunsteu der Winniler eingreift, und wie
Wodan dann den letzteren zugleich den namen 'Langobarden'
und den sieg über ihre feinde verleiht, das erste, was es hier
zu überlegen gilt, ist die frage, ob man überhaupt als wahr-
scheinlich annehmen dürfe, dass dieser Stoff in einem lgbd. liede
behandelt gewesen sei, und erst hernach haben wir eventuell zu
prüfen, ob der uns vorliegende bericht auf dieses lied zurück-
geführt werden könne, die antwort auf die erste frage kann
wol nur bejahend ausfallen, ich wüste kaum, wie diese sage
von der ältesten geschichte * des Volkes, in der mythus und ge-
schichte auf das engste verknüpft erscheinen , den späteren ge-
schlechtern anders hätte überliefert werden sollen, als in einem
epischen liede. aus der ganzen anmutigen und einfachen er-
zählung spricht ursprüngliche Volkstümlichkeit; gelehrte beigaben,
die etwa aus einer andern quelle übernommen sein könnten,
fehlen völlig : wir haben in diesem 1 capitel eine alte volkssage
in unverfälschter gestalt erhalten, demgemäfs ist auch der ge-
danke, dass dieser bericht auf einer epischen grundlage beruhen
müsse, bereits mehrfach ausgesprochen worden 2.
Auch die darstellung der Origo in der form, wie sie uns
1 für unsre Untersuchung kann es dabei vollständig gleichgiltig sein,
ob diese sage noch der lgbd. urzeit angehört, oder ob sie, wie Koegel i 109
annimmt, erst auf der Wanderung an der Donau entstanden ist. für letztere
annähme seh ich aber keine zwingenden beweise, wo und wann die Lango-
barden Wodansdiener geworden sind, können wir doch nicht mehr be-
stimmen, auch das naiv erzählte vorgehn der Frea gegenüber Wodan
scheint mir kein genügender grund, die entstehung der sage verhältnismäfsig
spät in eine zeit des sinkenden beidentums hinabzurücken; die Handlungs-
weise der Frea erinnert lebhaft an diejenige der Hera gegenüber Zeus (II.
xiv 153 ff); auch in einzelnen Eddaliedern finden sich ähnliche naive züge
von den göttern erzählt, in jedem fall aber ist die sage bereits in fertiger
gestalt mit nach Italien gebracht worden.
2 so von Waitz aao. s. 422; Müllenhoff ßeowulf s. 101; Schmidt Alteste
gesch. d. Langobarden s. 16; Simrock Mylhol.6 s. 365.
DIE QUELLE DER ORIGO GENTIS LANGOBARDORUM 49
jetzt vorligt, zeigt noch wesentliche merkmale des liedes. in
knapper, aber kräftiger weise schreitet die handlang zumeist in
rede und gegenrede vorwärts; dabei fehlen aber, trotzdem das
stück docb verhältnismäfsig kurz ist, die charakteristischen epischen
widerholungen keineswegs: so moverunt se ergo duces Wanda-
lorum, id est Ambri et Assi und bald nachher Tunc Ambri et
Assi, hoc est duces Wandalorum . .; ferner rogauerunt Fream,
uxorem Godan . . und wenige Zeilen später giravit Frea, uxor
Godan, lectum . . .' dem epischen Stil entspricht es ferner, wenn
der ral, den Frea den Wiunilern gibt, und seine folgen fast wört-
lich mit denselben ausdrücken erzählt werden : Tunc Frea dedit
consilium, ut sol surgente venirent Winniles et midieres eorum
crines solutae circa faciem (circa facies suas 2) . . . und dann
Et ille (seil. Godan) aspiciens vidit Winniles et mulieres eorum
crinibus solutis circa facies suas (2). für die beurteilt! ng des
stils ist übrigens diese stelle auch noch in anderer hinsieht
wichtig, gemäfs der epischen gewohnheit, nur die hauptmo-
mente der handlung herauszugreifen, wird nämlich hier die aus-
führung dieses rates von seilen der Win niler selbst gar nicht
eigens erzählt, sondern vielmehr, nachdem ihnen der rat erteil!
worden ist, sogleich geschildert, wie Wodan sie samt ihren
weibern beim erwachen erblickt.
Epische Variationen lassen sich bei der außerordentlichen
Schlichtheit der darstellung wenige auffinden, vielleicht sind als
solche aufzufassen : aut praeparate vos ad pugnam et pugnate
nobiscum und später tunc hiciscente (caelo add. 2) sol dum Bür-
geret, viele stileigeottlmlichkeUen musten zudem natürlicher-
weise bei der Übersetzung verloren gehn, so besondere die
charakteristische antieipation des noch nicht genannten subjeets
durch ein pronomen ; doch geht man wol nicht fehl in Sätzen,
1 es verdient hervorgehoben zu werden, dass in der von Waitz zu
gründe gelegten Madrider hs. (la) der Schreiber den zusatz uxorem <
das erste mal als überflüssig empfunden und darum weggelassen ha
rend umgekehrt in der von Bethmann und auch von Schmidt a i
gezogenen hs. von Modena (2) an der stelle, da Ambri und Assi zum
male als duces Wandalorum genannt werden, hoc est durchaus rieh
geblieben ist. auch an manchen andern stellen macht die hs. 2
druck gröfserer ursprünglichkeit gegenüber la. ich werde darum,
der unterschied der verschiedenen laa. einiyermafsen von b<
scheint, die laa. der hs. 2 mit anführen.
Z. F. D. A. XL1II. N. F. XXXI.
50 BRÜCKNER
wie moverunt se eryo duces Wandalorum, id est Ambri et Assi
. ., noch eine spur dieses gebraucbes zu sehen.
Nachdem der epische, liedmäfsige Charakter der erzäh-
luog im allgemeiueu festgestellt ist, kommt es auf den versuch
an, ob sich würklich die latein. prosa ohue gewaltsamkeit in
deutsche verse umsetzen lässt. es darf dabei wol darauf auf-
merksam gemacht werden, dass die aussieht auf gelingen um so
gröfser erscheint, je weniger gewant die lateiu. widergabe ist. ich
habe darauf bereits bei besprechung der von Paulus erzählten
langobard. sagen hingewiesen (Spr. d.Lgbd.s. 19), und aus dieser
einfachen erwäguug erklärt es sich auch, dass Grimm (Lat. ged.
d. ma.s s. 99) nur so spärliche spuren des Stabreims im Waltharius
hat erkennen können, bei der Origo hoff ich, dank der über-
aus schlichten darstellung, gegen Kraus zeigen zu können , dass
hier die allitterierenden spuren so deutlich und ausgedehnt sind,
dass zufall ausgeschlossen ist. dazu kommt nun noch eine eigen-
tümlichkeit, die sich nur unter der Voraussetzung einer ursprüng-
lichen lässung in verse n erklärt : die darstellung bewegt sich
uämlich in auffallend kurzen Sätzen oder doch scharf markierten
Satzgliedern, die ungefähr der länge eines halbverses entsprechen,
diesem umstand kommt um so mehr gewicht zu, wenn mau deu
völlig verschiedenen charakter des latein. satzbaues berücksichtigt,
neben der alliteration ergibt sich so ungezwungen auch die vers-
einteilung.
Im folgenden versuch ich nuu, iu ähnlicher weise, wie ich
es schon Spr. d. Lgbd. s. 19 ff getan habe, die recoustruetiou.
dabei bemüh ich mich natürlich nicht, die mutmafslichen lgbd.
flexionsformen herzustellen, und setze substantiva uud verba in
der regel im uominativ • und infinitiv, oft in ahd., gelegentlich
auch in ags. oder as. form an. bei widerholter genauerer prü-
fung ist es möglich, den grösten teil des 1 capitels metrisch
wider herzustellen; ich setze darum diejenigeu partien, die ich
schon früher ausgehoben habe, hier im zusammenhange noch
einmal her. dass freilich einzelne stellen, so lange mau jegliche
änderung zu meiden sucht, nicht durch allitteriereude Wendungen
widergegeben werden können, darf nicht verwundern, auch
gegen einzelne Übersetzungsvorschläge mögen bedenken geltend
gemacht werden; doch hoff ich, dass auch dann uoch des sichern
Keuug übrig bleibt.
DIE QUELLE I>ER ORIGO GENTIS LANGOBARDORUM 51
Est insula qm dicitur Scadanan, quod inlerpretalur excidia,
in partibus aquilonts, ubi multae gentes habitant;
Tferod
inter quos erat gens parva, quae Winnili vocabalur '.
El trat cum eis midier nomine Gambara, habebatque duos filios:
(2) (li
5 nomen uni Hör et notnen alteri A.gio-.
ijjsi cum matre sua nomine Gambara
givrald3 aiw>--
principatum tenebant super Winniles. Moverunt se ergo
erl (oder adaliiiü)
duces Wandalorwn, [id est] A:mbri et A.ssi-\
we (2) (l)
cum exercitu suo et dicebant ad Winniles:
gamban geldanü garuaiao'
10 'Aut sohlte nobis tributa aut praeparate von
ffi: witi ii an
ad pugnam et pugnate nobiscum'.
anduaordian B
Tunc responderunt Ibor et jigio
cum matre sua Gambara (nomine übergeschr. 2)9:
bazzira badu
'Melius est nobis pugnam praeparare
1 erat gens parva quae Winnili vocabalur könnte der anfang des
liedes gewesen sein; die stelle erinnert an den eingang andrer lieder,
die freilich erst aus späterer zeit stammen, so des Ludwitj^liedes Einen
kuning weiz ih, heizsit her Hludwig , der alt. Judith Ein kunine hiz
Holo/'erni uaa. 2 vgl. ags. Wendungen wie ine ww.s Dt-or norna
Sängers trost 37, him wces JEscferh nama Byrhtn. 267.
3 vgl. ags. geweald ägan. habban, as. giuuald vgan, hebbian >
auch mit obar Sievers Hei. s. 423. 415. das tenebant des te.xtts ist wol in
den vorhergebnderj vers zu stellen. -i. mlid. rieh orwegen Mhd.
wb. m 633a; statt an arwegan lässt sich auch an das einfache verbum
(vgl. ags. wegan Grein iv 655 f) oder an ein davon abgeleitetes -wv
(vgl. ahd. eruuegela sili diu erda Grall i 659).
5 die beiden halbverse sind vielleicht umzustellen.
6 vgl. ags. gomban gyldan und die entspr. äs. und altn. losdrücke,
Sievers Hei. s. 454. ~ vgl. ags. gegyrwan 16 gtiie Beow.
gegearewod lo campe lud. 199. 8 die beiden halbvere ■■■ um-
zustellen; statt anduuordian kann auch at.->. andsvarian Ol
gesetzter ausdruck wie as. anduurdi , andtnor getan, die >ich an
ags. finden, vermutet werden; s. Sievers II
3 dieselbe Verbindung wie oben \.
»*
52 BRÜCKNER
(Jairewandilum ' gamban geldan
15 quam Wandalis tributa persolvere''.
eil (ode?' adaling)
Tunc Ambri et Assi, [hoc est fehlt 2] duces Wandalorum,
Wodan2
rogauerunt Godan, ut [daret] eis super Winniles
sigu saljan3
victoriam (daret).
wordun sprak4
Respondit TVodan et dixit (dicens 1):
sunna up(sügan)5 air sehan
20 'Quos sol surgente antea videro
saljan sigu6
ipsis dabo victoriam'.
Eo tempore Gambara cum duobus füiis suis
adaling oder erl
[id est fehlt 2] Ibor et Agio, qui erant principes super Winniles
as. f ri 7
rogauerunt JFrearn, uxorem Wodan,
1 die Stellung ist zu ändern in quam tributa persolvere IV. Much
nimmt besonders an der vorgeschlagenen bezeichnung *Gairewandilos an-
stofs. es ist freilich nicht zu leugnen, dass für einen solchen Vorschlag
keine bestimmten beweise zu erbringen sind, und dass im hinblick auf die
zahlreichen, zum zwecke der auszeichnung componierten ags. volksnamen
auch irgend eine andre Zusammensetzung denkbar wäre, da es aber kaum
zufall sein kann, dass gerade ahd. Kerwantil und Gerwentila fem. nach
Forst, i 1254 die einzigen mit dem namen der Wandalen an zweiter stelle
zusammengesetzten namen sind, ist der obige Vorschlag weniger bedenklich.
2 ich setze im folgenden die form mit w ohne weiteres in den text.
3 vgl. ags. sige syllan Wald, ii 25 und sigor seilen Gen. 2808; ähn-
lich sige, sigor forgifan El. 144, Jud. 89.
4 Wendungen wie uuordon sprecan, inid uuordon seggian sind im
as., wie im ags. häufig; vgl. Sievers Hei. s. 442. zu der Verbindung respon-
dit et dixit sind stellen zu vergleichen wie Beow. 340 f.
5 das relat. quos ist wol in den zweiten halbvers zu nehmen; zur
Übersetzung des lat. surgere vgl. ags. hi (sunne) ofer moncyn stiko d
upweardes Metr. 13, 61 oder mhd. er (der tac) sligetüf Wolfr. ; ähnl. siftdan
up cumei ceüele sunne Ps. 103, 21.
6 es ist bemerkenswert, dass ipsis dabo victoriam hier wie oben 8
(ut) victoriam daret als rest eines verses übrig bleibt, vielleicht ist an
beiden stellen dasselbe zu ergänzen.
7 uxor Wodan als epitheton der Frea findet sich wider v. 31; wir
werden ohne zweifei den ausdruck beiclemale in derselben weise übersetzen
müssen, es ist wol anzunehmen, dass Frea im 1 halbvers träger des stab-
DIE QUELLE DER ORIGO GENTIS LANGOBARDORUM
25 ut ad Winniles esset propitia l.
räd2 (2) (1) urrisan, ags. ärisan
Tunc Frea dedit consilium, ut sol surgente
wib3
venirent (fehlt 2) Winniles et mulieres eorum
här hlcor
crines solutae circa faciem (facies suas 2)
as. an gilicnissie liudwerosV '
in similitudinem barbae et cum viris suis venirent.
30 Tunc luciscente » (caelo add. 2), dum sol surgeret,
as. fri6
giravit Frea, uxor Wodan,
lectum, ubi recumbebat vir eins,
ags. andwlita austar7
et fecit faciem eius contra orientem
reims gewesen sei, dass also uxor mit Frea allitteriert habe; zur Über-
setzung bietet sich aber dann wol kaum etwas passenderes als as. fri.
doch ist es auch möglich, dass uxor ein andres wort widergibt, dann
muss, wie ein paarmal im Beowulf, im 1 halbverse das verbum allitteriert
haben (vgl. Sievers Metr. § 24, 3); man könnte dann für rogare an ags.
wilnian (: Wodan) oder an blddian (: brüd 'uxor') denken, im folgenden
v. 32 ist in diesem falle giravit durch wandjan (: Wodan) zu übersetzen.
1 zur Übersetzung des lat. propitium esse würde sich ahd. wegön
(: Winnili) trefflich eignen, da aber das wort nur ahd. vorhanden gewesen
zu sein scheint, ist es nicht sicher, ob wir es für das lgbd. voraussetzen
dürfen. 2 vgl. as. rdd getan und die entsprechenden ags. und ahn.
Wendungen, Sievers Hei. s. 440. 3 vgl. ags. weras . . and heora wif
somed Gen. 1358 u. 2418; ähnl. Adam . . . and his wif somed Gen. 456.
4 da in hs. 2 cum viros suos über der zeile nachgetragen ist und ve-
nirent nur einmal steht, ist vielleicht diese widerholung et cum viris suis
venirent nicht ursprünglich, man konnte darum versucht sein in similitu-
dinem barbae nach mafsgabe von Hei. 987 zu einem vollständigen vers<
zu ergänzen : an gilic/dssie langes bardes.
5 luciscente (caelo 2), wofür das folgende dum sol mrgarat .in.
Variation ist, ist kaum genau zu übersetzen, man möchte an ein.
zahlreichen mit suigli gebildeten ausdrücke denken, der Stabreim sunna :
suigli [Höht etc.) findet sich häufig; zb. tlüu sunna uuarth
ni mahta suigli Höht sconi giscinan Hei. 5025; suigli tunnun \
ags. sippan morgenleoht . . . sunne sweglwered süpan tcfnelt B
c vgl. oben zu v. 24.
7 dem verse würde eine wendung genügen wie ahd. sa östarßulöu,
as. te ostarhaluon. statt andwlita könnte auch eine dem abd. anthiU*
entsprechende form vermutet werden.
54 BRÜCKNER
Wakjan ags. wlitan l
et excitavit eum. Et ille nspiciens
wib
35 vidit Winniles et mulier es eorum
här Weor
crinibus solutis (habentes crines solutas 1 a) circa facies suas (2),
et ait : 'Qui sunt isti Longibarbae? '
(2) (1) wordun sprak2
Et (fehlt 2) [dixit] Frea ad Wodan (dixit):
Sicut (postquam domine add. 2) dedisti nomen, da Ulis et
40 victoriam. Et dedit eis victoriam {Et — vict. fehlt 2), ut ubi
visum esset vindicarent se et victoriam haberent (Ubi illorum
est vindicare et victoriam habere 2). Ab illo tempore Winnilis
Langobardi vocati sunt (facti sunt Lang. 2)3.
Etwas anders liegen nun die Verhältnisse bei den folgenden
capp. der Origo. auch diese, die von der Wanderung des volkes
erzählen, enthalten ohne zweifei echt volkstümliche tradition.
dass es lieder darüber gegeben hat, ist an sich höchst wahr-
scheinlich, da wir ja bei Paulus mehrfach historische lieder bei
den Langobarden bezeugt finden, die in einzelnen teilen etwas
trockene, katalogartige darstellung kann nicht als grund geltend
gemacht werden gegen die annähme, dass sich in der Or. noch
reste dieser lgbd. poesie erhalten haben können, denn ähnliches
1 im unterschied von wlitan ' aspicere' ist dann das folgende vidit
mit gasah zu übersetzen; vgl. Beow. 1591 f:
Sona ßwt gesdwon snottre ceorlas,
pd (5e rnid Hröbgäre on holm wliton.
zum folgenden vgl. 27 f.
2 vgl. oben v. 19.
3 vermutlich ist auch hier die lesart von 2 vorzuziehen : Et dedit eis
victoriam in 1 kann aus leicht erklärlichen gründen zugesetzt worden sein,
wogegen der ausfall weniger begreiflich wäre, wie oben das auftreten der
Winniler mit ihren weibern zum kämpfe nicht eigens erzählt wird, so kann
auch hier die bemerkung et dedit eis victoriam gefehlt haben; der ausgang
wurde aus dem folgenden ubi illorum est vindicare . . doch völlig klar,
leider scheint aber der schluss überhaupt nicht in der ursprünglichen
form erhalten zu sein; wenigstens kommt der versuch, auch in diesen
Schlusszeilen den allitterierenden spuren nachzugehn, nicht über unsichre
Vermutungen hinaus, einzelnes ist freilich noch zu erkennen, so das schon
erwähnte sigu saljan für victoriam dare, wozu sigidrohtin für domine als
Stabreim zu vermuten ist. auch die coordinierten, gleichbedeutenden verba
vindicare et victoriam habere sind für den epischen stil charakteristisch.
DIE QUELLE DER OftlGÜ GEMIS LANGOIUKDOKL.M
ist aus dem ags. zur genüge bekannt, einen bestimmten anhalts-
punct nun für diese ansieht glaub ieb in dem schon Spr. d.
Lgbd. 18t* herausgehobenen salze des Paulus i 20 gefunden zu
haben : Tato vero Rodulfi vexillum, quod bandum appellant, eius-
que galeam, quam in bello gestare consueverat, abstulit. den höchst
überflüssigen zusatz quam in bello gestare consueverat vermag ich
mir nicht anders zu erklären, denn als Übersetzung eines deutschen
compositums, wie ags. guühelm, heaftohelm. bei dieser auffassung
ist der eigentümliche ausdruck sofort verständlich, nun ist es
aber doch wol kein zuläll, dass gerade an dieser stelle bei Paulus,
wie in der Orig. , die eben hier fast völlig mit der im übrigen
viel ausführlicheren darstellung des Paulus übereinstimmt, auch
das lgbd. wort bandum 'vexillum, arma' erhalten ist, wozu sich
dann ohne weiteres für galeam, quam . . consueverat als Stabreim
baduhelm ergibt1, wenn wir nun daraus, wie ich glaube, mit
ziemlicher Sicherheit schliefsen dürfen, dass ein deutsches lied
die kämpfe der Laugobarden mit den Herulern besungen bat, so
sind wir wol berechtigt, auch in den vorangehuden und folgen-
den partieu der Origo den spuren desselben uachzugehn, um
so mehr, da ja, wie ich gezeigt zu haben hoffe, auch das 1 cap.
auf poetischer grundlage beruht und der stil der ganzen dar-
stellung im wesentlichen derselbe bleibt.
Ich hoffe nun, trotz manchen Schwierigkeiten im einzelnen, auch
für längere partien aus den capp. 2 — 4 den nachweis erbringen
zu können, dass sie auf ein alliterierendes lied zurückgeht), mit
ausnähme des zweiten teiles von cap. 4 , für den wir wol mit
recht eine andre quelle annehmen dürfen (s. u.), widerstreben
im Verhältnis zu den umfangreichen stücken, die sich metrisch
übersetzen lassen, nur kurze abschnitte einer rückübersetzung,
sodass sie, wie ich glaube, nicht als beweis gegen die obige
annähme geltend gemacht werden dürfen.
cap. 2. Et moverunt se exhinde Langobardi et (bis hierhin fehlt 2)
gangan cuman?2
venerunt in Golaida
et postea [possederunt] alduites Anthaib [possederunt)
et Bainaib (possederunt) seu et Burgundaib.
1 vgl. die vielen ags. composita mit beadu wie beadogrtn
Grein in 100. - vgl. as. gangan cuman, ags.
Hei. s. 429; zb. antthat tkar weros östan, suttto glauua gtmon
qudmun Hei. 542.
56 BRÜCKNER
keosan kuning1
5 Qui ibi fecerunt sibi regem (hs. 2) [et dicitur, quia f. s. r. 1 a]
(2) (l)
nomine (fehlt 2) Agilmund, filium Agioni [ex genere Gugingus] 2.
(2) (t)
Et post ipsum regnavit Lamicho, deinde regnavit Leth (hs. 2) ;
unde dicitur, quia regnavit plus minus annis quadraginta. Et
post ipsum regnavit Lelhun . . . . 3 (hs. 2)
üz (faran)4
10 cap. 3. lllo tempore exivit rex Audoachari
de Ravenna cum exercitu Alanorum5,
(2) (1)
et venu in Hugilanda et pugnavit cum Muges (2),
Peodan
et occidit Theuuane6, regem Rugorum,
1 vgl. kioxan te cuninge Hei. 62. 2884, ags. cyning geceösan Beow.1851.
2 der zusatz ex genere Gug. ist in 2 erst am rande nachgetragen;
er scheint aus dem Prol. Edicti zu stammen, hs. la setzt ihn auch nach
Lamicho, wo er offenkundig interpolation ist, vgl. Mommsen NA. 5, 68.
wenn man den zusatz an erster stelle behalten will, so ist er wol mit dem
vorhergehnden verse zu verbinden {curun, cuning : eunni).
3 der schluss des capitels in hs. 2 ist zum grösten teil unleserlich;
es scheint aber, dass diese hs. auch hier den vorzüglicheren text geboten
hat, da sie offenbar einen deutlichen unterschied zwischen Leth, dem vater,
und Lethun(g), dem söhne, gemacht hat; in den andern hss., auch bei
Paulus, gehn dagegen die formen Leth und Lethunc, Lethuc uaa. bedeu-
tungslos durcheinander. Lethun(g) war an unsrer stelle wol als beiname
des sohnes gefasst; Waitz in s. ausgäbe hat die bedeutung dieser lesart offen-
bar misverstanden.
4 vgl. ags. hie (die Juden) of Egyptum üt dföron Dan. 6 uaa.
5 dass Odoaker könig der Alanen ist (in hs. 2 nur norum lesbar),
scheint ein zug der lgbd. sage zu sein. Paulus nennt an ihrer stelle die bei
Jordanes Get. c. 46 erwähnten völkerstämme; vgl. Mommsen NA. 5, 70.
auch v. 11 wäre im zusammenhange mit 10 durch eine unbedeutende än-
derung leicht in Ordnung zu bringen:
Üz
lllo tempore exivit Audoachari cum A-lanorum exercitu
rihhi (cuning) Ravennaburg
rex de Ravenna.
für die Übersetzung von rex verweis ich auf die in allen germ. idiomen viel-
gebrauchten Verbindungen, wie ther kuning richo, riki thiodan, the rikeo
drohtin uaa. Sievers Hei. s. 401. 417; vgl. bes. fon Rümuburg riki thiodan 63.
6 die Uurzform Theuua zum vollnamen Feletheus (Paul, i 19) hätte
Mommsen aao. s. 70 anm. 1 nicht nach Eugippius, Paul, und Ghron. Goth.
DIE QUELLE DER ORIGO GENTIS LANGOBARDORUM 57
filu (3) (2) förian (1)
secumque multos captivos duxit in Italiam.
land
15 Tunc exierunt Langobardi de suis regionibus
Wonöti wintar1
et habitaverunt in Rugilanda annos aliquantos.
(2) (l)
cap. 4. Post eum regnavit Glaffo'1, filius Godehoc.
Et post ipsum regnavit Tato,
sunu säzun
filius Godehoc. Sederunt Langobardi
20 in campis Feld
wintar winnan
annos tres. Pugnavit Tato
Hrödulf (2) (1)
cum Rodolfo, rege Herulorum,
et occidit eum,
baduhelm3
(et atid. 2) tulit bando ipsius et capsidem.
a.i. hei dorn (oder heridöm)4
25 Post eum Seruli regnum non habuerunt.
(2) (1)
Occidit Wacho, filius Winichis 5,
Tatonem regem, barbanem suum, cum Zuchilone.
in dem folgenden stück werden die spuren der allitterierendeo
grundlage weniger deutlich : Et pugnavit Wacho et pugnavit Ildichis
(Wacho cum lld.2), filius Tatoni, et fugit Ildichis ad Gippidos, ubi
mortuus est. Iniuria vindicanda (et mortuus est ibi in injuria vindi-
canda. Et 2) Gippidi scandalum commiserunt cum Langobardis
in Fewa zu ändern brauchen, obwol letztere form der gebräuchliche
beiname des Feielheus war. der reim verlangt hier die form Thewa. zu
regem Rugorum vgl. ags. Peöden Scyldinga, Heaüobeardna (Jrcin iv 586.
1 vgl. ags. and wintra r'im wunian seoüüan Christi höllenfahrt 55,
and wintra feola wunian mdtUm ibid. 120.
2 die hss. der Origo lesen alle Claf(f)o; allein im Prol. Bd. OD
i 20 bieten mehrere der besten hss. die ältere form : Glaffo *=agi •.
3 vgl. oben s. 55. 4 vgl. hebbian fsnigan In'rdöm Bei.
5 Winichis ist zu lesen nach den beslen hss. dea Edicls; in I
der name unleserlich; la bietet Lnichis, lb irrtümlich Uibmchit.
6 einiges lässt sich noch vermuten : regem ist vielleicht dur.
brego (: barbariem), das zweimalige pugnavit gewis durch winn
widerzugeben, für fugit möchte man an ags. biigan denken im reim
58 DIE QUELLE DER ORIGO GENTIS LANGOBARDORUM
Die fortsetzung des capitels 4 weist keine erkenbaren
spuren eines allitterierenden liedes auf; offenbar beruhen die an-
gaben über die drei frauen des Waclio und seine verschiedeneu
kinder auf einer andern quelle, nur gegen ende des capitels finden
sich einige sätze, die sich metrisch übertragen lassen, und die ihres
inhalls und auch ihres Stiles wegen, wol direct an die vorangehnde
erzählung von Wachos sieg über Ildichis anzuschliefsen sind:
2 1
Mortuus est JVacho, et regnavit [filius ipsius] Walthari
sunu 2 1 sibun
(filius ipsius) annos Septem..
galihho?2
(farigaidus fehlt 2) : Isti omnes Lethinges fuerunt.
In den schlusscapiteln (5 ff) endlich sind gar keine spuren
einer poetischen quelle zu entdecken, mehr als die ersten capitel,
die vielfach sagenhafte züge überliefern, enthält dieser teil der Origo
würkliche geschichte. es zeigen sich bemerkenswerte stilunter-
schiede : während am anfang die erzählung meist in kurzen, einfachen
Sätzen vorwärts geht, begegnen wir hier vielfach längern con-
structionen; und während im 1 cap. die redenden personeu direct
eingeführt werden, finden wir in der ziemlich ausführlichen er-
zählung von Rosemuude und Hilmichis nirgends directe reden,
als beispiel stell ich einige sätze aus dem schluss des 5 capitels
hierher : Tunc ortare coepit Longinus praefectus Rosemunda, ut
occideret Hilmichis et esset uxor Longini. Audito consilium ipsius,
temper avit venenum et post balneum dedit ei in caldo bibere. Cum-
que bibisset Hilmichis, intellexit, quod malignum bibisset; praecepit,
ut ipsa Rosemunda biberet invita; et mortui sunt ambo. dazu
kommt vor allem der umstand, dass sich, von vereinzelten namen-
paaren wie Albsuinda filia Albuin regis abgesehen, hier keine
spur von Stabreim findet, um so weniger wird man es für zufall
halten dürfen, dass sich die aufangspartien der Origo grofsenteils
mühelos in allitterierende verse umsetzen lassen.
Basel, 31 december 1897. WILHELM BRÜCKNER.
harn {filius Tatonis). für mortuus est bieten sich Wendungen wie as. li
forliosan oder ägeban, womit leid 'iniuria' allitterieren möchte.
1 vgl. mhd. al geliche.
DER DIALOG
DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES.
Ich gebe zunächst einen neuen textversuch und bezeichne
in fufsnoten, was er an eigenen besserungen enthält; von andern
aber nur solche, die nicht allgemein anerkannt sind, im n teil
folgt ein eingehnder commentar, auf dessen grundlage ich im
in teil eine künstlerische gesamtcharakteristik des wichtigen denk-
mals unternehme.
i
7 Hiltibrant gimahalta, her uuas heröro man,
ferahes frötoro: her fragen gistuont
föhem uuortum hvver sin fater wäri
10 fireo in folche: 'eddo sage zi furist dinan namun,
so chundu ik dir in wäri, hwelihhes cnuosles du sis.
ibu du mi 6uan sagßs, ik mi dö ödre uuet,
chind, in chunincriche: chüd ist mir al irmindeot.'
14 Hadubrant gimahalta, Hillibrantes sunu:
17 'ih heittu Hadubraut: Hiltibrant min fater.
forn her östar giweit (flöh her Otachres nid)
hiua miti Theotiihhe enti sinero degano filu.
20 her furla3t in lante luttila sitten
21 prüt in büre, harn unwabsan.
28 chüd was her 6r chönu£m mannum:
doh lango nü Mut ni cham, m wäoiu ili iü lil> habbe'.
30 'wettu irmingot obana ab hevane,
8 wegen der lücke , die vielleicht nach diesem vert an»tuet%en ist,
vgl. später s. 63. 10. 11 s;iure — wäri, fehlt in der Ju. IT in
der lis. beginnt die rede Hadubrands : [15] dal Bagetan mi aaere liuti
[16] alte anti frote dea erhina warun [17] dat Hiltibrant hsetti min fater ili
heittu Hadubrant. 21. 2S zwischen diesen beiden versen steht in der
hs. arbeo laosa hera& ostar hina d& sid detrihhe darba gistuonlam i.i
mines. dat uuas so friuntlaos man her was otacbre ummet tirri
chisto unti deotrichhe darba gistontun her was eo folcbea ;it eot<
eo feh&a ti leop; nach Braunes lesebueh* : [22] arbeo
hina. [23] sid Detrihhe darba ^istuontan [24] faterea mtnea. dal -
friuntlaos man : [25] her w;i> Otacbre ummet tirri,
Deotrichhe. [27] her w;i> eo folches al ente : imo was e<
28 er fehlt hs. 29 die erste halbseile fehlt hs.
60 JOSEPH
dat du neo dana halt — ih bin Hiltibrant, din fater! —
mit sus sippan man sulili dinc ni gileitös!
want her dö ar arme wunlane bougä,
cheisuringn gitän, so imo se der chuning gap,
35 Hüneo truhlfn : 'dat ih dir it nü hi huldi °ibu!'
Hadubrant gimahalta, Hiliibrantes sunu:
'mit geru scal man geba man infähao,
ort widar orte: after ekköno spile.
du bist dir, altör Hün, ummet spähör,
40 spenis mih dinßm wortun, wili mih dinu speru werpan.
pist also gialtet man, so du 6win inwit fuortös.
dat sagßtun ml seolldante
westar ubar wentilseo, dat inan wie furnam:
tot ist Hiltibrant, Heribrantes suno'.
45 Hiltibrant gimahalta, Heribrantes suno:
49 'welaga nü, waltant got, weHvurt skihit!
ih wallöta sumaro enti wintro sehstic,
dar man mih eo scerita seeotantero in lolc,
so man mir at burc önigeru banun ni gifasta:
nü scal mih suäsat chind suertu hauwan,
54 bretöo mih sfnu billiu, eddo ih imo ti hanin werdan.
46 wela, helid, gisihu ih in din6m hrustim,
dat du habes hörne herron göten,
48 dat du noh bi desemo riebe reccheo ni wurti.
55 doli mäht du nü aodlihho, ibu dir diu eilen taoe,
in sus heremo man hrusti giwinnan,
rauba birahanen, ibu du dar enic reht habe's,
der si doh nü argöslo öslarliuto,
der dir nü wiges warne, nü dih es so wel lustit,
60 güdea gimeinüu: got 6no dat wßl
31 die zweite halbzeile fehlt hs. 32 sulih fehlt hs.
37 das zweite man fehlt hs. 38 die zweite halbzeile fehlt
hs. 40 mih] mih mit hs. , vgl. Kauffmann Philolog. stud. f. Sievers
s. 133. 45 in der hs. folgt diesem vers die von mir zwischen
54 und 55 gestellte parlie 46 — 48. 49 sollte nach skihit nicht
mi ausgefallen sein? 50 ur lante der hs. nach sehstic mit
Miillenhoff gestrichen. 51 in folc seeotantero hs. , vgl. Kauffmann
s. 151. 54 mih] mit hs., vgl. Katiffmann s. 133. 46 helid diese
ergänzung nahm bereits Miillenhoff in erwägung. 60 die zweite
halbzeile fehlt hs.
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES 61
(niuse (16 mölti, ibu Iter nerie sin libl),
hwer dar sih hiutu dero hregilo hruomen imialti,
erdo desero brunnöno bödero uualtan!'
61 die zweite kalbzeile fehlt in der hs. 62 werdar hs. Iirumen
hs., vgl. Martin Ans. xxn 282. Kraus Zs. f. öst. gyrn. 47, 327.
II
7 — 13. Erfüllt von gedanken an den söhn, den er als barn
unwahsan zurückgelassen, beiritt Hildebrand, ein krieger des feind-
lichen Hunnenheers, nach dreißigjähriger abvvesenheit den hei-
mischen boden. nun stellt sich ihm als erster ein Jüngling ent-
gegen : stolz, stattlich, kampfesfreudig : wie den söhn sich ein
alter held nur wünschen mag. aus gestalt, bewegungen, be-
nehmen des jungen mannes spricht ihn etwas an, was an sein
eigen blut erinnert, trügt ihn die ahnung, die sich seiner be-
mächtigt? er bricht gerade mit der frage hervor : hwer sin
fater wdri.
Aber besser hätte es der heldensitte angestanden, dass Ililde-
brand seinen gegner vorerst nach der eigenen person gefragt
hätte statt so kurzweg (föhe'm uuortum) nach der des vaters. das
wort braucht ihm nur zu entfahren, so wird er seines verstofses
inne : mit den worten eddo sage zi furist dinan nctmun 'oder
sage vielmehr zuvörderst deinen namen' redressiert er sofort
den faux pas. mit den weiteren worten so chundu ik dir in wdri
hwelihhes cmiosles du sis kommt er dann in beabsichtigter weise
auf die frage zurück, mit der er vorher unwillkürlich verraten
hatte, wes sein herz voll ist.
Denn freilich ligt ihm daran, gleich mit seinem ersten aul-
treten zu documentieren, dass er nicht ein beliebiger Bunnen-
krieger sei, wofür man ihn seiner kleidung oder raslang nach
halten könnte, sondern dass es mit ihm seine besondre bewantnis
habe, aber er hütet sich wol, auf seine genealogische Kenntnis,
mit der er des gegners aufmerksamkeit zu erregen sucht, in der
art hinzuweisen, dass gleich seine besondern beziehungen zum
laude durchblicken, blol's erst als einen ävdoa noXvxqo tov führt
er sich ein, der so weit in der weit herumgekommen, d;i>s ibm alle
heldengeschlechter, so auch die dieses landes, bekannl seien, er
kennt den stand der dinge im lande, die gesinnung sei
zu wenig, um zu wissen, ob er mehr verraten dürfe, ei
sich also zunächst als einen sehr vorsichtigen mann und
62 JOSEPH
ohne grund denn rühmt der dichter eingangs seine lebensweisheit,
ihn ferahes frötöro heifsend. man sieht nun von neuem, wie
recht Braune hatte, die interpunction nach in kunincriche zu
fordern (Beitr. 21, 1 ff; vgl. auch Kauffmann Philolog. stud. s. 159):
diese worte zur zweiten halbzeile gezogen ergäben eine deutlichkeit,
die ganz den Intentionen der dichtung widerspräche.
Bedarf meine ergänzuog 10 f dem sinne nach noch längerer
Verteidigung? dass Hildebrand seinen gegner nach dem namen
gefragt haben muss, wird niemand leugnen, der die folgeworte
ih heittu Hadubrant anerkennt und der der meinung ist, dass
man aus dem, was beantwortet wird, einen rückscbluss auf das
machen darf, was gefragt ist. gleichwol lässt von allen, die sich
um die vorliegende stelle bemüht haben, nur Rüdiger die frage
nach dem namen stellen, im übrigen steckt er freilich durchaus
im bann seiner Vorgänger, er schreibt (Zs. 33, 412):
her fragen gistuont
fohem uuortum, huer sin fater wäri
10 fireo in folche: 'mi is des firiuuit mikil.
chüdi mi dinan namun' eddo hwelihhes cnuosles du sis.
er setzt also die lücke, wie allgemeiu üblich, vor eddo statt nach
eddo an. die folge ist, dass auch er für 102 nichts als die ver-
legenheitsphrasen eines versfüllsels findet und auch bei ihm die
worte nach eddo eine unerträgliche widerholung der schon in 92
vorweggenommenen frage bilden.
Erkennen wir denn diese beiden puncte an : 1) dass nach
dem namen gefragt sein muss, 2) dass die lücke erst nach eddo
angesetzt werden darf, so erscheint die ergänzung fast bis auf
den Wortlaut gesichert, denn vergeblich wird man nunmehr für
v. 10 nach einem sinngemäfsern stabwort suchen als furist1; und
1 gerade dass dieses wort den rangbegriff ausdrückt, macht es für den
hier geforderten Zusammenhang so geeignet : denn Hildebrand will nicht
sagen 'nenne mir zuerst deinen namen und dann den des vaters', sondern
seine meinung ist vielmehr die : du brauchst mir den namen deines vaters
gar nicht mehr zu sagen, wenn du mir deinen sagst, ihm ist der name des
sohnes wichtiger, weil er aus diesem auf den des vaters zu schliefsen ver-
mag, aber nicht umgekehrt aus dem namen des vaters auf den des sohnes.
zur eriäuterung von zi furist diene die folgende parallele : in Tatian 38, 7
wird Matth. 6, 33 'quaerite autem primum' usw. so widergegeben : suohhet
zi heristen gotes rihlii inti sin reht, inti allu thisu uuerdent tu; in
den Xanten, gloss. aber gilt zi furist für das 'primum' dieser stelle.
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES 63
dass v. 11 mit einem nachsatz zu beginnen bat, oder dass we-
nigstens hier ein satz beginnen muss, der das regierende verb
zu dem folgenden fragesalz enthält, darüber kann gewis kein
zweifei bestehn. die worte in wdri endlich, die hier nicht in der
beliebten weise Otfrids blofs das versschema erfüllen, beschliefsen
die lücke inhaltlich ebenso passend, wie sie dieselbe zugleich
äufserlich erklären : wdri v. 9 und wdri v. 11 vermengten sich dem
schreiberauge.
Zum schluss noch einige worte über die verse, die die rede
Hildebrands einleiten. Moller (Zur ahd. allitterationspoesie, s. 81.
88 f) setzt nach v. 8 eine lücke an, weil er das objectsnomen zu
frdgen gistuont vermisst und an der aufeinanderfolge dreier gleicli-
stabiger verse anstofs nimmt, diese gründe sind sicherlich be-
achtenswert, doch Möllers gedanke, üeotgomo bettisto, began iun-
giran einzuschieben, scheint mir nicht im sinn des gedichts zu
liegen, wer meine eben gegebenen darlegungen billigt, wird statt
üeotgomo bettisto lieber ein den söhn charakterisierendes wort er-
warten oder eine bemerkung, in der sich der eindruck malt, den
Hildebrand unter der erscheiuung Hadubrands erfährt : kurz irgend
etwas, was geeignet wäre, die unwillkürlichkeit seiner frage
psychologisch zu verdeutlichen.
17. Hat denn noch niemand au dem sinn der überlieferten
verse 15 — 17 anstofs genommen? welcher mensch — wenn es Bicb
nicht gerade um ein fiudelkind handelt — wird für seine kennt-
nis des väterlichen namens das Zeugnis andrer leute anrufen 1
und Hadubrand sollte dies tun, der gleich darauf erzählt, wie er
im hause der mutter aufgewachsen sei? mit der beseitigung
15. 16 gestaltet sich 17 — ein vers, den Sievera Altgerm. metr.
§ 125 für prosa erklärt, — sofort »leichsain von selber zu metrischer
reinheil, wie denn auch erst dadurch, dass ih heittu Hadubtxmt
in die erste halbzeile rückt, die verse 181 einen glatten anschluBS
gewinnen, die ausgeschiedeneu verse 15. IG aber erweisen Bicb
als alberne nachbildung vol 42. 43. ja sie werden erst eigentlich
durch diese verständlich.
Man bemüht sich aus den wollen den erlnna tnirun v. 16
herauszulesen oder herauszuvermuten 'dir früher starben
'die früher lebten', aber eben die verse 42 f können uns be-
lehren, dass hina an unsrer stelle ganz und gar oichts andres
heifst als gleich nachher zweimal hintereinander (v. 19. -
64 JOSEPH
lieh : 'von diesem lande hinweg', die aber früher hinweg waren,
dh. aufser landes gieugen, sind natürlich eben die Seefahrer, von
denen 42 ff die rede ist. unser geistreicher nachbesserer, den ich
mir übrigens nicht als mann der feder, sondern als vortragenden
sänger denke, hat also die Vorstellung, dass diese männer bei
ihrer rückkehr nicht nur die künde vom tode Hildebrands bringen,
sondern dass Hadubrand von ihnen zugleich erst erfährt, dass
jener hehl sein vater ist. vielleicht brachten ihn auf solchen ge-
danken die worte, denen er am ende der rede (v. 23) begegnete:
chud was her er chönnem mannum.
Für die bedeutung hina wesan = 'auswärts sein' darf man
sich auf Otfr. i 21,3 berufen thdr Iöseph uuas in lernte hina in
elilenti. dieser stelle erinnerte sich bereits Lachmann hier (Kl.
sehr. 1, 423), aber er glaubte sie zur erkläruug nicht heranziehen
zu dürfen, weil der Zusammenhang dawider sei.
Dass der genannte sänger in der verslechnik nicht mehr auf
der höhe stand, verrät die üble Umgestaltung, die er mit v. 17
vornahm, wir werden uns daher auch nicht bemühen, dem vers 15,
den Sievers ebenfalls als prosa ansieht, durch änderung den Stab
zu gewinnen, sondern constatieren in diesem allitterationsloseu
reimvers ein speeimen der kunst, die diesem mann eigentlich
angestanden haben mag.
18 — 28. Sein talent begegnet uns sofort wider, nur finden
wir das rätsei, das er diesmal aufgibt, noch durch eine laune
der Überlieferung compliciert. dazu hat eine falsche Interpretation,
die sich in der letzten zeit eingebürgert hat, das Sachverhältnis
vollends verduukelt.
Man hält es nämlich nach den darlegungen von Heinzel
(Ostgot. heldens. s. 43) und Kögel (Litteraturgesch. i i, 217) für
ausgemacht, dass Detrihhe darbd gistuontun fateres mines hier
nichts andres heifsen könne als 'Dietrich hatte meinen vater
nötig, er gebrauchte seine dienste'. aber mir erscheint der be-
weis keineswegs erbracht, dass darbd hier nicht auch heifsen
könne 'entbehrungen', 23. 24 also entsprechend Lachmann zu
übersetzen sei 'später hatte Dietrich meinen vater zu entbehren,
traf ihn sein Verlust', die deutung Heinzeis und Kögels ist dem
ganzen Zusammenhang nach ausgeschlossen, ob man nun mit
Heinzel sid durch komma oder mit Steinmeyer durch punet vom
vorhergehnden trennt : 'er begab sich ostwärts, weil Dietrich
DER DIALOG DES ALTEN IIILDEBRANDSL1EDES 65
meinen vater nötig hatte', ist deswegen nicht anganglich , da es
vorher hiefs : er begab sich ostwärts, weil er vor Ötachres nid
fliehen muste. und ebensowenig vereint sich mit dem vorher-
gehnden : 'er begab sich ostwärts, später hatte Dietrich meinen
vater nötig', denn eine solche ausdrucksweise würde voraus-
setzen, dass er vorher noch nicht im gefolge Dietrichs war, was
dem vers 19 widerspräche, nun freilich bemerkt Heinzel ganz
recht, dass die sage davon nichts wisse, dass Hildelnand später
von Dietrich getrennt worden sei. aber gleichwol wird sich uns
bald erklären, wie diese Vorstellung hier entstand.
Unter den zahlreichen versuchen, den abschnitt 18 — 27 ins
reine zu bringen, bietet allein derjenige einen richtigen ausatz,
der die geringste beachtung gefunden zu haben scheint.
Müllenhoff mit seinem scharfen sinn für Unebenheiten der
darstellung erkannte, dass durch die verse 23. 24 die Ordnung
der gedanken gestört werde, er construierte in den anmerkuniien
(Denkm.3 n 13f) folgenden text für 22—27:
22 arbeo laosa: er ret ostar hina.
25 er was Olachre umraett irri,
26 degano dechisto demo Deotmäres sune.
23 sid Üetrihhe darba gistuontun
24 fateres mines: dat uuas so friuntlaos man.
26 eo folches at ente: imo uuas eo fehla ti leop:
Wo Müllenhoff hier abseits gerät, das ist die zweite halb-
zeile des verses 26, für die in der hs. steht unti Deutrichhe darba
gistontun. er erkannte wol, dass darba gistontun als widerholung
von 232 aufzufassen sei. aber in der theorie befangen, dass dei
Schreiber aus dem gedächtnis geschrieben habe, erblickte er in
dieser widerholung ein abirren des gedächtnisses statt ein abirren
des auges und verzichtete daher darauf, für unti die selbstver-
ständliche conjectur Wackernagels, oämlich mtfi, anzunehmen,
fühlte sich statt dessen zu völlig freier Umgestaltung des balb-
verses befugt, aber er hätte gerade mit hilfe von Wackei
mili die richtigkeit seiner neuorduung erhärten können, wie
anderseits die neuorduung wider die richtigkeit von intfi aufsei
zweifei setzt, denn das einzige, was sich gegen Wackern
Präposition sagen liefs, das war die ungewöhnliche redeweis
sie ergab : her was .... degano decJüsto mili Deutlich
.... der liebste der degeu bei Dietrich', dass dieses bedenken
Z. F. D. A. XLIII. N. F. XX XI.
66 JOSEPH
durch die neuordnung wegfällt, das zeigt sich, sobald wir nur
richtig interpungieren:
22 arbeo laoso: her raet ostar hina
25 (her was Otachre ummet tirri),
26 tlegano dechisto, miti Deotrichhe:
23 sid Delrihhe darbä gistuontun
24 fateres mines. dat uuas so friuntlaos man.
27 her was eo folches at ente, inio was eo fehta ti leop:
also : "er ritt ostwärts hinweg, der liebste der degen, mit Dietrich'.
Nun tritt sofort unverkennbar das interpolationswerk zu tage,
die verse 222. 25. 26 sind nichts als eine wenig variierende wider-
holung von 18 f1. warum aber unser mann auf die schon anfangs
berichtete tatsache zurückgriff , das sagen die verse 23 f. er
fragte sich : wenn Hildebrand als gefolgsmann Dietrichs auszog,
wie kommt es, dass er hier ohne ihn und in anderm dienst er-
scheint? weil Dietrich ihn später verlor, antwortete er findig —
aber leider möglichst gegen den sinn der dichtungl denn diese
muss es gerade vermeiden, Hadubrand mit irgend einer kenntnis
auszustatten, die ihm begreiflich machte, dass sein vater in
den dienst des Hunnenkönigs getreten sei. Hadubrand muss
sich vielmehr völlig in der Vorstellung befangen zeigen, dass,
wenn sein vater erschiene, er es nur im gefolge oder als mann
Dietrichs könnte.
Mit den Worten dat vuas so friuntlaos man nimmt der hin-
zudichtende sänger dann deutlich den gedanken 20 — 221 wider auf,
bei dem er abgebrochen hatte, und ebenso deutlich entleiht er die
1 aus diesem Verhältnis ergibt sich nun auch mit Sicherheit, dass in
tirri eine Verderbnis steckt, denn v. 25 entspricht der halbzeile 182, und in
dieser ist nicht von Hildebrands Feindseligkeit gegen Odoaker die rede, son-
dern umgekehrt von Odoakew gegen Hildebrand, ich erlaube mir die Ver-
mutung, dass firri zu schreiben sei und der bearbeiter also sagen wollte :
während Hildebrand dem Dietrich in die fremde folgte, entfernte er sich un-
geheuer weit von Odoaker. er gibt also den begriff floh wider mit was
ummet firri. über die offenbar dem ummet spdher v. 39 ungeschickt nach-
gebildete ausdrucksweise darf man sich bei diesem mann nicht wundern,
die ansetzung eines adjectivischen ja -Stamms firri scheint unbedenklich,
wenn er auch nicht direct bezeugt ist : überliefert ist ahd. und as. nur ein
adj. fer{r), wozu ags. feor(r) stimmt; das von Graffin 656 f angesetzte adj.
ferri ist weder lautgesetzlich noch wird es von den angefühlten beispielen
gefordert, übrigens will ich den doppelten einwand ESchröders, dass die
belege fürs adjectiv sämtlich attributive Stellung aufweisen und es im ahd.
normal ferro uuesan (so zb. Tat. 97, 4. 236, 7) heifst, nicht verschweigen.
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES 67
worte her was eo folches at ente, imo was eo fehta ti leop, mil
denen er die Überleitung zur folge findet, dem vcis ;,i au- der
spätem rede Hildebrands.
Dass wir bei diesem einschiebungswerk würklicb dm bieder-
mann der verse 15 — 17 vor uns baben, drangt sieb ganz unver-
kennbar auf. wider dieses erklärenwollen, wo Dichte zu erklären
ist, und wider diese beneidenswerte genügsamkeit der einfalt, die
aufgäbe zu lösen, auch der alte Stilheld bewährt sieb : (\,\> ifd
Detrihhe unmittelbar auf miti Deotrichhe, das her was und imo
icas inmitten von dat uuas und was her. und endlich seine \.i>-
kuust! in v. 28 begegnen wir einem erzeugnis, das keinem me-
trischen system freude ist. und wie es mit dem reimschatz
unsers autors steht, beweist die talsache, dass von seinen sechs
versen je zwei immer dieselben släbe führen : die beiden ersten
vocalischen, die beiden mittleren d-, die beiden letzten /'-Stab.
alle solcbe schönen dinge, für die mau teilweise schon seinen
emendationsgeist anstrengen zu müssen gemeint bat, wird man
nun gern als das unantastbare reebt dieses mannes bewahren.
Übrigens erklärt sich, was ich vorher laune der Überlieferung
nannte, jetzt vielleicht als bewuste änderung. ein copist ordnete
die verspaare 23. 24 und 25. 26 um, weil er sieb an der auf-
einanderfolge miti Deotrichhe. sid Detrihhe stiefs.
Man wird bemerkt haben, dass ich in vers 22 (vgl. s. 66) den
te\[ der interpolation änderte, indem ich laoso für das überlieferte
laosa schrieb, für dieses verfahren schulde ich noeb rechensebaft
arbeo laosa als schwache form und zugleich prädicatn zu
erklären, wird nach Gerings erörterung (Zs. f. d. pbil. 2
niemandem mehr einfallen, demnach kommen überhaupt nur
noch zwei deutungeu des luosa ernstlich in belracht. erstei
von Gering neubegründete Müilenhoffs, bei der laofa al> schwächet
neutraler singular gilt. Gering übersetzt : 'er lieft im lande elend
zurück die frau im hause, das kind unerwachsen, das erl
oder die Kögels (Littgesch. s. 216), der arbeo laosa als starken
neutraleu plural nimmt und ebenso luttila, was schon ror ihm
Pütz tat (Die Überreste deutscher dicblung aus der teil vor
führung des Christentums, Coblenzer progr. — uicbl Kolner, wie
Braune Abd. leseb.« s. 172 citierl — 1851, s. 19). K
setzt : 'er liefs im lande trauernd zurück seine junge frau io
mache und ein unerwachsenes kind, des besilzes beraubt.
68 JOSEPH
Ich will von der künstlichen, verschränkten ausdrucksweise
absehen, die sich bei der letztern erkläruug ergibt, aber was
gegen sie wie gegen die erstere gleich entschieden spricht, ist
dies : es handelt sich hier doch gerade darum, dass Hildebrands
familie im haus zurückbleibt, mit arbeo laosa aber wäre das
gegenteil ausgedrückt, nämlich, dass die zurückgelassenen haus
und hof räumen musten. dass im köpfe des ursprünglichen dichters
ein so crasses widersprechen zweier aufeinanderfolgenden begriffe
ausgeschlossen ist, braucht nicht erst gesagt zu werden; aber es
ist auch kaum denkbar, dass ein späterer dergleichen verschuldet
halle, freilich weifs Rauffmann dem Widerspruch zu entgehn, in-
dem er neuerdings (Philol. stud. für Sievers s. 139) die deutung
Kögels mit dem unterschied acceptiert, dass er in lante 'irgendwo
im reiche' übersetzt, er lässt also den Hadubrand mit andern
Worten sagen, dass der vater die seinigen in irgend einem ge-
mache des reichs zurückliefs.
Würklich konnte sich die Verlegenheit unsrer interpreten,
arbeo laosa in den Zusammenhang zu bringen, nicht augenschein-
licher malen als durch dieses auskunftsmittel Kauffmanns. arbeo
laosa ist eben in gar keinen Zusammenhang zu bringen : durch
meine kleine änderung aber erhalten die worte ihre einzig richtige
uud mögliche beziehung, nämlich auf Hildebrand selber : 'er liefs
im land trauernd zurück das weib im gemache, den unerwacbsenen
söhn, der geächtete'.
Jetzt sieht man, dass unser sänger mit dem arbeo laoso
den vorhergehnden subjectsbegriff wider aufnahm , um so eine
bequeme anknüpfung für sein werk zu gewinnen, es scheint,
als besitze er ein faible für diese epische stilform, denn gleich
in seinem nächsten salze, wissen wir, pflegt er ihrer wider : her
rcet östar hina . . . ., degano dechisto1.
1 man hat auf grund von lesefehlern und anderen mechanischen ver-
sehen der Überlieferung auf zwei schriftliche Stadien unsers denkmals ge-
schlossen, ist meine obige erörterung der partie 18—28 richtig, so wird
diese hypothese durch innere momente bestätigt, denn die angenommenen
Verhältnisse erklären sich nur, wenn eine Urschrift existierte, die direct nach
dem Vortrag unsers sängers angefertigt ward, und diese dann eine copie
erfuhr, dass die Urschrift nach dem gedächtnis geschrieben war, halt auch
ich in anbetracht des lückenhaften zustands der Überlieferung für das wahr-
scheinlichste, ob aber mit dieser ansetzung zweier schriftlicher Stadien sich alle
fragen der Überlieferung lösen lassen, das entscheiden zu wollen, ligt mir fern.
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES
28. 29. Auch die ergänzungsversuche, die man diesen versen
gewidmet hat, kommen über versfiillsel nicht hinaus, aber es ist
doch ganz klar, dass zwischen den Sätzen der Überlieferung ehüd
was her chönnem mannum und ni wdniu ih iü üb halbe das ge-
dankliche Zwischenglied fehlt, warum vermutet Hadubrand den
tod seines vaters? vers 28 führt logischer weise auf den grund:
weil er jetzt nicht mehr chitd ist chönnem mannum, dh. lange
niemand gekommen war, der von ihm wusle.
Habe ich aber in 29l den richtigen gedauken getroffen — Hin-
auf diesen, nicht auf den Wortlaut kommt es mir an — so ergibt
sich für 28 die notwendigkeit des zeitlichen gegensatzes von selber,
diesen durch das wortchen er auszudrücken empfiehlt sich, weil
sich der ausfall von er nach her so überaus leicht erklärt.
Seit Müllenhoff wird vielfach angenommen, dass sich Hadu-
brands äufserung ni wdniu ih iü Üb habbe als unechten zusatz
erweise, weil sie im Widerspruch mit seiner spätem stehe : dat
sagetun mi seolidante . . dat inan wie furnam : tot ist Ililtibrant,
Heribrantes suno. indessen nachdem jene erste äufserung in
richtiger gedanklicher folge steht, sehen wir wol, wie sich beide
vereinigen, aus chüd was her er chönnem mannum lässl sieb ent-
nehmen, dass früher öfter nachriebteu von Hildebrand ins land
gelangten, dann aber brachten die Seefahrer die nachricht, dass
er im kämpf gefallen sei. die sohnesliebe will an das furchtbare
nicht glauben, als aber in der folge tatsächlich jede weitere
künde vom vater verstummt, da schwindet die anfangs gehegte
hoffnung, die mitteilung der Seefahrer konnte auf irrtum be-
ruhen. Hadubrand beginnt würklich an den tod des vaters EU
glauben, diese Stimmung erhält hier zum scbluss seiner ersten
rede ausdruck. dass sich dann für ihn am schluss der zweiten
rede die aussage der seefahrer zu völliger gewisheil steigert, be-
ruht auf psychologischen gründen, die wir bald kennen lernen
werden.
30 — 32. Wir erinnern uns, wie Hildebrand es ?ou w
herein auf seine erkennung anlegte, wie er aber zunicbsl mit
gröster vorsiebt und Zurückhaltung verfuhr, weil er nicbl w
konnte, wem er gegenüberstand, nun siefal er, dass seine Bhuung
ihn nicht geteuscht hat, dass in »lern jungen beiden da würklii
sein eigner söhn vor ihm steht, dass Bein andenken in ti
liebevoller pietät bei ihm lebt, wie könnte sein
70 JOSEPH
länger zügel anlegen! hier oder nirgends ist der platz für die
er Öffnung, schon Müllenhoff setzte sie in die zweite rede Hilde-
hrauds und Edzardi , der sich ihm hierin anschloss, bemerkte
ganz richtig (Beitr. 8, 489), dass auch inan v. 43 darauf deute,
dass sich Hildebrand vorher genannt habe.
Wenn sich trotzdem die neuere kritik wider in andrer rich-
tung bewegt, so mag das an den mangeln des positiven Versuchs
liegen, den Müllenhoff vornahm, denn er bot diesen Vorschlag:
31 dal du neo dana halt dinc ni gileitos
mit sus sippan man so ih dir selbo bim:
ih bin Hiltibrant, Heribrantes suno.
er bedarf also nicht blofs der ergänzung von l1/? langzeilen.
sondern muss dazu noch in einer Umstellung auskunft suchen,
und was ist das ergebnis? eine unmögliche allitteration in v. 31
(vgl. Rödiger Zs. 35, 176). Edzardi ersetzte Müllenhoffs so ich
dir selbo bim durch die halhzeile gisihistu nü fater din, was ge-
wis in keinem sinn als besseruug gelten kann.
Was meine ergänzung betrifft, so hat sie, abgesehen von ihrer
correctheit, das für sich, dass sie die forderungeu der Situation
mit überraschender einfachheit erfüllt, aber über diese Situation
gilt es noch klarheit zu gewinnen, denn es herscht unter den
interpreten eine ziemliche Unsicherheit darüber, welchen ton man
in den worten Hildebrands zu erkennen hat. vor allem weifs
man sich nicht recht mit dem ausdruck dinc abzufinden.
Mit der rede und gegenrede Hildebrands und Hadubrauds
hat eines jener redeturuiere oder rededuelle begonnen, wie sie
dem eiuzelkampf zweier beiden oder auch dem kämpf ihrer beere
gern vorausgehn. diese dialoge nehmen gewöhnlich sehr bald
eine recht bittre und sarkastische wendung, weil keiner der helden
etwa bezweckt, das gemüt des audern zu beschwichtigen, sondern
jeder im gegenteil, den gegner zum kämpf aufzureizen.
Hätte also den nekrolog, den Hadubrand seinem vater
widmete, ein wirklicher gegner zu hören bekommen, so hätte
sich das rededuell etwa in der art fortspinnen können, dass
dieser gegner erwiderte : 'wol steht es einem heldensohn an,
sich um das leben des vaters zu besorgen, doch willst du dich
hier als heldensohn beweisen, so denke jetzt deines eigenen
lebens!' indem aber Hildebraud nun in dem gegner seinen söhn
erkennt, löst sich der ernst plötzlich in Heiterkeit auf und natur-
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES 7 1
gemäfs wandelt sich der bittre humor, den wir an dieser stelle
sonst zu erwarten hätten, zu einem freundlichen um.
Von hier aus tritt nun der begriff dinc in sein rechtes licht.
dinc ist ein juristischer ausdruck, mit dem eine gerichtsverhand-
lung bezeichnet wird, auch in einer gerichtsverhandlung fiodel
ein rededuell der streitenden parteien statt, aber der zweck der
gerichtsverhandlung ist, den streit auf unblutige weise zum aus-
trag zu bringen, zu 'schlichten', wie das technische wort lautet.
zu einem rededuell mit unblutigem ausgang malt sich dem freudig
überraschten vater nun auch der kampfesdialog, in dem er und
sein söhn eben begriffen sind, mit dem wort dinc gibt er daher
einen diese plötzliche wendung des Streites scherzhaft bezeichnen-
den ausdruck, und in dem würtchen sulih, das ich des Stabes
wegen zu dinc ergänzte, scheint mir die aufsergewöhnliche, die
scherzhafte anwendung dieses begriffes glücklich angedeutet.
Aus dem scherzhaften sinn von dinc folgt aber natürlich,
dass man auch die feierlichkeit, mit der der alte seine rede an-
hebt — dieses pathetische herbeicitieren Gottes aus himmlischer
höhe, dass er Zeugnis in diesem dinc ablege • — für austluss
seines humors nehmen muss.
Zu diesem feierlichen anhub der rede steht ihr übriger teil
in würksamst lebendigem contrast. fast naturalistisch mutet es
uns an, wie der alte sich überhastend, sich gleichsam selbst in
die rede fallend, parenthetisch mit seiner entdeckung hervorbricht,
und wie die überfülle des gefühls sich in diesen gehäuften, an-
deutenden, hinweisenden Worten : neo dana halt, stis, sulih bahn
macht.
35. ldat ih dir it nii bi huldi gibuV auch mit bi huldi ver-
bindet man eine recht schwanke Vorstellung, man Übersetzt 'mit
huld' (Lachmann ua.), 'sine dolo' (Kögel Litteraturgesch. i 1, 221),
'um gnade willen' (Luft Die entwicklung des dialogs im alt.
Hildebrandsl. s. 19. 24), 'aus liebe' oder 'um liebe willen' (Martin
Anz. xxu 2S1). aber was ist mit allen diesen bedeuluogeo für
den Zusammenhang anzufangen? Kauffmann schliffst ans bi huldi,
dass Hildehraud die ringe 'als ausweis seiner persoo und als
treuezeichen' überreicht habe (Piniol, stud. für Sievera -.117
aber derselbe Kauffmann erkennt sehr treffend ans der bezeich-
nung cheisuringu gitdn, dass die armspaogen, die Hildebrand
1 wefftn der bedeulung- von wt-liu vgl. Siebs Zs. f. d. pbiL
72 JOSEPH
abstreift, eine goldmüuze mit dem bilduis des Hunnenherschers
trugen, wir fragen : wie hätte Hildebraud sich einfallen lassen
können, diesen schmuck fremden, feindlichen gepräges darzubieten,
um seine Vaterschaft und freundschaft zu erweisen? da hätte er
ja würklich annehmen müssen, dass seinem söhn sein hunnisches
Verhältnis bekannt sei !
In dem altenglischen heldengedicht Byrhtnoths tod ist uns
eine scene überliefert, die ich hier in der Übertragung teu Brinks
(Engl, litteraturgesch. 1, H8f) vollständig hersetze, weil sie uns
noch widerholt beschäftigen wird :
Byrhtnolh [der heranrückt, um das land von den dänischen ein-
dringlingen zu befreien,] brachte sein heer in Schlachtordnung und
herumreitend ermahnte und ermutigte er seine krieger. dann stieg er
vom pferd und stehle sich mitten unter seinen treuen gefolgsmännern auf.
Am andern ufer stand ein böte der Wikinge, der mit kräftiger
stimme, in drohendem ton dem eorl das anliegen der Seefahrer vor-
trug : 'mich senden zu dir schnelle seeleute. sie entbieten dir. dass
du ihnen schleunig ringe sendest, um frieden zu erlangen, euch ist
es besser, tribut zu zahlen als mit uns in so hartem kämpf zu streiten,
wenn du, der du hier der reichste bist, deine leute lösen willst, den
Seemännern nach ihrer eigenen Schätzung geld geben, so wollen wir
mit den schätzen uns einschiffen, in see gehen und euch frieden halten'.
Byrhtnoth hielt den schild fest, schwang die schwanke esche und ant-
wortete zornig und entschlossen : 'hörst du, Seefahrer, was dieses volk
sagt? sie wollen euch als tribut gere gehen, giftige lanzenspitzen
und alte Schwerter, watTenschmuck, der euch zum kämpfe nicht taugt,
böte der Seemänner, sage deinem volk, hier stehe ein rechtschaffener
eorl mit seiner schaar, der diesen erbsitz, Aethelreds volk und land
verteidigen will, fallen sollen beiden im kämpf, zu schimpflich dünkt
es mich, dass ihr mit euern schätzen unangefochten zu schiffe gehn
solltet, nun ihr so weit herwärts in unser land gedrungen seid, so
leichten kaufs sollt ihr euch keinen schätz erwerben : eher soll uns
spitze und schneide geziemen, grimmes kampfspiel, bevor wir tribut
zahlen!'
Hier also werden von dem fremden krieger keine ringe ge-
boten, sondern sie werden gefordert — gefordert, auf dass man
sich den frieden damit erkaufe. Graff Ahd. sprachsch. iv 915
belegt für huldi die bedeutungen 'gratia, favor, devotio, fortuna,
pax, tides' : es kann keinem zweifei unterliegen, dass bi huldi in
unserm lied heifst 'um den frieden zu erlangen', aber wenn im
Byrhtnothlied die ringe gefordert werden, so geschieht das in
höhnendem Übermut, und Hildebrand, der ruhmesstolze held,
bietet sie hier in freiwilliger ergebenheit dem jungen mann? er
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES 73
hält eben in der uns schon bekannten scherzhaften weise die
kampfesidee fest, es ist die höhe seines humors : 'da rufe ich
doch den grofsen Gott vom himmel zum zeugen herab, dass du
um nichts desto weniger (dh. obschon du deinen vater tot glaubst)
uoch niemals — ach ich bin ja Hildebraud, dein vater! — mit
einem so blutsverwanten mann einen so beschaffenen streit
führtest! ei so lass dir denn dies da geben, dass ich mir den
frieden von dir erkaufe!'
37. 38. Zunächst über die ergänzung von 372 ein wort.
dass diese halbzeile, auch rein inhaltlich betrachtet, lücken-
haft sei, erkannte Marlin Anz. xxn 282. er stellte geba grames
zur erwägung. aber von den fällen, auf die er sich für den
doppelstab der zweiten halbzeile beruft, fallen nach meiner krilik
(s. 63. 65 f) 17. 25 als unecht weg, die übrigen würden sich
von demjenigen, den sein text ergäbe, dadurch unterscheiden,
dass sie auch in der ersten halbzeile den doppelstab aufweisen.
auch würde grames eine sinnesnüance ergeben, die, wie wir noch
sehen werden, der dichter in dem ausspruch nicht beabsichtigt,
für das von mir eingesetzte man könnte man natürlich auch
marines schreiben : ich meinte die unflectierte form (vgl. Braune
Ahd. gr. §239 anm. 1) wählen zu sollen, weil damit der aus-
fall des wortes so sehr einleuchtet.
Was aber besagt nun der ausspruch mit ge'ru scal man geba
{man) infdhan, ort widar orte?
Dreierlei deutungen hat er hervorgerufen. Lachmann (Kl,
sehr, i 433), Müllenhoff in den frühem auflagen «Irr Denkmäler,
Möller (Ahd. alliüerationspoesie 100 f) nehmen ihn im moralischen
sinne : 'nur im kämpf soll man [des gegners] gäbe nehmen', die
übrigen erklärer fassen die worte im eigentlichen verstände, sie
meinen, dass mit ihnen auf eine alte sitte angespiell werde,
gaben 'auf der Speerspitze darzureichen und von selten des em-
pfängers mit dem speer entgegenzunehmen' (JGrimm Kl. sein.
ii 199). aus dieser letztem annähme aber folgen dann Ewei
entgegengesetzte beurteilungen der stell«-, je nachdem man die
frage beantwortet, zu welchem zweck Hadubrand den alten brauch
erwähnt.
Edzardi erklärte im einklang mit ( »Sein. -der (Bemerl
z. Hildebrandsl. s. 22) : Hildebrand habe, im eifer die heldensitte
aufser acht lassend, den ring mit der band dargereicht.
74 JOSEPH
dem hinweis auf die heldensitte weist Hadubrand es ab, ibn so
zu empfangen, weil er dabei eine hinterlist vermutet' (Beitr.
8, 490).
Müllenhoff dagegen gelangte nacb erneuter prüfung zu fol-
gender ausleguog : 'wahr ist es, der sitte entspricht, dass man
gäbe spitze gegen spitze empfange, aber du bist dir, alter Hun'
usw. er lässt Hadubrand also umgekehrt gerade constatieren,
dass Hildebrand der sitte gemäfs handle, sodass nach ihm der
sinn der worte wäre : 'indem du mir mit dem speer deine gäbe
überreichst, folgst du zwar dem allgemeinen brauch : gleichwol
mistrau ich dir', diesen standpunct Müllenhoffs teilt man wol
beute mehr oder weniger allgemein (vgl. zb. Heinzel WSB. 1 19, 46 1,
Kögel Litteraturgesch. i 1, 213, Kauffmann s. 147. 148); nur Luft
(s. 20) stellt sich wider auf Seiten Edzardis.
Dass indessen Hildebrand seine gäbe auf der spitze des gers
gereicht habe, halt ich für sicher, nicht zwar nehm ich die
verse 37 f zum beweis hierfür, doch bekommen nach meinen
beobachtungen epischen Stils die spätem worte Hadubrands v. 40
spenis mih dinem wortun, wili mih dinu speru werpan nur dann
einen Untergrund, wenn Hildebrand seine worte dat ih dir ü nü
bi huldi gibu gesprochen hatte, indem er gleichzeitig seine lanze
vorstreckte.
Hiernach bleibt von den genannten drei deutungen des
Spruches überhaupt nur noch die zuletzt erwähnte discutabel.
nun aber muss gesagt werden, dass diese mit einer der wesent-
lichsten eigenheiten echter heldeupoesie unvereinbar ist. die
dichter der heldenpoesie nämlich denken und leben vollkommen
in den anschauungen des milieus, das sie schildern : sie dichten
daher ganz unbewust aus diesem heraus, wie möchten ihre
beiden also darauf verfallen , die sitten, die sie ausüben, mit
glossen zu begleiten, wie sie nur im sinne aufserhalb stehnder
betrachter liegen könnten!
Aber nicht eiumal die tatsächliche Voraussetzung Müllenhoffs
und seiner genossen trifft zu : man darf dieses geben und nehmen
auf der spitze der vvaffe gar nicht als eine regelrechte sitte an-
sehen, schon Möller zeigte, dass man darunter einen ge-
legentlichen brauch zu erkennen hat, der jedesmal in der
Situation oder dem Verhältnis der personen seiue begründung
findet. beachtenswert in diesem sinn ist auch der nach-
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEUES 75
weis, den Kraus (Zs. f. öst. gymo. 1S94, s. 131) ans asiatische!
sitte bringt.
Man muss mithin für uusern spruch nach einem acluelleD
grund suchen, er ligt vor äugen : Hildebrand hat zwar dein
söhne die gäbe mit dem speer gereicht, aber direct in die band.
des letzteren worte besagen also zunächst soviel : mit dem Speer will
ich die gäbe nehmen, die mit dem speer mir gereicht wird, nicht
nehm ich sie mit der band an. so ist es unter männern recht,
in dem ort widar orte drückt er dann noch einmal deutlich
diesen sinn aus : m ein en speer will ich gegen deinen halten!
Das mistrauen Hadubrands begreift sich aber jetzt.
Indem Hildebraud ihm die ringe in die hand reichen will.
bringt er sie dem äuge des sohnes so nahe, dass dieser sie
cheisuringu gitdn erkennt, muste es aber Hadubrand schon mil
Unglauben erfüllen, dass er in dem mann, der ihm als führer
des feindlich eingedrungenen Hunnenheers gegenüberstand, seinen
vater zu erblicken hätte, so gilt es ihm nach dieser neuen ent-
deckung vollends als ausgemacht, dass er es mit einem ab-
gefeimten Schwindler zu tun habe, der nur deswegen die lanze
zur gäbe vorstrecke, um sie ihm meuchlings in den leib zu
stofsen.
Wir besitzen in der heldenepik mittelhochdeutscher zeit ein.
erkenuuugsscene, die zu dem fall hier eine lehrreiche parallele
darbietet, ich meine den Vorgang in der Kudrun, der Ilagen
betrifft, dieser ist im schiff des grafen von Garadie und seinei
leute zur heimat gelangt und beordert nun sogleich boteo zu
seinem vater Sigebant:
141 Der nü welle dienen an mir michel guot,
diu maere, diu ich enbiute, swer daz gerne tuot,
der si sage1 dem künege, dem gibe ich golt daz rtche.
jA lönet im vil gerne min vater und min muoter rlliche.
hieran — ich gebe die scene in der -eslalt wider, die ich Im
die ursprüngliche halle2 — schliefst sich unmittelbar an:
1 der si sage ist zu lesen für der sag der lis.; dSr diu ta%
schon Ziemann, Ettmüller und Piper, die übrigen herausgeb« a
(Bartsch, Symons) resp. saget (Vollmer, Martin). — dir fül
auch 333, 2.
2 ich brauche wol kaum zu bemerken . dass i
auf einer gesamtbetrachtung des Hagenlieds beruht
76 JOSEPH
144, 1 Die bolen riten dannen in Sigebandes lant.
145, 2 (16 sprach einer eirunder 'da hat uns her gesant
din sun der junge Hagene. swer den gerne saehe,
der ist hie so nähen, daz daz in kurzer zite wol geschaehe.
146 Do sprach der vürste Sigebanl 'ir trieget mich an not.
er ist s6 hin geseheiden, daz mir des kindes tot
dicke hat erwecket mines herzen sinne'.
'oh irs niht geloubet, so vräget iuwer wip die küniginne.
147 Der ist er also dicke gewesen nähen bi.
ob im an siner brüste ein guldin kriuze si,
ob man des an dem degene die rehten wärlieit vinde,
geruochet ir des beide, so mugel ir sin wol jehen ze einem
148 Uoten der vrouwen dilze wart geseit. [kinde.'
si vreute sich der maere, e was ir ofte leit.
si sprach 'wir sulen riten da wirz ze rehte ervinden'.
der wirl hiez (16 satelen im und sinen besten ingesinden.
150, 3 Her Hagene was gestanden nider üf den sant.
152,2 'sit irz, sprach zime der recke, 'der nach uns hat gesant,
und gehet ze einer muoter der edelen küniginne?
und sint war diu maere, so bin ich vrö von allen minen sinnen'.
153 öote diu scheene gezogenlichen sprach
'heiz uns vor den liuten schaffen hie gemach.
ich sol in wol erkennen, ob im lue zimt diu kröne'.
si ervant diu wären bilde. do enphiengen si den jungen helt
vil schone.
Hier ist es also der sohu , der tot geglaubt nach langen
jahren der verschollenheit mit feinden des landes in die heimat
zurückkehrt, wir sehen, wie er auf das mistrauen seines vaters
vorbereitet ist, und es für ganz selbstverständlich hält, sich nach
entdeckung seines namens durch ein untrügliches zeichen aus-
zuweisen, was aber gilt als ein solches? ein kostbarer gegen-
ständ, den er an seinem körper trägt!
Hiernach ahnen wir, was Hadubrand erwartet, als Hildebrand
nach seiner überrascheuden eröffnung sich die ringe vom arme
abstreift, um sie ihm zu reichen, wir verstehn, welche würkung
es auf ihn ausüben muss, als statt des documents, das die hei-
mischen bezieht) ngen des alten ausweisen soll, des feindes siegel
ihm unter das gesicht rückt1.
Hüdebrand hat also einen schweren fehler begangen, er,
der zunächst so besonnen die entdeckung einleitete, verliert hier
im entscheidenden augenblick unter der gewalt der plötzlichen
1 vgl. über die rolle, die das armspangenmotiv sonst in diesem Sagen-
kreis spielt, Jiriezek Deutsche heldensagen i 2S1 f.
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES 77
erkenntnis alle iiberleguug und vorsieht, er folgt dem reinen
impuls seines valerherzens. was aber seinen fehler so verhängnis-
voll macht, das ist der boden, auf den er trifft : der Charakter
Hadubrands. dieser junge heifssporn ist von so brennendem ver-
langen erfüllt, seine kraft mit dem alten erprobten haudegen zu
messen, dass er schon rein deswegen geneigt sein muss, hinter
jedem versuch, ihn um die ruhmesgelegenheit zu bringen, böseste
absieht zu wittern, was könnte seine befangenheit in der kampfes-
idee besser bezeichnen als der wandel, der sich in ihm in bezug
auf die nachricht der Seefahrer vollzieht, wir wissen, wie schwer
er sich einstens überwand, an sie zu glauben, und noch kurz
vorher vermochte er es nicht ganz, jetzt aber, wo ihm die aus-
sage jener leute einen vorwand zu dem ersehnten kämpf bietet,
steigert sie sich in ihm sofort zu tatsächlicher gewisheit! daher
also dieser scheinbare Widerspruch zwischen den äufserungen
v. 29 und v. 42—44.
Hadubrands ausspruch, sahen wir, besagt : man soll eine
mit dem speer gereichte gäbe nicht in die band empfangen,
sondern widerum mit dem speer. Kauffmann, der freilich die
worte Hadubrands im geiste JGrimms (vgl. oben s. 73) fasst,
schliefst aus ihnen, dass Hadubrand würklich die gäbe angenommen
habe x (Piniol, stud. s. 14S). nach meinen voraufgehnden er-
örterungen wird jeder empfinden, wie wenig dies in den augen-
hlick passte; auch scheinen die ausdrücke lirusti giwinnan, rauba
birahanen, die Hildebrand v. 56 f gebraucht, zu widersprechen.
In dem moment, wo in Hadubrand der gedanke aufblitzt,
der speer des alten wolle sich verstohlen gegen ihn selber richten,
wird er natürlich unwillkürlich einen schritt zurückweichen, um
zugleich den eigenen speer zur abwehr des fremden vorzustrecken.
hierdurch gerät er denn in eine Stellung gegen den alten, wie
sie würklich derjenigen entspricht, die zwei reiter gern einnehmen,
wenn der eine gäbe geben, der andre empfangen will, nun
merken wir wol den sinn des Spruches, den Hadubrand dem
1 Kauffmann kommt ganz logischer w • • i >< • zu
auch ihm klar geworden ist — er hat hierin keinen vo
armspangen für Hadubrand 'authentische documente der bannischen h<
Hildebrands' seien (s. 147). wenn nun Hildebrand d
die spitze des Speeres hängt, so muste letzterer Bie in de
pfang nehmen, um das gepräge der goldmi
78 JOSEPH
gegner zuruft : er bedeutet crassen höhn! 'nicht wahr, speer
gegen speer, wie wir hier stehn, das ist die art, gäbe anzunehmen ?
schau her, wie ichs meine 1' und nun statt den speer zum
nehmen geneigt eine abwehrende bewegung, bei der das geschenk
zu boden fährt, und Hadubrand, statt die brüst dem heimtückischen
stofs zu bieten, selber stofsfertig dasteht.
Diese art, eine angeregte erwartung durch die überraschende
wendung, die man einem wort oder einem allgemeinen satz gibt,
zu teuschen oder zu verhöhnen, ist ein charakteristisches mittel
des alten heldendialogs. es geht als litterarisches erbgut in unsre
spätere poesie über und zeigt auch spuren in den mit der alten
epik innigst und vielfach verquickten anfangen unsrer lyrik. ich
betone das hier, denn man scheint noch gar wenig ahnung von
diesem Verhältnis zu haben, wie ich aus dem allgemeinen staunen
ersehe, mit dem man es aufgenommen hat, dass ich den Küren-
berger in den mannesstropheu seiner wechselgesänge phrasen der
frauen persiflieren lasse.
Für unsern speciellen fall aber möcht ich auf eine stelle der
vorher mitgeteilten Byrhtnothscene hinweisen, als Byrhtnoth von
den Dänen aufgefordert wird, tribut zu zahlen, da antwortet er
'ja wol gere wollen wir als tribut geben' usw. dieser fall scheint
insbesondere dadurch bemerkenswert, dass die begleitende ge-
bärde, die den eigentlichen sinn der rede zu erkennen gibt, hier
mit den eigenen worten des dichters ausgedrückt wird : 'Byrht-
noth hielt den schild fest, schwang die schwanke esche und ant-
wortete zornig und entschlossen'.
Die überraschende würkuug wird auch wol erhöht, indem
den doppeldeutigen worten plötzlich ein unzweideutiges beigemengt
wird, es schien mir daher angemessen, die zweite halbzeile von
v. 38 mit der phrase after ekköno spile auszufüllen : 'gemäfs der
entscheidung der Schwerter', ein schwertkampf folgt ja auch
nachher, wie üblich, tatsächlich dem gerkampf und der ausdruck
spil will gut mit dem ton harmonieren, der da aus den worten
Hildebrands niuse de mötti v. 61 widerklingt, ich denke mir ge-
rade mit diesem Übergang Hadubrands zu unzweideutiger spräche
das herabschleudern der dargebotenen gäbe verbunden, so nun
tritt die niederschmetternde Plötzlichkeit und wucht völlig zu
tage, mit der Hildebrand der illusion entrüttelt wird, in die sich
sein vaterherz geträumt hatte.
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSL1EUES 79
Zur weitern stütze meiner ergänzung aber darf ich mich
widerum auf unser Byrhtnotblied berufen, hier finden wir 46 f
ebenfalls 'schwert' als drittes mit den begriffen 'ger' und Ganzen-
spitze' vereint : hi willab eow to gafole garas syllan, cettryniie
ord and ealde swurd (Greiu-Wülcker i 360) und 60 f wird gar
der begriff 'kampfspiel' selber ganz in dem sinn und Zusammen-
hang gebraucht, in dem er jetzt im Hildebrandslied steht : us sceal
ord and ecg cer geseman, grim guüplega, cer we gofol syllon!
spil = 'certamen' ist bei Graff vi 329 belegt; vgl. ferner
über diesen begriff in mhd. zeit Martin Z. Kudr. 633, 3.
45 — 59. Braune in seinen sehr dankenswerten lilteratur-
nachweisen * zu den einzelnen versen des Hildebrandsliedes (Alul.
lesebuch4 s. 171 ff) verzeichnet nicht weniger als sechzehn ver-
suche, diese stelle ins reine zu bringen, und berücksichtigt dabei
nicht einmal jegliche bemühung. merkwürdig ist, dass Rödiger
damit soviel beifall finden konnte, dass er den alten ein fall Hof-
manns wideraufleben liefs, die verse unter vater und söhn zu
verteilen, diesem unternehmen ist durch Kauffmann jetzt hoffent-
lich für immer sein ehrliches begräbnis gesichert (Piniol, slud.
s. 150 f). auch mein text trägt bekannte mienen. er gleicht
nämlich in seiner äufsern gestallung dem Greins. mit diesem
acceplier ich den Vorschlag Hofmanns, 46 — 48 nach f>4 zu
rücken, und fasse dann das ganze als eine einzige lückenlose
rede Hildebrands, aber freilich in «ler deutung der einzelnen
momente wie des gröfsern Zusammenhangs entfern ich muh ?on
Grein so sehr wie von allen übrigen bisherigen erklärern.
Die Schwierigkeiten des Verständnisses liegen vornehmlich in
den versen 46 — 48 und 55 — 57.
Betrachten wir zunächst die letzteren, seitdem es feststeht,
dass in sus heremo man 'an einem so alten mann wie ich' be-
deutet, erkennt man allgemein — ich spreche natürlich nur ran
denen, die die worte Hildebrand zuschreiben, — in 55 l den
sinn, den Martin Zs. 34, 281 so widergab : 'doch kannst du jetzl
leicht, wenn du stark genug dazu bist, an (mir) einem so alten
manne, beute erwerben', man meint, dass Hildebrand mil d
Worten auf seine altersschwache hinweise.
1 von der bei Braune verzeichneten litteratnr hab ich I
bemühung nicht erlangt das Iglauer programm
im alten Hildebrandslied (1896).
80 JOSEPH
Aber wie wenig fügt sich doch ein solcher zug zu seinem
bild hehrer erscheinung, das uns unser gedieht in so markiger
Verkörperung vorführt? und Hildebrand soll sich ernstlich in
den äugen seines gegners selbst herabsetzen, um dem kämpf mit
diesem auszuweichen ? wie vereint sich das mit dem germanischeu
heldenideal, dessen vollendeten typus doch eben dieser Hildebrand
darstellt? und endlich : was soll jetzt nur die bemerkung ibu
dir din eilen taoe? in dem falle, dass Hadubrand die stärke dazu
besitze, könne er es mit einem so altersschwachen mann wie
Hildebrand aufnehmen? dies ist ja ein Widerspruch in sich oder
andernfalls eine so banale phrase, wie wir sie dem erhabenen
neiden in dieser fürchterlichsten stunde seines Schicksals nimmer-
mehr zutrauen werden 1
Man übersieht immer das kleine, aber zum Verständnis des
Zusammenhangs äufserst wichtige wörtchen nü : 'du hast es jetzt
leicht, dir den kampfpreis an mir zu verdienen', warum jetzt
erst? weil die stimme zum schweigen gebracht ist, die sich so
lange gegen den kämpf auflehnte : die stimme des blutes. aodlihho
ist auf das engste mit nü zu verbinden : nur insofern nun das
undenkbare geschehn ist, dass dieses hindernis des blutes nicht
mehr besteht, hat es der söhn leicht trophäen zu gewinnen, die
gelegenheit, die chance, die möglichkeit ist frei : blofs das will
Hildebrand dem söhne sagen, aber nicht, dass er es nun leicht
in bezug auf seine person habe, indem Hildebrand seinen söhn
mit diesem in sus heremo man auf sich hinweist, tritt er viel-
mehr bewust der verächtlichen behandlung, die sein alter von
ihm soeben erfahren hat — alter Run . . pist also gialtet
man, so du ewin inwit fuortös — , entgegen, steht er im höchsten
Vollgefühl seines wertes wie der bedeutung des momentes. sieh
den alten mann, er ist in heldentaten ergraut : wenn dich denn
der ruhmespreis so lockt, prüfe, ibu dir din eilen taocl sieh
den alten mann, seine grauen haare fordern ehrfurcht, also auch
glauben : bevor du denn nach dem ruhmespreis so trachtest,
prüfe, ibu du dar enic reht habe's!
Fassen wir aber die verse in dieser einzig möglichen und
einzig richtigen weise, so wird niemand mehr daran denken, sie
mit Müllenhoff von 58 ff zu trennen, sondern es ergibt sich, dass
sie vielmehr in unlöslich logischer Verbindung mit diesen stehn.
denn in den letztern versen ist eben der grund enthalten, warum
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDES 81
Hildebrand dem vatergefühl nicht länger gehör geben darf : er
würde sich dem Vorwurf schmählichster feigheit aussetzen, wollte
er noch ferner zögern den kämpf aufzunehmen, übrigens darf
man diese verse 58 f nicht so erklären, wie es Lachmann, meines
wissens unwidersprochen, tut. Lachmann bemerkt (Kl. sehr,
i 438) : 'ich wäre der feigste der Ostländer, wenn ich den kämpf
nicht annähme, sagt Hildebrand, indem er sich selbst zu
den Hunnen rechnet, deren könige er gedient hat', aber
wie wird sich denn Hildebrand selber zu den Hunnen rechnen
in einem moment, wo doch alles für ihn daran gelegen ist, ge-
rade diesen verdacht von sich abzuwälzen 1 vielmehr ist zu über-
setzen : 'wer dir jetzt noch länger den kämpf weigerte, das müste
ein feigling sein, wie man im Hunnenvolke kaum seinesgleichen
fände'. Hildebrand stellt sich mit diesen Worten demnach gerade
in gegensatz zu den Hunnen.
So eng sich die verse 55 — 57 mit 58 ff verbinden, so schlecht
schliefsen sie an 49 — 54 an. nü 53 nimmt den zeitlichen gegen-
satz vorweg, und die zweite halbzeile des verses 54 stellt eine
alternative, die in 55 — 57 ganz fallen gelassen ist.
Dass dagegen die verse 55 — 57 unmittelbar zu 46 — 48 ge-
hören, wird klar werden, sobald wir nur 46 — 48 richtiger deu-
ten, als es bisher geschehen ist. diese verse begegnen heute
einer zwiefachen auffassung.
Kauffmann meint (s. 149), wie schon vor ihm OSchröder,
Hildebrand spreche hier von dem heimatsglück des sohues, um
demselben sein eigenes ruheloses dasein gegenüberzustellen, er
construiert also eine art rein rhetorischen gegensatzes. dieser
wäre nun schon an sich wenig stilgemäfs. hätte der dichter der-
gleichen aber würklich beabsichtigt, so hätte er sicherlich nicht
die beiden Sätze mit den wörtchen wela und welaga eingeleitet,
ohne diese in correlation zu stellen, etwa in dem sinne : 'wol
dir I* — 'wehe mir 1' wela steht aber syntaktisch wie begrifflich
ganz anders als in dem geforderten sinne, und es ist mir daher
unverständlich, wie Kauffmann trotzdem behaupten kann, die
worte wela und welaga stünden 'offenbar' in correlation.
Die bei weitem meisten anhänger aber zählt die »weite deu-
tung, die Müllenhoffs, der aus Hildebrands Worten den sinn
herauslas : ich sehe dich von deinem berrn so stattlich aus-
gerüstet, dass du freilich meine gäbe zurückweisen darfst, <!,< du
Z. F. D. A. XLIII. N. F. XXXI.
82 JOSEPH
ihrer nicht benötigst, aber derselbe Hildebrand hält doch seinem
söhn wenige verse später entgegen, dass er hrusti giwinnan,
rauba birahanen wolle! ferner ist es ein germanischer anschau-
ung völlig fern liegender gedanke, dass ein held eine bi huldi
dargebotene gäbe des gegners deswegen ausschlagen möchte, weil
er reich genug seil
Die verse, um die es sich handelt, sind nur aus dem gröfsern
Zusammenhang verständlich.
Wir wissen, dass der söhn des vaters gäbe aus dem grund
zurückweist, weil sie durch ihr hunnisches gepräge seinen ver-
dacht erregt, die nachdrücklichkeit, mit der unser sonst hinter
den redenden zurücktretende dichter bei der erwähnung der
wuntane bougd hinzufügt cheisuringu güdn, so imo se der chuning
gap, Uüneo truhtin, leitet unsre aufmerksamkeit gleich darauf,
dass diese eigenschaft der ringe in der folge bedeutung gewinnen
wird, aber auch Hildebrand kann es nicht verborgen bleiben,
dass der söhn durch den hunnischen Charakter seiner gäbe wie
seiner erscheinung zum feindlichen verhalten getrieben wird,
denn die worte alter Hün, mit denen ihn Hadubrand anredet,
sagen es ihm ja deutlich.
Demnach wird nicht mehr zweifelhaft sein, was die verse
46 — 48 ausdrücken wollen : 'du trägst freilich keine fremde
rüstung, denn du hast zu hause deinen herrn und kennst das
loos der Verbannung noch nicht aus erfahrung'. der unaus-
gesprochene gedanke ist : 'daher schliefst du aus meiner rüstung,
dass ich nicht dein vater sei', damit erhellt nun auch, in welcher
weise 55 ff an 46 — 48 schliefsen : in dem doh ligt ausgedrückt:
'aber trotzdem ich dein vater bin'.
Überschauen wir nun die ganze rede, als Hildebrand er-
kennt, dass er seinen söhn vor sich hat, da glaubt er nur seinen
namen nennen zu dürfen, auf dass Hadubrand sich ihm in die
geöffneten vaterarme stürze, wie fern ihm der gedanke ligt, er
könne auch nur auf das geringste mistrauen stofsen, das be-
kundete sich sprechend in dem humorvollen ton, mit dem er die
kampfesangelegenheit behandelt.
Was geschieht aber nun? man vergegenwärtige es sich.
die gäbe der liebe schnöde zu boden geschleudert, statt des
wortes vater das schmähwort des feigen meuchelmörders. zum
kämpfe drängend steht der söhn vor ihm, während es ihm in die
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRANDSLIEDKs
ohren hallt 'tot ist Hildebrand!' zwei wege nur, die er erblickt:
die heldenebre einbüfsen oder den kämpf aufnehmen mit dem
eignen blut. und in dieser läge, der er sich mit erstarrender
Plötzlichkeit gegenübergestellt findet, soll nun sein erstes sein,
dass er die schöne rüstung des sohnes in betrachtung nimmt!
nein, was hier allein am platz scheint, das ist dieser schmerzens-
aufschrei der Verzweiflung : welaga nu, tcaltant got, wewurt skihit,
der sich zu einer ergreifenden anklage der höhern macht ge-
staltet, indem Hildebrand das geschick ausmalt, dem er sich nun
durch die unvorhergesehene, fürchterliche vvendung aufgespart
sieht, vom söhn niedergestreckt werden oder ihm der schlächter
sein! vom söhne! erst dieses wort entreifst ihn seiner selbst-
betrachtung : er lenkt den blick auf diesen seinen söhn, wie
schön und stattlich er dasteht! und doch so unberührt selbst
von diesem seelenton des empfindens, und auch diese laut rufende
tatsache der dreifsigjährigen Verbannung — sie hallt ungehört
vorbei!
Wehmutsvoll haftet sein äuge an ihm. liebevoll mahnend
wendet sein wort sich ihm zu1, vergebens! so soll er denn
jetzt seinen willen haben, der junge mann, aber vielleicht, wo
er nun ja sieht, dass er nicht heimtückisch feige dem kampl
auszuweichen gedenkt — wenn er ihn noch einmal auf Beine
ehrwürdige gestalt hinweist, dass ihm doch noch eine abnung
seiner Verantwortlichkeit überkomme! denn wahrlich, er, er
selber fühlt sich jeder Verantwortung frei, machtvoll bäumt sich
der stolz gekränkter ehre auf. der entschluss ist gefassl : den
ausgang stellt er nun dem Schicksal anheim. ein grolsartiger ;il>-
schluss des erhabenen heldenbildesl
Aber ich habe hier den inhalt von versen vorausgenommen,
deren text ich noch zu rechtfertigen habe.
60—64. Dass sich 'versuche der, dem es verliehen ist, wer
sich heute der beute rühmen oder diese brttnnen beide besitzen
müsse' nicht verbinden, sah schon Rieger ein (Germ. 9, 311),
1 Müllenhoffs helid habe ich v. 46 eingesetzt, weil dies,
zwei eigenschaften besitzt, die hier speciell am platz sind : I
der Jugendlichkeit, der in dem wort ligt und der an Badubran
Schaft bezeichnet, die der alte bei dieser r«
hat, 2) die form der anrede, womit Hildebrands Verla«
tung wirkungsvoll eingeleitet wird.
84 JOSEPH
und ich kann nicht mit Steinmeyer (Denkm. n 19 ff) finden, dass
der sinn der üherlieferuog besserung erfahre, indem man hwer-
dar = 'ob' nimmt, da auch gleichzeitig niuse de mötti sich nicht
in die allitteration fügt, so ist doch der nächstliegende schluss,
der zu positivem versuch herausfordert, dass diese halbzeile nicht
zu güdea gimeinün gehöre, sondern wie letztere selber zu halb-
zeileu, die verloren gegangen sind.
Für die ergänzte halbzeile got eno dat wet kann noch ein-
mal das Byrhtnothlied bürgen, die letzten worte Byrhtnoths näm-
lich vor der entscheidung sind die folgenden, 93 — 95:
nu eow is ^erymed, z,a3 ricene to us,
Kliman to z.ufe: ;o9 ana wat,
hvva beere waelstowe wealdan mole.
Auf grund dieser stelle schreibe ich auch hwer ddr statt
hwerdar, um so mehr als der gedanke dadurch erhöhung erfährt,
dass die räumliche beziehung ausgedrückt wird, für v. 61 wird
demjenigen, der die zahlreichen stellen durchmustert, die parallelen
der Wendung niuse de mötti bieten, soviel sicher sein 1) dass
die ansetzung der parenthese richtig ist, 2) dass die zweite halb-
zeile einen abhängigen satz mit ibu enthielt, dass aber hier
würklich ausgedrückt gewesen sein muss, es handle sich um
leben oder tod : das, mein ich, ligt zu klar im Zusammenhang
des ganzen, als dass es ernstlich bestritten werden könnte, der
stab, der auf nerie fällt, ist in dem starken logischen ton dieses
wortes begründet.
in
Es ist sehr beliebt, von dramatischer behandlung eines ge-
dichts zu reden, aber unser gedieht, glaub ich, fordert in der
tat dazu auf, es unter diesem gesichtspunet zu charakterisieren.
Speciell die spräche des dialogs, wie wir sie jetzt kennen
gelernt haben, ist nur aus dem dramatischen geist heraus zu
verstehn und zu erklären, die redenden sagen eben nicht mehr,
als nötig ist, damit sie sich untereinander verständlich machen,
wozu sollte Hildebrand erwähnen, dass er dem söhne seine gäbe
auf der spitze des gers bietet und in die hand reicht? das sieht
ja der söhn, und ebenso sieht es Hildebrand, wenn Hadubrand
den speer vorstreckt und die dargebotene gäbe zu boden schleu-
dert, mit den worten wela gisihu ih usw. bezeichnet Hildebrand
nur den äufsern umstand: die Schlussfolgerung zu ziehen, auf
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBHANDSL1EDES
die es ihm eigentlich ankommt, überlässt er dem angeredeten.
er fährt mit der adversativpartikel doh fort: aber der gedanke,
um dessen gegensatz es sich haudelt, bleibt wider unausgedrückt.
mag Hadubrand ihn sich ergänzen 1 so mannigfaltig und schroff
der Stimmungswechsel bei den redenden ist: kein directes wort
deutet ihn an. ja wir eriunern uns, wie diese äufsere unver-
mitteltheit dazu verführte, in den reden Hadubrands einen Wider-
spruch zu erblicken.
Kurz alles was sich aus Situation und natürlicher folge
ergibt, was aus ton oder gebärde vernehmlich ist, bleibt in
worten unausgedrückt. diese darstellungsart, verbunden mit dem
fast völligen zurücktreten des dichters hiuter seinen persouen,
lässt einen rückschluss auf die Vortragsart machen: es fehlte
gewis nicht an der begleitung einer ziemlich lebendigen mimik '.
Betrachten wir den dialog in seiner gliederung. unter
den fünf reden bildet die mittlere, die durch unterbrechende
worte des dichters auch äufserlich vor den übrigen ausgezeichnet
ist, den höhepunct der handlung: Hildebrand entdeckt sich, die
beiden reden nun, die der mittleren vorausgehn, mochte man
als steigende handlung bezeichnen: denn jede bedeutet einen
markanten schritt vorwärts zur entdeckung. durch die erste
wird Hadubrand veranlasst, über sich und seineu vater auskunft
zu geben: das moment der ersten Steigerung, durch die andere
wird Hildebraud veranlasst, aus der bisher geübten reserve beiaus-
zutreten: das moment der zweiten Steigerung.
Die beiden reden, die der mittleren folgen, charakteru
sich als fallende haudluug. mit der ersten sieb! sich Hildebrand
plötzlich aus allen himmeln gestürzt: das momenl <U-> Um-
schwungs, mit der zweiten ist der kämpf für ihn beschloß
sacbe: die katastrophe.
Auch die momente 'scenischer würkung' (Freylag Technik
des dramas5 s. 100) ergeben sich ungezwungen, mit jeder der
drei reden Hildebrands ist eines verbunden, das erregende mo-
ment mit der ersten, dieses hestelit in dein eindruck,
Hildebrand durch die erscheinun- Hadubrands erführt, und
in der vermutlich verlorenen zeile (vgl. 8. 62Q speciell
1 auch Kauffmann (s. 170) betont Mir nachbildm
dialog und die bedeutsame rolle, 'welche in der altgermai
bärde und stummes spiel haben'.
86 JOSEPH
bekommen haben, in die zweite fällt das tragische moment:
auch auf dieses wird durch besondere worte des dichters hinge-
wiesen, nämlich durch die unterbrechenden, da mit ihnen der
verhängnisvolle umstand in der handlung Hildebrands hervor-
gehoben wird, mit der dritten endlich findet sich das moment
der letzten Spannung vereinigt, denn aus der selbstbetrachtung
Hiklebrands erfährt Hadubrand eine tatsache — die dreifsigjährige
Verbannung — , die geeignet wäre, ihm noch nachträglich die
äugen zu öffnen.
Auch die innere Verknüpfung der handlung, ihre motivie-
rung, verträgt den dramatischen mafsstab. wir dürfen sehr wol vou
einer Schürzung des knotens reden, was treibt den vater zum
kämpf mit dem söhn? dass dieser ihn in seiner ehre kränkt?
nein, vielmehr erst die hinzukommende erkenntnis, dass der
söhn, auf ein bestimmtes Zeugnis gestützt, ihn für tot hält,
hiermit ist ihm würklich jeder andere ausweg abgeschnitten,
seine ehre widerherzustellen, was anderseits macht Hadubrand
aller belehrung unzugänglich? nicht blofs die hunnische erschei-
nung des vatersl auch hier muss ein zweiter umstand hinzu-
treten: die entdeckuug der kaisermünze, womit Hildebrand als
belrüger entlarvt scheint, dass sein nachträglicher ausweis danu
keine würkung mehr ausübt, kann nicht wunder nehmen: denn
ein belrüger konnte sich natürlich aus deu in Hadubrands rede
gegebenen momenten die dreifsigjährige Verbannung selbst zu-
rechtzimmern.
Im höhern sinne aber, wir sahen das schon gelegentlich,
fliefst die handlung aus den Charakteren, der grundzug im wesen
der beiden männer ist ihre heldennatur. diese natur kommt bei
jedem in einer ihrem verschiedenen alter gemäfsen weise zur
äufseruug. Hildebrand dem greisen recken gilt es, seine helden-
ehre zu bewahren. Hadubrand dem jungen, heldenehre zu ge-
winnen.
Hildebrand sieht alle bedenken, die seinem ziel entgegen-
stehn. wenn sein heldentum dennoch schliefslich den ausschlag
gibt, so mächtig sein vaterherz widerstrebt, so klar er die folgen
überschaut, so fürchterlich ihn die Verantwortung bedrängt, so
spricht dies in gleichem mafse für die tiefe wie für die unbeug-
same strenge seines heldeubegriffs. war er im stände, diese auch
nur einen augenblick zu verlassen, so würde dem kämpf jegliche
DER DIALOG DES ALTEN IHLDEBRANDSLIEDES
sittliche grundlage fehlen, seine handlung würde uns nichi
mehr durch ihre gröfse rühren, sondern durch ihre frivolitäi
abstofsen. hier sehen wir also einen neuen grund, warum sich
die schon früher kritisierte beliebte auffassung verbietet, nach der
Hildebrand bemüht sei, dem kämpfe dadurch aus dem wege zu
gehn, dass er sich seinem gegner gegenüber selber herabsetze.
Hadubrand folgt im gegensatz zum vater unbeirrt dem blinden
eifer seines jugendlichen ehrdranges. aber eben nur diesem.
auch hier widerspräche das weitere motiv, das man ihm gewöhn-
lich noch unterlegt, habsucht, der einheit der handlung. denn
um seiner habsucht befriedigung zu verschaffen, bedürfte es bei
den obwaltenden Verhältnissen keineswegs des kampfes.
Neben der lebendigen dramatischen erfassung des Stoffes er-
kennen wir noch eine zweite eigenheit, die unserm dichterwerk
seinen Charakter gibt, es ist die kunst, die motive poetisch aus-
zubeuten, auf zweierlei weise wird dies erreicht.
Erstens durch festhalten desselben motivs. ich denke
an die art, wie Hildebrand in seiner scherzrede das kampfesmotiv
aufgreift und durchführt, oder wie er mit seinem in sus he'remo
man das alter Hün und also gialtet man seines sohnes erwidert,
auch das widerklingen von Hildebrands chud ist mir al irmindeot
in Hadubrands chud was her er chönnem mannum gebort hierher.
Befestigt dieses mittel den geschlossenen charakter unsers
gedichts, so vollendet das andere seine monumentale prägung.
es besteht in der kunst des contrastierens. das contrastie-
rende moment in den Charakteren seiner beiden beiden deutet dei
dichter selber an, indem er von Hildebrand sagt : her was heröro
man, ferahes frötöro.
Und auch die handlung führt der dichter unter dem gesichts-
punct ihres contrastierenden ergebnisses vor, indem er Hildebrand
die tiefe ihrer tragik mit den Worten veranschaulichen lässt : ih
wallöta sumaro enti wintro sthstic usw.
Aber auch eine menge unausgesprochener contraste sind i
dem gedieht enthalten, und wir empfinden sie nicht w<
haft. Hadubrand, der eben das andenken d
vollster weise gefeiert hat, tut ihm gleich darauf un?
die schmählichste behandlung an. er, der alle die
heimkehr des vaters geharrt hatte, stöfsl ihn nun. Irklich
88 JOSEPH
erscheint, selber zurück, die todeskunde, an die seine liebe so
lange nicht zu glauben vermochte, gewinnt in dem moment für
ihn Wahrheit, wo sie gerade in der weise, die er ersehnt hatte,
lügen gestraft wird, wie eindrucksvoll stellt sich dem über-
mütigen scherz des alten der bittere ernst des sohnes entgegen,
welches seelenbild des alten enthüllt sich uns : das was seinen
höchsten vaterstolz ausmacht — die heldenhaftigkeit des sohnes — ,
erwächst zu seinem tiefsten vaterschmerz!
Zu dieser doppelspiegelung der motive bildet die dichoto-
mische Ordnung, die durch sämtliche reden sichtbarlich geht, eine
stilistische analogie. die beideu momente, die sich jedesmal von
einander abheben, sind in der ersten rede : Hildebrands bitte um
auskunft, die anpreisung seiner eigenen künde; in der zweiten
Hadubrands erteilung der auskunft, seine anpreisung von Hilde-
brands bekanntheit; in der dritten Hildebrands bekenntnis, seine
gabenreichung; in der vierten Hadubrands erwiderung auf das
bekenntnis, seine erwiderung auf die gabenreichung; in der fünften
Hildebrands selbstbetrachtung, seine anrede des sohnes.
Wir können also in dem poetischen werklein eine stil-
vollendung constatieren , die bis in die kleinen details geht,
dieser kunststand beruht auf sehr bestimmten Verhältnissen der
germanischen heldenpoesie. die germanische heldenpoesie ver-
fügt nämlich über ein verhältnismäfsig recht geringes motiven-
material. die sänger arbeiten mit einem jedermann gleich bereiten
und traditionellem gut. dies aber begünstigt ebenso sehr die
ausbildung fester typischer formen wie anderseits aus der not-
wendigkeit, dem publicum neues zu bieten, der trieb hervorgehn
muss, dem gegebenen immer neue seilen abzugewinnen, dh. die
dürftigkeit des vorhandenen materials durch die mannigfaltigkeit
der anwendung zu ersetzen, daher wird ein bestimmendes princip
der poetischen kunstentwicklung, das sich über die Zeiten und
die gattung des alten heldenepos hinausverfolgen lässt : das princip
der variierung.
Unser Hildebrandslied lieferte einige lehrreiche beispiele für
das gesagte, wir erinnern uns, wie der kampfesdisput nach
einem typischen Schema aufgebaut war, und wir konnten mit
fingern auf die puncte zeigen, wo der dichter neu wurde : durch
variierung des überkommenen motivs der typischen form indivi-
duelle färbung verlieh, ebenso liefs sich in der erkennungs-
DER DIALOG DES ALTEN HILDEBRAiNDSLIEDKS 89
sceue und in der gerscene typus und Variation deutlich uoter-
scheiden *.
Man sehe also keine sucht zu schematisieren oder hang zur
tüftelei darin, wenn ich mich bemühe, zur aufklarung unsrer
poesie beizutragen, indem ich diese beiden elemente auseinander-
lege, ich erfülle hiermit eine methodische forderung, die darum
nicht weniger gebieterisch herantritt, dass man sie bisher so
ungenügend erkannt hat.
Strafsburg i. E. EUGEN JOSEPH.
AUS DER LITTERARISCHEN TÄTIGKEIT
EINES AUGSBURGER BÜCHSENMEISTERS
DES 16 JHS.
Augsburgs büchsenmeister sind ihrer zeit weit und breit be-
rühmt gewesen, von ihnen hergestellte büchsen nach deutschen
und fremden ländern gegangen, ein alter büchsenmeister muste
nun wegen der mannigfachen kenntnisse, die seine kunst er-
forderte, ein gebildeter mann sein, kein wunder, dass die litte-
rarische production in ihren kreisen eine ziemlich ausgedehnte
gewesen ist. am wertvollsten sind meist die mitteilungen über
technische einzelheiten und persönliche erfahrungen aus ihrem
berufe, diese sind aber gewöhnlich nicht gedruckt worden, son-
dern wurden nur handschriftlich als zunftgeheimnisse hinterlassen,
zu der schaar der litterarisch tätigen büchsenmeister gehört in
der zweiten hälfte des 16 jhs. der Augshurger Samuel Zimmer-
mann sen. , der in zwei werken vertreten ist. das eioe ist ein
rein artilleristisch- fachmännisches, das andre ein mehr cultur-
historisch und sprachlich interessantes buch, während das entere
in einer ganzen reihe von ahschriften auf uns gekommen ist (>.
1 das streben zu variieren und neu zu sein erfaßt auch die vorl
den, deren production ebenfalls durch den traditionellen Charakter dei
angeregt und begünstigt wird. sie wollen aber meistens nui
davon, dass sie veränderten anschauungen gerecht zu werden snc
kenntnisse auskramen und überklug sein, bald kommen noch die
der feder hinzu, und so entstehn jene monströsen bildungen, «
epik aufweist, der mann, der sich das Hildebrandlied aosi
interessante erscheinung. denn er bietet einen sanften vorgi
tern betriebs. dass er seine bemühung ausschliefslich i
Hadubrands erstreckt, ist bezeichnend : in dies«
iiche interesse des gedichts.
90 HÖRN
Jahns Geschichte der kriegswissenschaften s. 640) — was für das
ansehen spricht, in dem sein Verfasser gestanden hat (Jahns macht
auch besonders auf die von ihm beschriebene granatkartätsche auf-
merksam), ist das letztere nur in zweien (jetzt in Dessau und
Gotha) erhalten, auf die Gothaer hs. (herzogl. bibl., chart. nr 566)
hat GFreytag in den Bildern aus der deutschen Vergangenheit
(m s. 75 anm.) hingewiesen, Jahns hat ihm aao. einen beson-
dern paragraphen gewidmet; beide erwähnen ausdrücklich das
interessante onomasticon am schluss. Untersuchungen über die
deutsche Soldatensprache [s. jetzt mein buch (Giefsen 1899)]
veranlassten mich, das Gothaer exemplar mir hierher zu er-
bitten, mein wünsch ward von herrn geh. hofrat dr WPertsch
mit der ihm eigenen liebenswürdigkeit erfüllt, wofür ich auch
an dieser stelle meinen dank aussprechen möchte, das Gothaer
autograph ist so gut, dass eine hinzuziehung des Dessauer exem-
plars unnötig erschien.
Zimmermanns (bei Jahns 'Zümmermann') buch führt den lang-
atmigen titel : 'Bezaar1, Wider Alle Stich, Straich vnd Schilfs,
voller grossen Geheimnussen , Dardurch ein Sigreiche Gegenwöhr
wider all seine Feind, vnd Schlüssel zu einem trefflichen Schatz
einem in die hand hinein gegeben wirdt, genant Pyromachia : Das
Ist Fürnemblich die Kunst, wie man wider das Büchsengeschofs vnd
Beiionische Feuerwerckh, Auch andere Feuer, so nit allein aufs der
Mechanica, verborgner griff Menschlicher Behendigkeit, sondern auch
übernatürlicher weifs ihren Vrsprung haben, Mannlich, Bitterlich,
Künstlich vnd Sighaft streiten, in vilen Casibus vnd händlen sich
sampt vnd sonders praeserviren vnd protegiren soll. Was auch
wider solche Tormenta, Verborgne Legfeur, Mordtfeur, leggeschofs,
Selbgeschofs, Brunst /euer, beede zu wasser vnd Land in Stätten,
beuestungen, Veldlegerti, für Bemedien zuegebrauchen seyen. Alles
verrnög Göttlicher Schrift vnd der fürgeschribnen Bechten, Aufs
den Approbierten Authorn gezogen, dem gemeinen Nutz zue gueten,
mit grofser langwiriger müeh vnd Arbeit, vnnd nicht wenigerem Vn-
costen vnd gefahrlichkeiten des leibs vnd lebens zusamen bracht, vnnd
in Zehen Büecher geschriben Durch Samuelem Zimmermann den Eltern,
Löblicher freyer Kunst liebhabern, vnd bestellen Büchsenmaister in
1 aus dem persischen Pddzachr 'gegengift', was hier erwähnt sei, weil
bei Jahns s. 643 anm. die jüngere arabisierte form Bädzachr misverständ-
lich als 'gift in den wind' gedeutet wird.
EIN AUGSBURGER RÜCHSENMEISTER DES 16 JHS. 91
Augspurg. Sampt einem dar zu gehörigen Onomastico etlicher Namen
diser Kunst, recht Zierlich dauon zuereden. Syrach 18 : Fürsihe Dich
mit Artzeney, ehe Du Kranckh würst [stimmt nicht]. Dergleichen
in Schriften nie gesehen, noch vil weniger in Truckh aufsgegangen.
Der titel kennzeichnet den Verfasser vortrefflich, er ist um-
ständlich, als kind seiner zeit höchst abergläubisch und zugleich
recht fromm, die äufserungen seines aberglaubens sind aber
culturgeschichtlich häufig sehr interessant, seine breite hat etwas
unbestreitbar solides, die theologischen, erbaulichen ausführungen
sind dagegen in diesem zusammenhange meist langweilig, ein
abdruck des Bezaars würde sich gewis nicht verlohnen, die
artilleristischen mitteilungen Z.s bieten kaum etwas wichtiges
originelles, was nicht schon anderweitig zu finden wäre, und auch
seine praktischen anweisungen aus dem gebiete des l'euerlösch-
wesens — ein capitel, das man sonst in einem büchsenmeister-
buche nicht zu finden gewohnt ist, — sind heute kaum interessant
genug, um in extenso abgedruckt zu werden, immerhin ligt in
ihnen ein ziemlich früher versuch vor, die obrigkeitlichen feuer-
ordnungen (für Augsburg stammt die älteste veröffentlichte aus
d. j. 1549 l) durch ratschlage für einzelne vorkommende fälle zu
ergänzen. Z. erklärt ausdrücklich, keine Vorgänger in dieser ma-
terie gehabt zu haben, sein viertes buch von den ' Brunst J euren,
wie in vilen Casibus darivider zuehandlen vnd zustreiten sey' sei
daher jedesfalls denen, die sich mit der geschichte und entwick-
lung des feuerlöschwesens beschäftigen, empfohlen, eine wunder-
liche phantasterei von Z. ist es, wenn er die ziehtürme oder
tollenen (bei heiagerungen) auch beim feuerlöschen verwenden
will; eine rauchkappe oder bydropneumatia (weil sie auch unter
dem wasser gebraucht werden könne) eigner erfind ung, die aus-
führlich beschrieben wird, zeug« von den bcstrebungen Z.s, sein
thema zu fördern.
Es bleibt noch das onomasticon, und da dieses manchen
beitrag zum deutschen wörterbuche liefert, soll es hier niiigei.Mli
werden. Z. ist nämlich stets peinlich bemüht, die richtigen kunst-
1 sie ist wider abdruckt in der /.-. d. bist ver. f. Schwaben o.
Neuburg 1, 361 fT. OFiedler Gesch. der deutschen fenerlösch- und rettangs-
anstalten (Berlin lsTH) kennt s. 13 nur di toung vom j. 1593, die nach
s. 3o0 der genannten Zeitschrift ach noch die von 16S
gründe nur ein neuer abdruck der ordoung von l">4'.i war.
92 HÖRN
ausdrücke zu gebrauchen, da das ganze charakteristisch für den
mann ist, ist es unverkürzt widergegeben, wennschon einzelne
artikel gewis an sich hätten wegbleiben können.
Als zeit der Vollendung des buches ergibt sich nach den
gelegentlich erwähnten daten etwa das jähr 1591. vgl. fol. 28:
'wie erst kürtzlich Anno 1590. mit der Statt Prefsburg in Vngern
geschehen'; fol. 81b: 'Es ist vngefahrlich vmb das Dreyssigst Jahr,
Anno 1560.' etc.; fol. 89b/90: 'Anno 1584. ist ein Landfahrer
gehn A. kommen .... Vber fünff Jar hernach ist widerumb einer
daselbst hin kommen'; fol. 55: 'Auf ein Zeit, das noch nit Vierzig
Jahr ist, hat sich in der Statt A. noch vilen bewust, ein schimpf-
licher Casus zuegetragen , dann nach dem die Rom : Kay : Mth :
alda eingeritten, vnd gemainem gebrauch nach freudenschüfs ge-
than wurden, ist auf einer Bastey der Kachelofen im Wachstüblein
dermassen eingefallen, das kein Kachel ob der andern gebliben,
doch auch keine zerbrochen ist' im jähre 1550 ist kaiser Karl v
zum letzten male in Augsburg eingezogen da Z. den Bezaar schon
1589 in arbeit gehabt haben kann, wird er diesen einzug meinen,
in einem eingeklebten zettel vom nov. 1854 hat major Pfister
[d. ältere] bereits auf diese daten aufmerksam gemacht.
Onomasticon :
Das Ist
Ein Erklärung etlicher Na-
men, die Büchsenmaisterey, Geschüt-
zes vnd Feurwercks Kunst betreffend,
Recht, Zierlich vnd auffs kürtzest
darvon zureden.
A.
'Abtragen' Ist souil geredt, Wann der Schütz die Büchsen im Zihlen
wider vom Backhen thuet, nach dem er lofs geschossen oder Ihm
versagt bat *.
'Abkommen' heist vnd ist der leiste Augenblickh des Zihlens, wann
einer lofs truckht.
'Absehen' heist das vorder erhöhet Knöpfflin, oder Das hinder durch-
löchert erhebt besonder Börlin oder Müelterlin auf dem Rohr der
Büchsen ober dem Zündloch 2.
'Abentheur' eines schiessens ist das hauptschiessen, oder alle Ge-
winneler im hauptschiessen.
1 heute absetzen. 2 vgl. jem. vor seinem Absehen behalten (Siniplic.
ed, Bobertag n 244, 26); das Absehen errichten (Jahns aao. s. 979 §41)
und DWb. v 1818 s. v. Korn nr 1 c.
EIN AUGSBURGER BÜCHSEINMEISTER DES 16 JUS.
'Ains in das Ander schiessen' Ist, so ein Schulz eben den puncl
trifl, darauf er gezihlel vnd abkommen ist. Also ist auch 'Ains
in des Ander zuheben' vnd 'Ains in das Ander zuricbten' zu-
uerstehen.
'Alchimist' Ist einer, der im feur künstlich arbeiten, die Metallen
mit sonderm Vortbeil schmeltzen, giessen, probieren, liüher gra-
dieren, in andere Wesen verendern, distillieren, sublimieren, Prä-
cipitieren, Reuerbeneren, separieren vnd Tingieren kan.
'Antragen' Ist, so der Schütz die Zihlbüchfs, ßürfsbücbs oder ein
' anders band Rohr an den Backben hell vnd zihlen will. Etlich aber
sprechen 'Anschlagen', Ich aber halt das erste für zierlicher.
'Ansehen' ist, wann einer am Backben zildet vnd lofstruckt, vnd den
Elenbogen, in welcher hand er das Bohr helt, an den leib setzt,
das er desto steter heben könde. Daher etliche sonderbare In-
strument erfunden worden, die werden noch in geheimb behalten,
seind von Eysen Federwerckh gemacht, Also, das man sie vmh
den Leib gürten kan , vnd gerad vnder der Achsel ein starcke
feder, die den Arm vber sich scheuht, sich vmb <leu Arm herumb
schleust, vnd denselben nicht leichtlich sincken lasst.
'Anschlag' ist der Orth oder theil des holtzes, an einer Zihlbüchsen,
so den Backen berüert.
'Aufflegen, mit der Büchsen' ist vnd geschieht gemainclich, so
ein Schütz ein lang schweres Bohr (das er von freyer hand nicht
am Backen halten kan) vornen auflegt, oder auf Gablen setzt, wie
mit den Musketen gehandelt wirdt.
'Auffthuen ein Bohr' Ist, wann sich ain Bohr ainer Büchsen durch
zuuil schiessen oder Vberladung aufflhuel, das ist, so es ein Bifs
oder Kluft gewinnet, spricht man zierlich, es hat sich das Rohr
aufgethan, vnnd nicht, es ist zerklobeu.
'Aufsbrennen, ain Büchsen' Ist, so man sie nur mit halber la-
dung Puluers oder den dritten theil ohne Kugl vnd ohne förscblag
ladet vnd lofs brent.
'Aussetzen mit einem Schufs' Ist wann einer etlich schufs bald
nach einander thuet, vnd wohl trift, darnach aber ein schufs gar
fehlet, oder sonst vbel trift.
B.
'Balastarica' Ist die Kunst mil den handbogen Vnd Annbroslen
zueschiessen.
'Bellonica' Ist Kriegs Kunst, Von der Kriegerischen Gölün Bellona
her also genant.
'Beüedisten' seind die Ansegner, welche sondere Segen' spi
gebrauchen, vnd daran glauben haben.
'Büchsen Maister' Ist ainer, der die grossen Stuckhbüchseo ordent-
lich vnd Künstlich laden, richten vnd regieren kau.
'Büchsen Puluer' Ist der recht zierlich Nam, vnd nichl Schiefspuluer.
1 fol. 82r 'Nothsegen'.
94 HÖRN
'BogenschulV Ist, so die zwey Absehen in dem Winckel eines
gevierten Rahm, vnd nach dem Quadranten auf 45 grad ge-
richtet wirdt.
'Belialia' seind Abgöttische oder Abergläubische Mittel, darein man
ein groTs Vertrauen setzt. Vom Abgott Beel her also genant *.
'Belialis ten' seind solche Ahgötlerer vnd Abergläubische Leüth, die
solche Belialia bey Ihnen tragen, vnd darein grofs Vertrauen setzen.
'Brenner' seind Vbelthätige Leüth, die fevTr einlegen, brand vnd
Brunst fewr stiften vnd anrichten.
'Brotzer' Ist das Nidervvägelin, so man den grossen Sluckhbüchsen
fürsetzt, anspant, vnd also daran oder darob, defsgleichen auch
die Böler vnder die Aufzug oder vber land zeucht.
C
'Cammerbüchfs' Ist ein Büchfs, die man binden hineinladet, vnd
weder Setzkolben noch Ladslecken darzue bedarff.
'Claffter' Ist ein Mäfs, helt Sechs Statt Werckhschuh.
'Cautel' Ist ain sonderlicher bandgriff in einer Arbeit.
'Cataphractif Das ist nicht allein ein gantzer Kürifs oder Blatt-
harnisch, sondern ein Remedium, dardurch der Mensch vor allerley
waffen vnd feur dermafsen bewahrt wirdt, als ob alle sein leib
verbanlzert, oder inn ein Kürifs eingeschlossen were.
'Co hört' War bei den Alten Römern ein Panier von hundert Mannen.
'Calcarica' Die Kunst aufs Steineu Kalckh zuebrennen.
'Carbonarica' Die Kunst aufs hollz Kolen zuebrennen.
'Characteristiker' [fol. 81rj. Sie gebrauchen sich mancherley vn-
bekanter Wörlter, Buechslaben vnd Garacteren, auf Jungfrau
Bergament oder dergleichen Ding geschriben, seind fälschlich be-
richt, vnd vnderslehen sich auch andere zuebereden, das es Oc-
cullische anriefungen vnd namen Gottes, vnd der Engel seyen etc.
D.
'Daumtlen' Ist 18 Zoll, oder Anderhalben Werckschueh.
'Distantz' ist das Zihl, da die Kugel antreffen oder nider fallen soll.
'Dodrans' Ain Mafs, Nemlich 12 Zoll.
'Diameter' ist die inwendig weile, oder Mündung eines Rohrs.
•Doppel' das Hauptschiefsen.
E.
'Extinctiv' Ist ein Remedium wider das feur, welches feur aufs-
lescht, tödten oder vertilgen kan.
'Extinctor' wirdt ein Jeglicher genent, der einem Brunstfeur wegen
Reitung oder leschung zue lauft, fürnemlich einer, der zue solchem
qualifiziert, oder von der Oberkeit darzu geordnet ist.
1 fol. 75 r: Abergläubische vnd Abgöttische Mittel, die Ich hinfüro
Belialia nennen würde, die 'Behausten' brauchen 'Kreüter oder Wurtzlen,
sonderlich Wegwartt, Verbena, S.Johannes Kraut, Vogelkraut zu Seegen
vnd Beschwerungen' [fol. 84].
EIN AUGSBURGER BÜCHSENME1STEK DES 16 JUS. 95
'Exostrahat' Ein Ziechthurn mit einer ßruckli in der mitten, dienet
zum Slurm.
'Execranten' Verfluchte Leiith, die etwa bey den Alten in Vnsterb-
licheni leib gewandelt haben.
F.
'Feurwerckher' Ist ein Künstler, Oder Meister des Feurwerckhs,
vnd soll kein Feurmacher, Feurwerffer, oder Feurwerckhsmaister
genannt werden.
'Feurgeben' Ist, so man das Zündpuluer auf den eingeraumbten
Zündtlöchern der Büchsen, Bolern vnd allen Fenrwerckhen, mit
dem glüeenden Züudstrickh oder Zündschwamm anzündet, soll
aber nit angezündt, sondern Feur geben heissen.
'Feurspiefs' Deren mögen zweyerley, als an kurtzen vnd langen
Stangen gemacht werden, Vornen an statt des Eysens, mit scharpfT
gespitzten Eysen gäblen, darhinder mit einem Eysen gehänfs, Vn-
gefahrlich eines Werckschuchs lang.
'Feurschauffel' Ist ein gesackete Schauffei, gleich einer Multer oder
ablängen Schüssel, von Eisenlräten vmb ein Eisen Raiff herumb
gegältert, hinden mit einem geheiifs oder Vier schinen au einem
stil, Vier oder fünff Werekschuecb lang gemacht.
'Feur Korb' wirdt von starcken Eisen Träten vber einen weiten
Eysenen Baiff gegältert, also, das man Brand, glüeend Kolen, oder
glüeud Eysen darinnen tragen kan.
'Feurgabel' Ist nicht, wie sonst ein Gabel von zweyen oder dreyen
spitzen schlecht neben einandern, sondern einem Geifsfufs gleich-
förmig, von dreyen scharpffen schneidenden dreyeckheten spitzen
an eim starcken geheiifs, Von dem besten Stahel au ein stibl,
fünfl' oder Sechs gemainer Werckschuch lang gemacht.
'Feurleüt oder Feurler' Kriegsleüt, die mit ernstlichen tödlichen
Fevvrwerckhen armiert, vnd wie sie solchen Feurgeben, irnd die
gebrauclien sollen, Von den Biichsenmaistern vnd Feurwen
vnderwiesen werden.
'Falarica' Ain sonderlich grofs Instrument, darmit man sehr
Pfeil, den Knöbelspiessen gleichförmig, weit in die ferne sei
vnd Kräftiglich hinaufs schnellen kan, wie es danu die Allen Römer
gebraucht haben.
'Fulgorica' Üie Kunst Vermainle oder erdichte feur rad liechter
ziiemachen, die nit aigentlich feur odei liechter seind, doch bey
linsterer Nacht scheinen, glantzen vnd leuchten.
'Fusoria' Ist die Kunst Riichsen vnnd Kloggen zuegiessen.
•Feurkugelsackh' Ist nit ein solcher Sackh, darein man Peurk
behielt, sondern ein Zwilchsackh Von Vier gleichen theilei
aufstheilung des Circkels, als zu einem Baal gleichförmig
schnitten vnd zuesamen genehet, sodann solche] S
eingefiilt, sich einer runden Kugel \> .
'Figulina' Ist die llaflner Kunst.
96 HÖRN
'Flegelschwer tl' Ist ein sondere Mordtwöhr von Verborgner zwi-
facher Klingen lenge.
•Für seh lag' das heist ein Fürschlag, so ein Schütz oder Büchsen-
maister Hevv, Gemüefs, Lumpen, oder dergleichen [nimmt], was
man dann für vnd zwischen die Kugel vnd Puluer in die Büchsen
oder Böler ladet, vnd darmit das Puluer besser hineinsetzet.
G.
'Gefütterte Kugl' Ist ein Kugel, die inwendig am Metall hol, vber
holtz, Slein, Eysen, Glafs, oder anders gegossen worden. Es heist
auch ein Jede Kugl. die zuuor in leder, leinwath, Wullin Tuech, oder
Filtz gewickelt, auch also geladen vnd geschossen wirdl, ein ge-
füetlerte Kugl, möcht doch billich ein vherfüelterle oder vberzogne
Kugl, vnd die erst ein Vnderfüetterte Kugl genant werden.
H.
'Handlanger' Ist eines Büchsenmaisters oder Feurwerckhers mitgehülff.
'Hialurgica' ist Glafsmacher Kunst.
'Hagel' oder 'Hagelgeschrölt' seind vil stuckh beisamen, die aufs einer
Büchsen oder Böler an siatt einer Kugel geschossen werden l.
'Haubtschlag' Ist der lelst vnd gröst schlag oder schufs in einer
Feur Kugel oder anderm Feurwerckh, darmit das Feurwerckh sein
endschaft nimbt.
I.
'Jacobs Stab' Ist nil auch ein ßilgrams stab, wie ellich mainen,
sondern ein Viereckheter Stab mit vil Zifferzahl vnd puneten be-
zaichnet, dienet in der Geometria zu vil vnd mancherley absehungen
vnd Abmessungen.
'Igels Chiefs en' ist so man Eysentrümmer, Nägel, Pfeileysen, Dolchen,
oder Papyrclingen, vnd was dergleichen ist, aufs einer Büchsen
oder Böler scheust,
'llech' ist ein Aslrum einer vherhimlischen oder vbernatürlichen
Conjunction, des Obern Firmamentischen Geslirns mit den vndern
Irrdischen Dingen,
'lncens orica' ist die Kunst durch frembde hitz, als durch die Sonnen
Feurspiegel, Christallen anzuezünden.
'In cendiaria' ist ein böse sträffliche Kunst, Verborgen Feur ein-
zuelegen, zuetragen vnnd anzünden.
K.
'Krautt' Ist nach der Schulzen Sprüchworlt Büchsenpuluer.
'Kreydenschufs' darmit man ein ander etwas zuuerstehen gibt.
'Krayfsfeur' sind mordtliche Brunst Feur, darmit man die feind
als mit einem Krayfs gerings vmbgiht.
'Köcher' Ist ein gefäl's zue den Pfeylen oder Ladungen, da in eim
Papyren Börlin Puluer vnd Kugel bey einander ist.
1 in seinem 'Dialogus' hat Zimmermann eine originelle granatkar-
tätsche 'ein Hagelgeschret, das sich über etlich hundert Schritt vom Stuck
auftut' mitgeteilt (s. Jahns s, 641 ff).
EIN AUGSBURGER BÜCHSENMEISTER DES 16 JUS. 97
L.
'Lofs schiessen' ist recht vnd zierlich geredt, vnnd soll nit sagen
'Abschiessen', es wurde dann das Rohr in der mitte ab vnd
entzwey geschossen.
'Latericia' ist die Kunst aufs Erden gebachen stein, Ziegel vnc'
Blatten zuebrennen.
'Ligniparca' ist die Kunst, Ofen vnd Feurstälten zuemachen, dar-
durch man vil holtz vnd Kohl ersparen kan.
4Leer' ist ein Ring oder durchlöchert Eysen Instrument, dardurch
mau Kuglen abrichtet, vnd Just Rund machet, ellich aber nennens
ein Durchlauf!'.
'Lacma' ist ein Saltz Wasser oder Saltzbrunnen.
M.
'Maledisten' seind, die mit beschwerungen, Verfluchungen vnd Ver-
bannungen Vmbgehen.
'Mechanica' Alle Künstliche handwerckhs vbungen.
'Mechanopeo tica' (!) ist Wasser Kunst, aller künstlicher Wasser-
werckh, Alfs Luftbrunnen , Spritzen, Wasserhebungen, durch
Pompen, Veütiel, Druckhvverckh vnd Blafsbelg zuemachen.
'Meysenschwantz' ist ein Büchsenmaisterisch Instrument, ein stuckh
des Aufslad Zeugs, den man an den Setzkolben schrauft, darmit
die Schützen vnd Büchsenmaister das geladen Puluer in den
Büchsen erledigen, vnd wider heraufser bringen.
'Marciarborbulos' seind der Alten Geschütz gewesen, vnd deren
Fünfferley, als Feurdihales, zu Teutsch Schufslantzen, Scorpiones,
zu Teutsch ein Hand Armbrost, Balistae, Handbogen, Schlaudern
oder Schlingen , darmit man Stein vnd Kuglen geworden hat,
Valcosarba genant.
■Malleolj vnd Falarica' seind die grossen geschofs gewesen, darmit
man sehr grosse Feurpfeil vnd andere Pfeil geschossen. Diese
Instrument seind durch werben vnd Federwerckh angezogen oder
gespannen worden.
'Munds tu ckh eines grossen Stuckhs Büchsen' Ist ein hiillzenpr
Zapfl', so mann Vornen für steckt. Man macht aber auch Eysene
beschlossene Mundstuckh, mit eingreiffendem oder ein fallendem
Federwerckh, die sich satt eiuschliessen.
'Mordthier' ist ein sehr grosser Böler.
'Mittelfinden auf grossen Stuckh Büchsen' Ist d<-r obere! W
Punct, Vornen vnd binden auf dem Rohr.
'Musculus' ward bey den Alten ein Instrument, ein gri
oder Wend Zeug [genannt], dannit man ein baufs ttider Wien
oder Maur durchgrabeu künden.
H.
'Naphlan' ist ein Weichflüssig Becfa oder Hartz. Wird! in
potamia gefunden, briunt wie Baumöl.
Z. F. D. A. XL1II. N. F. XXXI.
98 HÖRN
'Niter' Ist, wann sich der Vrin samlet, vnd in ein ander Saltz sich
Praepariert, das man auch Salnitter nennet.
P.
'Puluersackh' Darhey soll kain Ledersackh, darinnen man Puluer
tregl oder behelt, sondern die hinderste Mündung vnd enge eines
Bölers, oder einer Steinbüchsen, Verstanden [werden], die ge-
mainclich mit dem Puluer bifs ohne den Fürschlag, vol einge-
laden wirdt.
'Puluer' Darbey wirdt Büchsenpuluer verstanden.
'Pyromachus oder Pyromachist' ist ein Streiter wider das Feur,
vnnd wider alle Fewrwerckh.
'Pyrophorus' ist nicht allein ein Kriegsmann, der mit Feurwerckhen
bewaffnet, vnd wie er solchen Feur geben, vnd wider seine feind
gebrauchen soll, Von Feurwerckhern Vnderwisen wirdt, sondern
auch als ein Ritter oder streitbarer Held , der kein Feur oder
Feurwerckh, wie schröcklich es ist, fleucht oder förchlet, vnd
solchem auch ein Widerstand thuen kan.
'Pessulant' Also mag wol ein Jeder gefangner, oder eingeschlofsner
Mensch genaüt werden, weil er vor seinen feinden sicher ist vnd
wie man sagt, kein Rofs vher ihn lauffen kan. Wirdt aber hie
fürnemlich einer vermaint, der ein Chabalistisch oder Magisch
Remedium bey ihm trägt, oder Aberglauben hat, das ihn niemand,
als ein Soluant verwunden oder verletzen kan.
'Prop' ist ein hültzener Fürschlag inn eim Röler.
'Patron' ist hie ein Papyrene Rollen von Patronpapyr oder gepaptem
Cartenmacher Papyr, darein die Ladung Puluers eingemacht, hinden
vnd Vornen mit bödemlen verleimbt vnd beschlossen wirdt, die
nur inn die kleinen Stuckhbüchsen , so nicht vber ein pfund
Eysen schiessen, gemacht werden.
'Plastica' ist die Kunst aufs Erden Bilder zueformieren , vnd im
feur hart zubrinnen.
'Pyromanlica' Die Kunst, dardurch sich die Astra des feurs er-
zaigen also, das daraufs weifs vnd war zuesagen.
'Pyrotechnia' Ist die Kunst der feurarbeit oder Feurwerckhen,
vnnd fürnemlich ain Kunst, aufs welcher viel andere Künsten,
die mit feur oder iifi feur vollbracht werden, ihren Vrsprung haben.
'Panificia' Die Beckhen Kunst.
'Panicaliae' (!) damit die Menschen schnell vnd sehr erschreckt werden.
'Propugnatif ist ein Gegenwöhr, ein Gegenstreit oder Versatzung,
Manliche bewahrung, beschirmung vnd beschützung.
'Protectif Ist auch ein Manliche beschirmung, beschützung, Ver-
satzung, Verhüettung, Verdeckhung, oder Verhaltung, vor den
feinden, vor waffen, vnd allen Kriegs Instrumenten.
B.
'Ragget' hat sein Namen vom wortt Paget, das ist ein Verscblofsner
Sendbrief, darinnen vil andere Briefe, gelt oder anders eingepact
EIN AUGSBURGER BÜCHSEINMEISTER DES 16 JUS.
ist. Was sich aber eim Rohr oder Rollen vergleicht, da wird für
das P. das R. gesetzt, vnd lieist fürnemlich das ein Raggel, als
ein Papyrens Rörlin mit Puluer oder solchem dergleichen Zeug
eingefüllet.
'Rennkugel' ist ein zue kleine Kugel, die leichtlich vnd vngelrungeu
durchs Rohr hinab bifs auff das geladen Puluer feilt.
•Ritterschufs' ist ein Schufs, darmit ein Schütz aufser der Aben-
theuer [s. oben] etwas, aber darinnen nichts gewinnet.
'Raumnadel' Ist ein Eysener oder Messinger Griffel, oder gerader
Trath, darmit ein Schütz oder Rüchsenmaister das Zündptiluer den
Zündlöchern der Büchsen einräumet.
S.
'Schützen' seind nicht allein die gemainen Handbüchsen Schützen,
sonder ein Jeglicher, der auch aufs grossen Stucken scheust, vnd
nicht Büchsenmaister, oder der Kunst erfahren ist, wirdt noch
ein Schütz genaüt.
'Schu fs brent' Ist so ein Zihlschütz zue mittelst auf ein rifs ge-
troffen, vnd gleichsam den Rifs abgeschossen hat.
'Säten Kugl' ist ein zue grofse Kugel, welch satt gelrungen, vnd
mit gewallt in das Rohr der Büchsen hinein gesetzt muefs werden.
'Schlag' Der Nam hat zweyerley Verstand, erstlich, so in ein Feuer-
werckh scbüls gemacht seind, die werden Schlag vnd nicht schüfs
genent. Zum andern werden Eysene Rörlin Von starckem Sturtz-
blech, etliche mit glatten bödemlen, andere aber mit gespitzten
bodemlen, vnd darneben mit Zündtlöchern gemacht, mit Kraut vnd
Loth, das ist: mit puluer vnd einer Kugel oder Schrott geladen,
vnd in die Feur Kuglen eingeschlagen. Dise neül mau
Schlag, werden auch in die Sturm Kuglen, Sturm Kräntz vnd
Sturm Kolben gerichtet.
'Setz Kolb' Ist ein hültzene Stangen, daran vornen ein Kolb, einem
Vogelboltz gleichförmig, darmit ein Schütz oder Büchsenmaister
das Puluer, Fürschlag vnnd Kugel nider vnd auf ein ander setzt
'Setzen' Ist souil geredt, als satt obligen, vber einander einstossen,
getrungen einladen, oder eintrocknen, Alfs so man sagt ; Der Schiiti
oder Büchsenmaister setzt das Puluer, den Fürschlag oder die I
Rem der Feurwerckher setzet den Zeug in die Raggeten, vnnd soll
nil sprechen, er stosset ein, stampft ein, truckhet ein. oder ladet ein.
'Salinaria' Saltzsieder Kunst.
'Soluant oder Soluanist' mag ein Jeder genenl werden, der einem
gefangnen oder Verschlofsnen aufshilfl oder aufschleust, wii I
fürnemlich einer, der einem andern Menschen sein haut o
mit waffen alle Zauberey vnd Wundsegen aufflhuen md den
Verwunden kan.
'Syderist' Ist einer, welcher der Astronomischen Kuna
nach himlischem lauff der sondern Constellationen, vnd II
lieh Influentzen, arbeitet, ein Ding macht vnd bereit
100 HÖRN
'Spiegel in einem Böler' Ist ein Rund abgetrehete Scheiben, gleich-
förmig einer flachen schüfsei gemacht.
'S chrauffnadel' ist ein Büchsenmaislerisch Stählin Instrument einem
langen dinnen pfriemen gleichförmig, zu vnderst am Spitz als ein
Nepper mit einem zwifachen Vmbgang aufsgezogen.
'Streugeschofs' Hagelgeschrölt.
'Streichender Schuf s' ist einer, daruon die Kugel nicht in die
höhe, sondern gleich auff der Erden hinstreicht, vnd in ihrer er-
streckhung vil Sprung thuet.
'Sturm Widder' Sonst Aries genant, seind bey den Allen mancher-
ley gewesen. Etliche haben starcke Bäum, Vornen mit Eysen,
spitzig beschuchet, vnd seind mit solchem Acht, Zehen oder Zwelft
starcker Männer an ein Maur oder Eysene Thür, oder an eine
Porten geloffen, vnnd dieselbig mit eingestossen. Etliche seind
noch grösser, vnd mit Rossen oder Ochsen angeführt, vnd starcke
Mauren mit nider gestossen worden, wie im Josepho lib. 3 cap. 15
zuelesen.
'Schneller' seind Zugeber Knecht oder gehülffen der ßüchsenmaistern,
deren man etwa Zween oder Drey zu einem grossen Stuckh büchsen
verordnet, zueruckhen vnd hin vnd wider zutreiben.
T.
'Tollena' ward bey den Alten Kriegsleüten ein Instrument von Holtz-
werckh [genannt], mit einem Vmbgehenden gründel vnd vber-
zwerch auffgeleglen Schnöllbaum, mit eim angehenckten Korb,
darmit man an einem Sturm Kriegsleüth auf die Mauren werffen
köndt.
'Turris Ambulatoria' Ain Ziechthurn, darmit man ein Maur oder
Statt vberhöhen, hinzue führen vnd vbersich auftreiben kondt.
'Tribulus' Von den Allen Römern erfunden, ward von Vier hültzen
Pfälen gespitzt vnd in ein ander salt beschlofsen, vnd wie es
gesatzt wurd, stund es auf dreyen spitzen, vnd der Viertle vber
sich in die höhe. Es werden aber jetziger Zeit solche Eysene
kleine Tribulj gemacht, daran man sich etwa lämig tritt, derhalben
von etlichen Lämeisen oder Fufseisen genant.
'Tauffen' Ist, so man die Feurwerckh, Feurkuglen oder anders nach
dem sie allerdings aufgemacht, zu letst verbichet, das ist, in
Schiffbech gedauht oder geschwembt werden, also, das man daran
kein andere arbeit, dann allein das Bech sihet.
V.
'Verfallen' Ist, wann ein Schütz in lofstrucken mit der Büchsen
Vnder sich sincket.
'Versagt' Ist, so einem das eingeraumbt Zündpuluer auf dem Zünd-
loch Vergeblich hingebrunnen, also, das es das ander Puluer in
der Büchsen, oder den Zeug im Feurwerckh nit anzündt.
'Vindictor' Ist ein Ritterlicher Mannlicher streitbarer Kriegsmann,
der sich von gemeines nutzes wegen, land vnd leiiten zu Trost
EIN AUGSBURGER BÜCHSENMEISTER DES 16 JHS. 101
vnd hilff in die eusserste gefahr seines lebena gibt, der auch in
solcher That den sig erlangt, mehr der ehren dann gells vnd
guets betrachtet, wie Cicero von Paulo Einiho, Scipione Africauo
vnd Lucio Mucio bezeugt, vnd daher dise Carmina gemacht:
Das diser Ilaublleut ehrlieh That
Gemainer Nutz geraichet hat,
Vnd in ihr haufs nichts anders kam,
Dann das ihn blib ein guter Nam.
W.
'Warnschufs' darmit ein Volckh das ander warnet, vnd das der
feind verbanden, durch schiessen zuuerstehen gibt.
'Waidloch' Zündloch.
Z.
'Zaichenfeur' Kreyden feur oder Losung Feur, dardurch auch ein
Volckh dem anderen etwas verborgens zuuerstehen gibt.
'Ziech Kolben' Ist ein Führkölbl vnd sonders Instrument, darmit
ein Schütz ein Rostiges Rohr einer Büchsen inwendig widerumb
glatt vnd eben aufszeucht, so das an Ladstecken geschruult wirdt.
'Zündl Ruten' Ist der Büchsenmaister Achsel wöhr, als ein Halbspiels,
Vornen vnd Vnden mit einem Spiefseisen, oben vnd hinden aber
mit Zweyen geschrauften Ilanen , in ein geheufs oder Müeterlin
eingeschrauft, daran der Zündslrickh vmbgewunden, vnd m b Ic
Hanen eingezogen mag werden.
•Zoll' ist der Zwölfte Theil eines Stattwerckhschuchs.
Ich habe darauf verzichtet, das Onomasticon durchging!
commentieren. einzelne vorkommende verschreibungtn Z.s sind
leicht zu erketinen, über einige wenige lateinische worte mir bin
ich mir selbst nicht klar geworden.
Strafsburg i. Eis. PAI I- HÖRN.
DER MYTHUS
DES ZWEITEN MERSEBURGS SPRUCB
In meinen arbeiten über Baldrs lod (Zs. II. 30511) und die
Dioskuren im Beowulf (Zs. 42 , 229 ff) ward du- betrachtuo|
Merseburger Spruches principiell ausgeschlossen, oicht, weil ich
je an dem hohen mythologischen wer! des altehrwürdigen denk
mals gezweifelt hätte, sondern um die nordischen und
Zeugnisse zunächst durch sich selbst sprechen zu lassen i
ich jetzt von den ergebnissen der genannten untersuch
ein kurzes Streiflicht auch auf diesen viel umstrittenen Bpn
so wag ich es nur, weil mir eine s o n «■ h ra bar«
erklärung in reinmythologischer hinsichl nicht
102 NIEDNER
Ich darf dabei auf gewissen grundlegenden resultaten gerade
der jüngsten kritik fufsen, durch die Jacob Grimms und Müllen-
hoffs auffassung des Spruches wider zu ehren gebracht wurde:
ein kurzes resum6 dieser ergebnisse wird daher zunächst will-
kommen sein.
Was zuvörderst die erläuterung der worte Phol und Balderes
anlangt, so dürfte die ansieht von Bugge (Studier i 304) und
Kauffmann (Beitr. 15, 207), die in ihnen den gott nicht finden
wollen, nach den ausführungen Gerings (Zs. f. d. ph. 26,145fl.
462 ff), ESchröders (Zs. 35, 237 ff) und Kögels (Litteraturgesch.
i 90 IT) kaum mehr den rang einer gegründeten hypothese be-
haupten, selbst vGrienberger, der jenen die ursprünglich appella-
tivische bedeutung des Wortes einräumt, hat doch den Zusammen-
hang mit dem nordischen Baldr nicht in zweifei gezogen (Zs. f.
d. ph. 27, 448 ff) : und in der tat beweist ihn schon der eine um-
stand, dass, falls Balderes volon Wuotans pferd bezeichnete, es
ganz unverständlich bliebe, warum dieser als herr des Zaubers
sein ross erst durch andre gotlheiten besprechen liefse : somit ist
also nicht nur die Identität von Balder und Phol, dessen existenz
insbesondere durch das von vGrienberger (aao. 453 ff) aus Ortsnamen
reichlich geschöpfte material erhärtet worden ist, vollkommen
erwiesen, die ja auch neben der doppelbenennung des zweiten
dioskuren 'Vali-Bous' an sich grofse Wahrscheinlichkeit birgt1,
sondern auch die wesensgleichheit beider mit dem lichten gott,
dem, wie schon von auderer seite hervorgehoben ist (Gering aao.
s. 145), auch bei dem heutigen stand der frage schwerlich in
Müllenhoffs sinne das bürgerrecht im texte der dritten aufläge
der Denkmäler verweigert wurde (i 16).
1 erklärt ist der name freilich noch nirgend sicher, doch erhält die
Kögeische auffassung, der eine indogermanische wurzel 'kraft' in ihm rindet,
besonders durch vGrienbergers ausführungen (aao. s. 461) grofse Wahrschein-
lichkeit; der bedeutung nach würde sich dann sehr schön der ältere Harlung
Embrihho ('der unermüdliche' oder 'sichanstrengende') vergleichen, wie Fri-
tilo ('Schönle') dem Vau genau entspricht (Zs. 30, 222. 42,257). so ent-
hielten beide Dioskuren — auch in 'Bui-Bous' ligt ja der begriff der 'trei-
benden, schaffenden kraft', in ihrem doppelnameu die begriffe 'glänz'
und 'kraft', nur der ältere bruder jenen, der jüngere diesen ursprünglich
als attributive nebenbezeichnung. schon dieser völlige parallelismus lässt
mir aber die beanstandung der gleich folgenden Schröderschen erklärung des
Baidernamens durch vGrienberger und die daran sich knüpfenden mythischen
consequenzen (aao. 450 ff. 462) sehr unwahrscheinlich erscheinen.
D. MYTHUS D. ZWEITEN MERSEBURG EB SPRUCHES
Diese ureprünglichkeit des gottes im Mersebursier spn.
hat aber durch ESchröders etymologische ableitung eine wc
liehe stütze erhalten, der das charakteristische untrennbare altribut
des glanzes nicht nur für den golt selbst, sondern durch den
hiuweis auf das Goteoross 'Bala' und das Siegfriedsschwert 'Bai-
moDC', von denen dieses ja wider an einem jugendlichen heros
haftet, auch für die äufseren zeichen seiner kriegerischen würk-
samkeit nachgewiesen hat (Zs. 35, 237 ff).
Bezeichnend genug aber ist. dass der kurze ausdruck Balderes
tolon alle wesentlichen auch sonst nachweisbaren attribu -
gottes umschreibt, zunächst den lichtspendenden jugend-
lichen charakter kündend — wie ja XemtonaXot auch bei
den Hellenen als dioskorisches attribut erscheint — . sodann aber
darüber hinaus — denn mit recht erinnert Kugel (aao. i 90) an
die bedeutung von vole als streitross bei Wolfram und im mhd.
volksepos — deutlich genug auf den kriegerischen r
bändigenden gott der altern eddischen lieder weisend, ja w^nn
das varan zi holza, wie es gemeinhin, und wie mir scheint, am
natürlichsten1, geschieht, als jagdritt erklärt wird ivgl. Yölundkv.
1 ff. 16), so könnte man auch darin wie in dem Harlung Fritele
den jungen übermütigen Dioskuren erkennen, der wildester un-
bändigster jagdlust obligl iMüllenhoti Z& 225 : beidemal un-
abhängig ein abbild des zum fröhlichen wettlauf am morgenhimmel
emporsteigenden junggeborenen zwielichtgottes.
Nicht nur die iulaetheit Balder-Phols aber, sondern auch die
alte erklärung des namens und der Wesenheit der vier an der
beschwörung sich beteiligenden lichtgottheiten ist durch die j
kritik vortrefflich gewahrt und bestätigt, und si< - gl widerum
die unentbehrlichkeit des gottes im Spruche, dass Sunna nichts
mit der spätnordischen, abslractbegrifflichen, erst skaldischer er-
rindung ihre entstehuug verdankenden Syn der Gj
15, 209) zu tun haben kanu. sondern als BonnengOUio zu
ist, bat Gering genugsam - *r die
1 an sich könnte man ja auch an eine zauberfahrt — - v
'til höh ek gekk ok lil hräs vißar — denken, al e doch
für Wodan, nicht für Baldr passen : eine liefere u j
gerade in diesem ausdruck zu suchen.
und, wie schon Kauffmann hervorhebt (Zs. L d
sichtslos.
104 MEDNER
von Kögel (aao. s. 92) und vGrienberger (aao. s. 452) ange-
nommene beziehung des ersten göttinnenpaars auf Baldr und des
zweiten auf Wodan keine im mythus liegende innere notwendig-
keit birgt, wird durch die von Müllenboff (Zs. 30, 218) nach-
gewiesene identität der Sunna-Süryd mit der auch sonst im my-
thus eine besondere rolle spielenden Priya-Frija, die, soweit ich
sehe, nirgends beanstandet ist, erhärtet; aber auch die Müllen-
hoffsche deutung der Sinthgunt als einer lichtgottheit und der
Fulla als 'copia' (Denkm.3 u 74) darf als sicher gelten und dem-
gemäfs auch, und, wie wir später sehen werden, nicht nur aus
gründen des Zusammenhangs in gegenwärtiger Überlieferung, die
Umstellung der Frija an das ende der ganzen reihe.
Stehn wir also in der annähme Balders als hauptperson im
Spruche auf durchaus festem kritischen boden, so erhebt sich not-
wendig die frage nach der Stellung, die Wodan im Zusammenhang
des ganzen einnimmt.
Wenn man die entscheidende rolle, die dieser gott bei der
würkung des Zauberspruches spielt, mit seiner zaubermächtigen
Stellung in den nordischen Havamal (vv. 146 — 160) vergleicht, so
könnte man leicht auf den gedanken kommen, dass Wodan-Odin
in der uns aus dem norden geläufigen gestalt auch im mythus
des Merseburger Spruches wurzele, und diese auffassung könnte
noch eine stütze finden in der tatsache, dass wenigstens auch in
Niederdeutschland nach Paulus Diaconus Zeugnis (Hist. Langob.
1 , 7 f ) schon in verhältnismäfsig früher zeit die langobardische
Frea dem Wodan gegenüber als gemahlin wie als rivalin eine
ähnliche Stellung einnahm wie die nordische Frigg gegenüber
Odin, ja auch der umstand, dass im norden gerade die der Volla
entsprechende Fulla es ist, die nach der prosaischen einleitung
der Grimnismal die Frigg in ihrer rivalität gegen ihren gatten
unterstützt, und dass eben diese Fulla wider die einzige der
Gylfag. c.36 angeführten dienerinnen Friggs scheint, der schärfere
und unzweideutig auf eine lichtgöttin weisende Charakteristik zu-
kommt, könnte die ursprünglichkeit der galtenschaft wie der con-
currenz Wodans und Sunna-Frijas nahelegen.
Jedoch widerstreiten einer solchen annähme hauptsächlich
zwei momente : beide sind schon von RMMeyer in seiner inhalts-
reichen recension des buches von Losch (Anz. xix 211) angedeutet,
zunächst die auffällige rangierung des angeblich höchsten gottes
D. MYTHUS D. ZWEITEN MERSEBURGER SPRUCHES 1<>5
hinter seinen söhn Baldr, die aus dem uns im norden geläufigen
Verhältnis der beiden götter zu einander eine mythologische recht-
fertigung nicht erhält, sodann aber der merkwürdige zusatz zu
thü biguolen Wodan : so he wola conda. dass dieser, der doch
nur den sinn haben kann : 'er verstand es besser als die vier
göttinnen, die sich vergeblich abgemüht hatten', unter der Voraus-
setzung von Wodans anerkennung als meister über allen zauber
(vgl. galdrs fopor Vegtkv. 3) eine matte, müfsige bemerkung dar-
stellt, ligt auf der hand. vvolbegreiflich aber wird er, wenn er
die entscheidende lätigkeit des nachträglich eingeschobenen Wodan
motivieren sollte, etwa wie unter dem eiufluss der vordringenden
Odinsreligion in der discreten Überarbeitung der nordischen Thryms-
kvida Heimdalls an stelle des höchsten gottes ausgeübte bedeut-
same handlung durch den zusatz visse vel fram sem vaner aprer
zu begründen versucht ward (Zs. 36, 281).
Demnach können die worte ende Wödan und Wodan, so he wola
conda der ältesten germanischen fassung des Spruches nicht an-
gehört haben, und Wodan, der ja ohnehin in Oberdeutschland
sonst nicht bezeugt ist, hat, wenn er auch in der jetzigen sacralen
einkleidung die entscheidende Stellung behauptet, sicher erst, wie
auch sonst im Baldr- und Dioskurenmythus, den allen himmels-
gott verdrängt — ein Verhältnis, das, da er selbst, der in jüngeren
fassungen des Spruches allein dominiert, in den jüngsten widerum
durch christliche heilige verdrängt wird, rückblickende analogie-
schlüsse leicht bestätigen '.
Wir dürfen somit den sacralen rahmen des Spruches ab-
streifen und haben uns die fragen vorzulegen : was bedeutet,
mythisch genommen, die Verrenkung von Baldrs rosa? wa-
bedeuten die vergeblichen heilversuche durch die vier göttinnen?
1 auch Losch (aao. s. 19 ff) hat an dem zusatz auslote genommei
seiner annähme einer unvollständigen Überlieferung and sein. Dg sus
der spätem christlichen Egidiussage kann ich in keiner weise beipflichten:
gewis verdient diese legende als parallele zum Haldrmythus in christlieber
zeit beachtung, aber weit entfernt zur erläuterung des nullius beiaatn
die von ihm selbst versuchte reconstraction trügt Losch nai
felnd vor — enthält der ganze beruht, und vor allem die h
vierung des so he wola conda nur eine durch die Übertragung Bof <-
notwendige, zum teil vielleicht misverständliche, in der hau
wust-enhemeristische Umbildung.
106 NIEDNER
was endlich bedeutet die definitive heilung durch den höchsten
gott des himmels?
Dass, wie in allen übrigen Versionen des Baldr- und Dios-
kurenmythus auch in unserm spruch ein tagesmythus steckt,
hat schon Jacob Grimm richtig empfunden, wenn er sagt(Myth.4186):
'das erlahmte, in seinem gang aufgehaltene pferd Baldrs empfängt
vollen sinn, sobald man ihn sich als licht- oder taggott vorstellt,
durch dessen hemmung und Zurückhaltung grofses unheil auf
der erde erfolgen muss', und später gelegentlich eines christlichen
segensgrufses , wo der sonntag reitend gedacht ist (Myth.4615):
'das ist allerdings der heidnische tag, wie er auf Scinfahso (altn.
Skinfaxi) mit der leuchtenden mahne einherreitet; wer aber an
den lichten gott Paltar auf seinem fohlen dächte, würde auch
nicht gerade fehlschlagen', können wir diese auffassung des alt-
meisters auch im einzelnen nicht zu der unsrigen machen, da
wir nach Müllenhoffs Vorgang und auf grund eigner ergebnisse
in den eingangs genannten arbeiten in Baldr das Zwielicht und
vielmehr in dem durch Wodan verdrängten gotte den tages-
gott sehen müssen, so gibt sie uns doch die richtschnur für
die erklärung des ganzen nicht als Jahres-, sondern als tages-
mythus.
Wenn wir nun versuchen, den epischen teil des Zauberspruchs,
die eigentliche götterhistorie, als noch in engster Verbindung mit
alter arischer anschauung, wie sie Myriantheus (Die Acvins s. 40 ff)
auf grund der Veden dartut, und doch widerum in einem wich-
tigen puncte auf germanischem boden nach heimischer natur-
anschauung modificiert zu erweisen, so dürfen zur rechtfertigung
dieses Unternehmens folgende erwägungen nicht aufser acht
bleiben.
Zunächst, dass bei keinem denkmal der altgermanischen
spruchpoesie eine solche Zusammenstellung mit dem altindischen
natürlicher und berechtigter ist, da gerade dieser spruch sich,
wie Kuhn zeigte (Zs. f. vgl. sprf. 13, 51 ff. 58 ff), in seinem schluss-
wort in überraschender weise mit einem vedischen berührt, die
nahe verwantschaft der schlussformeln legt den rückschluss auf
einstmalige nächste verwantschaft auch der mythischen Vorge-
schichte wenigstens nahe K
1 dass beide nicht notwendig zusammenhängen müssen, hat ESchröder
(Zs. 37 , 257 ff) mit recht hervorgehoben; ebenso dass das mit dem 'galdr'
D. MYTHUS D. ZWEITEN MERSEBURGER SPRUCHES 107
Sodann, dass auch sonst neben der allmählich im Baldr-
Hartungenmythus feste gestalt gewinnenden vornehmsten tonn
der germanischen Dioskurensage sich Unterströmungen fanden,
die an älteste vedische Vorstellungen anknüpften, so in der Breca-
und Hredelepisode des Beovvulf (Zs. 42, 236 ff. 243), so ferner vor
allem in der kunstvoll in einen andern allen niylhus verwobeneu
sage von den jungen Harlungen (Zs. 30, 222 ff).
Ferner darf auch der charakteristische stil des Spruches nicht
übersehen werden : die darstellung ist der tendenz der schluss-
formel entsprechend kurz, sprunghaft, prägnant; sie bricht ab,
wo die absieht der Zauberformel erfüllt ist. wie in dem zum ver-
gleich am nächsten liegenden ersten Merseburger Spruche niemand
aufgeklärt wird, wo die walküren , die clübödun euniowidi , sich
eigentlich befanden, vielmehr die kennlnis davon als selbstverständ-
lich vorausgesetzt scheint, so erfahren wir in unserm spruch nichts
darüber, wo die vier göltinnen plötzlich herkommen, wiewol der
mythische Vorgang sicher als bekannt betrachtet wird, und ebenso
bleiben die Vorgänge nach der heilung von Baldrs ross im dunkel:
ein ergänzen aus dem mythologischen Zusammenhang im ganzen
ist hier also unumgänglich.
Endlich darf bei der mythischen deutung des Spruches nicht
vergessen bleiben, dass bei der Zähigkeit, mit der in dieser dicht-
gattung auch bei dem Wechsel der worte und beneninmgen doch
der ganze tenor der vor- und darstellungsarl gewahrt bleibt, im!
fug auch auf die nacheinanderfolge : 'Sinthguni-Snnua-Frija-1 ulla'
oder, wenn Müllenhoffs Umstellung das richtige i rillt is. 104),
'--Fulla-Frija' ganz besonderer nachdruck gelegt werden mu>s.
Versuchen wir nunmehr so einfach wie möglich dem Wort-
laut des Spruches in der mythischen erklärung uns anzuschließen.
Dass in dem ausdruck vuorun zi holza nichts anderes liegen
kann als 'sie zogen aus zur jagd', und dass dies.- Vorstellung dei
alten auffassung von dem Dioskurenwettlaul vortrefflich entspricht,
zusammenhangende ' spelF an sich ein vielleicht erst für den <
fall ersonnenes zaubermärchen sein könnte; was mich bei dies
trotzdem in der annähme eines — freilich dem sacralen charakter det
entsprechend freier umgestalteten — mylhos bestärkt, i-t Dicht
desten die von Kögel im Strafsburger blutsegen entd
kurenmythus, die, wenn auch nur lückenhaft, doch deutlich an
classische form des nordischen Baldrmythus zurück«.
108 N1EDNER
ward schon oben (s. 103) bemerkt, die ersle zeile bedeutet dem-
nach: 'der gott des Zwielichts und sein vater, der tagesgott, reiten
auf lichten rossen am morgenhimmel empor' — dem Dioskuren
als Vorläufer gebührt daher auch im spruch die erste stelle.
Der ausdruck : dö wart demo Balderes volon sin vuoz biren-
kit heifst ohne jede nebenbedeutung: 'Baldr kann nicht weiter-
reiten , seine fahrt am himmel wird gehemmt' — natürlich für
das äuge des beobachtenden, dem eine neue naturerscheinung
sich aufdrängt.
'Sinthgunt' erscheint nämlich — schon längst als hypostase
der sonne gefasst (s. 104) — zuvörderst in gestalt der morgen-
röte, der vedischen Ushas. aber sie, die sich den gott als buhlen
wählt oder von ihm als siegespreis davon geführt wurde (Myrian-
theus aao. s. 40), und die, wie man auch ihren namen deuten
möge *, dem Balder ebenso unzertrennlich anhaftet und folgt wie
'Sintram' dem 'Baltram' oder noch im Nibelungenlied 'Sindolt'
dem 'Hunolt', kann sein allmähliches verblassen nicht hindern:
je mehr sie zur glänzenden sonne sich entfaltet, um so mehr
schwindet der Dioskur — überstrahlt von ihrem lichte. Baldrs
fahrt entzieht sich immer mehr dem äuge des beobachtenden
sterblichen.
Aus der Ushas ist die glänzende Süryä geworden — die
doppelerscheinuug der wesensgleichen Ushas-Surya ist hier ganz
ebenso wie in der analogen hellenischen sage von den Leukippi-
den Hilaeira und Phoibe (Zs. 42, 255) durch das schwestern-
verhältnis ausgedrückt, der ritt des Dioskuren, von der 'Sunna'
völlig überstrahlt, ist nicht mehr zu erspähen, während der tages-
gott immer leuchtender und sichtbarer aufsteigt.
Stellen nun 'Frija' und 'Volla' ebenfalls hypostasen der
sonnengöttin dar — woran nach dem s. 104 erörterten nicht
1 dass die Buggesche deutung (Studier i 286) des namens nicht in be-
tracht kommt, zeigt schon der etymologisch deutliche Charakter der an-
dern göttinnen als lichtwesen (s. 103 f); aber auch die Schereische deutung als
'die sich den weg erkämpfende' oder die Kögeische als 'himmelsgängerin'
wird neuerdings von vGrienberger verworfen : ist seine deutung 'die reisige
kämpferin' oder 'die zum kämpf ausgehnde' (aao. s. 452) die richtige, so ist
nicht nur die enge verwantschaft mit Brünhild klar, sondern die bedeutungs-
entwicklung auch ganz ähnlich wie bei der mythischen Nanna, wo ebenfalls
aus der grundauffassung des sieghaft hervorbrechenden lichts sich der walkü-
rische Charakter entwickelt.
D. MYTHUS I). ZWEITEN MERSEBURGER SPRUCHES 109
zu zweifeln ist — , so kann das thü biguolen Volla, Frija era
suister folgerichtig nur einen ganz parallelen Vorgang bezeichnen,
und dies kann, da eine müfsige widerholung niemand annehmen
wird und das viermalige 'bigalan' auf vier verschiedene phasen
der Verzögerung deutet, kein anderer sein, als die würkung der
von ihrem höhepunct allmählich sinkenden und zuletzt in der
abendröte ausglühenden sonne. 'Volla' als die nach dem über-
schreiten des zeniths in den ersten stunden noch besonders heils
und üppig brütende nachmittagssonne würde so dem begriff der
'copia, abundantia' ganz vortreffliche prägnanz verleihen, und noch
die späte ausmalung der Gylfaginning c. 36 : Fulla . . ferr laus-
hdr, ok gullband um hoftfö, hon berr eski Friggjar . . ok veit
launrdü meö henni ist dieser deutung denkbar günstig.
In diesem falle gewönne aber die Müllenhoffsche Umstellung
(s. 104) auch mythologisch besondern wert, da die chiastische
Stellung : 'Sinthgunt-Sunna, Volla-Frija' vom standpunct des be-
obachtenden genau die vier phasen 'morgenröte, aufsteigende sonne,
sinkende sonne, abendröte' widergäbe, und wenn Frija — ent-
sprechend der bezeichnung 'Sinthgunt' am morgenhimmel hier
passend wider geliebte (vgl. skr. priyd) des Dioskuren genannt —
am schluss der ganzen reihe steht, so hat auch dies guten sinn:
sie, die besonders in südlichen gegenden sehr schnell wider dem
nächtlichen dunkel zueilt, — hat doch selbst der phantasievolle
Hellene kein eigenes wort für 'abendröte' — konnte, wenn irgend
eine von den göttinnen, am ersten dem geliebten zwielichtsijott
wider eingang verschaffen und durch heilung seines rosses seine
fahrt am abendhimmel dem menschlichen äuge wider sichtbar
machen, aber auch ihre beschwörung, ollenbar die stärkste von
den vieren, ist wie die ihrer Vorgängerinnen, umsonst.
Bisher ist alles im festumschriebenen rahmen eines La
wol verständlich : auch dass nach der nun folgenden Bieghaften
beschwörung des von Odin verdrängten Lagesgottes Baldr anl ge-
heiltem rosse seinen ritt wider aufnimmt . dass also die epische
Fortsetzung der handlung widerum nur gelautet haben könnte:
Phol ende Wodan fuorun zi holza, und dass somit der rot
für den zweck des Zauberspruches einmal typisch t
mythologisch an sich eine in die unendlichkeil fortfaul
lieh neu beobachtete uaturerscheinung darstellt, wird niemand
bezweifeln.
110 NIEDNER
Die frage ist nur : 'wann ist die heilung des götterrosses
und die dann folgende fortsetzung des rittes der beiden götter
zu denken?'
Wenn wir uns die gewöhnliche form des der hellenischen
Dioskurensage genau entsprechenden Härtungen -Baidermythus
(Zs. 42, 255 ff) vor äugen stellen — und diese war auch der alten
spruchpoesie geläufig1 — , so kann die antwort nur sein : 'am
frühsten morgen des nächsten tages'; denn nach dieser gestalt
des mythus ist das nach der Frija verschwinden erscheinende
Zwielicht nur ein trügerisches : der dem echten Dioskuren feind-
liche und verderbliche Abenddioskur, durch den dieser eben dem
tode anheimfällt, in der tat mag dies — besonders in südlichen
gegenden mit schnell hereinbrechender nacht — die geläufige
Vorstellung gewesen sein : denn das schnell enteilende abendzwie-
licht konnte nie die gleiche aufmerksamkeit wie der erste, wenn
auch nur flüchtige strahl des lichtes am morgen erregen.
Anders jedoch in den nördlichen gegenden: bei den germa-
nischen stammen, wo die langen lichten abenddämmerungen die
phantasie mindestens ebenso in anspruch nehmen musten wie die
entsprechende erscheinung am morgenhimmel — man denke nur
an die noch heute so enthusiastische preisung der lichten nachte
durch die nordischen dichter : hier konnte sehr wol in der langen
hellen abenddämmerung die fortsetzung von Balders ritt gesehen
werden : nach dem schwinden der wider willen ihrem liebling
verhängnisvollen sonnengöttin setzt der tagesgott mit Balder aufs
neue und noch lange seine fahrt fort bis zur ankunft der spät
einbrechenden nacht.
So malte also der mythus unseres Spruches in einfachster
und schönster weise den gesamten verlauf eines nordischen hoch-
sommertages 2 : vom ersten auftauchen des lichtes am morgen-
1 mit recht sieht Kögel (Litteraturg. i 262 ff) im Strafsburger blutsegen
einen nachklang dieser form des Baidermythus, da der Vro der dritten zeile
ohnehin auf heidnischen grundcharakter des Spruches deutet : dagegen scheint
es mir gewagt, auf grund der äufserst corrupten und lückenhaften Über-
lieferung das Verhältnis des denkmals zu den beiden hauptversionen dieser
mythenform, bei Saxo und Snorri, bestimmen zu wollen, die sicher erkennbaren
züge, 'die absichtlichkeit der tötung' und 'das veranstaltete Wettspiel' weisen
jedesfalls deutlich auf die classische form des nordischen mythus zurück.
2 an einen solchen denkt offenbar auch Losch (aao. s. 11), aber der
tagesmythus scheint mir bei ihm nicht einheitlich festgehalten, es würde
hier zu weit führen, auf diese seine ansieht näher einzugehn; noch weniger
D. MYTHUS D. ZWEITEN MERSEBURGER SPRUCHES Hl
himmel bis zum letzten verblassen der abeuddämmerung hinüber
in das nächtliche dunkel.
Ich glaube nicht, dass man dieser deutung, die sich sowol
an die mafsgebende kritische erläuterung des Spruches wie an
die herschende etymologie seiner götternamen aufs engste aolehnt
(vgl. s. 102 ff), den Vorwurf des gekünstelten oder auch nur des ge-
zwungenen machen kann, freilich setzt sie im gegensatz zu der
gangbaren form des Baidermythus die identität der Morgen- und
Abenddioskureu voraus, aber diese nebenauffassung trjtt auch
sonst, besonders im Harlungenmythus, hervor — dort ist eben-
falls der tod des Zwillingspaares nicht dem aufhören der morgen-
dämmerung, sondern dem verschwinden der abenddämmerung
gleichzusetzen (Müllenhoff Zs. 30, 241). sie stellt weder eine
ältere noch eine jüngere form des mythus dar, sondern ist der
classischen gestalt der sage im norden von jeher parallel ge-
gangen, wie ja noch die überaus günstige und sympathische
Charakteristik Höds in Saxos pragmatischer darstellung deutlich
erkennen lässt. denn mag immerhin ein gut teil davon auf den
localpatriotismus des dänischen geschichtsschreibers kommen, vor-
bereitet war sie, wie Axel Olrik (Sakses oldhistorie s. 45) zeigte,
schon in norwegischen sögur und muss als nachklang der er-
wähnten nebeuvorstellung gelten.
Ist doch die doppelauffassung, wonach morgen- und abend-
zwielicht bald als schärfste gegensätze, bald als wesensverwant
betrachtet wurden, tief in dem Charakter dieser naturerscheinung
begründet, je nachdem man mehr die Verschiedenheit ihrer func-
tion am himmel, das hervortauchen aus dem dunkel einerseits
und das hinabsinken in die nächtliche fiosternis anderseits, oder
die ähnlichkeit ihrer entstehung aus tag und Dacht ms äuge
Ganz besonders nahe lag aber diese auch bei den Indern
und Hellenen (Zs. 42, 253 ff) nachweisbare doppelvorstellun{
den Germanen, vornehmlich bei den nördlichen, wo der gran-
diose Wechsel der langen hellen Bommerabende und der endlos
düstern winternächte dieser verschiedenartigen betrachtung and
Würdigung des Abenddioskuren den weitesten Bpielraum bot.
Am wenigsten wunder nehmen wird die Vorstellung roo der
identität des morgeu- und abeodzwielichts bei einer mytnen-
ist es an dieser stelle möglich, den hauptteil seiner arbeit,
parallelen mit den sagen vom weifsen hirscb, in berühren.
112 D. MYTHUS D. ZWEITEN MERSEBURGER SPRUCHES
form, die dem ganzen Charakter ihrer sacralen einkleidung gemäfs
den tod Ralders überhaupt nicht einbegriff, denn das lahmen
des rosses wie die heilversuche der göttinnen und die heilung
durch den höchsten gott sind mythisch allein identisch mit
den bösen träumen Balders und den mafsnahmen der Äsen zur
Verhütung des kommenden Unheils, wie sie uns bei Saxo und
in den Edden entgegentreten; sie sind — und in diesem
puncte stimm ich Losch (aao. s. 13) völlig bei — mahnende
hindeutungen auf des lichten gottes Untergang, aber der tod
selbst, der nach dem verblassen der abenddämmerung zu setzen
ist (s. 110 f), fällt völlig aus dem rahmen des Spruches heraus, und
für gestalten wie Höd und Vali als selbständige Dioskuren ist
daher in ihm kein räum : kein zweifei, dass diese beschränkung
auf die unheilkündende vorzeit, wodurch das hauptinteresse nach
dem heilenden gott hingravitierte, die anknüpfung an den zauber-
kundigen Wodan (s. 105) erleichterte.
Für die erschütternde tragik der mythen von Balders tod
und im gegensatz zu ihnen liefert also unser spruch ein in der
grundstimmung heitres, wenn auch auf düsterm bodeu sich ab-
hebendes und mit düstern ahnungen durchsetztes Vorspiel.
Rerlin, 13 august (31 october) 1898. FELIX NIEDNER.
ZU KONRAD VON WÜRZBURG.
Das Mhd. wb. n2, 420 b und Lexer n 998 setzen ein adj.
smcehelich an, das für die gute zeit so wenig zuzugeben ist wie
etwa süezelich oder gar erelich. unser schmä(h)lich stammt aus
smdhlich; in älterer zeit nicht allzuhäufig, verdrängt es später das
veraltende schemelich, wobei innerhalb der litterar. Überlieferung
auch die ähnlichkeit des wortbildes (schämlich — schmälich) mit-
würken konnte, das mag zb. zutreffen für den Engelhard, wo
Haupt und Joseph, den alten druck verbosernd, durchweg smcehe-
lich schreiben, während schemelich zu ändern war: 2095 so
smcehelicher mcere — 3694 in smwhelichen spot — 4050 von
smcehelicher not — 4980 und uz vil smcehelicher not. vgl. ins-
besondere zu 3694 schemelicher spot Silv. 3284. 4785. Troj. 3371.
28443; zu 4050 u. 4980 schemelichiu not Troj. 28455; zu 2095
etwa schemelichiu wort Troj. 148, schemelichiu dinc Troj. 22621.
smeheliche als jüngere Variante zu schemeliche findet sich zb. bei
Troj. 17735; sonst ist mir bei KvW. nur das von Haupt und
Henczynski in den text gesetzte adv. smaheliche Alexius 701 auf-
gestofsen : allein hier bietet die Sarner hs.(S) das richtige: man schalt
den guoten unde sprach im dicke schemeliche zuo. E. SCH.
DER DICHTER DES WALTHARIUS.
Die zeiteo sind vorüber, wo man vom dichter des Waltharius
sageu durfte 'poeta, si hoc nomine dignus est, harbarus'. der
hohe kunstwert der dichtuug ist anerkannt, und die aufgäbe ist
jetzt mehr, die eigenschaften derselben, die Vorzüge und die
mängel, ins richtige licht zu stellen. in einer Jugendarbeit
(Philologische bemerkuugen zum Waltharius, Münchner akad.
philol. cl. sitzungsber. 1873) hatte ich die Vorzüge des kuust-
werks gerühmt und hervorgehoben, dass der dichter seinen stoff
klar überschaut und trefflich dargestellt habe. RKögel, der in
seiner Literaturgeschichte den Waltharius mit warmer liebe be-
handelt, bemerkt ([ 2 s. 336): 'epische breite ist nicht die
sache dieses künstlers. er zieht den stoff so straff als möglich
zusammen, seine linienführuug ist grofs und markig, alles klein-
liche ist ihm fremd, einzig auf die hervorhebuüg der Haupt-
sachen bedacht, geht er nirgends ohne zwingenden grund ins
einzelne, detailmalerei sucht man bei ihm vergebens', sodann
s. 337: 'die Charaktere der handelndeu personeu sind mit
meisterhand gezeichnet, was der dichter als ihre unterscheiden-
den merkmale augesehen wissen will, erzäblt er uns nicht, son-
dern lässt es aus ihren haudlungeu hervorgehen, auch die per-
sonen zweiten ranges sind mit Sorgfalt bebandelt, keine flgur
gleicht ganz der andern; nicht schatten und Schemen, sondern
festumrissene gestalten von fleisch und bein treten auf und
stofsen coutrastierend auf einander wie im würklichen lebeo.
aber nicht unausgesprochen darf bleiben, dass der buhe grad des
naturstudiums und der psychologischen beobachtuug, der den
Verfasser des Ruodlieb auszeichnet, hier noch nicht erreicht ist'.
Mir erscheint das weseu des (Hehlers in diesen stücken an-
ders, psychologe ist er ganz und gar nicht, schon im auf-
bau des ganzen fehlt beträchtlich die psychologische enlwicklung.
wie Wallher und Hiltgund im anfange sind, s« bleiben Bie. eicht
die Charaktere, sondern die tatsachen verwickeln und entwickeln
sich in diesem gedichte. wie sind gespannt, ob der eine mann
all den feinden entgehn wird, ein mitgefühl, das durcl
danken wie v. 350— 354 und 543—551 gesteigert wird; wir
sind daneben etwas gespannt, wie Hagen- Verhältnis tu Weither
und zu seinem küuig sich entwickeln wnd: das ist etwas, abei
Z. F. D. A. XLI1I. N. K. XXXI.
114 WILHELM MEYER
nicht viel, und gar die Charaktere sind allesamt von 6iner
art: welcher unterschied liefse sich finden zwischen Attila, Hagen,
Walther, zwischen Ospirin und Hillgund? selbst Günther ist
zwar jugendlich frech und nicht geschickt im kämpfe, doch tapfer
ist er und hat ehrgefühl wie die andern (941—953. 1083—1088.
1413/5). im ganzen gedieht wird Hiltgund nur ein mal, von dem
alten fährmann, schön genannt, und spricht hier nicht halb so
viel als in dem kleinen bruchstück des angelsächsischen Waltharius.
da war allerdings der dichter des Ruodlieb ein andrer keuner
und Zeichner der menschen 1
Dafür versteht aber der dichter des lateinischen Waltharius
ganz vortrefflich zu erzählen, sagt aber Kögel 'epische
breite ist nicht sache dieses dichters', so möchte ich sagen:
epische breite ist die hauptsache bei diesem dichter; er gebraucht
sie in aufserordentlichem mafse, aber in musterhafter weise,
klare disposition, folgerichtigkeit der entwicklung, straffe Zu-
sammenfassung, anschaulichkeit der darstellung, das sind eigen-
schaften, die auch ein guter geschichtschreiber, überhaupt jeder
gute Stilist haben muss. überall müssen alle wichtigen umstände
oder ereignisse deutlich und in guter gliederung vorgestellt und
muss so dem leser ein richtiges und vollständiges bild des ganzen
gegeben werden, anders macht es unser dichter, er meidet es
geradezu, vieles zu erzählen, in den ersten 10 versen macht er
die läge des landes der Hunnen und ihre 1000 jährige Vorgeschichte *
ab und in den wenigen vv. 96 — 115 die erziehung der 3 haupt-
personen und deren resultate. dagegen schildert er dinge auf
das ausführlichste, welche ein geschichtschreiber nicht oder kaum
erwähnen dürfte, zb. den inhalt von vv. 358 — 418, die prächtige
Schilderung der ernüchterung Attilas, seines unbändigen und
1 zur erklärung des v. 10 {Hunorum populus) ultra mülenos fertur
dominarier annos meint Paul vWinterfeld (N. archiv 22 [1897], s. 569)
'in der anschauung des dichters verschmelzen Ungarn und Hunnen mit den,
mittelalterlicher fabel nach, von Alexander d. Gr. hinter die kaspischen
pforten eingesperrten Gog und Magog der Bibel', ja, 1000 jähre mögen es
bei Gog und Magog auch sein, allein die hauptsachen widersprechen sich:
seit über 1000 jähren sind Gog und Magog eingesperrt, aber die Hunnen
dominantur. sollte nicht Ekkehard sein ultra 1000 annos berechnet haben
nach dem Hieronymus, der im 77 briefe sagt hane gentem . . sub Dario
Medorum rege 20 annis Orientem tenuisse captivum et ab Aegyptiis
atque Aethiopibus annuum exegisse v ectigal? vgl. Isid. Orig. 9, 2, 66.
DER DICHTER DES WALTHARlüS 115
doch ohnmächtigen grimms und ärgers hat der dichter, wenn ich
so sagen darf, sich aus den fingern gesogen, oder nehmen un-
gleich v. 11 — 95: das sieht aus wie ein stück geschichte aus der
Völkerwanderung: und doch konnte der dichter, wie er sich in
dem ganzen gedichte zeigt, noch um das jähr 1000 diese 85 ferse
erfunden nahen, mit ausnähme der namen der 3 gefangenen und
ihrer väter: dazu nahm der dichter sich zunächst die namen der
3 Völker, die, nicht während der völkerwanderuug, aber in der
Karolingerzeit und später, vom Rhein ab hinter einander wohnten,
der Franken, Rurgunder und Aquitaner. 3 gefangene waren es:
also erfand er 3 einfalle der Hunnen in diese feindlichen länder.
von jedem dieser 3 einfalle wüste er gleich viel, uämlich nichts;
aber wie hat er es verstanden, diese an und für sich gleichartigen
Vorgänge so verschieden auszumalen, dass wir an die täuschuog
gar nicht denken ! geschickt malt er die mittlere scene am brei-
testen (21 + 41 + 21 verse): die reitermasse der Hunnen, deren
unzählige lanzeuspitzen flammen und flimmern, wie die aufgehende
sonne in einer vom morgenwind leicht bewegten Wasserfläche
millionenfach sich spiegelt und widerglänzt1, den Wächter auf
Herirics bürg, der ruft: was für eine staubmasse erhebt sich?
feinde nahen; schliefst die thore!2, die reden Herirics zu seinen
raten und Attilas zu den friedenshoten. so schafft der dichter
prächtige und ausführliche Schilderungen aus nichts.
Der ganze Waltharius besteht aus solchen einzelnen breit aus-
geführten scenen, nicht aus einer fortlaufenden erzähluog. BO
muss es aber jeder gute epische dichter machen, mit den ein-
sehen dichtem berühren sich hierin eng die dramatischen: auch
sie erzählen durch einzelne scenen. ein hauptunterschied besteht
allerdings: die scenen des dramatischen dichters müssen dinge
darstellen, welche die leidenschaften des menschen, furcht und
hoffnung, schmerz und freude, hass und liebe ansprechen; der
epiker kann sich auch nur an die phantasie, das erstaunen,
richten, wenn könig Ludwig von Baiern bei der aufführung des
1 ein naturschauspiel, das die mönche von SGallen oft mit stiller l>e-
wunderung gesehen haben mögen, wenn sie, vor der dämmt nm.'
dann die sonne über den bergen im osten des Bodensees heraufkommen und
ihre strahlen im see sich brechen sahen.
2 nach Virgils Aen. ix 35 'Qua globus, o cives, eah\
atra? Ferte citi ferrum, date lela, ascenditc muros! ffottü adelt, Ueia!
116 WILHELM MEYER
indischen dramas Urvasi, um das irren und suchen des königs
im walde vorzustellen, eine Viertelstunde lang decorationen mit
den herlichsten indischen vvaldscenerien vorüberziehen liefs, so war
das von aufserordenllicher würkung auf die phantasie der Zu-
schauer, allein der ganze Vorgang gehörte nicht in ein Schauspiel,
sondern in ein panorama. beim epischen dichter findet sich
beides; zb. die Verhandlungen zwischen Ospirin, Attila und Walther,
ob Walther heiraten soll oder nicht, passen, lebhafter dialogisiert,
trefflich auf die bühne; die folgende reiterschlacht passt nur in
den circus, usw.
Die nächste aufgäbe und kunst des dramatischen und epi-
schen dichlers besteht also darin, einzelne Vorgänge möglichst
lebendig auszumalen, dabei ist, wie Lessing hervorgehoben hat,
ein besonderes kunstmittel, dass zb. nicht geschildert wird, was
für rüstungen und waffen der held an sich trägt, sondern erzählt
wird, wie er ein stück nach dem andern anlegt und ergreift,
auch diesen kunstgriff hat unser dichter in seinem blinden drang
gefunden, wie überhaupt seine Schilderungen der einzelnen Vor-
gänge meisterhaft sind. die andere aufgäbe des epikers und
noch mehr des dramatikers ist bedeutend schwieriger und feiner:
aus der unendlichen fülle von scenen, welche der stoff seiner
phantasie bietet, muss er nicht nur die packendsten scenen heraus-
finden, sondern derartige, dass sie alle zusammen, unvermerkt
mit einer reihe von nebenzügen ausgestattet, doch der phantasie
und empfindung des hörers und lesers sofort die klare entwick-
ln og einer grofsen handlung und verschiedener Charaktere geben,
hierzu gehört eine beträchtliche gäbe von dichterischer selbst-
beherschung und berechnung, die sich oft schwer mit der heifsen
phantasie und dem gestaltungsvermögen abfinden, immerhin tut
sich hier der epiker im ganzen leichter als der dramatiker; denn,
wenn er im eifer einer prächtigen Schilderung die motivierung
künftiger scenen etwas versäumt hat, so kann er das durch nach-
geschobene, erzählende verse in etwas gut machen, allein es ist
für den dichter unseres Waltharius rühmlich, dass er diese krücke
fast nicht gebraucht, das gedieht besteht fast nur aus abge-
schlossenen Vorgängen, die sich, seis im theater, seis im circus,
wirkungsvoll vorführen liefsen. diese einzelnen Vorgänge sind
aber so geschickt ausgewählt und dann unvermerkt mit so feinen
einzelheiten ausgestattet, dass sie eine klare, folgerichtige und
DER DICHTER DES WALTIIAIUÜS 117
schöne entwicklung eines grofsen geschehnisses ergeben, manche
dieser kunstgrifle mag der dichter des Waltharius dem Virgil ab-
gesehen haben, weit mehr hat er der bei ünsern vorfahren ganz
besonders ausgebildeten kunst der dichterischen erzähluug ab-
gelernt, die hauptstücke aber verdankt er der gütigen natur.
Für den genuss der schönen dichtung ist es zunächst gleich-
gültig, wer der dichter gewesen ist: allein nicht nur für den
gelehrten, sondern für jeden, der tiefer in das Verständnis dieses
kunstvverkes im ganzen wie im einzelnen (denn auch da hält es
stand) eindringen will, ist es von grofser Wichtigkeit eine Vor-
stellung davon zu haben, wie Ekkehard, welcher nach Ekkehards iv
bericht jetzt wol allgemein als Verfasser des lateinischen Wal-
tharius anerkannt wird, gearbeitet habe, nach der gewöhnlichen
ansieht der germanisten hat Ekkehard nur eine verlorene, sehr
ausführliche vorläge in die jetzt vorhandenen lateinischen hexa-
meter umgearbeitet, wobei er aus seinem Virgil und Prudentius,
aus denen er die notwendigen lateinischen phrasen bezog, auch
manchen römischen gedanken in seine germanische vorläge ein-
schmuggelte; diese vorläge selbst ist nach den meisten ein
deutsches stabreimendes gedieht, nach Kögel eine ausführliche
lateinische prosaübersetzung eines solchen gewesen, spuren dieser
deutschen vorläge will man auch in zahlreichen germanismen
finden1. Scheffel- Hoblers ausgäbe lässt s. 112 das gedieht ent-
1 wenn auch Ekkehard alle gedanken und worte des gedichles seilet
geschaffen hat, so muste er doch natürlich ebenso viel germanismen sich zu
schulden kommen lassen, als wenn jedes wort des gedichtes nur Übersetzung
eines deutschen Wortes wäre, das ist selbstverständlich, aber man sollte
mit diesen germanismen doch behutsamer sein, dahin rechnen zb. Grimm
s. 69 und Scheffel s. 115 den v. 333 lorica vestitus viore gigantis. bat
etwa dieser germanismus dem Ekkehard iv doch so gut gefallen, dass ei
ihn Casus SGalli 51 nachahmte, wo er den wackern abt Engilbert schilderl
velut domini gigans lorica indutus? nein, beide schreibeb, von einander
unabhängig, das i Makkabäerbucn aus, wo (3, 3) der jugendliche
Macc. induit se loricam sicut gigas. der stärkste und zum veratindoi9
der worte oft wichtige germanismus bleibt jene. BChon von Grimm
(Gramm, iv 148/9. 189) gekennzeichnete, vollständige verwirrui \
der Vergangenheit, sodass plusquamperfect, perfect und im
unterschied stehen, im indicativ gänzlich und zum t' il im
die deutsche spräche ja nur eine zeit der vergangenheil hall
sehr oft das präsens statt des futurs (nicht umgekehrt), da nun vo
wie von andern epikern der zeit, wie nach einer verabn
118 WILHELM MEYER
springen 'einem kühnen gedanken, mit der Aeneide zu wetteifern',
s. 114 lobt sie die ansieht von WHertz, nach welcher das ge-
dieht 'ohne allen zweifei ein nunmehr verschollenes altdeutsches
heldenlied zur vorläge hatte'.
Ich hin schon vor 25 jähren dafür eingetreten, dass Ekke-
hard die geschichte von Wallher in kürze gehört oder gelesen
hatte und dass er danach das gedieht selbst geschaffen hat. von
den germanisten hat sich dieser ansieht niemand angeschlossen,
denn, wenn auch keinerlei bruchstücke des angenommenen alt-
deutschen liedes aufgetaucht sind, welche für jene ansieht gezeugt
hätten, wie war anderseits ein beweis dafür zu finden, dass Ekke-
hard der schaffende dichter gewesen ist? jetzt lässt sich ein
solcher gewinnen.
KStrecker hat in dieser Zeitschrift 42, 339 — 365 einen
andern weg versucht: er vergleicht die Situationen des Virgil
und des Prudentius mit denen des lateinischen Waltharius. der
weg ist zwar nicht neu; Georg Zapp er t hat ihn schon betreten;
er wollte 1849 den streitenden Völkern Österreichs, 'den Germanen,
Slaven wie Magyaren versöhnend ins gedächtnis rufen, dass, wenn
ihre idiome auch nicht 6ine mutter geboren, doch (ihre littera-
turen) eine brüst gesäugt hat, und dass das blut der classischen
litteratur gemeinsam in den ädern aller unserer rinnt'; zu diesem
zwecke weist er in einer abhandlung mit dem titel 'Virgils fort-
leben im mittelalter' (Wiener akademie, denkschriften der philos.
histor. classe, bd n, 1851) nach, wie die ganze mittelalterliche
litteratur, besonders die lateinischen, deutschen, angelsächsischen,
französischen und italienischen dichter den inhalt des Virgil aus-
genützt haben, stellt zb. Strecker im anfang seiner abhandlung
(s. 340) zusammen Waltharius 308 mit Aeneis i 640, Waith. 759
mit Aen. ix 49 und Walth. 1160 mit Aen. xn 175, so hat das,
schon Zappert unter nr 106. 148 und 160 getan, allein Zapperts
gebiet ist zu grofs: Strecker hat auf seinem engen gebiet mit
grofser sorgsamkeit weit mehr parallele Situationen des Waltharius
und des Virgil nachgewiesen, er hat 'den versuch gemacht, durch
eingehnde vergleichung das Verhältnis unsers gedachtes zu seinen
Vorbildern näher zu präcisieren'. die ergebnisse fasst er ver-
schiedentlich zusammen, zb. s. 339 'der dichter (Ekkehard) hat,
das präsens auch in der erzählung gewöhnlich angewendet wird, so kommt
eine ganz erstaunliche masse von präsentia heraus.
DER DICHTER DES WALTHARIUS 119
was seine (deutsche) vorläge bot, verstümmelt oder ganz unter-
schlagen und durch römisches gut ersetzt oder aber die römischen
züge frei zugefügt'; s. 340 'die besprochenen verse gewahren
einen eiublick in die arbeitsweise des dichters, die wir oft an-
gewendet finden: eine bestimmte episode des Virgil wird zu gründe
gelegt und mit passenden floskeln variiert'; s. 350 'man muss als
grundsatz aufstellen: Ekkehard springt rücksichtslos willkür-
lich mit dem Stoffe um; sein trachten ist darauf gerichtet, auf
kosten des Originals lateinisches colorit zu erreichen'; s. 365 'im
ganzen wird leider das resultat dieser arbeit wol nicht angefochten
werden können, dass der Waltharius uns in mancher beziehung
ein verfälschtes bild der germanischen heldenzeit gibt'.
Ich habe es diesen winter gewagt, über den lateinischen
Waltharius eine Vorlesung zu halten, dabei hatte ich manches
von dem, was Strecker jetzt bringt, schon besprochen, insbeson-
dere hatte ich ebenfalls die ähnliche anläge der reiterschlachten
bei Ekkehard v. 179—207 und bei Virgi! Aeneis xi 598 — 623
nachgewiesen, ich hatte aber diese methode benützt, um zunächst
zu zeigen, dass Ekkehard jedesfalls einige stücke der dichtung
selbst geschaffen hat, und hatte versucht, so einen ausblick auf
die entstehung des ganzen gedichtes zu gewinnen, da die folge-
ruogen, welche ich aus den tatsachen gezogen halte und noch
jetzt ziehe, wesentlich andere sind als die Streckers, so will ich
dieselben an 4 zusammenhängenden scenen v. 170 — 323, der
reiterschlacht (r), dem Zwiegespräch (n), den Schilderungen des
essens (in) und des folgenden wetttrinkens (iv) hier darzulegen
versuchen, allerdings ist mir hierbei nur die grundanschauung
bestätigt worden, die ich schon vor 25 jähren ausgesprochen
habe: Ekkehard ist der dichter, und das ein vortrefflicher.
I (Reiterschlacht v. 170—214). in der Aeneis des
Virgil (xi 598) zieht die reitermasse der Troer und Etruskei
die Stadt; das ganze gefild ist bedeckt mit blitzenden lanzen.
ihnen gegenüber zeigen sich die Latiner und Camilla mit ihrer
schaar. innerhalb schussweile machen die beiden reitern
einen augenblick halt; dann erheben sie das schlachtgeschrei,
spornen die pferde an und werten zugleich ihre Bpeere, bo viel«
wie Schneeflocken, so dass die helle des lages verdunkelt wird.
mit eingelegten lanzen stürzen zunächst Tyrrhenus und Acooteus
auf einander und, da ihre rosse mit lautem krachen zusammen-
120 WILHELM MEYER
prallen, so wird zunächst deren brüst beschädigt, und Aconteus,
von dem speer des Tyrrhenus gefasst, wird aus dem sattel ge-
hoben und weit hinten hin geworfen , wo er dann stirbt, die
Latiner sind erschreckt und ihre reitermasse macht kehrt, die
Troer verfolgen sie. doch in der nähe der Stadtmauern wenden
die ermutigten Latiner, und die verfolgenden Troer kehren sich
zur flucht, dasselbe widerholt sich noch einmal, erst beim
dritten wenden kommt es zum erbitterten, stehenden hand-
gemenge: implicuere inter se acies legitque virum vir, . . pugna
aspera surgit.
Im Waltharius reiten die beiden schlachtreihen in parallelen
linien (oicht in keilform) bis in schussweite zusammen und
machen halt, die trompeten geben das zeichen und das schlacht-
geschrei wird erhoben, und sofort (185 continuo, nicht 'ununter-
brochen' oder 'beständig') werden von beiden Seiten die wurfspiefse
geworfen und pfeile geschossen, so viel wie Schneeflocken, als
beide teile ihre wurfspiefse verworfen haben , ziehen sie die
Schwerter, nehmen die Schilde vor und nun rennen die beiden
linien im galopp zusammen, beim zusammenprall der beiden
linien prallt manches ross mit einem feindlichen an der brüst
zusammen und wird so kampfunfähig; wenn aber die rosse an
einander vorbeistürmen, so kommt es vor, dass die reiter, welche
fest eingestemmt mit dem schild am linken arm sich vorlegen,
mit den Schilden zusammenprallen und dass nun der fester
sitzende und stärkere seinen gegner aus dem sattel hebt und
über den schwänz des pferdes auf den boden wirft, so sind
viele reiter der beiden heere aufser gefecht gesetzt: die übrigen
geraten nun ins handgemenge. das ist für Walther die zeit, sich
zu zeigen; er wirft die feinde so gewaltig nieder, dass sie über-
all vor ihm fliehen, nachdem der sieg entschieden ist, sucht das
heer die kriegsbeute zusammen, bis Walther mit seinem heerhorn
sie abruft.
Offenbar ist der hauptinhalt des Waltharius mit dem des
virgilischen Stückes nahe verwant; dennoch sind wesentliche stücke
des kampfes im Waltharius abweichend gestaltet. die reiter
des Virgil scheinen nur wurfspiefse zu werfen und diese im
vorwärtsreiten; dann rennt ein paar Vorkämpfer zusammen mit
eingelegter lanze (diese scheint der dichter des Waltharius über-
haupt nicht zu kennen; denn selbst in den kämpfen am felsen
DER DICHTER DES WALTHARIUS 121
sprengt kein Franke mit eingelegter lanze auf Walther); der fall
des einen bewürkt die flucht seiner ganzen reitermasse und erst
viel später kommt es zum handgemenge, in welchem Camilla
heldentaten verrichtet; erst nach ihrem tode xi 868 erfolgt die
flucht, dagegen im Waltharius scheinen die reitermassen auch
nach dem signal stehn zu bleiben , und sie werfen sowol Wurf-
spieße als pfeile; nachdem die spiefse (nicht die pfeile?) ver-
schossen sind, setzen sie sich in bewegung und es erfolgt der
zusammenstofs; was nachher bei Virgil von dem einzelnen paar
gesagt ist, das wird hier auf die ganzen scharen übertragen:
pectora pectoribus rumpunt wird wörtlich herübergenommen;
das virgilische excussus . . praecipitat longe wird durch das citat
aus Prudentius hostem . . impuhu umbonis sternere ersetzt, dann
folgen im handgemenge die heldentaten Walthers, welche sein
heer anfeuern; bald fliehen die feinde.
Ebenso deutlich wie der Inhalt zeigen auch die zahlreichen
aus jener stelle des Virgil entlehnten einzelnen ausdrücke,
dass Ekkehard bei der Schilderung seiner reiterschlachl die reiter-
schlacht des Virgil vor äugen gehabt hat. der schluss von VV. 179
sequiturque exercüns omnis ist gleich dem versschluss Aeu. xi 59S
equitumque exercitus omnis. in VV. 180 ist numeratam aciem
genommen aus xi 599 compositi numero in turmas; dadurch ver-
stehn wir auch, was in W. 44 lbant aequati numero sed et agmine
longo das aus Aen. vn 698 genommene 'aequati numero' bedeutet;
es bedeutet nicht 'in gleiche häufen geteilt' und hat nichts zu lim
mit der gliederung des germanischen heeres uach stammen, gauen,
geschlechtern : sondern es soll die in der nahe des feiudes not-
wendige Ordnung der glieder bezeichnen; die entsprechenden
reihen zählen gleich viele männer. die bei schlachten ziemlich
seltene Verbindung VV. 181 'per latos campos et ayros' ist genommen
aus Aen. 601 late . . ager campique (vgl. Aen. x 408). W. 183
Iamque infra iactum teli congressus uterque Constiterat = Aen
Iamque intra iactum teli p r o gressus uterque Subttiterat, wo einige
'Constiterat' vermuteten. VV. ls;> tunc undique clamor ad nuras
Tollitur ist sachlich = Aen. 609 subito enunpitui clamor>\ sprach-
lich Aen. 622 clamorem tollunt (noch mehr ix 566).
Continuo (sofort) = Aen. 612 (hastae . . densae »gl. <■' org.
das bild für die pfeile W. 188 Yeluti . . nix . . sporoÄi
sagittas ist nicht deutsch, sondern genommen aus A.n. ein j'imlnnt
122 WILHELM MEYER
simul undique tela Crebra nivis ritu. W. 193 ff. ist nach der
Schilderung des Zweikampfes Aen. 61 2 ff gearbeitet; W. 193 con-
currunl = Aen. 613 incurrunt; W. 194 Pectoribus partim rum-
puntur pectora equorum = Aen. 614 perfractaque quadrupedantum
Pectora pectoribus rumpunt; das folgende excussus . . praecipitat
longe Aen. 615 gab den gedanken zu W. 195 Sternitur et quae-
dam pars duro umbone virorum (die phrase ist genommen aus
Prudentius Psych. 255 hoslem . . cupiens impulsu umbonis stemere).
Die folgende Schilderung von Walthers heldentaten, daun des
allgemeinen kampfes und der flucht hat iu der betreffenden partie
der Aeneis keine vorläge; doch hat Ekkehard einige phrasen der-
selben entnommen; W. 196 Waltharius tarnen in media furit
agmine bello ist gebildet nach xi 762 Qua se cumque furens
medio tulit agmine virgo; W. 202 terga dederunt Et versis scutis
laxisque feruntur habenis vgl. mit Aen. 618 versique Latini Reiciunt
parmas, 623 datis referuntur habenis, 630 terga tegentes ; W. 203
Tunc imitata ducem gens . . Saevior insurgit vgl. mit Aen. 758
ducis exemplum eventumque secuti Maeonidae incurrunt (697 Altior
exurgens; Aen. xn 902 = Prud. Psych. 32 Altior insurgens). aber,
da der Inhalt dieser Virgilschen partie nur wenig ähnüchkeit bot,
so holte sich Ekkehard hier die ausdrücke auch aus andern teilen
der Aeneis oder aus Prudentius (so W. 191 manus ad mucronem
vertitur aus Prudentius Psych. 137 vertitur ad capulum manus;
W. 197 ist zusammengepresst aus Aen. x 512/3; W. 198 tantas
dare strages vgl. ix 781 tantas strages impune . . ediderit; W. 199
praesentem . . mortem = Aen. i 91; W. 200/1 : die Situation, nicht
die worte, sind = Aen. xn 368/9, woran Ekkehard also wol nicht
gedacht hat; W. 205 der auffallende gebrauch von proterit stammt
wol aus Prudentius Psych, prolog 28 pellit fugatos sauciatos pro-
terit; W. 206 belli sub sorte ist phrase des Prudentius, so Psych.
21. 474 und prol. 20).
Dieses mosaik von phrasen, welche aus den verschiedensten
teilen der Aeneis oder der Psychomachia des Prudentius zu einem
neuen bilde zusammengefügt sind, findet sich auch sonst, je nach-
dem jene dichter und Ekkehards gedächtnis sie boten, was die
Schilderung der reiterschlacht auszeichnet, ist der umstand, dass
aus etwa 25 sich folgenden versen des Virgil, welche ebenfalls
eine reiterschlacht schildern, ein gutes stück des inhalts und eine
menge phrasen herübergenommen sind, es ist unmöglich, dass
DER DICHTER DES WALTHARIUS 123
ein deutsches gedieht über Walther die reiterschlacht in der an-
läge und in manchen sich folgenden einzelheiten genau ebenso
geschildert hatte, wie Virgil, so dass dann Ekkehard, als er diese
seine vorläge hätte übersetzen wollen, dem deutschen leibe ohne
weiteres das überall passende Virgilsche kleid hätte umlegen
können, es ist vielmehr sicher, dass mindestens die hauplmasse
dieser Schilderung des Waltharius, welche sich mit Aen. xi deckt,
in jener angenommenen deutschen vorläge des Ekkehard nicht
gestanden haben kann, sondern erst von Ekkehard nach Virgils
muster geschaffen worden ist.
Das hat auch Strecker klar erkannt (s. 339 'es ist undenkbar,
dass Ekkehards stoff — dh. die deutsche vorläge — eine so ins
einzelne gelinde ähnlichkeit mit Virgil gehabt haben sollte'), so
weit fällt mein weg mit dem Streckers zusammen ; von hier an
gehen wir auseinander, für Strecker 'erhebt sich nun (s. 343)
natürlich sofort die frage, ob diese partie lediglich dem Ekkehard
auf rechnung zu setzen ist, oder ob dennoch ein deutscher kern
zu gründe ligt'. er entscheidet sich für einen deutschen kern,
denn 'die schlacht ist im zusammenhange der erzählung nicht zu
missen, sie wird vorausgesetzt in Walthers Unterredung mit der
geliebten, vor allem ist sie nötig als motivierung des siegesfestes
und seiner folgen; die trunkenheit aber ist unentbehrlich, um
die unbemerkte flucht zu ermöglichen, aufserdem ist sie durch
die parallele Überlieferung gesichert, auch aus ästhetischen riiek-
sichten ist die schlacht gefordert; Walthers arislie am Vorabend
seiner flucht bringt die schwere des Verlustes zur ansebauung,
der dem könig bevorsteht, es scheint mir demnach nicht zweifel-
haft zu sein, dass der dichter (Ekkehard) in seiner vorläge die
schlacht vorfand und in der dargelegten weise verarbeitete'.
Das sind viele gründe und doch reicht keiner weit vor der
'parallelen Überlieferung' habe ich keine achtung; nach meiner
ketzerischen ansieht hat das spätere mittelalter das, ^ -i> es von
Walther weifs, aus unserm, in sehr vielen abschrillen verbreiteten
lateinischen Waltharius und aus seiner eigenen pbantasie b«
mit dem 'siegesfesl' steht es schlecht. Ekkehard sagt kein worl
davon und lässt auch Attila beim fest keinen toast auf den »^r
die sieger ausbringen, und er weifs wol, warum er das nich
Walther und die aufgeboteneu Hunnen baben mübsal erdulde!
und ihr leben daran gesetzt, um den feind zu b(
124 WILHELM MEYER
eine eigentümliche sitte, nach der solche leute den andern, die
zu hause geblieben sind und denen sie ein volk unterworfen
haben, auch noch auf ihre eignen kosten ein siegesfest geben
sollten : zumal Walther, der als armer general (dux) von seinem
degen, dh. von dem, was Attila ihm schenkt, leben muss, und der
einen korb riskiert, wenn er um die tochter eines der hunnischen
grofsgrundbesitzer (satrapa = tyrannus; vgl. 136 und die rang-
ordnung in V. 278 und 408/9) freien wollte, deshalb begründet
der dichter nicht weiter das festmabl, zu dem Walther nur die
bewohner der residenzstadt, nicht seine kriegsgenossen (V. 213)
einlädt, und bei dem er, um sicherer sein ziel zu erreichen, die
schätze vergeudet, die er doch nicht mitnehmen kann. noch
weniger wird diese Schlachtschilderung vorausgesetzt in dem Zwie-
gespräch der verlobten, denken wir uns die verse 121 und 122
etwas aufgeputzt nach V. 169 gesetzt, so konnte der dichter un-
mittelbar mit verseu wie 214 ff. weiter fahren.
Also zur entwicklung der handlung ist die Schilderung der
reiterschlacht durchaus entbehrlich, ja, sie ist nicht nur selbst
sehr kahl, sondern etwas störend, denn v. 171 müsten statt
'■quaedam gens, quae superata resistebat' doch eigentlich die Franken
stehn, oder wenigstens, wenn dem Attila das so zu herzen gieng,
hätte er die Franken längst bekämpfen müssen, demnach hat
Ekkehard, wie oben bewiesen, mindestens die hauptstücke dieser
reiterschlacht, ja, wie mir nach der obigen darlegung wahr-
scheinlich ist, die ganze reiterschlacht selbst geschaffen und ein-
geschoben, dazu hat ihn nach meiner ansieht nur der dichterische
kunstsinn bewogen, das hauptstück des gedichts sind die 8 — 10
einzelkämpfe am felsen : bei deren Schilderung ist das hauptkunst-
mittel des dichters die abwechslung; der einzelne Walther wird
bald von einem zu pferd oder zu fufs, bald von vieren, bald von
zweien angegriffen, er gebraucht im kämpfe die schwere lanze
zum wurf und stofs, oder das schwert oder das halbschwert.
seine angreifer bewaffnet der dichter mit der schweren lanze zum
wurf oder stofs, mit der lanze am schleuderriemen (771), mit
zwei leichteren wurfspiefsen, wie meistens die barbaren sie führten,
mit schwert, mit pfeilen, mit Streitaxt oder mit einem stein1; ja
sogar einen schleppspeer lässt er den Helmnod mit drei genossen
1 es fehlt also die stechlanze des reiters, die keule oder der streit-
kolben, die sc.ileuder.
DER DICHTER DES WALTHARIUS 125
handhaben, ohwol es sehr unwahrscheinlich ist, dass bei dem
eiligen aufbruch aus Worms ein ritter solch ein belagerungs-
werkzeug mitgeschleppt haben sollte; in den verschiedensten
fechtweisen werden diese waffen verwendet. allein nicht nur
die frauen, sondern auch manche männer unsrer zeit ermüdet
diese lange reihe von einzelkämpfen: stets wird der einzelne
Walther angegriffen und stets erschlägt er seinen gegner. auch
unser waffendichter merkte, dass diese einförmigkeit seines
hauptstücks unangenehm sei; wie er ein meister in der kunst
der abwechslung ist, schien es ihm gut, die breite Schilderung
einer grossen reiterschlacht voranzuschicken; dann wäre die kette
der einzelkämpfe nicht so ermüdend.
Nach meiner ansieht hat also Ekkehard die Schilderung der
reiterschlacht nicht zu drei vierteln, sondern gänzlich erfunden,
er hat als rahmen dieser seiner Schilderung die Schilderung des
Virgil xi 598 — 623 genommen, aber weshalb hat er die entwick-
lung der schlacht in so wesentlichen stücken geändert? woher hat
dieser waffendichter die andre kampfesweise genommen, welche
er hier schildert? nicht von dem deutschen heerwesen der
Karolingerzeit, denn erstens lieferten die Deutschen keine reiter-
schlachten; dann musten auch die gewöhnlichen reiter ausgerüstet
sein mit lancea scutum arcus et pharetras cum sagittis et spata
et semispata1 (Leges n. i 168). die deutschen reiter sind also
nur mit einem schweren speer zu wurf und stofs (im gedieht
kommt lancea so selten vor, weil nur der nominativ in den vers
geht) ausgerüstet, während rohe Völker meistens mehrere leichtere
wurfspiefse haben, der barbarische Bretone Murman bei Ermoldus
in 377 (a. 818) Ambas missilibus armat et ipse manus, dagegen
der nicht sehr angesehene Franke Coslus (quidam Francisco genere
1 W. 336 Et laevum femur aneipiti praecinxerat ense (= spat.i 1367)
Atque alio dextrum pro ritu l'a inoniarum, dann 1390 IncolumiqHc (dh.
sinistra) manu mox eripuit semispatam, Qua dextrum cinxitse latus
niemoravimus illum. alle erklärer können nicht erklären, weshalb
den Deutschen so bekannte tragen eines halbschwertes von dem •
kundigen Ekkehard v. 337 als pro ritu Pannoniarum erklärt *n I.
er vielleicht nicht sowol das tragen des halbschwertes für Ung
klären, als vielmehr dass es auf der rechten seite getragen wur
den letzten kämpf war das wesentlich; denn hätte das halbs.
dem langschwert oder am rücken gehangen, so hätte Wall In
mit der linken band nicht schnell ziehen können.
126 WILHELM MEYER
natus, Non tarnen e primo, nee generosa manus) ist doch armis
praestantior und ruft (in 455) 'Non hoc missilibus certandum est
tempore parvis' und Cuspide Francisco tempora lata forat. unsere
reiter sind mit einer menge von wurfspiefsen bewaffnet und in
der ersten abteilung der schlacht werfen sie zuerst diese alle ab,
so viele, dass das tageslicht dadurch verfinstert wird, zum folgen-
den nahkampf gebrauchen sie dieselben nicht.
Nun ist es leicht zu erkennen, wen Ekkehard hier als modeil
genommen hat. einen reiterkampf der Hunnen wollte er schildern,
von diesen wüste er zwar nichts : allein Hunnen Avaren Ungarn
waren den damaligen leuten das gleiche volk. die Ungarn
waren seit 894 der schrecken Süddeutschlands, und wahrschein-
lich hatte Ekkehard sie selbst gesehen, wenn nicht, so hatte er
mehr als genug von ihnen gehört, schien es dem Ekkehard also
aus gründen der dichterischen abwechslung gut, in sein gedieht
die Schilderung einer vollen scblacht und zwar der Hunnen gegen
ihre feinde einzuschieben, so konnte er beinahe nicht anders als
seine Zeitgenossen, die Ungarn, zu copieren. so wird diese
schone Schilderung auch sachlich wichtig, denn wie die Ungarn,
die in jenen Zeiten so oft Deutscbland verwüsteten, bewaffnet
waren und wie sie kämpften, darüber wissen wir auffallend wenig.
Dümmler hat in der 2 aufläge seiner Geschichte des oslfränkischen
reiches, bd m, 1888, s. 447 die stellen so zusammengefasst : 'mit
schwert, wurfspiefs (wurfspiefsen?) und einem bogen aus hörn
bewaffnet gebrauchten sie doch das erstere fast gar nicht und ver-
liefsen sich ganz auf ihre Sicherheit und gewantheit im pfeil-
schiefsen, welches sie zu pferde unaufhörlich übten, ihre durch
einen panzer geschützten rosse tummelten sie mit der grösten
leichtigkeit; denn der kämpf aus der ferne war ihnen günstiger
als das handgemenge' . .. für den gebrauch der wurfspiefse (pila)
citiert Dümmler nur die Casus SGalli cap. 53 Ingruunt tandem
pharetrati Uli, pilis minantibus et spiculis asperi (und Hrotsvith
Gesta Oddonis 453 : laedunt felis consueto more cruentis). wenn,
wie natürlich, dem Ekkehard die Ungarn = Hunnen waren, so
kommt noch dazu der oben (s. 125, note) besprochene vers 337
praecinxit alio ense (semispata) dextrum femur pro ritu Panno-
niamm. berühmt waren die Ungarn durch die kriegslist, dass
sie scheinbar flohen, im fliehen rückwärts schössen, dann plötz-
lich wendeten und die gelockerten reihen der feinde durch-
DER DICHTER DES WALTHARIUS 127
brachen, das zu schildern , dazu boten die verse seiner virgi-
lischen vorläge
xi 629 Bis Tusci Rutulos egere ad moenia versos,
Bis reiecti armis respectant terga tegentes
dem Ekkehard die handhabe, dennoch unterliefs er es; denn wo
Walther führte, da gieng es gerade und leicht zum siege.
Die vergleichung der Schilderungen der reiterschlacht bei
Virgil und bei Ekkehard lehrt also : Ekkehards quelle berichtete
nichts von einer besondern schlacht; aber Ekkehard fand es für
notwendig, der darstelluug all der einzelkämpfe am felsen die
breite Schilderung einer grofsen schlacht vorangehen zu lassen.
da seine Zeitgenossen, die Ungarn, ja die erben der Hunnen
waren, so wählte er naturgemäfs die kampfesweise der Ungarn
als modell für sein gemälde einer Hunnenschlacht, in Virgils
xi buche fand er die Schilderung einer ähnlichen schlacht : also
holte er sich von dort gröfsere und kleine bausteine für seinen
eigenen bau; das waren aber nur Wörter, keine Sachen.
II (v. 215 — 287 Walthers und Hiltgunds Zwiege-
spräch), dieser Vorgang ist von manchen nicht richtig er-
fasst worden, besonders nicht von Kögel (Geschichte d. deutschen
litt, i 2, s. 290 — 293). die dinge könnten sehr romantisch sein,
sie sind aber von Ekkehard so einfach und nüchtern gedacht,
dass sie wol eben deshalb misverstanden wurden. zunächst
ist die flucht von geisein keine Undankbarkeit; als sein Staat das
bündnis aufhob, hatte Hagen Ursache und recht zu fliehen; er
riskierte sein leben so wie so. für Walther und Hiltgund war
die frage, ob durch ihre flucht nicht ihr beimatland in bösen
krieg gestürzt würde, oder ob sie vielleicht von ihrem Staate
wider ausgeliefert würden, diese frage schien sich allerdings von
selbst zu beantworten, da die Burgunden und die Aquitaner Ober
die abgefallenen Franken hinaus wohnten und da nicht einmal
diese von Attila für ihren abfall bestraft wurden, jedenfalls hat
Ekkehard um diese frage sich nicht gekümmert.
Für Ekkehard liegen die dinge so : hätte Walther nur die
Hiltgund zum weibe gewollt, das hätte er leicht von Attila erreicht;
aber er will durchaus zweierlei : erstens und vor allem in seine
liebe heimat zurückkehren, zweitens Hiltgund mitnehmen, vorsichtig
wie er war, passte er zunächst auf einen günstigen zeitpuncL
ferner muss er aber wissen, ob sie überhaupt fliehen will; lange
128 WILHELM MEYER
vorher das weih zu fragen und mit ihm darüber zu verhandeln,
schien ihm nicht ratsam ; aus vorsieht hat er sich auch dem
Attila gegenüber als weiberfeind geriert; davon hatte natürlich
auch Hiltgund gehört, sie wüsten beide recht gut, dass sie ver-
lobt seien; doch keins von beiden hatte je davon gesprochen:
er nicht aus vorsieht, sie nicht aus stolz.
Jetzt schien es Walther die richtige zeit zur flucht; er muste
also zuerst wissen, ob sie überhaupt fliehen wolle, als er sie,
die schaflnerin, in Attilas Wohnzimmer allein trifft, küssen sie
sich, nicht als verlobte, sondern nach der sitte zum Willkomm;
die betreffende phrase Cui post amplexus atque oscula dulcia dixit
ist entlehnt aus Aen. i 687 cum dabit amplexus atque oscula dulcia
figet. er bittet um einen trunk; während er trinkt, hält er ihre
hand gefasst; das war auffallend, deshalb blickt sie ihn an,
schweigend doch forschend, dann will er sie zu einer äufserung
reizen (provocat) und sagt : so lange seien sie zusammen in der
Verbannung, seien auch verlobt und hätten doch noch kein wort
darüber gesprochen. Hiltgund weifs, dass Walther sich für einen
weiberfeind erklärt hat, sie muss also seine rede für spott halten;
nach kurzem besinnen antwortet sie : warum er sich so verstelle?
es wäre doch für ihn gewis keine schände, sie zur frau zu be-
kommen. Scheffels 'Viel bessrer verlobten hältst, schlauer, du
dich wert' ist unrichtig : hier ist überhaupt von keiner verlobten
als Hiltgund die rede. Walther versichert sie, in keinem stücke
(nihilum) habe er eben sich verstellt; wenn sie mit behutsamen
sinnen (votis) schweigen wolle, so werde er ihr sein geheimuis
(der flucht, nicht 'ein süfs geheimnis') enthüllen, sie ahnt jetzt,
was er will, und verspricht, seinen geboten (placitis) zu folgen,
da enthüllt er kurz seinen willen, zu fliehen; doch ungern würde
er sie zurück lassen, sie erklärt, auch sie wünsche glühend, zu
fliehen; sie werde dabei, ihm zu liebe, alle gefahren bereitwillig
ertragen. so hat Walther sein ziel erreicht; er weifs, dass
Hiltgund mit ihm fliehen will; jetzt gibt er seine anweisungen,
was sie für die flucht vorbereiten soll, und teilt ihr mit, wie er
die flucht ermöglichen will, von liebe ist bei diesen Verhand-
lungen kaum die rede (nur v. 255 und 259) : alles ist aber höchst
verständig und praktisch.
Nun sagt Strecker s. 363 'bei Walthers gespräch mit seiner
verlobten denkt der dichter an die Verhandlungen der Juno mit
DER DICHTER DES WALTHAR1US 12$
Venus im 4 buche', was sind die beweise? Strecker citierl aus
iv 109 quod memoras, was hier v. 241 sich widerfindet; dann aus
iv 105 simulata mente locutam, was sich hier v. 242 findet, das
sind in 2 versen 2 entlehnungen von phrasen aus derselben
fundgrube. dann ciliert Strecker aus iv 114 perge , sequar zu
v. 249 Ad quaecumque vocas, sequar studiose : allein hier
denkt Ekkehard an v 22 superat quoniam Fortuna, sequamur,
quoque vocat, vertamus iter, und an xu 677 quo dura vocat For-
tuna sequamur. endlich vergleicht Strecker mit dem übergangs-
vers 276 Nunc quo more fugam valeamus inire, recludo den vers
Aen. iv 115 Nunc qua ratione quod instat conßeri possit, paucis,
adverte, docebo : die beiden verse haben aufser nunc nichts ge-
meinsam ; dazu ist der virgilische ein so formelhafter übergangs-
vers, dass er viu 49 widerkehrt nunc qua ratione, quod instat,
expedias victor, paucis, adverte, docebo. aber vielleicht sind die
Vorgänge sich ähnlicher als die phrasen? bei Virgil zankt Juno
die Venus, dass sie die Dido liebestoll gemacht habe; nun möge
Aeneas die Dido heiraten; Venus merkt hinterlist; hinterlistig
stimmt sie scheinbar zu; doch solle Juno die erlaubnis des Ju-
piter einholen, der inhalt beider sceneu ist demnach sehr ver-
schieden, und doch soll Ekkehard bei Walthers gespräcli mit
seiner verlobten an die Verhandlungen der Juno mit Venus bei
Virgil denken? ich fürchte, wir lernen aus dieser scene de»
Virgil gar nichts für den aufhau der scene des Ekkehard; nur
einmal hat Ekkehard 2 phrasen hintereinander aus jener scene
des Virgil entlehnt; wenn man einmal eine stelle aufgeschlagen
hat, ligt das nahe, hier also ist mit der methode, Situationen
des Virgil und des Wallbarius zu vergleichen, Dichte anzufangen.
III (Das essen v. 288 — 303). von drin Zwiegespräch
springt Ekkehard sofort auf die Schilderung des Festmahls, das
in 2 teile zerfällt, das eigentliche essen und das trinkgelage. die
Schilderung des essens zeigt nicht nur, wie Ekkehard gearbeitet
hat, sondern dabei kommen auch wichtige fragen der altertums-
kunde ins spiel, zb. ob jeder gast seinen besondern tisch ror
sich hatte, dann ob ein teil der gaste auf polstern :
treten hier öfter die handschriflen stark auseinander. d<
ich auf die einzelheiten eingehn.
Was die handscbriftenclassen betrifft, so ball
das, was ich hierüber vor 25 jähren habe,
Z. F. D. A. XLIII. X. F. XXXI.
130 WILHELM MEYER
dem hauptstücke für richtig, in einem nebenstücke berichtige ich
jene Jugendarbeit.
Die erhalteneu handschriften zerfallen in zwei classen : zu
einer classe treten zusammen die Karlsruher und die Stuttgarter
hs. (Kund S), die lange zeit allein bekannt und benützt waren;
zu der andern classe, die den prolog des Geraldus an der spitze
hat und deshalb Gerahlusclasse heifsen mag, gehören die Brüssler
(B), Pariser (P) und Trierer (T) hs., die von Schönbach in dieser
Zs. 33, 340 — 350 abgedruckten wertvollen Innsbrucker bruch-
stücke, dann von Meyncke mir mitgeteilte unbedeutende Ham-
burger bruchstücke (13 jh.) v. 316— 339 und 388—411, endlich
die umfangreichen auszüge im Chronicon des klosters Novalese.
zwischen beiden classen schwanken stark interpolierte hss. , die
Wiener und Leipziger, einander völlig gleich, und die Engel-
berger.
Da Ekkehards r arbeit in den bänden seines lehrers Geraldus
und 100 jähre später Ekkehards iv gewesen ist, so haben Peiper
und Holder mehr oder minder die erhaltenen hss. mit jenen
männern in engste Verbindung zu setzen versucht und teilweise
die törichten lesarten dem dichter, die bessern den correctoreu
zugeschrieben, ich habe wenigstens das erreicht, dass man mit
der geschichte der hss. kein unheil mehr anrichtet, sondern nach
dem werte der lesarten fragt. nun hat sicherlich jede von
beiden classen entschiedene fehler; da muss und kann also immer
der fehler der einen classe aus der andern verbessert werden,
zahlreich sind die fälle, wo die beiden classen verschiedene, aber
fast gleich gute lesarten haben : ob solium quod bissus compsit
et ostrum oder s. q. compsit bissus et ostrum das ursprüngliche
ist, kann man mit dem gescbmack nicht entscheiden, ich habe
in meiner arbeit von 1873 nur die sichern fehler der Geraldus-
classe und die der Karlsruh- Stuttgarter classe gegen einander
abgewogen und bin zu dem Schlüsse gekommen, dass die fehler
in der letztern classe zahlreicher seien, dass man also sichrer
gehe, wenn man in den schwankenden fällen die lesarten der
Geraldusclasse in den text, die der andern classe in die noten
setze, diese höherschätzung der Geraldusclasse halte ich noch
heute für durchaus richtig.
Dagegen habe ich in meiner Jugendarbeit einen fehler be-
gangen, der sogar gegen die regeln der kritischen methode ver-
DER DICHTER DES WALTHARIÜS i:;i
stufst, da die Rrüssler hs. mir eine reihe trefflicher lesarten bot,
so behauptete ich, dass man der Geraldusclasse weit mehr als
der andern classe vertrauen müsse, dass aber widerum ans der
Geraldusclasse die Rrüssler hs. so hervorrage, dass man manche
lesarten, welche sie allein bietet, als die allen und echten an-
sehen dürfe, diese behauptung war ein fehler gegen die gesetze
der hss.-genealogie. wenn eine anzahl hss. einer classe eine les-
art mit der andern classe gemeinsam haben, so muss diese lesarl
in der hs. gestanden haben, aus welcher beide classen stammen;
jene lesart dagegen, welche nur eine oder einige hss. der einen
classe enthalten, stammt nicht aus der frühern vorläge, wenn
zb. v. 290 und 299 die Rrüssler hs. allein Luxurians media und
Per auram bietet, dagegen Luxuria in media und Per avium
sowol die andern hss. der Geraldusclasse bieten wie die Karls-
ruher und die Stuttgarter hs. , so muss in der vorläge beider
classen Luxuria in und aurum gestanden haben, dagegen Luxurians
und auram müssen Schreibfehler oder änderungen des Schreibers
der Rrüssler hs. oder deren nächster vorläge sein. anders ligt
der fall selten; zb. in 147, wo die Karlsruher und Stuttgarter
hs. sergia, die hss. der Geraldusclasse teils segnia, teils senia
bieten : hier kann jede einzelne von diesen 3 lesarten in der ur-
sprünglichen vorläge gestanden haben.
Diesen methodischen fehler merkte ich zuerst, als die Inns-
brucker bruchstücke mir bekannt wurdeu. zb. v. 319 heifst einzig
richtig . . Munera Waltharius retrahitque redire volentes. so bat
zunächst die Karlsruher und Stuttgarter (und Wiener) hs., nur
dass in der Karlsruher redire ausgefallen ist. dasselbe stand einsl
in der verlornen hs., aus welcher die Geraldusclasse stammt, aus
dieser stammte eine jetzt verlorne hs. , .ms welcher die Inns-
brucker bruchstücke und die Novaleser auszöge Btammen, in
denen retrahitque zu traxitque (nach 31S produxit) geändert,
volentes richtig erhalten ist. dann stammte aus jener vorlag
Geraldusclasse eine andere, jetzt verlorne hs., in welcher relraliit-
que richtig erhalten, aber redire volentes entstell! war; bo komm
es, dass die Rrüssler, Pariser und Hamburger hs. i
retrahitque redire videres bieten; den las auch
Trierer in seiner vorläge und suchte zu emendii
schrieb cunctos retrahique videres. hier kann w
prüfung des sinnes sagen : da ein teil der Geraldus
132 WILHELM MEYER
que, ein andrer teil volentes mit der andern classe gemeinsam
hat, so müssen diese lesarten die alten sein und in der gemein-
samen vorläge beider classen gestanden haben, zugleich können
wir hier auch ahnen, wie viele abschriften wenigstens der Ge-
raldusclasse es einst gegeben hat l.
Strecker sagt s. 358 ungefähr : 'dass Ekkehard würklich so
rücksichtlos verfuhr, wo seine römischen Vorbilder (Virgil, Pru-
dentius) ihm das material boten, ohne bedenken die darstellung,
welche er in seiner (deutschen) vorläge fand , fallen zu lassen
und durch die römische zu ersetzen, das beweist besonders deut-
lich die gastmahlsscene'. aber für die Schilderung des essens
v. 288 — 303 hat Ekkehard nicht nur eine, wie Strecker meinte,
sondern 3 darstellungen von gastmählern bei Virgil und Pru-
dentius vor äugen gehabt und benutzt, das verändert den ganzen
standpunct. Ekkehard war schon dadurch gezwungen, sich in
gehörige entfernung von seinen Vorbildern zu stellen und selb-
ständig zu schaffen, freilich führte den Ekkehard dazu auch der
gegenständ selbst, prunkmahle schildern alle epischen dichter
gern : ich werde öfter erwähnen das mahl Karls d. Gr. und des
papstes Leo im Carmen de Karolo M. et Leone papa a. 799
v. 523 — 532 (Poetae aevi Karolini i s. 379); dann jene bei
Ermoldus Nigellus (a. 826) : das Ludwigs des Frommen für papst
Stephanus (n 231 — 234) und jene für den Dänenkönig Herold
iv 459 — 480 (pruukmahl in der kaiserlichen pfalz) und iv 537 — 553
(nach der jagd, im grünen), man wird in diesen gewis der da-
maligen etiquette entsprechenden Schilderungen dennoch fast
ebenso viele classische reminiscenzen finden, wie bei Ekkehard;
ihnen gesteht man dennoch naturtreue zu : aber Ekkehard 'gibt
ein verfälschtes bild der germanischen heldenzeit'.
Ekkehard hat vor äugen gehabt zunächst die schon von
vielen angeführte Schilderung des pruukmahls, das Dido dem
1 ich darf hier erwähnen, dass PvWinterfeld, welcher im N. archiv
22, 1897, s. 554 — 570 ebenfalls die Karlsruh-Stuttgarter hss.-classe für ver-
trauenswürdiger erklärt hatte, jetzt, nachdem ich ihm diesen widerruf meiner
frühern besondern bevorzugung der Brüssler hs. und die unten folgende
erklärung der stark verschiedenen lesarten in v. 304 mitgeteilt hatte, sich
meiner Wertschätzung der Geraldusclasse angeschlossen hat und in schwanken-
den fällen deren lesarten in den text, die der Karlsruh-Stuttgarter classe in
die noten setzen will.
DER DICHTER DES WALTHARIUS i:;:-,
AeDeas gibt, Aen. i 637 — 642. 697 — 708. dann aber zweitens
AeD. viii 175 — 183 : Aeneas kommt zu EuaniJer, der eben opfert;
nach freudiger begrüfsung wird das unterbrochene opferfest fort-
gesetzt:
175 dapes iubet (Euandrus) et sublata reponi
pocula gramineoque viros locat ipse sedili,
praecipuumque toro et villosi pelle leonis
178 accipit Aenean solioque invitat acerno.
184 Postquam exempta fames et amor compressus edendi.
zum dritten hat Ekkehard vor äugen Prudentius Apotheosis
712 — 716 ff. in der wüste werden 5000 männer, dazu flauen
und kinder, also noch mehr als Wallhers gaste, mit 5 broten
und 2 fischen gespeist:
712 Mxdta virum Strato fervent convivia feno;
centenos simul decubitus iniere sodales,
seque per innumeras infundunt agmina mensas
pisciculis, iam crede deum, saturanda duofais.
719 crudus conviva resudat Congeriem ventris.
die Schilderung des gastmahls der Dido (Aen. i) ist der unsern
gegenüber ein ziemliches durcheinander, zuerst wird der allge-
meine eindruck der festhalle geschildert :
637 At domus interior regali splendida luxu
instruitur, mediisque parant convivia tectis:
639 arte laboratae v est es ostroque superbo,
ingens argen tum mensis caelataque iit auro
641 fortia facta patrum, series longissitna rerum,
per tot dueta viros antiqua ab origine gentis.
dann folgen 53 verse mit andern dingen; daran schliefst
wider 697:
aulaeis iam se regina superbis
aurea composuit sponda mediamque locarit.
die Troer legen sich zu tische (strato super discumbitur ostro):
diener bringen waschwasser, brot \\m\ handlücber (so Senrius;
die folge der diensle sprechen dafür, dass mantelia ^decken' für
die einzelnen tische bedeutet; jedesfalls verstand das Ermoldus
iv 461 mensas . . parant: Candida praeponunt »«
50 dienerinnen ordnen, 10o diener und 100 di< wnd
da , qui dapibus mensas onerent et pocula p0*
auch viele Tyrer , imsi discumbere ton* pictis.
134 WILHELM MEYER
Schilderung des essens zu ende : es sind das nur elemente, nicht
eine Schilderung des eigentlichen Vorgangs.
Ekkehard schildert mit den 3 versen 288 — 290 die Vor-
bereitungen allgemein : Walther verwendete viel geld auf herbei-
zuschaffende speisen und richtete die tafel prächtig her. das
letztere drückt Ekkehard aus durch Luxuria denique residebat
(= war, herschte) in media mensa. heilst das : 'mitten auf der
tafel' oder 'auf der in der mitte stehenden tafel'? das moderne
gefühl spricht zunächst für die erste Übersetzung; allein hier ist
Virgil benützt, schon die Wörter instruxit und Luxuria erinnern
an die virgilischen luxu instruitur, dann ist in media mensa dem
virgilischen mediis parant convivia tectis nachgebildet; ebenso
speisen Karl d. Gr. und papst Leo (v. 527) medio celebrant con-
vivia tecto. Walther lud ja alle männer der residenz ein (278
regem, reginam, satrapas, duces famulosque), um sicher fliehen zu
können ; diese masse brauchte viele tafeln : aber in der mitte der
halle stand die haupttafel, an welcher der könig speisen sollte;
diese prunktafel meint Ekkehard auch im folgenden, wo er von
mensa spricht.
V. 291 — 293 : die feierlichkeit beginnt mit dem eintritt des
königs in die halle, welche rings mit teppichen behängt ist;
Walther begrüfst den könig und führt ihn zu dem mit seide und
purpur geschmückten ehrensitz. die virgilischen vestes arte la-
boratae ostroque superbo können alle möglichen decken sein : für
unsern dichter der Karolingerzeit waren die Wandteppiche so
sehr hauptsache, dass nicht nur Ekkehard sie an die stelle jener
vestes setzte (aulam velis undique saeptam) , sondern schon das
gedieht von Karl und Leo v. 524 Clara intus pictis conlucet vesti-
bus aula. v. 292 solilo quem more salutans der Geraldushss.
(nach Aen. vu 357 solito de more) ist natürlich richtig; wie sehr
falsche theorie den geschmack verderben kann, sieht man daraus,
dass die herausgeber die lesart der Karlsruher, Stuttgarter und
Wiener hs. solito quem corde salutans iu den text setzten. v. 293
den groben fehler solium quem, der in den meisten hss. der
beiden classen steht, muss man mit Winterfeld für all ansehen
und dem Ekkehard zurechnen; fast muss man sich wundern,
dass nur in der Innsbrucker, der ßrüssler und Wiener hs. das
richtige quod herein corrigiert ist. Strecker (s. 359) meint,
Attila nehme den ehrenplatz ein, wie Dido bei Virgil v. 698.
DER DICHTER DES WALTHAR1ÜS
eigentlich versteht sich das doch von selbst : wenn aber ein Vor-
bild sein muss, dann ist es Virgil Aen. vm 177, dh. die art,
wie Euauder, wo alle andern auf dem rasen sitzen müssen,
praecipuum Aenean toro et pelle villosi leonis Accipit solioque in-
vitat acerno.
Die 3 verse 294 — 296 schildern, wie platz genommen wird.
Attila setzt sich (consedit) und lässt zu seiner rechten und linken
je einen general sich setzen (assedisse iubet). die distributivzahl
binos ist, wie im mittelaller und im Waltharius (zb. v. 265. 695)
so oft, gleich der cardinalzahl duos. der künig wählt sich selbst
seine tischgenossen; das technische lateinische wort bierfür scheint
rubere gewesen zu sein, das zeigen die beiden auch sonst be-
lehrenden stellen des Ermoldus : einmal iv 473, wo Ludwig der
Fromme im prunksaal
Discubuit laetus, lateri Judith quoque pulcra
iussa, sed et regis basiat ore genu.
Hlutarius Caesar nee non Heroldus et hospes
parte sua resident, rege iubente, thoro.
hier ist natürlich zu schreiben lateri Judith quoque pulcra iussa
sedet regis, basiat ore genu; dann iv 537, wo beim jagdessen im
grünen die kaiserin Judith
Atque pio regi viridanti ruris in herba
ipsa sedile parat, ordinat atque dapes.
Mox manibus lotis Caesar seu pulcra iugalis
aurato ecce thoro diseubuere simul.
Hlutharius pulcher, Heroldus et hospes amatus
aecumbunt mensae, rege iubente pio;
cetera gramineo residet nam rure iuventus.
was diseubuere und aecumbunt bei demj essen im grünen be-
deuten, will ich nicht erörtern : aber dass die fürstlichkeiten beim
mahle im kaisersaale geseseen sind, dass also n 173 '
nur heifst 'er nahm platz an der tafel', das ist für Karolinger
an und für sich selbstversändlich und beweisen auch die Wörter
sedet und resident, bei Ermoldus sitzen beide male mindi
4 personen au der kaisertafel. bei Ekkehard muss doch Bioher
auch Walther beim könige und den 2 generalen
auch hier ist keine rede davon, dass jeder mann
dern tisch habe; wo Hiltgund, die königin und die a
damen bleiben, wird nicht gesagt.
136 WILHELM MEYER
Walther hat den könig an seinen platz gebracht : v. 295
reliquos locat ipse minister kann da nur heifsen 'den
übrigen weist der (dazu bestimmte) diener ihre platze an', während
man gewöhnlich erklärt 'den übrigen wies ihre platze Walt her'.
minister bedeutet dem Ekkehard auch sonst den würklichen diener
(v. 215. 365. 409); ipse hat hier, wie oft in diesem gedieht,
kein gewicht, die phrase locat ipse ist aus dem oben gedruckten
verse des Virgil vm 176 genommen, wo auch der ehrensitz des
Aeneas geschildert ist.
Die platze dieser reliqui sind nun geschildert mit v. 296
Centenos simul decubitus iniere sodales. nicht nur hat
Scheffel das übersetzt 'auf hundert polstern rings die Hunnen
lagen gestreckt', sondern fast alle sind durch das decubitus zu
ähnlichen erklärungen geführt worden, ich war stets überzeugt,
Ekkehard könne die krieger nicht bei tische liegend schildern,
am allerwenigsten da, wo der könig und die vornehmsten sitzen:
allein ich fand keinen weg zu dieser erklärung. endlich sah ich,
dass dieser ganze vers aus Prudentius Apotheosis 713 ab-
geschrieben ist. was wollte Prudentius damit sagen? die
speisung der über 5000 menschen in der wüste ist mit folgendem
zuge ausgestattet bei Marcus vi 40 : et diseubuerunt in partes per
centenos et quiyiquagenos und bei Lucas ix 14 : facite Mos discum-
bere per convivid quinqudgenos. ' decubitus' ist ein spätes und
seltenes wort; in der Vulgata findet es sich 3 male, darunter
Tobias 2, 3 exsiliens de deeubitu suo reliquit prdndium, und Lu-
cas 14, 7 von den gasten, welche ehrenplätze erstreben: inten-
dens, quomodo primos decubitus eligerent : also 'platz' bei tisch,
bei Prudentius muss centenos distributiv sein : also will Pruden-
tius sagen 'je 100 platze zusammen nahmen die genossen ein =
sie bildeten tischgesellschaften zu je 100 platzen'. für Ekke-
hard kann centenos = 'centum' sein, da nun nicht einzusehen
ist, weshalb bei Walthers mahl je hundert beisammen sitzen
sollen, so ist wol die andere erklärung vorzuziehen, 'die reliqui,
denen der diener die platze anwies, waren so viele, dass sie
100 tischgesellschaften bildeten, dh. dass sie 100 tafeln be-
setzten.' hier hat die runde zahl '100' einen sinn. so haben
wir die grofse menge, die Walther laden muste (v. 358 urbis qo-
pulus), gut verteilt, in der mitte der grofsen halle seines hauses
(nicht der königsburg, wie vWinterfeld nach seiner Übersetzung
DER DICHTER DES WALTIIARIUS i:;7
von v. 322 und 358 — urbis populusl — zu versteh n scheint)
hatte Walther für den könig und die vornehmsten die prunktafel
bereitet, die andern gaste safsen an wol 100 tafeln, welche deo
übrigen räum füllten.
Die folgeuden 6 verse 297—302 schildern das essen und
trinken selbst, der v. 297 Diversasque dapes libans con-
viva resudat ist gebildet nach dem essen der grabesschlange
Aen. v 92 libavitque dapes und nach dem übermässigen essen der
gaste Christi in der wüste bei Prudentius Apoth. 719 crwhu
conviva resudat congeriem ventris. den v. 300 Aurea bissiua
tantum stant gausape vasa, in welchem vielleicht speeialisiert
widerklingt Aen. i 640 ingens argentum mensis caelataque in auro
fortia facta patrum, wird wol niemand sonst mit PvWinterfeld
übersetzen 'von goldenen tellern afsen die gaste'; auch Ermol-
dus iv 464 Aurea per discum vasa sedere vides ist gewis nur
zu verstehn mit dem Carmen de Karolo et Leone v. 528 aurea
namque tument per mensas vasa Falemo%. die erwähnung
der weingefäfse ist die naturgemäfse eiuleitung zur Schilderung
des vorhandenen weins in den mit et angefügten folgenden \n-
sen 301/2 et pigmentatus crateres Bacchus adornat;
illicü ad haustum species dulcedoque potus.
über den wilrzwein ist aufser den von mir früher mitgeteilten
stellen noch Dümmler in Mitteilungen d. antiqn. gesellschaft in
Zürich vii s. 257 zu vergleichen, diese 3 verse 300—302 han-
deln sicher vom trinken, von den 3 vorangehnden versen ban-
deln die 2 ersten (der oben mitgeteilte v. 297 und der folgende
298 hü et sublatis aliae referuntur edendae) sicher von den speisen :
also naturgemafs auch der mit atque angeschlossene v. 299 atque
exquisitum fervebat migma per aurum.
Was bedeutet nun migma? sicher kein getränk, wir meih,
gliihwein usw. wol gab es bei gastniahlern multimodum menun
(Ermoldus iv 458), allein Ekkehard ist kein s<» confuser scbilderer,
dass er sich folgen lassen konnte: 'es gab speisen in mrn.
dampfenden glühwein. da standen lauter goldene w
und würzwein in fülle.' die letzten '.\ ferse mit-
trinken, die ersten 3 auf die speisen beziehen.
bei speisen ein raffiniertes migma sein, .1..- io
1 sollte würklich va» bei VirgiJ, Ovid und Lui
kommen? das würde ein charakteristicuoi füi den gel i
138 WILHELM MEYER
dampft? ich finde noch heule, wie vor 25 jähren, nichts passen-
deres als 'sauce.' für 'gemüse' ist das wort migma und sind die
beiwörter exquisitum und fervebat unpassend, für 'sauce' passen
sie gut. schon das kochbuch des Apicius hat eine menge re-
cepte für im, darunter viele für iura ferventia; von diesen
schliefsen viele mit et perfundes, aber doch manche mit et inferes,
dh. diese saucen werden separat aufgetragen, ich werde eine
andere erklärung gern annehmen, allein sie muss besser sein als
die meine; die bisher vorgebrachten sind das nicht.
Werfen wir nun eineu blick auf Ekkehards ganze Schilde-
rung des essens. die 3 verse 288 — 290 schildern die zurüstungen
im allgemeinen, die folgenden 3 verse 291 — 293 Attilas empfang
und die nächsten 3 verse 294 — 296, wie die gaste sich zu tische
setzen, jetzt wird in 3 versen 297 — 299 das essen und wider
in 3 versen 300 — 302 das trinken während des essens geschildert,
der einzelne vers 303 Waltharms cunclos ad vihum hortatur et
escam (auch 389 potum fastidit et escam, nicht escas) schliefst
die ganze Schilderung gut ab.
Diese Schilderung ist durchaus sachgemäfs und ebenso ver-
ständig angelegt als anschaulich ausgeführt. Ekkehard hat dabei
drei verschiedene römische Schilderungen von gastmählern im
sinne gehabt und hat aus ihnen ausdrücke, ja sogar einen ganzen
vers entlehnt, allein nicht einmal einen bedeutenden zug, ge-
schweige denn die ganze anläge seiuer Schilderung hat er jenen
vorlagen entlehnt: seine Schilderung ist jenen 3 römischen Schil-
derungen gegenüber durchaus unabhängig und selbständig, aber
vielleicht hat Ekkehard nur genau übersetzt? da seine vorläge,
eine ältere deutsche dichtung, natürlich nichts von jenen
lateinischen gastmahlschilderungen gewusst haben kann, so müste
Ekkehard, um jene wenigen verse zu übersetzen, sich zunächst
3 hexametrische Schilderungen von gastmählern aufgesucht und
aus diesen und andern fundgruben sich ausdrücke zusammen
geholt haben, eineu beweis hierfür giebt es ebensowenig als
einen vernünftigen grund.
Ekkehards quelle meldete, Walther machte die Hunnen in
Attilas resideuz bei einem gastmahl alle betrunken, dann entfloh
er. die phantasie des Ekkehard gestaltete die Schilderung eines
solchen essens nach den sitten seiner zeit; um diese Vorstellungen
in lateinische hexameter zu bringen, durchlief Ekkehard die ihm
DER DICHTER DES WALTHARIUS 139
bekannten hexametrischen Schilderungen ähnlicher scenen: allein
er entnahm ihnen nur sprachliche Wendungen, keinen gedanken.
sowol der deutschen wie der lateinischen vorläge gegenüber
bleibt Ekkehard selbständig : die Schilderung des essens hat er
selbst geschaffen.
IV (Das trinkgelag v. 304 — 323). bei solchen essen
giengs natürlich verschieden zu. das gewöhnliche mittagsessen
Karls des grossen schildert launig Theodulf ('ad Karolum regem',
Poetae aevi Karolini i s. 488): gegen ende des essens stehn da
sogar manche; dann wird die tafel aufgehoben; die meisten gehn
scherzend zusammen in den garten, einige bequeme bleiben im
saal, um das boshafte gedieht Theodulfs vorlesen zu hören. Er-
moldus Nigellus schildert 2 mahlzeiten Ludwigs des Frommen 826:
ein prunkmahl im kaisersaale (iv 457) und ein jagdessen, ein
laubhüttenfest (iv 537): natürlich geht es dabei fast ebenso fromm
zu, wie bei den festmahlen zu ehren eines papstes (Carmen de
Karolo Magno, Poetae i s. 379 v. 523, und Ermoldus n 231).
man wird es aber auch ohne gelehrte belege aus Priskos und sonst-
woher glauben, dass die alten Deutschen auch trinkgelage ab-
hielten, bei denen das trinken die hauptsache war und wobei
gewisse natürliche formen beobachtet wurden, zb. dass die ge-
nossen einander zutranken und dass der vornehmste damit den
anfang machte, ein solches trinkgelag schloss sich natürlich
immer an ein essen an. auch sonst und in einfachen lallen blieb
man nach der arheit des essens noch etwas beisammen sitzen
zum plaudern und trank ein glas wein dazu (so zk im Ruodlieb
vii 19 beim bauern und xi 27 u. xiu 107 bei edelleuten): bei be-
sonderen gelegenheiten trat an dessen stelle d;i> trinkgelag.
natürlich wurden nun nach dem ende des essens die leller und
platten mit den Speiseresten und auch die meisten tafeln weg
genommen, und, damit das leichter gehe, erhob sich vorher die
ganze tiscbgesellschaft. das war auch der natürliche zeitpunet,
dass die damen sich entfernten1, so geht es auch bei Ekkehard,
1 so erklärt sich 2S4 Cum retiqtri turgant = omnet r
Hiltgund; icli hatte einmal an reliquae gedacht). -
Ekkehard nicht angedeutet, wo die königin und die andern !
wenn man sieht, wie genau Ermoldus notiert, da«
sich sitzen liefs, wie aber hier v. 295 von der könig
so möchte man fast meinen, die damen seien abseits gesessen.
140 WILHELM MEYER
dem das trinkgelag ja ein hauptmiüel zu seinem zwecke ist.
nachdem die tafel aufgehoben ist1, wendet sich Wallher an Attila
'er möge zunächst sich, weiterhin (tunc ist allein richtig) den
anderen eine frohe stunde bereiten': womit, das zeigt das wort
laetificare (Vulgata: vinum laetificat deum. et homines und vinum
laetificat cor hominis, Ermoldus iv 553 laetificat pectora Bachus),
noch deutlicher der becher mit wein, den Walther dem Attila
überreicht. Attila trinkt ihn leer und fordert die anderen alle auf,
desgleichen zu tun. ob der königsbecher kreiste, wird nicht deut-
lich gesagt: jedesfalls gesellten sich viele andere pocula dazu,
welche immer zu füllen die diener rannten. Walther und Attila
muntern die zechgenossen immerfort zu neuem trinken auf; die
beabsichtigte würkung tritt ein: alle liegen bald wie tot in den
sälen umher auf dem boden2.
Von dieser fast 20 hexameter langen Schilderung ist fast
kein ausdruck aus Virgil genommen, doch den inhalt derselben
sucht Strecker mit Aen. i 723 — 749 in Verbindung zu bringen,
zunächst soll die Schilderung des napfes: 308 nappam dedit arte
peractam Ordine sculpturae referentem gesta priorum nachgemacht
1 die Geraldusclasse der hss. (die Brüssler, Pariser, Trierer, die Nova-
leser chronik und die Engelberger hs.) bezeichnet diesen Übergang mit v. 304,
der aus der benützten stelle Aen. vm 184 gebildet ist:
Postquam epulis depulsa fames sublataque mensa.
ein abschreiber fand von dem üppigen essen, wo die gaste von den vielen
speisen schwitzten, den ausdruck depulsa fames zu kahl, er erinnerte sich,
dass der geliebte Virgil für diesen Vorgang eine geeignetere vorläge biete,
Aen. i 723 Postquam prima qtiies epulis mensaeque remotae,
also machte er daraus:
Postquam epulis adsumpta quies mensaeque remotae.
das stand in der hs., aus welcher die Karlsruh-Stuttgarter hss.-classe stammt;
dann wurde verschrieben Postque epulis absumpta quies, was die Karlsruher
und die Stuttgarter hss. bieten, und dieser Schreibfehler wurde gewant ver-
bessert, wider nach Virgil, in der Wiener hs. zu Postque eptdas assumpta
quies. dies ist eine natürliche entwicklung, wie jetzt auch Paul vWinter-
feld mir zugesteht, der im N. archiv 22, 1897, s. 563 die lesart der Geraldus-
classe für interpoliert angesehen hatte.
2 Ekkehard malt die trunkenheit 316 und 317 : mächtige mäuner
schwanken und sonst beredte stammeln; balbuttit madido facundia fusa
palato : das palatum ist ein Sprechwerkzeug; da es aber zu sehr befeuchtet
ist, so werden die damit hervorgebrachten laute (facundia fusa) zum
stammeln : also nicht, wie Althof unschön und falsch übersetzt : 'und es
stammelt das breite geschwätz mit triefendem munde'.
DER DICHTER DES WALTHAR1ÜS m
sein den versen, mit welchen Virgil i 640 gleich im anfan
pracht in der festhalle geschildert hat ingens argentum m
caelataque in auro fortia facta patrum. die beiden Bleuen bat
schon Zappert (Wiener denkschriften n 1851 s. 54) zusammen«
gestellt, dass Ekkehard für diese schale aus v. 641 facta patrum
die gesta priorum bezogen hat, ist möglich; doch Bind Bolcbe kunst-
reichen hecher nicht so selten, wie man sagt; vgl. zl>. den ge-
schnitzten hecher des bauern im Ruodlieh (mit einer band und
den 4 paradiesströmen) und im ganzen das antike gefaTs, aul
dessen sculpturen Theodulf ('Contra iudices' 179 — 202) Ober
20 hexameler verwendet.
Doch diese nachahmung betrifft jedesfalls nur eine oeben-
sache. wichtiger ist, was Strecker s. 359 behauptet: 'in der
Schilderung des trinkgelages ist Aen. i 72811" nicht ungeschickt
umgearbeitet', betrachten wir, was bei Virgil dem essen folgt :
als das essen beendet und die tische weggeräumt waren, wurden
die weingefäfse aufgestellt und die hängeleuchter angezündet, die
künigin ergrilV eine goldene, mit edelsteinen besetzte schale,
brachte den trinkspruch aus, dies fest müge freudig verlaufen,
spendete den gottern, nippte an der schale, gab sie dann mit
zuruf dem Bitias, der kräftig daraus trank; ihn» folgten die andern
edeln. dann singt der Sänger von der Schöpfung und alle
klatschen beifall. Dido spricht mit Aeneas; zuletzt bis lief in
die nacht hinein gibt er von seinen Schicksalen einen beruht.
der das 2 und 3 buch füllt. was kann Ekkehard bier aus
Virgil entlehnt haben?: dass der angesehenste vm trinkt und die
andern folgen, wenn Ekkehard so umzuarbeiten verstand, dann
war er nicht nur 'nicht ungeschickt', sondern ein meister; allein
welcher dichter des 8 — 10 jhs., der dies trinkgelag schildern
wollte, hätte nicht den Attila dasselbe mit zutrinken eröffnen
lassen? gut, sagt die andere partei, in der ganzen Bchilderung
des trinkgelags ist allerdings last nichts aus Virgil entlehnt:
'aber wo wir enllehnungeu nicht nachweisen können,
der dichter sich enger an seine vorläge gebalten haben'
wurde früher dem dichter Ekkehard sein lob eot*
der Scylla Virgil oder von der Charybdis, der deol
läge, weggerissen; allein jetzt sind wir Vfe
kommen, dass man das Dicht mehr hin darf, ODDi
walt anzutun.
142 WILHELM MEYER
Betrachten wir die drei oder vier besprochenen stücke, die
Schilderungen der reiterschlacht und des essens siud so stark
durchsetzt mit phrasen und kleinen zügen aus Virgil und aus
Prudentius, dass man allerdings wie Strecker s. 339 sagen muss:
'es ist undenkbar, dass Ekkehards Stoff (dh. die von ihm be-
nutzte vorläge) eine so ins einzelne gelinde ähnlichkeit mit
Virgil gehabt habe.' bei der reiterschlacht hat, wie ich glaube,
Ekkehard ein höheres ziel, die Schilderung einer Ungarnschlacht
verfolgt: jedenfalls hat er ein vortreffliches und durchaus zum
übrigen gedieht stimmendes ganze geschaffen, die Schilderung
des essens ist ebenfalls trefflich und des übrigen gedichtes voll-
kommen würdig, hier also ist Ekkehard schaffender dichter und
zeigt dabei dieselbe kunst, welche das ganze gedieht zeigt.
Die beiden andern scenen, das gespräch der beiden verlobten
und das trinkgelag, sind nicht nach Virgil und Prudentius ge-
arbeitet : von ihnen behauptet man nun, sie seien nur von Ekke-
hard aus seiner vorläge in lateinische hexameter umgearbeitet,
als grund für diese behauptung wüste man früher nur zu sagen
'ein so jugendlicher dichter kann nicht so vortreffliches geschaffen
haben.' dieser grund ist jetzt hinfällig geworden; denn wenn
Ekkehard die Schilderung der reiterschlacht und des essens dichten
konnte, so konnte er auch das Zwiegespräch und das trinkgelage
so schildern, wie wir es lesen, was für ein dichten aber wäre
das gewesen? : v. 170 — 214 erfindet Ekkehard, v. 215 — 287 über-
setzt er; das erste stück des gastmahls v. 289 — 304 erfindet er,
das zweite v. 305 — 323 übersetzt er. das ist geschmacklos,
wenn aber würklich so etwas geschehen wäre, wie kommt es,
dass das gedieht so aus 6inem gusse vor uns steht? ich spreche
nicht von der gleichheit des ausdrucks, sondern von den eigen-
schaften, den milteln und kunstgriffen des dichters. wie kommt
es endlich, dass in dem langen gedieht sich durchaus kein zug
erhalten hat, der in die zelten vor Karl dem Grofsen gehören
müste? wenn Ekkehard nur ein älteres deutsches gedieht in la-
teinische hexameter umsetzte, so müste er, um die deutschen
volkstümlichen züge alle so auszumerzen, sein deutschtum ebenso
gehasst haben, als er es, aus der wah,Mes Stoffes und der liebe-
vollen ausmalung etlicher scenen zu scl[iliefsen , offenbar geliebt
hat. sogar in der Schilderung des feldztfges Attilas sind für die
gebenden vom Rhein bis Südfrankreich die Völker eingesetzt,
DER DICHTER DES WALTHARIUS 143
Franken, Rurgunder, Aquitaner, welche in der Karolingerzeit
da wohnten.
Wir dürfen also nicht nur, sondern wir müssen bis zur auf-
findung tüchtiger gegenbeweise annehmen, dass der lateinische
Waltharius von Ekkeliard entworfen und ausgeführt ist. der
stoff, den er hörte oder las, entzündete seinen dichtergeist und
er versuchte es, diesen stoff zu formen, dass ihm das so trefflich
gelang, ist merkwürdig, aber doch nicht so auffallend, wie man
oft meint, das untergehende altertum übte die poetische er-
zählung, und die deutschen stamme, welche in der zeit der Völker-
wanderung und nachher Europa durchzogen, welch andere dich-
tungen kannten sie, als jene, in welchen dazu geschickte und
wol geübte mäoner ernste oder heitere vorfalle, zumeist aus der
geschichte des eigenen Stammes, erzählten? so war bei den Angel-
sachsen wie bei den Deutschen die kunst, in versen zu erzählen,
weit ausgebildet, die bekanntschaft mit Virgil, Sedulius, Venautius
Fortunatus befruchtete und erweiterte diese einheimischeerzähhin^s-
kunst. so entstanden jene historischen lieder, welche
durchaus nicht einfach erzählen, sondern mit grofser kunst an-
gelegt sind, deren ältestes, das lied eines schlichten geistlichen
vom sieg Pippins über die Avaren (a. 796, Poetae aevi Karoliui i
116), auch das beste ist; der lateinische ausdruck ist recht uu-
gewant, aber der epischdramatische aufbau ist ganz vortrefflich;
um das zu erkennen, muss man freilich erst wissen, dass
gedieht in gruppen zu je 3 Strophen, welche gruppen wahr-
scheinlich auch durch die melodie markiert waren, aufgebaut ist.
der mündliche Vortrag zerlegte zu allen /eilen einerseits die
dichtungen in gröfsere abschnitte, so weit eben in einem laufe
die stimme des vortragenden und die Spannkraft der hörenden
reichte (die alte romanische dichtung hat diese abschnitte, die
tiraden, durch den gleichen reim deutlich gekennzeichnet); an-
derseits forderte und forderte die lebendige declaraation ganz be-
sonders die dramatische ausgestallung der dichtungen. so wurd<
die trockene erzähluug der buchepen verdrängt und an
stelle traten die oben (s. 115) gerühmten epischdram
scenen.
So wird man sich über das bruchstück De B
Leone papa (a. 799) und über den Waltharius ale
liehe kunslwerke freuen, aber unbegreiflich wird mai
144 WILHELM MEYER
die damalige zeit nicht nennen können, es war eine glückliche
fügung, dass ein so begabter dichter, wie Ekkehard , diese aus-
gebildete erzählerkunst benutzte zur darstellung der geschichte
des Walther.
Doch, hat Ekkehard sein lob glücklich durch die Charybdis
gerettet, so bedroht dasselbe die Scylla, die nachahmung der rö-
mischen dichter, sie hat 2 köpfe : Ekkehard soll den wert seiner
dichtuug dadurch geschädigt haben, dass er jenen römischen Vor-
bildern entweder ganze scenen und Situationen oder eine grofse
menge von ausdrücken und phrasen entlehnt hat. zum glücke
brauchen wir hier nicht die schwierige frage der nachahmung
zu erörtern, wenn die griechischen tragödien- wie komödien-
dichter nicht wetteifernd die gleichen Stoffe, charaktertypen und
Situationen bearbeitet hätten, so hätte das griechische drama sich
nicht so schnell und so allseitig entwickelt; und ohne nach-
ahmung, wie stünde es mit der kunst aller zeiten? bei Ekkehard
ligt die sache klar; wir haben ja die von ihm benutzten römischen
Vorbilder, Virgil und Prudentius. man vergleiche die virgilsche
reiterschlacht und die 3 Schilderungen von gastmählern mit den
Schilderungen des Ekkehard, man wird dieselbe Selbständigkeit
und dieselbe kunst des dichters bewundern, wie in den scenen,
zu denen er keine römischen Vorbilder benutzt hat. natürlich
mag Ekkehard die erste anregung, in diese oder jene scene seinen
stoff zu giefsen, aus Virgil oder aus Prudentius empfangen
haben : allein das hat nichts zu tun mit der Originalität seiner
dichtung.
Die einzelnen ausdrücke, deren wir uns bedienen, haben
doch auch wir uns an- und zusammengelernt, bei Ekkehard
und seinen Zeitgenossen war das erlernen der nötigen lateinischen
ausdrücke kindlicher : die Vulgata und Virgil waren der grund-
stock; dazu kam bei Ekkehard die Psychomachia des Prudentius.
gefährlich waren die seltenen und bildlichen ausdrücke; da be-
gegneten leicht böse misverständnisse. so hat der vortreffliche
dichter De Karolo M. et Leone papa, durch den virgilischen vers
Sola Sophocko tua carmina digna cothurno verleitet, die zur jagd
reitende tochter Karls des Grofseu also beschuht Clara Sophocleo-
que ornatur virgo coturno. so böse misverständnisse sind dem
Ekkehard nicht nachzuweisen, trotzdem er viele seltenere ausdrücke
herübergenommen, ja manchem bildlichen ausdrucke ein neues
DER DICHTER DES WALTIIARIUS 145
gepräge gegeben hat1, hätte Ekkehard das gedieht in deutscher
spräche geschrieben, so würde natürlich jetzt die deutsche grammatik
und die deutsche wortkunde dabei gut fahren, allein der Inhalt wäre
der gleiche geworden und die form vielleicht kunstloser, eine
spräche zu einer litteratursprache auszubilden, ist ein schweres
stück : die kunstreich entworfenen und ausgebauten reden, ge-
schichtswerke und dichtungen, die fremdartigen und doch packen-
den gedanken der lateinischen litteratur, die wolklingenden und
prächtigen ausdrücke der lateinischen spräche haben auch die
deutschen stamme, besonders in der Karolinger- und Ottoneuzeit,
in eine zucht genommen, deren segen jetzt gewöhnlich vergessen
oder unterschätzi wird. Alcuin, Theodulf und der dichter de
Karolo M. et Leone papa haben auch nur mit erlernten römischen
phrasen gearbeitet : ihre Schilderungen Karls d. Gr. und seines
hofes werden deshalb von niemandem für gefälscht erklärt, wes-
halb sollten die gedanken , welche Ekkehard sich gemacht hatte
zur ausmalung seines Stoffes, bei der einkleidung in römische
ausdrücke undeutsch geworden sein? vielmehr ist Ekkehards
dichtung weder durch die nachahmung von Situationen noch durch
1 dabei hat Ekkehard gewis nicht solche geschmacklosigkeiten be-
gangen, wie man sie ihm zb. in v. 397 mit in urbem zutraut, das heilst
einmal 'stadt', nicht 'bürg', nicht 'palast*. bei der Schilderung des Unge-
heuern ärgers (nicht 'katzenjammers') benützt allerdings Ekkehard phrasen
aus Aen. vin 19—30 und besonders aus 19—21, wo geschildert wird, wie
Aeneas, gegen den ganz Italien in waffen tritt, von sorgen erliillt am Hber-
ufer schwer den schlaf findet, die Situationen sind verschieden genug, so-
dass wol niemand behaupten wird, dadurch sei Ekkehard zu seinem prich-
tigen und reichen gemälde angeregt worden, zu diesem gemilde brauchte
Ekkehard auch die Schlaflosigkeit; dazu genügt«- il licht Aen. mm 30
seramque dedit per membra quietem; aber diese phrase erinnerte ihn an
eine ähnliche Aen. iv 5 nee placidam membri» dal cum quietem
streckte er dann (etwas unpassend) mit potuit zu
membris potuit dare cura quietem. wegen dieses einzigen rerset
anfang des iv buches folgert min Strecker (8 >), die ""
des iv buches geschilderte liebesmial der Dido Bei ebenfalls dem Bfc
vorbild gewesen für die Schilderung de- Srgers des «Utile; und, weil
60 verse später die Dido, welche natürlich mit ihrem \
sammen sein will, mit ihm tota vagatur per urbem, des
bei der Schilderung des AttiU«, der schlaflos in seinem grimm ■
aufspringt, richtig sein : v. 391 demum turgeru dücurrü in url
torum veniens simul attigit atque reliqutt. damit discreditiert d
brauchbare melhode.
Z. F. D. A. XLI1I. N. F. XXXI.
146 WILHELM MEYER DER DICHTER DES WALTHARIUS
die Verwendung von ausdrücken des Virgil oder Prudentius irgend-
wie romanisiert oder in ihrem dichterischen oder ursprünglichen
wesen und werte beeinträchtigt worden.
Strecker schliefst, 'leider werde das resultat seiner arbeit
nicht angefochten werden können, dass der Waltharius uns in
mancher beziehung ein verfälschtes bild der germanischen helden-
zeit gebe', wol mag nach meinen ausfuhrungen die germanische
altertumskunde es ganz aufgeben, aus dem lateinischen Waltharius
ein supplementum zu den nachrichten des Caesar und Tacitus
zu schöpfen : allein wir gewinnen etwas wichtigeres, die persön-
lichkeit eines wahren dichters, auf den wir stolz sein dürfen.
Göttingen, 14 febr. 1899. WILHELM MEYER (aus Speyer).
ALTVILE IM SACHSENSPIEGEL.
So lange als für dieses vielbesprochene wort noch keine
einigermafsen sichere deutung gefunden worden ist, mag es nicht
für unangemessen gehalten werden, noch einen Vorschlag zu
machen, der freilich auf Sicherheit keinen anspruch erhebt,
aber mir doch ebenso viel Wahrscheinlichkeit für sich zu be-
sitzen scheint, wie irgend einer der vorherigen erklärungsver-
suche, und der vielleicht zur endgiltigen lösung des problems
einen beitrag liefern könnte.
Ich möchte nämlich auf die ähulichkeit in form und be-
deutung aufmerksam machen , die zwischen altvile (var. aluile)
und mlat. alphilus, alphinus Mäufer im Schachspiele', afrz.
aufin dass., aber auch 'tor, narr', me. alfine 'bishop at chess,
fool, homo fatuus' bei genauer Untersuchung sich herausstellt,
die durch mlat. alphilus, alphinus bezeichnete Schachfigur, be-
kanntlich ursprünglich (uzw. im Orient) ein elefant, wurde im
abendlande vielen umdeutungen und Veränderungen unterworfen,
in Deutschland, wo das Schachspiel im 12 jh. sicher bekannt war,
wurde der alfil (wahrscheinlich infolge volksetymologischer um-
deutung und Veränderung der ersten silbe al- in *alt-) zum
alten, ein name, der besonders auf md. und nd. gebiet all-
gemein gebräuchlich war. auch in England mag diese umdeutung
der ersten silbe {al- in *ald-) stattgefunden haben, denn um
1180 gebraucht der engländer Alexander Neckam den ausdruck
'senex' für die betreffende figur, die auch in einem zeitgenössischen
Oxforder codex calvus genannt wird, s. vdLinde Quellenstudien
BJÖRKMAN ALTVILE IM SACHSENSPIEGEL 1 17
z. gesch. des Schachspiels (Berlin 1881) s. 681V. — ich gl»ube
also, dass wir aus diesen umständen ein volksetymologisch um-
standenes deutsch-mlat. *altfilus erschliefsen dürfen.
Eine andre Veränderung, der die figur, namentlich in Frank-
reich, unterworfen wurde, war die zum narren, diese Ent-
wicklung lässt sich m. e. durch zwei zusammenwirkende um-
stände erklären, 'die ältesten ahhildungen des 'alfil' in den
schachmss. des 13 und 14 jhs. stellen ihn, auf die Stoßzähne des
(in Europa in Vergessenheit geratenen) elefanlen anspielend, mit
gespaltener spitze dar', s. vdLinde Gesch. u. litt, des Schachspiels
(Berlin 1874) i 146. wie in England aus dieser figur mit ge-
teiltem haupte ein hischof mit mitra wurde, episcopus cornutvs
genannt (vgl. vdLinde aao., Mafsmann Gesch. des miltelalierl.
Schachspiels, Quedliub. und Leipzig 1839, s. 41), so wurde sie in
Frankreich und angrenzenden ländern zum narren, und <!:
spaltene spitze des alfil wurde zur narrenkappe. schon im 13 jh.
heilst die figur istultus saltator' (vgl. Mafsmann aao. s. 40 n.j;
dem afrz. aufin wurde allmählich fou, fol als bezeicbnung der
figur zur seite gestellt, und ufrz. heilst die ßgui le fou. das
wort aufin wurde sogar in dem grade mit fou gleichwertig, dass
es, wie aus dem heispiele hei Godefroy erhellt, 'tor, narr'
ohne directe anspielung auf das Schachspiel bedeuten kennte.
auch das dem frz. entlehnte me. alfine ist in der Bedeutung von
'fool, homo fatuus' in der ersten hälfte des 15 jhs. I
s. Murray NED. s. v. — zu dieser entwieklung des wertes alphinus,
alfin mag jedoch auch ein anderer umstand heigetragen haben, das
altgermanische hat, aller Wahrscheinlichkeit nach, eine würze! *aÄ-
'tor, narr' hesessen *; dass nun die entwieklung von mlat. alplu'lus,
alpfunus zur bedeutung 'narr' und die entwieklung der betreffenden
Schachfigur in der besagten weise hauptsächlich auf romanischem
boden bezeugt ist, kann ja Zufall sein und brauch! Obrigeas bei
dem internationalen charakter des Schachspiels nicht zu befremden;
auch ist die zusammenwürkung germanischen und romanischen
sprachguts zu vergleichen, die sich in frz. feu folh-t als Dachbil-
dung des deutschen elflicht widerspiegelt, vgl. Grimm DMfth.
1 so scheint aus ndl. alf Ten zoot, een «1«
'kindisch, närrisch" usw. bcrvoriogeho, vgLWadstein öppM
nie. alfine Tool' direct aus dem germanischen BlaannworU bersoleiü
es Wadstein aao. tut, erlauben die vorgebrachten tatsachen nicl
148 BJÖRKMAN
n* s. 764. auch hier mag das lateinische vermittelt haben, wie
sich nach dem von Grimm aao. angeführten ignis fatuus vielleicht
vermuten lässt. —
Kehren wir nun von diesem excurse zu altvile zurück, ich
halt es für möglich, dass zur zeit der Überlieferung des Sachsen-
spiegels infolge der popularität des Schachspiels und der darüber
verfassten moralisierenden und allegorisierenden Schriften mlat.
alphilus, bezw. *altfilus in Deutschland geläufige Wörter waren,
in Baiern wurde das Schachspiel aller Wahrscheinlichkeit nach
am frühesten bekannt, und zwar lange vor der zeit Alexander
Ps'eckams, s. vdLinde Gesch. i 143, ii 142 ff, und dadurch lässt
sich vielleicht das Vorhandensein des bairischen eigennamens Alt-
fil, Altvil aus der zeit 1180—90 (s. Höfer Altvile, Halle 1870,
s. 14) erklären, man beachte auch, dass der altvile-\ers der A-
redaction des Sachsenspiegels noch nicht angehört, die möglich-
keit kann zwar nicht verneint werden, dass der betreffende vers
älter sein könnte als die zeit, wo das Schachspiel nach Deutsch-
land kam; was vorher in dem verse gestanden haben mag, ist
aber schwierig zu bestimmen; allerdings müste es ein wort
gewesen sein , welches zur zeit der Überlieferung dem mlat.
worte so ähnlich war in bezug auf form und bedeutung, dass es
ohne weiteres damit identificiert wurde; besonders wahrscheinlich
wäre dieser fall gewesen, wenn das ursprüngliche wort aufser
gebrauch geraten und deshalb ungeläufig war. ich halt es für
nicht unmöglich, dass in diesem falle ein wort da gestanden hatte,
dessen erster teil auf germ. *alb-, dem wol ursprünglich ver-
schiedene bedeutungen zukamen, zurückgieng 1. darauf werden
wir aber später zurückkommen, sehen wir jetzt nach Höfer Altvile
s. 4 ff zu, wie die deutungen, die die alten übersetzerund erklärer dem
worte gaben, zu denen stimmen, die dem mlat. alphilus und dessen
Weiterentwicklungen in den verschiedenen sprachen zukamen.
1) fatuus, sötte etc. stimmt ohne weiteres zur widergabe des
afrz. aufin durch stultus , zu nfrz. le fou als name für dieselbe
Schachfigur und zu me. alfine 'fool\
2) Falls das von Höfer s. 6 erörterte homuncio (= 'parvus
1 die lesarten aluyle, alevile, alwile, die formell mit mlat. alphilus
noch besser übereinstimmen, sind hierbei nicht aufser acht zu lassen, für
das ursprüngliche wort mit *alt- muss natürlich md. oder nd. form ange-
nommen werden.
ALTV1LE IM SACHSENSPIEGEL 149
aut vilis homo') sich würklich auf alt fite bezieht, was freilich
Höfer im gegensatz zu Grimm, Haupt uaa. bezweifelt, so konnte
auf den von Du Cange s. alphinus citierten vers 'sie inter scacchos
alphinus inutilis extat, inter aves bubo' hingewiesen werden.
3) Die deutung 'elbisches wesen', 'neptunius' liefert eine
neue stütze für die annähme, dass in alt fite t uuursprünglich
ist und dass die lesarten ohne t die echtesten sind, weil diese
deutung sich aus solcher form am leichtesten erklärt, freilich
lässt sie sich auch durch umdeutung von alphilns, alfil sehr gut
erklären; falls abfcr der vers älter ist als die aufnähme des mlat.
wortes in Deutschland, könnte man sich denken, dass das wort,
das vorher dagestanden hat und das meiner obigen annahmt'
nach mit *aW- anfing, als 'elbisches wesen' gedeutet wurde oder
aber von vornherein diese bedeutung gehabt hatte, elben und
zwerge werden ja häufig neben einander genannt, und das vor-
kommen von al(t)vile im zusammenbang mit dverge lässt mich
vermuten, dass al(t)vile und dverge hier zwei verschiedene arten
von wechselbälgen bedeutet haben, alles unter der Voraussetzung,
dass der vers alt ist. aus dem schon citierten aufsatze VVadsteins
wird unter berücksichtigung allbekannter mythologischer tatsachen
klar, wie infolge des formellen Zusammenfalls verschiedener urgerm.
Wörter, die 'elbisches wesen, tor' etc. bezeichneten, verscbieclene
eigenschaften den elben und den von ihnen statt der gestohlenen
menschenkinder untergeschobenen wechselbälgen von der volks-
phantasie beigemessen wurden, was wäre dann natürlicher, als
dass man sich den elbischeu wechselbalg als 'toren' wie den
zwergischen als körperlich verkrüppelten menseben dachte ' ?
1 dass die elfen und zwerge der Volksvorstellung nach sogar dasselbe
übel verursachen konnlen, erhellt aus norw. dial. alftkott oder dvergtkott,
'eine art tierkrankheit' (Aasen), wie aus dem von Wadstein aao. B. 1 7 1
angeführten norw. dial. alfskoten gleichbedeutend mit dvergilagen 'lahm,
gefühllos', ich möchte hier auf eine stelle in der me. schrift H a 1 i Meiden-
had aufmerksam machen, die an die bewuste stelle im Sachsenspiegel <
mafsen erinnert, dort kommt nämlich die Zusammenstellung \
und crupel vor (s. 33 in der ausg. von Cockayur E.E.T.S. ivi
seli meiden, beo ße enot ienule ancs <>f wedlac, brn he cttttg
beo he hwuch se he eauer beo; pu most to htm fialden.
spricht afrz. chenrgon 'terme injurieux' (Godefroy) aus mlat eaml
balg-' (Du Cange). cmigitn (urspr. ' wechselbalg 0 in der
mit crupel erinnert an die Zusammenstellung von alivil (vielh
'wechselbalg') mit dverg und kropelkint im Sachsens]
150 BJÖRKMAN ALTVILE IM SACHSENSPIEGEL
4) Erst im 15 jh. wurde das wort nach Hüfer s. 9 als
'zwitter' gedeutet; auch diese deutung hat mlat. alfilus mit ver-
schulden können; bekanntlich wurde die besagte Schachfigur, wie
oben erwähnt, mit gespaltener spitze dargestellt, und dass man
sich im mittelaller die zwitter als zweiköpfig vorstellte, zeigt
Höfer s. 17 ff. — aber auch hier kann die Ursache tiefer liegen,
die elfen stellte man sich nämlich im germ. altertum als zwitter
vor, was sich noch heute in ne. scrat 1) 'zwitter', 2) 'der zwerg-
haft dürftige mensch, knirps' ahnen lässt. dieses scrat ist
lehnwort aus nord. sprachen, vgl. altn. skratti 1) 'wizard', 2) 'water-
sprite'. im altgerm. wurden schratte und zwerge oft zusammen
erwähnt oder sie waren mit zwergen und wol auch mit elfen gleich-
bedeutend, s. Grimm DMyth. i4 s. 396 f. anh. s. 139.
Als hauptergebnis des vorgebrachten darf vielleicht folgendes
gelten, falls der vers, wo altvile vorkommt, ein alter ist, mag
ein wort dagestanden haben, dessen erster teil auf urgerm. *alb-
zurückgieng und das ein durch den einfluss übler geister stumpf-
sinniges oder in andern beziehungen schlecht geratenes kind
(wechselbalg) bedeutete und welches später mit dem in seiner
bedeutung von derselben wurzel *alb- beeinflussten mlat. al-
philus bezw. *aWfilus identificiert wurde, oder ist das wort direct
aus dem mlat. entlehnt, obvvol in seiner bedeutung durch hei-
mische Wörter und Vorstellungen beeinflusst?
Von den früheren deutungsversuchen erwähn ich nur den
von Höfer aao. und den von Zacher bei RSchröder Zschr. f.
rechtsgesch. 22 (Savigny-stiftung 9) s. 55 ff. nach Höfer hat
das wort ursprünglich nur 'alte feile' bedeutet, dagegen lässt
sich vieles einwenden, es sei genug, hervorzuheben, dass diese
etymologie sich nicht mit den deutungen, die man sich im mittel-
alter von dem worte machte, vereinigen lässt, und dass dabei auch
die nicht zu übersehenden lesarten aluyle usw. unerklärt bleiben.
Zacher teilt das wort al-twile ab, was sich schon dadurch als
unzulässig ergibt, dass dann das erste glied al- als völlig unver-
ständlich dasteht.
Göttingen (üpsala). ERIK BJÖRKMAN.
ZUR GESCHICHTE
VON DER 'SÄUGENDEN TOCHTER'.
In der Zs. f. vgl. litteraturgeschichte n. f. 12, 450 ff handelt
GKnaack über die bekannte geschichte von dem braven mädchen,
das seinen vater, nach andrer version seine mutter, im gefängnis
säugte und dadurch vor dem hungertode bewahrte, indem ich
seinem am Schlüsse dieses aufsatzes ausgesprochenen wünsche
nachkomme, weitere parallelen zu dieser so oft widerholten ge-
schichte mitgeteilt zu erhalten, bemerk ich im voraus, dass schon
von verschiedenen andern gelehrten, von Oesterley, Liebrecht,
RKöhler, JBolte uaa. weit mehr litteratur über diesen gegenständ
zusammengetragen worden ist, als in obigem aufsatz von seinem
in der einschlägigen litteratur anscheinend nicht bewanderten
Verfasser.
Die geschichte von der guten tochter ist durch die ganze
prosaische erzählungslitteratur des mittelalters verbreitet, bald in
der version vom vater, bald in der von der mutter der säugenden
auftretend, in den geistlichen exempla-sammlungen wird sie als
leuchtendes beispiel kindlicher liebe oder des mitleids angerührt,
wo eine antike quelle citiert wird, ist es meist Valerius üb. v,
im Libro de los enxemplos 102 (wie ich RKöhler Kleinere Schriften
i 373 entnehme) Solinus (i 124), der auch bei Hondorff benutzt
scheint, die stellen aus dieser litteratur haben Oesterley (Gesta
Romanorum s. 744) und Crane (Jacques de Vitry zu c. 238 ') ge-
sammelt, gleich einer der ältesten Vertreter dieser litteratur-
gattung, Jacques de Vitry (gest. 1240), hat die geschichte in
seinen Sermones vulgares (Exempla ed. Crane c. 238 = Leco]
de la Marche ou L'esprit de nos aieux s. 2371). im 14 jh. erzählt
Johannes Junior in der Scala celi fol. 39 die version von der
mutter als beispiel der 'compassio' aus Valerius. demselben jb.
gehört vielleicht noch der Seelentrost an, ein aus moralischen
erzählungeu bestehendes volkstümliches erbauungsbuch , w
dessen ich auf Geffcken Der bilderkatechismus des 15 jlis. i |
s. 45 und Goedeke Grundriss i2 473 verweise, in der lateinischen
Präfatio wird unter den quellen das Speculum historiale genannt,
doch kann der Verfasser des 'Seelentrostes' die geschichte nicht
1 dazu trägt ESchröder nach Estienne de Besancon dm. 14752 bl. 4
unter 'compassio' (Valerius), clm. 7995 bl. 26^ (geschichte von der
quelle des catalan. Recull de eximplis und des Johannes Junior.
152 KRETSCHMER
aus diesem entnommen haben, da er sie abweichend erzählt
(Kölner hs. des 15 jhs. ed. Pfeiffer in Frommanns Deutschen
mundarten i [1854] s. 218 n. 58; schwed. Själens Trost ed.
Rlemming [Stockholm 1871—73] s. 278f). — im 15 jh. finden
wir die version von der mutter bei dem Basler dominicaner Jo-
hannes Herolt (Discipulus) De tempore et de sanctis, sermo xxiv;
im 16 jh. beide bei Andreas Hondorff, dem pfarrherrn zu
Droyfsig (gest. 1572), in seinem Historienn und exempelbuch ....
nach den heiligen 10 geboten ausgeteilt (Promptuarium exem-
plorum, Lpz. 1572) fol. 165a zum 4 gebot, aus Pero, der tochter
Cimons, ist hier durch misverständnis des accusativs Cirnona bei
Valerius eine Cirnona gemacht, citiert wird für die version von
der mutter auch das Exempelbuch (Exemplorum libri x, Augs-
burg 1518) des Marcus Antonius Sabellicus (1436 — 1506)
m c. 6. — noch im 18 jh. erwähnt Abraham a SClara ver-
mutlich nach alten exempelbüchern, wie er sie benutzte, mit der
formel der präteritio die tochter, welche ihre leibliche mutter
mit eigenen brüsten gesäuget hat (Judas Der ertzschelm, Saltz-
burg 1710, i 120). — noch andre stellen verzeichnet Crane aao.
(ßernardinus deBustis Rosarium 1 142 b ; ScotusMensaphilos.p.116).
Nicht minder häufig ist die geschichte in der profanen er-
zählungslitteratur. die citate aus Vincenz vonBeauvais Spe-
culum doctrinale iv 41, Speculum historiale v 125 hat bereits
RKöhler (Jahrb. f. rom. u. engl. litt, xiv 25 f) beigebracht und
gezeigt, dass die sage aus dieser quelle in den altfranzüsischen
roman vom herzog Girart deRossillon v. 3053 — 3080 über-
gegangen ist, wo sie der herzogin Bertha in den mund gelegt
wird, wenig jünger als die grofse encyclopädie des Vincenz ist
die 'Summa galensis' dh. die Summa collectionum sive commuui-
loquium des franciscaners Johannes Galleusis (oder Wallen-
sis), der um 1260 in Oxford lehrte und ca. 1303 starb (vgl.
Hist. litt, de France xxv 177 ff) : in dieser durch zahlreiche hi-
storien erläuterten moral- und erziehungslehre (gedruckt Augs-
burg 1475) wird ii 2 c. 2 die version von der mutter aus Va-
lerius als beispiel der den eitern schuldigen liebe angeführt.
Jacobus de Cessolis bringt sie in derselben rubrik in seiner
allegorischen auslegung des Schachspiels an, von wo sie in die
deutschen bearbeitungen seines Werkes von Heinrich von
Beringen (ed. Zimmermann v. 31 19 — 3191), Run rat vAmmen-
ZUR GESCHICHTE VON DER SÄUGENDEN TOCHTER 153
hausen (ed. Vetter v. 8423 — 8564), dem Pfarrer zu dem Hecht e
(Zs. 16,248,33 — 250, 10) und meister Stephan (v. 2045— 21 L8)
übergieng. in den Gesta Romanorum kommt die geschichtein der
ältesten datierten hs. von 1342 (ed. Dick, 1890) nicht vor : Oester-
leys ausgäbe hat sie in der Appendix (c. 215), die die in der Ur-
sprache nicht erhaltenen stücke der handschriftlichen recensionen
enthält, der fälschlich unter dem namen des Nicolaus Pergamenus
gehnde Dialogus creaturarum aus dem 14 jh. (ed. Grässe Bibl.
d. litt. ver. 148) erwähnt in c. 94 beide Versionen nach Valerius.
Boccaccio liefs sich die rührende geschichte (version von der
mutter) in seiner historiensammlung De claris mulieribus nicht
entgehn (in der italien. Übersetzung des Apenninigena ed. Man-
zoni, Coli, di opere ined. xxx s. 108 ff n. 63). durch Stain-
höwels deutsche Übersetzung dieses buches von 1473 (ed.
Drescher Bibl. d. litt. ver. 205, c. 64 s. 215) wurde Hans Sachs
mit der erzählung bekannt und verarbeitete sie 1569 zu seinem
gedieht von 'Romana, die seugend dochter' (Hans Sachs ed. Goetze
xxni s. 470). — in Frankreich wurde die geschichte zu einer
1548 in Lyon gedruckten Moralite dramatisiert (Ancien theatre
franeois ed. Viollet le Duc m [1854] s. 171 ff) : lHistoire romaine
d'une femme qui avoit voulu trahir la cite de Romme et commeut
sa fille la nourrist six sepmaines de son lait eu prison'. 1616
spielt ThAgrippa d'Aubign6 in seinem gedieht 'Les tragiques'
Laianne Bibl. Elzev. 45, Paris 1857 s. 17) auf die sage von dem
mädchen, das seinen greisen vater im gefäugnis säugte, an.
Auch in neuere historiensammlungen ist sie aufgenommen,
so in die Eutrapeliarum philologico-historico-ethico-politico-
theologicarum libri in di. 3000 schöner nützlicher .... Historien
(Lpz. 1656) n tausend n. 442, wo es am schluss heifst, dasa
Sibylla Schwärtzin [f 1638], deren 'Deutsche poetische gedichte'
(Danzig 1650) mir nicht zugänglich sind, die geschichte aus dem
holländischen ins hochdeutsche gebracht habe, wovon einige rerse
citiert werden, ferner in die Neue und vermehrte Acerra philo-
logica di. 700 auserlesene nützliche lustige und denckwürdige
historien und discurseu (Stettin 1754), iv hundert o. 7:'. Cimon
und Pera), schon citiert vou Oesterley Gesta Rom. s.
Es kann nicht verwundern, dass eine litlerarisch .*<»
widerholte erzählung auch in die volkstraditioo
dabei wurden namentlich zwei Veränderungen
154 KRETSCHMER
während bei Valer. Max. v 4, 7 die tochter in die kerkerzelle ge-
lassen wird, nachdem sich der gefängniswärter vergewissert, dass
sie keine nahrungsmiltel bei sich trage, stellt sich das volk den
Vorgang oft so vor, dass die tochter dem vater durch ein loch
der gefänguiswand oder durch das eiserne gitter hindurch die
brüst reichte, da dies indessen nicht leicht ausführbar erscheint,
so lässt man das motiv der säugung auch ganz fallen und er-
zählt, die tochter habe dem vater von aufsen durch einen rohr-
halm oder einen schlauch milch als nahrung eingeflöfst (Wossidlo
Mecklenburg. Volksüberlieferungen, i bd. Rätsel, 1897, s. 215.
Jahn Volkssagen aus Pommern n. 669).
Die zweite Veränderung entsprang der neigung des Volkes,
ungewöhnliche und auffällige verwantschaftsverhältnisse zum gegen-
ständ von rätseln zu machen, nun sagt schon Valerius von der
Pero, sie habe ihren vater velut infantem mit der brüst genährt:
die tochter wurde dadurch gleichsam zur mutter ihres vaters.
das hierauf bezügliche rätsei findet sich schon im Strafsburger
rät sei buch von 1505 (ed. Butsch, Strafsburg 1876, s. 28 n. 309):
Durch seulen gesogen ist herren betrogen, des dochter ich was, des
muter bin ich worden, ich hob meiner muter ein schön man ge-
tzogen. ebenso im Neu-vermehrten Rath Büchlein (ganz
neu aufgelegt : s. 1. e. a.) s. 47 n. 51. unbedeutend variiert bei
Simrock Deutsches rätselbuch i 139, citiert von Wilmanns Zs.
13, 495 f, der noch weitere parallelen aus der rätsellitteratur
(Reusner s. 75. 270 und 'Angenehmer Zeitvertreib lustiger gesell-
schaften bestehend in 666 rätzeln', 1748, n. 108) beibringt [ferner
Lauterbachii Aenigmata add. Reusn. aenigm. 1601 p.79, Therander
Aenigmatogr. nr 131 (R.)].
Die in Mecklenburg vorkommenden fassungen des volks-
rätsels hat Wossidlo aao. gesammelt, bemerkenswert ist hier das
misverständnis in den Varianten n. 10 — 12 : der alte anfang Durch
Säulen gesogen wurde umgedeutet zu Durch Sohlen gesogen und
erzählt, die tochter habe den vater mittels einer durch den fufs-
boden gesteckten pfeife ernährt, die andern fassungen haben:
durch Mauern, Felsen oder Bretter. — auch die Ehsten haben
das rätsei, Wiedemanu Aus dem innern und äufsern leben der
Ehsten (Petersburg 1876) s. 279, in der form : 'mein vater war
er, seine mutter wurde ich; das kind, das ich säugte, war meiner
mutter mann', die byzantinische fassung citiert Legrand
ZUR GESCHICHTE VON DER SÄUGENDEN TOCHTFJ5 155
Contes pop. grecs p. xn nach Boissonade aus einer Pariser bs.,
eine italienische parallele, Bernoni Iudovinelli popolari vene-
ziani n. 63, und eine spanische, Demofilo Coleccion de Enigmas
n. 238 führt Pitre Archivio per le tradiz. pop. i 1882, s. 468
an; weitere italienische litteratur verzeichnet derselbe in den
Indoviuelli etc. del pop. sicil. (Bibl. trad. pop. sie. xx 1897)
s. 440 zu dem sicil. rätsei n. 932.
Wo die geschichte ausführlich als mä'rchen erzählt wird, ist
das rätsei derart darein verflochten, dass der könig den zum
hungertode verurteilten freilässt, nachdem ihm ein rätsei auf-
gegeben worden ist, das er nicht lösen kann, die tochter legt
ihm jenes rätsei vor, das ich in der venezianischen fassung
bei Corazzini Componimenti della letteratura pop. ital. s. 414 f
(La bona fia) widergebe:
Indovina, indovinator !
Figlia io son de l'imperator.
Oggi son figlia, doman son madre
Di un figlio maschio, marito di mia madre.
der könig kann das rätsei nicht lösen und muss daher den ge-
fangenen freilassen, wie man sieht, ist hier das in rätselmärchen
beliebte motiv verwendet, dass einem verurteilten das leben ge-
schenkt werden soll, wenn er den richtern ein rätsei aufgibt,
das diese nicht lösen können, eine sicilianische version steht
bei Pitre Fiabe, novelle e raeconti pop. sicil. in n. 196 s. 388 ff,
eine venezianische bei Pitre Novelline pop. sicil. 1873 s. 76 ff.
andre italienische und zwei skandinavische parallelen hat
Bolle bei RKöhler Kleinere Schriften i 373 zusammengestellt ein
englisches Volkslied von 'The l'aitliful daughter' (jüngste der
drei töchter eines zum tode verurteilten hochverräters) bei 11. n-
derson und Wilkinson Notes on the iolk-lore of the Dortbern
couuties n. 15 bespricht Liebrecht Heidelb. Jahrb. d. litt. 1868
Die neugriechische fassung des märchens bat «uerel
Politis NeosMrjvixa 'AväUv.xa i 40 aus dem Peloj iea mit-
geteilt (übersetzt von Legrand Contes pop. grecs s. IT . eine
zweite version aus Lesbos Georgakis et Pineau Folklore de I
p. 108 f; eine damit übereinstimmende habe ich auf Thei
gezeichnet, hier ist noch ein zweites volksratsel, 'I.'- *om un-
geborenen, das sonst selbständig existiert, ei
unursprünglicher zusatz.
156 KRETSCHMER
Auch die bildende kunst hat sich des so beliebten Stoffes
bemächtigt, schon Politis aao. hat darauf hingewiesen, dass —
entsprechend der erwähnung bildlicher darstellungen bei Va-
lerius — ein pompejanisches gemälde, Mus. Rorbon. i taf. 5, den
Vorgang abbildet (sogen. Caritä greca oder roraana). Rohden Die
pompej. terracotten, taf. 47, s. 57— 60, fügt noch zwei weitere
fresken derselben herkunft und eine terracottagruppe neronischer
zeit aus der casa di Giulia Feiice hinzu, es wäre von ioteresse
festzustellen, ob es nicht illustrierte Valeriushss. gibt1, die die
scene darstellen, in der renaissancezeit begegnen mehrfach dar-
stellungen der sage, so ist sie nach Otte Handb. d. christl.
kunstarch. i5499, worauf mich EdwSchröder hinweist, au dem
um 1445 angefertigten chorgestühl des doms zu Magdeburg zu
sehen, in dem druck von Stainhöwels Übersetzung der 'Be-
rühmten frauen' des Boccaccio (1473) [Bibl. litt. ver. 205 s. 215]
findet sich bei der geschichte von Romana ein holzschnitt, der
den kerker von aufsen zeigt : durch das fenster sieht man Ro-
mana ihre mutter säugen, dem 16 jh. gehören die von Bolte
Bibl. litt. ver. 207 s. 587 erwähnten kupferstiche von Lucas
Cranach und den beiden Behams an, sowie ein bild in EMechlers
Katechismus von 1561 (Bolte in RKühlers Kl. sehr, i 373). wie
mir JohBauer mitteilt, ist der gegenständ auch in der italienischen
maierei behandelt2. Rubens hat ihn in einem der Sammlung des
herzogs von Marlborough angehörigen Ölgemälde verewigt; vgl.
Goeler vRavensburg Rubens und die antike s. 189. 223, wo eine
copie und zwei weitere darstellungen desselben gegenständes (von
Rubens oder seiner schule?) nachgewiesen werden, über dem
an dem Botermarkt liegenden portal des Beifrieds in Gent, das
aus dem 18 jh. stammt, sieht man eine weibliche figur, die einem
gefesselten greise die brüst reicht, im volk wird das relief 'der
Mammelokker' genannt und dazu die bekannte geschichte erzählt
(Wolf Ndl. sagen, Lpz. 1843, s. 621 n. 529). es mag noch mehr
darstellungen des gegenständes geben, als ich hier nachweisen
kann : wenigstens spricht Laianne (zu A. d'Aubigne 's Les Tragi-
ques s. 17) von vielen 'peintures et gravures', ohne freilich eine
namhaft zu machen.
1 eine hs. der Magliabecchiana, aber erst aus dem ende des 14 jhs.,
'con miniature' ist erwähnt Gollezione di opere inedite xiv (1867) s. 12 n. vi.
2 ein um 1650 angesetztes italien. gemälde sali ich in Mainz : nr 232-
ZUR GESCHICHTE VON DER SÄUGENDEN TOCHTER 157
Über den Ursprung der antiken erzähl ung selbst lägst sieb
niebts sagen, in ibrer absonderlichkeit erinnert sie an die bei-
spiele übertriebenen Opfermutes, an denen die buddhistische
litteratur so reich ist. man denkt unwillkürlich an Cbina, wo
bekanntlich die liebe zwischen eitern und kindern höher geschützt
und gepriesen wird als die zwischen den beiden geschlechtern.
in der tat teuschen wir uns hier nicht ganz, eines von den
Nijüshi kö, den 24 beispielen kindlicher liebe bei den Chinesen,
erzählt von einer in der T'angzeit (618 — 907) lebenden Chinesin,
Ts'ui She (Japan. Saishi), sie habe ihre urgrofsmutter (nach an-
dern ihre Schwiegermutter), die, weil sie ihre sämtlichen zahne
verloren, nicht mehr reis essen konnte, mit ihrer eignen milch
genährt und dadurch am leben erhalten : s. FWKMüller Zs. f.
ethnol. 1897, verhandl. s. 90. diese auch in Japan allgemein
bekannte geschichte ist auch öfter bildlich dargestellt, so von dem
berühmten japanischen maier Hokusai und in einer japanischen
elfenbeiugruppe des ethnographischen museums in München, wie
man aber sieht, stimmt sie mit der sage der Pero nicht derart
überein, dass ein historischer Zusammenhang, durch die indische
litteratur vermittelt, notwendig angenommen werden müste.
übrigens kehrt das geschmacklose motiv der säugung eines er-
wachsenen l auch in Europa noch mehrfach wider, in der Legende
des heiligen Rernhard von Clairvaux2 und in einer weitem, in
mehreren Versionen vorliegenden Marienlegende15, und kann jeden-
falls spontan an verschiedenen orten aufgekommen sein und zu
analogen erzählungen geführt haben.
Marburg i. H. PAUL KRETSCilMEll.
1 angemerkt sei noch, dass nach Polack in Pereieo die weibei dei
Nomaden ihre milch auf dem markt als nahruog für schwache greise vi
kaufen (Ploss-Bartels Das weib ua 433).
2 er soll von der gottesmutter selbst mit ihrer milch getränkt worden
sein, eine symbolisierung der göttlichen Stärkung, der der mellifluas
beredsamkeit verdanken sollte, die absurde legende ist öfter bildlich dar-
gestellt worden, so in zwei gemälden des Wallraf- Richartz-mnsi ums in
Köln, das eine vom 'meister des Marienlebens' abgeb. Ploss-Bartels
(1899) 281.
3 Mussafia Studien zu den malichen Marienlegenden i 28 :
Pezschen Sammlung, n 75 : nr 26 der Arsenal-hs., in 16 : l
von Ahaus, iv H u. 30 : nr 6 des Adgar und die quelle daffll
ein schwer kranker mönch wird durch die milch der gottesmatter
COPULATIVE EIGENNAMEN.
Alle spräche ist namengebung. bleibt die benennung dauernd
an eioem einzelnen Individuum haften, so nennen wir sie 'eigen-
namen'; werden verschiedene, wesensgleiche oder ähnliche exem-
plare mit dem benannten identifiziert, so heifst der name 'appella-
tivum'. hier wie dort gibt es Zwischenstufen und Übergänge;
und die römische namengebung, die durch ihre soldatisch-scharfe
aufgliederung innerhalb der indogermanischen namengebung eine
so vereinzelte Stellung einnimmt, ist nicht nur äufserlich mit der
wissenschaftlichen nomenclatur völlig gleichartig : Marcus Tullius
Cicero enthält species, genus und abart. auch unsre modernen
familiennamen stehn den appellativen noch nahe; ob einer
'Müller' genannt wird, weil er selbst dies gewerbe betreibt, oder
weil es seine vorfahren taten , das macht semasiologisch nichts
aus. es ist ja auch erst neue pedanterie, die motion bei eigen-
namen zu unterdrücken, wo man noch im anfang unsers Jahr-
hunderts gemütlich von der 'Schulzin' sprach, gerade wie man
auch ihres gatten namen noch flectierte. 'je höher wir ins alter-
tum der spräche hinaufsteigen', sagt LTobler (Über die Wort-
zusammensetzung s. 40), 'um so durchsichtiger wird die Scheide-
wand zwischen nomina propria und appellativa'.
Unsre polizeilichen meldeämter, tabellen und listen haben
uns eben mit der zeit daran gewöhnt, die natürliche eingliederung
der eigennamen in das übrige sprachmaterial ganz aufzugeben
und diese, die ja allerdings ihre eigenheiten haben (wie jede
andre wortclasse sie auch hat), ganz als worte sui generis zu
behandeln, insbesondere hat die etymologie der namen darunter
zu leiden gehabt, während man sich mit der deutung der fa-
miliennamen vielfach bemüht hat, begnügt man sich für die äl-
teren personennamen fast durchweg mit einer analyse, die zwei
etyma von oft recht weiter bedeutung unvermittelt nebeneinander
stellt, mir sind nur zwei gröfsere versuche erinnerlich, die
eigentliche bedeutung zusammengesetzter eigennamen aufzudecken:
der allgemeinere von Wein hold (Deutsche frauen2 i 13f) und
der specielle, auf die namen mit -rün bezügliche von Müilen-
hoff (Zur runenlehre s. 44 f); denn die widergabe griechischer
namen durch deutsche in Papes Wörterbuch dient wol dazu, die
oft und mit recht hervorgehobene verwantschaft griechischer und
R. M. MEYER COPULATIVE EIGENNAMEN 159
deutscher namengebung hervorzuheben (vgl. Förstemann in Kulms
zs. 1, 116; Abel Die deutschen personennamen s. 9, mit inter-
essanter gegenüberstellung römischer namen; Kluge in Pauls
grundriss 1 304), schiebt aber die eigentliche Übersetzung nur
eine stufe weiter zurück, populäre Übersetzungen gehn seilen
über das raten heraus; und selbst ein mann wie Steub, der die
bedeutsamkeit der alten namen nachdrücklich behauptet (Die ober-
deutschen familiennamen s. 27 f), gibt schon für die älteste zeit
unserer Urkunden verfall und häufige Sinnlosigkeit der namen zu
(s. 31). Sütterlin (Littbl. f. germ. u. rom. phil. 1899, s. 55) will
aus der Sinnlosigkeit von formen wie Fredegnnde, Sigefrid, Wolfram
keinen schluss gegen die herkömmliche art der deutung solcher
uamen gezogen wissen. Förstemann hat gar (aao. s. 103) über-
haupt geläugnet, dass die namenteile zu einander passen müssen,
sich aber damit Müllenhoffs heftigsten Widerspruch zugezogen
(Zur runenlehre s. 54).
Zum beweis nun, dass würklich die alten namen früh blofs
auf den klang hin gebildet seien, führt man neben ein paar
schwierigen compositionen (Steub aao. s. 29) besonders noch
solche namen an, in denen der eine teil ganz suffixartig an den
andern gehängt sei. ein name wie Hildegund, argumentiert man,
sei doch nur möglich, wenn -gnnd schon blofse ableitung sei,
wie das alte -wald in romanisch Bonald udgl. denn es sei doch
unmöglich, zwei Synonyma in irgendwelche casuelle Verbindung
zu bringen, die einen guten sinn ergebe.
Das princip ist natürlich zuzugeben, alle namengebung ent-
artet, und mit der zeit entscheidet überall 'der zufall oder ein
oft sehr alberner kitzel der mode oder des ohres' (Weinhold Alt-
nordisches leben s. 270). aber für die altgermanisrhe zeit möchte
ich doch hier vorsichtiger sein, wir werden hoffentlich bald die
schönen ergebnisse langjähriger namenstudien kennen lernen, aus
denen Edward Schröder mich schon jetzt einige ein- und auf-
blicke hat gewinnen lassen; sie werden beweise», wie fest« regeln
einer allerdings schon früh eintretenden entartung voi 11
von seinen entdeckungen darf ich natürlich noch keinen gebt
machen; aber für meine zwecke genügt auch sehen der 1
auf die gleichartigkeit des in eigennainen niedergelegten spn
materials mit dem sonstigen spraclmnrat.
Wir haben in der blütezeit der altger*. naiw 1
160 R. M. MEYER
der allgemeinen Wortzusammensetzung noch kaum composition
mit uneigentlichen suffixen : die lebendigen wortstämme werden
fast nur mit ihresgleichen zusammengesetzt, es scheint mir ein
anachronismus, anzunehmen, dass so stark empfundene worte
wie -gund in Hildegund schon als bedeutungslose suffixe gegolten
haben sollen, während etwa -dorn in Zusammensetzungen noch
als fertiges wort gefühlt wurde, die altgerm. poesie spielt, wie
jede alte volkstümliche dichtung, gern mit der deutung der eigen-
namen (meine Altgerm, poesie s. 301); sie empfand sie also noch
als von einem würklichen leben erfüllt.
Dass man eine würkliche bedeutung in den ganzen namen
legte, dafür spricht auch die feierlichkeit, mit der man die
namensverleihung umgibt, sie ist bei uns wie bei vielen Völkern
die symbolische anerkennung der person, die feierliche zuer-
kennung der dem stammesgenossen zukommenden rechte, die
namengebung war ein recht, das durch Schenkung erkauft wer-
den muste, denn das ist wol die ursprüngliche bedeutung der
'namenfestung' (vgl. Keyser Efterladte skrifter 11 2, 7; Weinhold
Altnord, leben s. 263). ist ein kind nicht ganz im stände, seine
persönliche geltung zu behaupten, so wird die namengebung aus-
gesetzt, so fasse ich die oft besprochene episode in Helgakv.
Hj. ii auf. Gering fragt (Edda s. 151) : 'soll das bedeuten, dass
der knabe nicht blofs stumm, sondern auch taub war (somit auf
keinen namen hören konnte), und dass er erst durch die walküre
den gebrauch seiner sinne erhielt?' aber ein kind von ein paar
tagen hört doch auch sonst auf keinen namen 1 das kind war
stumm, und schon die ersten schreie eines stummen unterscheiden
sich von der spräche normaler Säuglinge, man sucht ihm nun
— so deut ich die erzählung — dennoch einen namen zu geben,
damit es 'ein ganzer mensch' sei; aber kein name bleibt haften,
es nimmt keinen an, antwortet auf keinen mit einem schrei,
(man darf vielleicht annehmen, dass die versuchten namen selbst
zauberkräftig sein sollten, etwa durch einen die redegabe an-
deutenden teil, wie in den Madal-namen.) so wächst er auf,
namenlos, schicksalslos. da erscheint die walküre und gibt ihm
einen bezeichnenden namen (H. Hj. 6). noch ist er nicht 'heilP,
nicht 'integer'; in zukunft soll er einen namen tragen, der selbst
ein segenswunsch ist (Schröder Zs. 42, 62). er war vorher we-
niger als ein mensch, namenlos, schicksalslos (Vol. 20); er soll
COPULATIVE EIGENNAMEN IM
von nun an mehr sein als andere : Helgi, einer, dessen unver-
letzlichkeit die götter verbürgen, denn das ist die alte bedeutun-
von heilag und seineu nebenforraen : 'heilig' ist, wen ein gött-
liches wesen alls heilan bibr vera (Grimn. 3) : wer oder was unter
göttlichem schütz steht (Henning Die deutschen runendenkmäler
s. 31). was Heyne (DWb. iv 2, 828) als die ursprüngliche be-
deutung angibt : 'heil habend, mit sich führend', das ist sicher-
lich erst spät abgeleitet, kein ursprüngliches volk kennt 'heilige'
personen, jedes 'unverletzliche' (vgl. Anz. xxiu 384). nun ist Helgi
ein mann , nun hat er einen namen — einen bedeutungsvollen
namen; nun kann er ohne das eingreifen dämonischer mächte
nicht gefällt werden, seinen Ursprung aber hat der namen ge-
rade in der individuellen läge des falls, wird doch auch bei den
Römern der knabe mit dem vollgiltigeu namen erst bei erteilung
der toga ausgestattet (Mommsen Römische forschungen i 32):
mündigkeit und namen werden zugleich anerkannt, wie sollte man
da in alter zeit eine sinnlose Silbengruppierung gewählt haben 1
Ich glaube also : man muss principiell für die namen der
altern zeit einen guten, verständlichen sinn annehmen —
für die personennamen gerade so wie man es für die Ortsnamen
überall tut. und um jene ganze gruppe von namen auf einmal
der 'Sinnlosigkeit' zu entheben, die bisher als hauptargument für
das frühe herabsinken häufiger namenworte zu namenbildenden
suffixen gedient haben, gibt es eine einfache erklärung, di
mir (zunächst für den namen Haduwig1), schon früher, unab-
hängig von diesen allgemeinen erwägungen, aufdrängte : man mute
sie, glaub ich, nicht als unterordnende, sondern als beiordnende
composita auffassen, wie ein frommer kalbolik etwa Beinen Boho
nach den beiden apostelfürsten 'Peter-Paul' nennt, so konnte ein
Verehrer Wodans dem seine: nach den beiden heiligen lieren
den namen 'Wolf-Rabe' geben, wie im runenalpbabel das
hagl und nonö vorkommt, fern- und nahkampl (meine Altgerm.
poesie s. 25), so bindet ein germanischer bäuptiing si
töchterchen den hinweis auf hildja und gunthju, hathu und wtg
ein. sicherlich lagen für den kenm-r auch hier urs]
bedeutungsnuancen vor, wie sie eine durebführung von WGrii
'Deutschen Wörtern für krieg' (Kl. sehr, in 516ff)
1 der freilich, wie mich Schröder belehrt, als Iranern]
für /laduwi(h) eintritt.
Z. F. D. A. XLIH. N. F. XXXI.
162 R. M. MEYER
hätte : hathu könnte etwa das blinde kriegsglück bedeuten, wie
Schade (Altd. wb. i 361) unter hinweis auf den namen des blinden
Hödur meint, wig (WGrimm aao. s. 518 f) Volkskrieg usw. so
weiht man ja auch tempel und kirchen benachbarten gottheiten,
und taufte früher so auch gasthäuser mit doppelnamen, wie noch
jetzt das altberühmte Wirtshaus 'Star and garter' bei Richmond
die insignien des hosenbandordens führt; unserer pedanterie ist
aber auch das verloren gegangen.
Über die dvandva wird sich sicherlich weiteres licht ver-
breiten, wenn die von Jacobi (Compositum und nebensatz,
Bonn 1897) so glücklich begonnene deutung alter composition
aus syntaktischen gesichtspuncten fortgeführt wird, schon jetzt
sind analogieschlüsse möglich, die die uns fremdartige copulative
composition uns näherbringen. Jacobi hat (aao. s. 83 f) die bahu-
vrihi-composita als unentwickelte relativsätze gedeutet : gododax-
Tvlog heifst jemand, der finger wie die rosen besitzt, noch alter-
tümlicher ausgedrückt : dem finger sind wie rosen (aao. s. 88).
nun bemerken wir, dass bei den dvandva die Zusammenfassung
unter eine höhere einheit zwar nicht immer, aber doch meist
erkennbar ist (vgl. Justi Zusammensetzung der nomina s. 81,
LTobler aao. s. 40 f). als älteste classe pflegt man die addieren-
den Zahlwörter aufzufassen (vgl. Brugmann Grundriss i 85), und
der umstand , dass sie allein sich über alle idg. sprachen ver-
breitet haben, erhebt diese Vermutung fast zur gewisheit. was
heifst nun aber das von Brugmann citierte beispiel idg. *duö-dekm
ursprünglich? es heifst nicht, wie wir oberflächlich sagen:
'zwei und zehn'; denn dass man fertige zahlen addieren könne,
fällt menschen so früher culturstufe sicherlich nicht ein; es heifst:
'einheiten habend zunächst zwei und dann noch zehn', mit an-
dern worten : die copulativen zahlworte sind eigentlich selbst
bahuvrihi-composita; sie deuten nur an, was auch bei den
possessiven compositis hinzugedacht werden muss. nach diesem
muster werden nun erst allmählich echte dvandva gebildet wor-
den sein, zunächst (Tobler aao. s. 39 f) vorzugsweise mit eigen-
namen göttlicher wesen. man kann nicht etwa zwei ganz be-
liebige worte addieren; sondern auf der basis einer gemeinschaft-
lichen eigenschaft steht eine traditionelle gruppe aufgebaut : 'ihr
götter, und zwar zunächst Indra und neben ihm Brihaspati'. 'ihr
die ihr verwante seit, söhn und vater'. 'sie besitzen die we-
COPULATIVE EIGENNAMEN H,,
sentlichsten eigenschaften : äufsere Schönheit und innere tilgend,
■/.ctloxaya9ia. daher kommt in der beiordnenden compositum
die auffällige Verbindung von synonymen vor (Tobler s. 81) und
besonders auch von zweierlei namen desselben gottes (ebd. s. 41) —
gewis der stärkste ausdruck für die Hervorhebung der innern
beziehung zweier dvaudvateile. können wir uns also wundern,
bei unsern copulativen eigennamen ebenfalls synonvma wie in
Hildebrand und Haduwig vereint zu finden? diese namen sind
eigentlich einfache namen wie Askr und Embla, nur dass ihr
begriff in zwei teile zerspalten wird.
Nun erinnern wir uns aber, wie sehr gerade die altgerm.
poesie diese zerspaltung liebt, ein name ist ein segensspnich,
und die alten Germauen segnen mit symbolischer aufleilung aller
möglichkeiten :
offin si dir daz sigidor, sami si dir diz selgidor,
bislozin si dir diz wdgidor, sami si dir diz wdfindor.
Lucae (Zs. 23, 94) löste den segen in der art unsers fahneneides
auf: 'glück und heil zu wasser und zu lande'. Müllenhoff (MSD.
iv 8; anm. s. 54) billigle das. aber ich sehe nicht, dass 'land und
wasser' in alter zeit so scharf gegenübergestellt würden, das
antithetische gegenstück zu Mand' ist altgerm. nicht 'wasser', son-
dern 'luft' bezw. 'himmel'. wo es in der christlichen Genesis
(v. 163) heifst:
5a gesundrod ivces lago wi~6 lande,
da sagt die heidnische Völuspa:
jorp fannsk qva ne upphimenn;
sandr ne sqr dagegen werden gemeinschaftlich (als ruhende massen)
den bewegten wellen gegenübergestellt, gerade wie Byndl. 24, 1.
HH. i 22, 3. HHj. 29, 4 (Hildebrand) land und meer zusammen-
gehören, bei den fragepaare.i in den Ahissmal stehn erde und
himmel, luft und meer sich gegenüber. Ferner ist segildor nichl
belegt und ein ziemlich unwahrscheinlicher ausdruck, wahrend
seldidor von Wackeruagel mit guten parallelen gestützt werden
konnte, ich meine, es büte sich sehr natürlich die antithesi
erfolg durch anstrengung und saldo : ruhe nach dun e
'offen sei dir das tor des sieges, ebenso das un-
verschlossen sei dir das tor der stürmischen w
fährlichen waffen'. 'sieg' kann man ja auch ohne •
ringenl fassen wir nun den Weingartner segen, wi
164 R. M. MEYER
nagel nahm, so haben wir in sigi und scelde * eine antithetische
zerspaltung des hauptbegriffs : erwünschter erfolg — ganz dieselbe
zerspaltung, die wir in einem der berühmtesten deutschen eigen-
namen haben : in dem namen Siegfriedl
Wir pflegen den namen zu übersetzen : 'der durch den sieg
frieden — oder eigentlich nur : einen festen vertragszustand —
stiftet oder besitzt' (so zb. Weinhold Deutsche frauen i s. 15).
die Vorstellung passt vortrefflich zu altgerm. ideen (die übrigens
glücklicherweise nicht auf die alte zeit beschränkt blieben : 'zweck
des krieges ist die erkämpfung des friedens' Bismarck Gedanken
und eriunerungen n s. 96); die construction ist bedenklich, in-
strumentale tatpurusha führt Weinhold (aao. i s. 14) freilich an;
aber immer steht dann der in dem zweiten teil enthaltene verbal-
begriff zu dem ersten Substantiv in enger Verbindung, darf man
den nach Schröder unter roman. einfluss stehnden namen Ma-
dalberta überhaupt so deuten , so erläutert ein adj. wie mhd.
redespcehe die semasiologische Zusammengehörigkeit beider teile,
der name Gerdrüd erhält seine berechtigung, wenn wir im
Nibelungenlied die leibhaftige starke speerwerferin Brünhilt er-
blicken (und ich erinnere auch an den namen Shakespeare).
schwerlich ist aber zwischen 'sieg' und 'frieden, vertrag, schütz'
— den bestandteilen der namensgruppe Sigemunt, Sigewart, Sige-
frid, Sigelind — eine solche instrumentale, causale Verbindung
wie in Gerdrud und vielleicht in Madalberta traditionell, nehmen
wir dagegen die analogie des Weingartner segens an : 'der sieg
und gefestigten frieden besitzt' (oder 'besitzen soll'; auch in
eigentlichem wünsch braucht der Deutsche gern aussage für
segen und fluch Gramm, iv 176) — dann stimmt alles vortrefflich.
Nun bieten aber die altgerm. zwillingsformeln (meine Altgerm,
poesie s. 240 f) überhaupt eine starke analogie für copulative com-
position. beziehungen zwischen eigennamen und formelhaften
Verbindungen existieren auch sonst : Solberta — freilich wider
ein roman. name nach Schröder — wie Jul. 166. 459; namen
und vergleiche mit wolf und adler (Deutsche frauen s. 13; Altgerm.
poesie s. 111; Hav. 58, 9; Hamd. 29, 9) usw. wir haben unter
den runennamen jenes paar hagl und naufi, das wir mit namen
1 [zur stütze der Meyerschen auffassung und um Müllenhoffs bedenken,
s(elde(dor) sei 'zu abstract und allgemein', zu entkräften, verweis ich auf
die formel sige unt scelde Neidh. 50, 12. jTit. 4449. R.]
COPULATIVE EIGENNAMEN ].,;,
wie Hildegnnd bereits verglichen, die zwillingsformeln sind die
germ. ablösung der alten dvandva, die ja in allen sprachen aufsei
indisch selten sind (Brugmann aao. s. 85) und germ. besonders
spärlich (Tobler s. 82); obwol wir spuren von ihnen noch nach-
weisen können, aber die spuren, die wir haben, stehn fast alle
ursprünglichen Wortpaaren mit copula noch merkwürdig nahe.
Als dvandva pflegt man die verstärkenden teile volkstümlicher
elative aufzufassen : kohlrabenschwarz — schwarz wie kohle und
rabe. da ist also unter dem hochdiuck des accents die copula
erstickt, ebenso wäre sie in namen wie Sigefrid durch die not-
weudigkeit der anpassung an andre namen unterdrückt. — als
eine andre spur germanischer dvandva fass ich schimpfworte
wie Schweinehund auf. 'hund von einem schwein"? Kleist sagt
freilich im Zerbrochenen krug : 'steht nicht der esel wie ein ochse
da', aber das ist eben ein scherz, 'schwein und hund zugleich',
das passt und hat analogien wie camelopardalus und das bei Goethe
(an Schiller 10 juni 1795 und sonst) beliebte (ragelaphus zur
seite. Schröder verweist mich noch auf Hiruzpero Förstern, um
i 688, daneben Hiruzpirin 'hirschbär und hirschbäriu'. wie nah
aber scheltworte und eigennamen sich stehn, weifs jeder; in Spitz-
namen gehn sie ja geradezu ineinander über. — auch die unschöne
neubilduug 'hemdhose' fasst (wie 'butterbrod' gegenüber engl.
'bread and butter') ein traditionelles, obendrein allitterierendes
wortpaar in eine einheit zusammen. — also überall hier wären
formelhafte wortpaare in dvandva-composita gewandelt, das spricht
wol für unsre erklärung von 'Siegfried'.
Man begreift aber auch leicht, wie gerade bei personennamen
die beiordnende Zusammensetzung aulkommen konnte, bei diu
Germanen wie bei den Griechen liebt man es, innerhalb einer
familie ein namenschema durrhzuführen (Weinhold Altnord. leben
s. 267 f, Deutsche frauen s. 97 f; Curtius Gesammelte abhandlungen
i 520). wie nahe lag es, namensteile zweier 'paten' (Altnord.
leben s. 262) zu combinieren, etwa wie in der Schweiz noch
heute die Burckhardt-Merian und [mhof-Blumer dvandva -d
bilden. (es können auch tatpur usba daraus werden,
GKellers köstlichem 'Schmied seines glückes' aus 'John :
Häuptle' 'Hans kohlköpfle' wird!) nach Noi
Zs. d. ver. f. volksk. 7,318) hat die coinbination dei
namen sogar in der urzeit unbedingt geherscht,
166 R. M. MEYER
beweisbar ist. der durchgeführte namensteil bildet gleichsam das
vvappen der familie, und es enlstehn so 'alliance- wappen' : ein
teil steuert den 'sieg' bei, einer den 'frieden' (über den einfluss
der würklicheu vvappen auf die eigennamen vgl. Mommsen aao.
s. 12; man denke an schwedische namen wie Sparre, dänische
wie Rosencrantz, jüdische wie Rothschild), der uame ist ja selbst
ein wappen; seine schilder bilden die namensteile, sie sind nicht
eigentlich 'worte', sondern die ganze volle bedeutung des Stammes,
die ungeteilte kraft der wurzel ligt in dem namenswort. sigi im
namen heifst nicht blofs 'sieg', wie das appellativum, sondern es
schimmert in allen bedeutungen, die die wurzel in compositionen
und ableitungen annehmen konnte, wie ein talisman ward solcher
namenssegen gehütet, als mahnung empfunden (Curtius aao. s. 520)
und gewis auch (man denke wider an Helge!) wie ein geschenk ver-
liehen : da mochten sich denn leicht zwei abstracta zusammenfinden,
nicht eins dem andern untergeordnet, sondern einander beigeordnet,
wie wir etwa noch heut grafen von Ion- und Knypbausen, herren
von Prittwitz und Gaffron oder von Canitz und Dallwilz habeu.
Resonders lehrreich scheint mir noch die analogie des vülker-
namens 'Angli-Saxones' : 'der composition war die einfache addi-
tion vorausgegangen, in gente Anglorum et Saxonum schreibt papst
Zacharias 748 an Rooifaz' (Dove Vermischte schriftchen s. 304 anm.).
Ich habe eine reihe von gründen für meine auffassung vor-
gebracht, die aus der art der namengebung, aus sprachlichen und
poetischen analogien, aus einzelnen schwierigen fällen entnommen
sind, ich möchte zum schluss vermutungsweise noch ein spe-
cifisch onomatologiscb.es argument vorbringen, ich glaube, dass
diejenigen eigennamen, die copulative compositionen darstellen,
sich von andern durch die art der Verkürzung wenigstens ur-
sprünglich unterschieden haben.
Wir sind ja bierin die reinen barbaren. uns kostet es nichts,
aus Henriette Jette, aus Auguste Guste zu machen, aber die
alten respectierten auch hier die rechte des namens, .es gibt
zweierlei formen der Verkürzung bei ihnen : entweder es tritt ein
teil allein für die composition ein, Wulf für Hunulfus (vgl. Stark
Kosenamen s. 12 f) mit Verflüchtigung des ersten teils, Bruna für
Brunichildis (vgl. ebda s. 15 f) mit Unterdrückung der zweiten
hälfte. oder, was wenigstens auf deutschem gebiet die herscheude
regel ist : es wird eine form gebildet, in der zwar nur der eine
COPULATIVE EIGENNAMEN 167
uamensteil kenntlich bleibt, der andre aber immer doch mit ver-
treten ist. in der regel lässt er sich zwar nur durch einen ty-
pischen laut symbolisch vertreten — genau wie in der flexiou
eine typische reduplicationssilbe für die ursprüngliche Verdoppelung
des Stammes eintritt, fast immer herscht dann der erste teil
(DGr. n. abdr. m 663; Stark aao. s. 98f) und der zweite wird am
schluss durch ein hypokoristisches zeichen angedeutet.
Sollten beide methoden ursprünglich nebeneinander bestan-
den haben? dagegen spricht schon der umstand, dass die er-
setzung des componierten namens durch einen namensteil allein
zu Verwechslungen mit den wahrscheinlich doch uralten uncom-
ponierten namen führen konnte. Wulf kann einstämmiger
eigenname sein, oder ersatz für Hunulfus, oder auch für Wulfric.
ich denke mir also : am liebsten wurden solche namen halbiert,
die noch als copulative bildungen empfunden wurden, hier konnte
ungezwungen ein Vertreter der firma für beide eintreten, und
von hier kann dann der anstofs ausgegangen sein, dass man im
norden gern die alte, für tatpurusha im gründe allein zulässige
regel aufgab, dass der unselbständigere component nur einen
symbolischen pfennig in die masse einwarf.
Hierfür spricht auch die analogie des griechischen, wenn
dort der eine teil des componierten vollnameus unverändert bleibt,
so wird mindestens beim oxytonierten Stammwort der acceut
zurückgezogen (Fick Griechische personennamen s. 22) und da-
durch an die ursprüngliche Zusammensetzung erinnert : Ev&vg
zu Ei^vArjg gegenüber evd-vg — und gerade die dvandva lieben
es, den accent zurückzuziehen (Justi s. 73). so Verraten sie ihre
eigenart noch in der Verstümmelung. —
Dürfen wir so die kategorie der copulaliven eigennamen als
gesichert ansehen, so versuchen wir zum schluss eine übersieh I
ihrer beliebtesten gruppen, ohne deshalb für jeden vermutungsweise
hierher gezogenen namen die dvandva-eigenschaft mit bestimmtheil
zu behaupten, ob mit den gleichen aamenwörtern copulative und
andre compositionen sich bilden liefseu — wie wir es voraus-
setzen — , oder ob gewisse stamme für die beiordnenden rollnamen
reserviert blieben, lässt sich jetzt wol noch nicht entscheiden.
Nach ihrer bedeutung und unter benutzung dei Dbrigen
kriterien stellen wir folgende hauptclassen der dvandva-namen auf:
A) rechte wappenn amen wie Porstein, Ulfketil, l'ri/m-
168 R. M. MEYER
ketil. kommt ja doch das thorszeichen und der kesselhaken wirk-
lich als typischer teil an hausmarken vor (Homeyer Haus- und
hofmarken s. 146. 152), und auf der von Grofse und vdSteinen
bestrittenen bahn wird (trotz Homeyers Widerspruch aao. s. 139.
149 f) vielleicht auch hier noch manches tierbild als grundform
der 'geometrischen figur' aufgedeckt werden : da lägen dann
wolf, bär, adler am nächsten, haben wir doch Wappentiere schon
in altgerm. zeit, wie es ja auch bei dem ursprünglich wol überall
herschenden totemismus fast selbstverständlich ist; auch sonst
kommen häutige namensteile als typische hauszeichen vor : das
pferd, der hahn (statt des raben), die sonne (EHMeyer Deutsche
Volkskunde s. 69. 71). die Verwendung des wappenzeichens im
namen hat ja auch praktische bedeutung. die älteste Verwendung
der schrift dient wol überall der eigentumsbezeichnung; wie be-
quem konnte ein Ulfketel sein vieh mit einer besitzmarke stem-
peln ! ist doch so vielleicht alle schrift aus totemistischen zeichen
entstanden : Brugsch (Bildung und enlwicklung der schrift s. 19 f)
führt die urzeichen auch wider auf dieselben Charaktere zurück,
die in unsern alten namen herschen : adler, gefäfs (kessel), löwe
(das orientalische gegenstück des nordischen wolfs usw.) noch
das kreuz der analphabeten mag eine christlich umgedeutete be-
wahrung alter hausmarken sein. — so also erklären sich diese
seltsamen namen vortrefflich, was aber sollte sonst 'wolfkessel',
'Thorstein' bedeuten? nur als dvandva-bahuvrihi von derart der
addierenden zahlworte haben sie guten sinn : 'der, der den wolf
und den kessel im wappen führt', 'der, dem thor und der opfer-
stein heilig sind' — wie etwa eine linie der westfälischen Rech-
berg 'Rothenlöweu' genannt wird oder eine nonne 'Magdalena
a Sancta Agatha' heifst.
Eine zweite hauptclasse sind B) die segensnamen: Gund-
frid, Hruadlaug, Theodrad(a) udgl. : namen, bei denen dem neu-
geborenen zwei allgemeine begriffe als segensspruch beigelegt
werden, von denen in der regel einer in der familie hergebracht
war. man denke an eine moderne Strophe wie die bekannte
von Rittershaus:
Der fahne treu, die im gefechte
in not und kämpf uns weht voran —
dem volk, der freiheit und dem rechte
getreu bis auf den letzten mann —
COPULATIVE EIGENNAMEN 169
und man wird einen namen wie Theodrada besser verstehn, als
wenn man seine beiden teile in ein mühsames abhängigkeils-
verhältnis zwingt.
Diese beiden hauptclassen der dvandva-namen konnten immer-
hin genügende kosenamen mit selbständiger hallte liefern, um
das princip allmählich auch auf tatpurusha-namen zu übertragen,
unwahrscheinlich wäre es dagegen, dass von diesen aus gerade
namenworte von so 'herabgesunkener bedeutung' wie -brand,
-hild, -frid, -gund zu selbständiger namensfunction gelangt wären,
und doch hat man gerade zb. die beiden teile des namens Ililde-
gnnd, die jeder für sich zur benennung genügen, unter die
'suffixartig gebrauchten' namenwörter eingereiht 1 wie viel besser
konnte aus den wappennamen heraus die beliebtheit des 'Wulf
nachfolge für einstämmige kosenamen erwecken! —
Ich möchte zum schluss noch bemerken, dass ich die auf-
fassung von eigennamen als dvandva für andre sprachen noch
nicht gefunden habe. Pott betont zwar (Personennamen s. 82)
das alter der reduplicierten namen, bringt auch (s. 683) einen
merkwürdigen eigennamen 'die vier männer', di. wahrscheinlich
so viel wert als vier ('qui a de l'esprit comme quatre', sagen die
Franzosen), aber eigentlich copulative namen gibt er nicht, doch
das ligt wol mit an der vorgefassten meinung, ein name müsse
'einfach' sein, sucht man unter den hier entwickelten gesichts-
puncten weiter, so wird man vielleicht auch anderswu bisher
schwierige namen einfach und mit culturbistorischer Wahrschein-
lichkeit als dvandva-composita deuten können.
Berlin, 15 Januar 1898. RICHAlil) M. ME1 ER.
ZUM RHYTHMUS GANYMED UND HELENA.
Mit der Untersuchung antiker, frauen- und kuabeulieb.- ver-
gleichender Schriften beschäftigt, werde ich von meinem freunde
Singer auf ein mittelalterliches analogou, den in dieser Zeitschrift
18 (1875), 124ff publicierten rhythmus Ganymed und Belena so-
wie auf die bemerkungen ebenda 22 (1878), 256 Bf aufmerksam
gemacht, dass der rhythmus in seinem colorit und insb
in seinen mythologischen fictionen Vertrautheit mit der
verrät, ligt auf der hand und ist auch bereits bemerkt won
(Zs. 18, 125). das processverfahren als form für die I
von problemen ist bei der griechischen sophistik beliel
170 PRAECHTER
es die Römer übernommen haben (vgl. Hirzel Der dialog n 178
anm. 1). doch wird sich daraus angesichts der mittelalterlichen
Streitgedichte für die quellenfrage kaum etwas gewinnen lassen,
weiter führt die tatsache, dass auch das behandelte problem selbst,
die Streitfrage, ob frauen- oder knabenliebe den vorzug verdiene,
ins altertum verweist, schon an und für sich wird mau geneigt
sein, die Vorstellung, dass Päderastie und fraueuliebe concurrierend
mit einander in die schranken treten, nicht für eine geburt des
christlichen mittelalters zu halten, auch wenn man einerseits den
der moral günstigen ausgang des processes und anderseits die
Zs. 22, 256 ff mitgeteilten sittengeschichtlichen tatsachen in rech-
nung zieht, in der tat ist der gegenständ im altertum mehrfach
behandelt, in eingehenderer weise von Plutarch im 'Eqcotiy.Öq^
von Ps.-Lukian in den "Egtoreg c. 17 ff und von Achilleus Tatios n
c. 35 ff. speciell mit Ps.-Lukian weist unser rhythmus eine an-
zahl von berührungen auf, die auf einen, wenn auch entfernten
und vermittelten, verwantschaftlichen Zusammenhang deuten, schon
die Schilderung der scenerie zeigt ähulichkeit. bei Ps.-Lukian
c. 18 spielt der. streit zur Sommerszeit auf einem schattigen ruhe-
platze unter den lauten der cicaden. im rhythmus fingiert der
Verfasser, im frühliug im schatten eines Ölbaums beim gesange
der Vögel im träume dem streite beigewohnt zu haben, gewis
kann hier zufall obwalten, wichtiger ist die Übereinstimmung
in der Vorführung eines Streitverfahrens, bei welchem jede der
beiden einander entgegenstehenden anschauungen durch einen
anhänger verfochten wird und schliefslich aus richtermunde die
entscheidung erfolgt, das richteramt übt. bei Ps.-Lukian ein freund
der streitenden, im rhythmus Natura und Ratio, denen die Pro-
videncia zugesellt wird, aber auch bei jenem begegnen uns die
erste und die dritte dieser Wesenheiten, die natur wird c. 19
unter starkem hervortreten ihrer persönlichkeit von dem Vertreter
der frauenliebe als zeugin angerufen, und die Vorsehung hat nach
c. 22 ihre Satzungen zu gunsten der frauenliebe getroffen — die
persönlichkeit ist allerdings hier sehr verflüchtigt, aus der argu-
mentation dieser partei kehren zunächst drei puncte, die sich bei
Ps.-Lukian finden, in dem rhythmus wider: 1) der verkehr zwischen
den beiden geschlechtern ist für die forterhaltung der gattung
notwendig (Ps.-Luk. 19; Gan. u. Hei. str. 31 ; vgl. auch str. 29, 4).
2) mann und weib ist (deshalb) ein verlangen nach einander
ZUM RHYTHMUS GAiNYMED UND HELENA 171
von der natur eingepflanzt (Ps.-Luk.19 y.otvbv äpcpoTiQip yivei
tcoSov eyy.egaaa^ievr] [sc. fj cpvoiq}; Gan. u. Hei. str. 33,3
contrahuntnr hie et kec naturali flexu). 3) die tiere kennen nur
den geschlechtsverkehr zwischen männchen und weibchen, nicht
den päderastischen (Ps.-Luk. 22, Gan. u. Hei. str. 33, 4). auch
in dem gegenargumente gegen letzteren beweisgruud treuen die
antike und die mittelalterliche darstellung zusammen: der mensch
als vernunftbegabtes wesen darf sich die vernunftlosen tiere nicht
zum muster nehmen (Ps.-Luk. 36, Gan. u. Hei. str. 34), und auch
sonst finden sich noch mehrfache berührungen, so in der bemer-
kung, dass der knabe beim päderastischen verkehr keinerlei lustem-
pfindung habe (Ps.-Luk. 27, Gan. u. Hei. str. 41), und in dem hin-
weise auf die kürze der zeit, während welcher der knabe für einen
solchen verkehr brauchbar ist (Ps.-Luk. 26, Gan. u. Hei. str. 45).
Am meisten beweiskraft für einen Zusammenhang zwischen
Ps.-Lukian und dem rhythmus hat die Übereinstimmung in dem
der tierwelt entnommenen argument. die demselben zu gründe
liegende behauptung über das geschlechtliche verhalten der tiere
ist, wie die beobachtuug zeigt, falsch, sie erklärt sich aber bei
Ps.-Lukian sehr einfach daraus, dass dieser, wie ich Berl. philo!.
wochschr. 16 (1896) sp. 870 f dargetan habe, einen teil seiner
beweisgründe der kynisch-stoischen diatribe entnommen hat, in
dieser aber der hinweis auf die tiere als naturgemäfs lebende wesen
ein stehndes capitel bildet (vgl. Ernst Weber Leipz.stud. 10, 108 IT).
Die frage, welcher art die verwantschafl zwischen Ps.-Lukian
und dem rhythmus ist und durch welche canäle dem Verfasser
des letzteren das antike zugeflossen sein kann, mögen Kim
beantworten, heranzuziehen wären dabei auch die Zs. 22,
abgedruckten stücke, von welchen das erste wider den binweis
auf die tiere mit der betouung der notwendigkeit der frauenliebe
für die erhaltuug der galtung verbindet (zu den wollen in
terra seinen radice careret vgl. Ps.-Luk. 20 a. e. Kaza neTQtöv
de, qaoLv, dyovwv oneigavitg und Phil. d. vil. cont 7 p. 481
de Abr. 26 p. 20, de leg. spec. 7 p. 306; »gl. Wendland Philo
u. d. kyn.-stoische diatr. [Wendland u. Kern Beitr. zur gesch. d.
griech. philos. u. relig. Berlin 1895] s. 34), ferner Ulrich vLichten-
steiu Frauenbuch s. 614, 20 ff Lachm. (die iure /. 20 ff), Kl.
ged. v. d. Stricker her. v. Hahn 12, 117 11 (4221 fast wörtlich
gleich Ulr. vLicht. aao. 30 f; 427 Versäumnis der kindei
Gan. u. Hei. str. 61,5; 459 Sodom u. Gomorra, vgl. Gan. n. Hei.
str. 67, 2, Zs. 22,257 z. 1 4 des excerpts; 176 die natui
soniliciert, vgl. Gan. u. Hei. str. 10 ff), die Noticea
xxix 2 e pari. s. 275 f mitgeteilten stücke bieten - -
u. Hei. nichts neues, den nachweis aller dies i '•■
ich der freundlichkeit Singers.
Bern. KABJ. PRAECH1
CHATTI UND HESSEN1.
Dass die namen Chatti und Hessen (bis auf den Stammes-
ausgang -o- dort, -?'-, jünger -ien- hier2) nicht identisch seien,
davon hat Braune IF. 4, 341 ff mich und in gleicher weise viele
andre nicht zu überzeugen vermocht, ich glaubte nach lesung
seines aufsatzes zunächst, dass derselbe bei seinem völligen mangel
an stichhaltigen gründen sich in den äugen jedes lesers so-
fort von selbst widerlegen müsse; da ich aber sehe, dass ver-
schiedene gelehrte, wie zb. Kossinna (vgl. IF. 7, 284), der jedes-
falls nicht aus ethnographischen, sondern aus sprachgeschicht-
lichen gründen dies glaubt tun zu müssen, Braune folgen, seh
ich mich genötigt darzulegen, weshalb Braunes gründe auf mich
ihres eindrucks von vorne herein völlig verfehlen musten.
Die Chatti, sagt Braune s. 345, waren 'nach den antiken
berichten ein sehr grofses volk', die mittelalterlichen Hessen da-
gegen, die bewohner des Hessi-gowe, nur ein gauvolk. freilich:
von den Chatti der Römer (mit einschluss der MattiUci) sind,
wenn wir von der ohne zweifei eingetretenen mischung mit resten
der Burgunden und andrer stamme absehen, die gesamten Ober-
franken ausgegangen; ebenso aber werden ihrerseits die Chatti
der Römer von dem Hessen -gau als ihrem ursitze ausgegangen
sein, in gleicher weise hatten die Batavi und haben deren nach-
kommen ein gröfseres gebiet inne als dasjenige, das noch heute
die Betuwe heifst; die Bructeri der Römer und trotz ihrer nieder-
lage vermutlich auch ihre nachkommen ein gröfseres als den
Borahtra - gau , und entsprechend müste es unter normalen Ver-
hältnissen überall gewesen sein, 'die betrachtung der ethno-
graphischen Verhältnisse führt uns', erklärt Braune, 'nicht weiter,
als dass die Hessen ein kleiner teil der früheren Chatten gewesen
sein müssen', nun, ganz ebenso sind auch die spätem und die
heutigen Schwaben nur ein kleiner teil der alten Suebi, ohne
dass doch jemand die identität der namen Suebi und Schwaben
bestreiten wird. Braune erkennt denn auch an, dass, da die
1 ursprünglich als excurs innerhalb der besprechung von Noreens Ur-
germ. lautlehre (Anz. xxv 113ff) geschrieben, die Chatti waren nach meiner
ansieht germ. Xajjpös mit urgerm. J>p (> später germ. ss) aus vorgerm. It,
s. die anzeige von Noreens buch s. 117 ff.
2 vgl. für dieses Frisii, jünger Frisiones, für jenes ae. Swdfe neben
ahd. Swäbd = Suebi.
MÖLLER CHATTI UND HESSEN 173
Hessen 'in dem centrum' des gebietes der Chatti sitzen, vom
ethnographischen gesichtspuncte aus nichts dagegen ein-
zuwenden wäre, die namen Chatti und Hessen für identisch zu
erklären, 'wenn dies die Sprachwissenschaft erlaubt'.
Was das sprachliche betrifft, so erklärt Braune s. 348 es
für 'unzulässig', das tt in Chatti als etwas anderes aufzufassen
als 'die geminierte dentale verschlussfortis' wegen der 'beiden an-
dern cbattischen fälle des tt', Mattium und Chattuarii. von diesen
'beiden andern chattischen fällen' ist nun freilich Mattium,
Mattiäci gar nicht germanisch, sondern keltisch, s. Streitberg
IE. 5, 88, und Chattuarii gar nicht speciell chattisch, sondern,
wenn chattisch, dann allgemein fränkisch, diese beiden namen
hatten indessen würklich tt, und es hat auch noch niemand be-
zweifelt, dass zur zeit der germanischen Chatten und Chattuarier
ein germ. tt existiert hat (vgl. Beitr. 7, 460) : konnte aber da nun
neben diesem chattischen tt nicht auch ein chattisebes p/> be-
stehu? Braune nimmt ja selbst (aber irrig, s. u.) s. 343 oben
an, dass neben germ. tt zur zeit der Chatti ein germ. pp be-
standen habe, nämlich dasjenige, das später 'zu dd-tt geworden ist'.
Die Chattuarii, in deren namen wir 'das dritte chattische
tt' haben, waren 'ein aus den Chatten losgelöster stamm' : 'hier-
nach werden wir', sagt Braune s. 350, 'auch in dem namen Chatti
seihst nichts anderes als tt sehen dürfen', richtig ist, dass die
Chattuarier ebenso wie die Bataver den Chatten verwanl waren,
weil alle Franken einmal von den Chatti, als diese noch mit
den umfang der spätem Hessen beschränkt waren, au
sein werden (in gleicher weise wie alle Sueben von den Semnooen,
die ursprünglich auch nur ein gauvolk innerhalb der Central-
sueben, der 'Semnoues' des Tacitus gewesen sind, vgl. An/.
xxii 1 4 0 fl ) , die spätem Wittelfranken (die Ubii, Uripi, Teneteri]
nach Südwesten hin ins Lahngebiet und darauf rheinal
Niederlranken der linie der Ruhr und Lippe folgend direcl oai h
westen hin au den Unterrhein; und zwar wird von den Nieder-
franken, da sie wichtige dinge wie namentlich das gleiche s
recht mit den Chatten gemein haben (s. RSchrOdei
deutsch, gesch. 19,143) gegenüber der lex Ripua
franken, anzunehmen seiu, dass sie später als dies
sehen hauptstamm sich abgezweigt haben, aber,
auch Chattuarier und Chatten einander verwant waren i
174 MÖLLER
zb. Markomannen (= Baiern) und Semnonen (= Schwaben), so
standen doch immer die Hessen, die nach Braune selbst ein teil
der Chatten waren, diesen weit näher, als die bereits vor Caesar
vom stamme abgetrennten Chattuarier, und wenn nach Braune
die namen der Chatten und Hessen nicht identisch gewesen zu
sein brauchen , so brauchen die Stammsilben des namens der
Chatten und des ersten bestandteils des namens der Chattuarii
noch weit weniger identisch gewesen zu sein, wenn auch die
Römer, wie höchst natürlich, da sie beide tt, für germ. pp und
tt, gleich sprachen, die namen mit einander verbanden, so wenig
es um der Hessen willen notwendig ist, dass die Chattuarii in
ihrem namen ein germ. ss aus urspr. tt gehabt haben, ebenso-
wenig ist es um des tt im namen der Chattuarii willen notwendig,
dass die Chatti, abweichend von den Hessen, ein germ. tt gehabt
haben, geschieht nach Braune s. 345 unten 'den ethnographischen
gründen', die für die Zusammengehörigkeit der Chatti und Hessen
sprechen, völlig genüge, wenn man erklärt, dass die beiden namen
von derselben wurzel, aber mit verschiedenen suffixen gebildet
seien, so noch weit mehr den ethnographischen gründen für die
verwantschaft der Chatten und Chattuarier, wenn man für jenen
namen und den ersten bestandteil dieses namens das gleiche er-
klärt, was der name der Chattuarier bedeuten mag, ist dabei
eine frage für sich, die derjenige, für den es feststeht, dass die
beiden namen, da wir dort ein vorgerm. tt, urgerm. pp, woraus
germ. ss} hier ein germ. tt haben, nicht unmittelbar zusammen-
gehören können , darum noch nicht mit völliger Sicherheit be-
antworten zu können die pflicht hat1.
1 der name Chattuarii ist der plur. des i-stammes germ. Xattu-vari-,
germ. %attu- ist 'hut' : Kluge s. v. 'hut' deutet den namen 'eigtl. 'hutleute"
('helmleute'?). der name könnte möglicherweise ein hieratischer sein von
derselben art wie Cyuuari 'Zioverehrer' = Schwaben (über welchen zuletzt
Much Der germ. himmelsgott 4, früher ßeitr. 17, 84f) : der erste bestand-
teil wäre Xattu-z (an. Hottr) = Wodan, der ?'-stamm würde (wie Hassi-
von Hassa-, Angli- von Angla- ua.) eine i-ableitung von älterem a-stamme
sein, wenn -vara- in Cyuuari und im fem. Frea-waru aus vorgerm. -voro-
(nach Much aao.). die *Xattu-varöz ' Wodanverehrer' wären das muttervolk
der Chatten, oder auch Chatten -f- Niederfranken gewesen, die Niederfranken
werden den besondern cult des Wodan bereits aus ihrer hessischen Urheimat
mitgebracht haben, dass Wodan, der weise lenker der schlacht, und nicht
der wilde schlachtengott Zio der kriegsgott der Chatten war, kann dem leser
von Germ. 30. 31 nicht zweifelhaft sein, und wird aufserdem, wie bekannt,
CHATTl UND HESSEN 170
Nach Braune ist es 'unzulässig', das tt in Chatti als pp (oder
mit Müllenhoff als f/i, mit Kluge als pt) aufzufassen, 'wenn
schon', erklärt er s. 350, 'für diese auffassung darauf hingewiesen
werden könnte, dass die Römer kein zeichen für den ß- laut
hatten und dass bekanntlich oft, besonders später1, lateinisch-
romanisches t zur bezeichnung des germ. p gebraucht wird, so
fällt doch für die Griechen dieses auskunftsmittel weg. und
der Chattenname ist uns am frühesten in griechischer form bei
Strabo als Xccttol überliefert, die Griechen hätten ihn doch
gewis Xdi9oi geschrieben, da sie in ihrem & ein zeichen für
den ^-laut besafsen. es darf also nicht mehr zweifelhalt sein,
dass der name der Chatten .. . ah d. Hazzä gelautet haben würde',
dies argument könnte richtig sein, wenn Strabo selbst oder eine
von ihm für die stellen, wo er die Chatten nennt, benutzte
griechische quelle den namen unmittelbar aus germanischem
munde erkundet hätte, aber da Strabos Xäxxoi nichts ist als
die widergebung der namensform Chatti der für diese stellen EU
gründe liegenden lateinischen quelle, so beweist das argument
nicht das geringste.
Braune sagt — dies in erster linie gegen Kögels frühere
auffassung, Beitr. 7, 197 f — , der name der Chatti erscheine von
Strabo an bis gegen 400 n. Chr.; etwa von 720 an erscheine
der name der Hassi, Hessii, Hessiones; der ganze process der
entwicklung zu ss werde also 'in die zeit von etwa 400 — 700 n. t br.
zusammengedrängt' (s. 346), bei den Goten aber seien 'ums jähr
400, also zu der zeit, wo in Chatti (dies geg noch tt
dagewesen wäre, schon die typen wis- und rciss- . . . fest aus-
geprägt', er übersieht völlig, dass ein lat. Chatti um 400 und
übrigens auch schon im 1 ,jli. n. Chr. für den gleichzeitig im
für die mitte des 1 jhs. sicher gestellt durch Annal. 13,57, wo Brmunduren
und Chatten diversam aciem Marti ac Mereurio taeravere (die Ennuodo
dem Irmin = Zio, die Chatten dem Wodan).
Was aber das %attu- im ersten bestandteüe des namens auch 1-
haben mag, so ist es ohne zweifei (wie Braune B. 345 ?om i
gegenüber dem der Chatten sagt) 'eine nur durch ■""- V
•46-] verschiedene ableitung aus der gleichen wnrxeT («
Chatten, die wol die 'behelmten', 'nein Behauten' h
schon zur Römerzeit in der form' %att%ir 'neben
1 [aber doch auch schon in altej ieil
doch nicht gut schreiben, vgl. Beitr. 7, 4G0.]
176 MÖLLER
germanischen gesprochenen laut durchaus nichts mehr beweist:
einmal im letzten dritteil des 1 jhs. v. Chr., spätestens unter
Drusus, von den Römern und nach ihnen von den Griechen als
Chatti, Xärroi erfasst, ward der name in dieser form von ihnen
fortgeführt, auch wenn in germanischem munde inzwischen längst
das ss sich eingestellt hatte, und das römische U beweist fürs
1 jh. v. Chr. ein pp an stelle des spätem germ. ss natürlich zu-
nächst nur für den dialekt oder die dialekte derjenigen stamme,
aus deren munde der name in der form Xappös gehört worden
ist, nicht für die dialekte der nördlicheren und östlicheren stamme
wie der Goten i.
Gegen mich bemerkt Rraune s. 342f noch, 'die frühere meinung
Brugmanns [MU. in 133 anm.] und Möllers (Beitr. 7, 460), germ.
ss sei aus germ. pp hervorgegangen', sei 'schon aus allgemeinen
erwägungen (über diese s. u.) zu verwerfen, selbst wenn nicht
Kluge gezeigt hätte, dass germ. pp in Wahrheit zu dd-tt geworden
ist', er geht also von der, von seinem standpuncte aus zu der
zeit, wo er dies niederschrieb (1893), mindestens unbeweisbaren,
für mich durch Kauffmann Beitr. 12, 530 ff (1887) zwingend wider-
legten annähme aus, dass im 1 jh. v. Chr. dasjenige pp bereits
bestanden habe, welches Kluge Beitr. 9, 159 ff behandelt hat.
Kluge selbst wagt aao. s. 177 die von ihm behandelten tonlosen
1 Braune bemerkt noch s. 347 in einer note, niemand habe sich 'dar-
über ausgesprochen, welcher laut denn in der Chattenzeit dem germ. s nach
langem vocal (got. weis 'weise' usw.) eigen gewesen sein soll', denn
diese Vereinfachung müsse doch 'nach Übereinstimmung des got. mit allen
andern germ. sprachen auch uralt sein', neben urgerm. %apji- muss natür-
lich (in den dialekten, die diese form hatten) noch urgerm. vipp- gegolten
haben, woraus germ. viss- > vis-, wenn die germ. Verschiebung der tenues
im 4 jh. v. Chr. eingetreten ist (Kossinna Zs. d. ver. f. volksk. 1896, 6.
Beitr. 20, 297. IF. 7, 295) und Verners gesetz, die Klugeschen assimilationen
und die germ. accentverschiebung noch später, aber vor dem anfang unsrer
Überlieferung, dann wird es nicht wunderbar erscheinen können, wenn die
gemeingerm. Verkürzung consonantischer länge nach vocalischer länge oder
cons., die alle jene Vorgänge voraussetzt, um den anfang unsrer Zeitrechnung
noch nicht eingetreten war. was gemeingermanisch der ausdehnung nach
ist, ist darum durchaus noch nicht notwendig 'uralt' oder gemeingerm.
(urgerm.) der zeit nach.
(Damit mir nicht, was die von Braune geforderte Verkürzung des pp
nach langer silbe betrifft, meine eigne früher gegebene erklärung von kunjia
Beitr. 7, 463 vorgehalten werde, will ich ausdrücklich bemerken, dass ich
diese nicht mehr für richtig halte.)
CHATTI UND HESSEN 177
Spiranten ff, pp, hh nicht als urgermanisch anzusetzen , wie sie
denn auch als urgermanisch gar nicht in sein system s. 173 ff
hineinpassen : er meint seihst, 'da die beispiele fast nur dem
westgerm. entnommen sind', so wären zu ihrer erkläruug 'noch
allerlei andre möglichkeiten [als für die germ. pp, tt, kk] in Be-
tracht zu ziehen, wie zb. die westgermanische consonantendeh-
nung'. und in seiner Vorgesch., Pauls Grundr.2 i 382 sagt Kluge :
ss (beruhend 'auf idg. ts' oder 'zumeist auf idg. t (d) -f- V) 'ist die
einzige urgerm. geminierte spirans'. nach Kauffmanns ausführungen
hat auch Noreen die gedehnten tonlosen Spiranten (aufser germ.
ss) von seiner Urgerm. laullehre ausgeschlossen, das von Braune
ins fehl geführte jüngere pp ist als weiter verbreitetes (aber nicht
urgerm.) durch jüngere mechanische zusammenrückung and assi-
milation (got. aip-pau), als speciell westgermanisches durch die
westgerm. consonantendehnung vor /, w, r, l, n, m (s. Kauffmana
aao.) entstanden, von welcher im 1 jh. und überhaupt in den
ersten jhh. unsrer Zeitrechnung noch durchaus kein beispiel be-
gegnet (von der art wie im 6 jh. bei Agalhias uuter Justiuian
der name des Warneu Oväuyiagog = Wakkar1), und die den Ver-
lust des Stammesausgangs -a- zur Voraussetzung hat '-.
Was die gegen mich ins fehl geführten 'allgemeinen er-
wäguugen' betrifft, sagt Braune s. 342 : 'wo überhaupt in den
älteren germ. sprachen die/» sich gewandelt haben, sind sie m
verschlusslaute übergegangen, und in modern englischen dialektea
sehen wir den Übergang th zu d vor unsero äugen3. da(
fehlt der Übergang des p in s : die articulationen beider laute
sind zu gegensätzlicher uatur4. nur iu ganz nenn teil ist im
uordfriesischeu der insel Amrum — im gegensatz /u den übrigen
nurdfries. mundarten — ein solcher wände! eingetreten*, dies« -
letzte ist nur richtig für den anlaut : im in- und ausJaul sind,
einige besondere fälle abgerechnet, p und t^ iu allen oordfries.
mundarten aufser denen der westlichsten inaein Sylt und II
1 (Oidxxapoe ö Otapvoe rd yivos Agnth. 1,21) VU westj l
gen. ff'akkras (und -es).
- Tgl. Streitberg Beitr. 14, 18t. 15, 49ö » um! |
uns beschäftigenden aufsatz) II . ■>, 88.
3 [gemeint wird hier sein tönendes ö zu <t. da loo
mittelbar in tönendes d übergeht.]
4 (der folgende satz dazu bei Br. als fofsi
Z. F. D. A. XLIII. N. F. XXXI.
178 MÖLLER
land in s und f übergegangen, und wenn in älterer zeit des
germanischen ein einfaches p, wie ein solches für unsre frage
überhaupt gar nicht in betracht kommt1, nicht in s übergeht,
so weifs Braune selbst sehr wol, dass einem gedehnten conso-
nanten und vocal manches widerfahren kann, wovon der einfache
(kurze) verschont bleibt. Braune erwähnt gar nicht den Übergang
des Jüngern westgerm. pp im mnl. in ss, der seinen 'allgemeinen
erwägungen' zum trotz eingetreten ist2, wie westgerm. smippjä
'schmiede' im mnl. zu smisse, ein westgerm.3 dpm, gen. dppmes
'atem' im mnl. zu dssem (aessem, dsem neben ddem aus ddem,
dssmes), das verbum fappmjan von westgerm. fapm, fappmes
'faden'4 zu mnl. vessemen (neben vademen von vadem) geworden
ist, genau ebenso ist jhh. früher urgerm. (oder wenigstens ur-
fränk.) pp in ss übergegangen5 und damit yßpp- in hass- im
namen der Chatti = Hessen.
1 von der Verbindung />/ (aus tk) > $%, sk abgesehen, s. die anzeige
von Noreens buch s. 119f.
2 ss ist als einzige lautgesetzliche Vertretung des westgerm. pp im
mnl. zu betrachten, wo statt dessen d (aus 9 aus p) erscheint, da ist dies
natürlich aus dem daneben stehenden einfachen p verallgemeinert; wo tt
an stelle eines vorausgesetzten pp steht, da ist jenes das urgerm. tt nach
Kauffmann s. 531 ff.
3 mit dieser und andern ansetzungen meine ich natürlich nicht, dass
die formen, wie angesetzt, auf dem ganzen westgerm. gebiete die einzig
geltenden gewesen seien.
4 wegen des westgerm. pj)in vgl. zb. ae. maföum neben mädum aus
westgerm. maipm, gen. maipjymas.
5 damit nicht ein umstand, der möglicherweise für unsre frage in be-
tracht kommen könnte, unerwähnt bleibe, muss an dieser stelle auf das DD
hingewiesen werden, das im gallischen für und neben ss aus urspr. tt er-
scheint (zahlreiche il/eöö-, s. Holder Acelt. sprachsch. n 493 f , wie *i¥eööt-
gnäto-s [wovon die ableitung Meföi-gnatius], wzl. med-; Conefäns CIR. 1450,
Holder i 1098 von con-ed-: CaraMouna f. Metz neben Cai-assouno-s m.
von carad- 'lieben'; andre beispiele s. Gr. celt.2 66, JBecker KBeitr. ni20Sff,
JRhys Lectures on welsh phil.2 193ff, der aber s. 423f, gewis unrichtig,
das 55 neben ss aus rip aus ns erklären will : alle etymologisch klaren bei-
spiele des 59 weisen auf urspr. tt). der laut ist ohne allen zweifei pj> ge-
wesen : es wird dafür lat. Uli geschrieben in g. pl. Catlharensium oft im
CIR., s. Holder i 844 = CaMarenshim CIR. 1317, und 0 in Felioca&i,
münzinschr. der Velio-cassi = V elio-casses um Rouen, von derselben wzl.
Brugmann erklärte in der 1 aufl. seines Grundr. § 516 'wegen der gallischen
Schreibungen mit D' es für 'unsicher', ob das ss aus urspr. t-t urkeltisch
war. war das gall. 99 älter als das ss, so würde auch diesem 95 >
CHATTI UND HESSEN 179
Ich habe alle gründe Braunes geprüft und keinen ein
derselben stichhaltig gefunden, ich finde daher für meinen teil
gemeinkeit, ss eine warnung vor 'allgemeinen erwägungen' auf lautgeschicht-
lichem gebiete zu entnehmen sein.
In der 2 aufl. § 775 hat Brugmann indessen die angeführte bemerkung
gestrichen, ob wegen der auch zuweilen begegnenden einfachen gallischen
3? ich glaube nicht, dass diese ernstliche bedenken gegen die ansetzung
eines urgall. 33 aus tt erregen können, denn einfaches 3 zwischen vocalen
ist blofs einfache Schreibung für 33, wie das 0 in Felio-cad-i, so in Carafii-
tonu, dat. von -töno-s (vgl. oben caraitö- 'geliebt'), und in Epaft-ayto-rtx,
Epaü-ateyto-rix = 'seigneur protecteur (?) de la cavalerie' (nach d'Arbois
de Jubainville) von *epadb-, *epnss- 'equitatus' aus -t-l-. Epa5 auf münzen
der Arveroi steht, wie angenommen wird, für Epa<5-naytu-s (= Epasnactus
Arvemus Hirtius Bell. galt, vm 44), in welchem 3 für 33 vor cons. würk-
lich für einfaches s ist 3 nur geschrieben im anlaut zweimal in deae Dirunae
(s. Holder 1 1286) für häufiges deae Sirönae, in welchem das 3 umgekehrte
Schreibung sein wird, wie sie leicht sich einstellen konnte, wo, in der Bchrifl
zt. fortgefühltes, 33 zu ss geworden war, und ebenso erscheint für Abudot
(Holder 1 11, auf münzen der Bituiiges) Abudod wol nur, wie Holder ver-
mutet, 'aus misbrauch von Seiten dfs schreibeis', der umstand, dass germ.
J> im yamipja n. 'hemd' in gallischem munde durch s widergegeben ward,
camisia (s. Thurneysen Keltorom. 52), woraus lat. cajnlsia Hieronym. und
arab. qamT§, erklärt sich sehr einfach, wenn in Gallien ]>]> vorher in im
übergegangen war (oder auch noch gleichzeitig übergieng).
Das altgall. pp kann natürlich nicht aus tH, sondern nur (wie air. tt
aus st) zunächst aus Jjt hervorgegangen sein, das durch tkt in di
Kräuter Zur lautverschiebung s. 88 anm. gezeigten weise aus urspr. l-t ent-
standen ist, parallel dem urkeltischen Übergang des kt, pt in
Die möglichkeit, dass germ. ya]i]>- aus keltischen) capp- (in d\
Bodio-, Tri-, Vidu-, Felio-casses,-caM, Cassi'xn Britannien, Casri-vellaunu*
ua., s. Holden 82311) entlehnt sei, ist nicht a priori ausgeschlossen, det ntme
keltischer *Cappi (*Cassi) müste dann vor oder gleichzeitig mi« der Verschie-
bung des k in % im 4 jh. v.Chr. den Germanen bekannt geworden Bein, und die
germanischen Chalti müsten später im 3 jh. mit der landschaft den nami
erbt haben, die setzung Wodans bei den Chatten an die erste Btelle nach dem
vorbild des gallischen Teutates würde sieh bei dieser hj pothese leichl • 1
der Chattenname würde, wenn sein pp nicht dun h Verschiebung entstl
sondern herübergenommenes gall. pp wäre, nicht mehr beweisen k
dass das germ. ss für urspr. U aus Slterm /</' hervorgegangen;
tität der namen Chatli und Hessen würde aber nichts
namen der Hessen könnte auf germ. boden aus den
könnte aber auch das jüngere gall. ss sein, (auch
Verschiebung könnte germanisches yujij'o-, yaj> pi-
keltischem cappo- oder eaj>jn- aus kat-to-, kat-ti- n
die bedeutung des germ. hut, hüten und des laf.
180 MÖLLER CHATTI UND HESSEN
durchaus keinen aolass, die gleichsetzung der namen der Chatti
und der Hessen aufzugeben.
wörter, die ihrer form nach jenen wurzelverwant sein könnten, nicht nach-
gewiesen.)
Sollte das gall. pp nicht, wie ich als sicher annehme, älter als das
ss, dann müste es vielmehr jünger und secundär aus diesem entstanden
sein (was aber erst dann als bewiesen gelten könnte, wenn gezeigt wäre,
dass auch ein solches kelt. ss, das nicht älter ein pp gewesen sein könnte,
als gall. <5<J erscheint, ohne dass sich dieses als jüngere umgekehrte Schrei-
bung erklären liefse). wäre dieses so, dann wäre weiter denkbar, dass der
lautübergang ss > pp über die westgrenze des gallischen hinaus in den
nächsten germ. grenzdialekt hinübergegriffen habe und lat. Chatti wider-
gebung eines auf diese weise entstandenen Xapp- aus Xassös wäre, in
diesem falle würde germ. ss aus tt, wie Braune will, älter sein als die
Chattenzeit (nämlich vermutlich älter als die lautverschiebung, gemeinwest-
europäisch, di. italisch, keltisch, germanisch) : an der Identität der namen
Chatten und Hessen würde aber auch dieses nichts ändern, als sehr wahr-
scheinlich betrachte ich indessen dieses hier für das urfränkische als denk-
bar hingestellte keineswegs (schon darum, weil das gall. und das germ. Jjp
wenigstens im 1 jh. v. Chr. eine verschiedene articulalionsstelle gehabt haben
weiden, da die Römer sie verschieden widergeben), vielmehr erscheint die
von mir gegebene erklärung, dass P)p>, woraus germ. ss , der urgerm. Ver-
treter von urspr. tt war, mir bei weitem als die wahrscheinlichste, mag es
nun um das gallische pp stehn, wie es wolle.
HERMANN MÖLLER.
HEINRICH VON HESLER.
In den Beiträgen 24,85 — 187 hat KHelm 'Untersuchungen
über Heinrich Heslers Evangelium Nicodemi' veröffentlicht, die
als gute prolegomena für eine ausgäbe erscheinen und hoffent-
lich als solche betrachtet weiden dürfen — am besten wäre frei-
lich gleich eine gesamtausgabe, zu der Helm ja durch diese arbeit
gut gerüstet scheint, ich will ihn dafür noch auf ein in der fragmenten-
sammlung der Kasseler laudesbibliothek verwahrtes bruchstück
des Nicodemusevangeliums in niederdeutscher färbung hinweisen.
In die gewis nicht einfachen historiscben und litterargeschicht-
lichen fragen hat Helm freilich bisher kein rechtes licht gebracht,
und in einem puucte bedeutet seine arbeit einen entschiedenen
rückschrilt : in der benennung des autors (s. 165 f). warum liefs
es nur Behaghel, der zu dieser habilitationsschrift pate gestan-
den hat, geschehen, dass seinem altern Schützling der ehrliche
name, den er ihm Zs. 22, 136 energisch vindiciert hatte, wider ent-
rissen wurde? denn Heinrich von Hesler heifst unser poet nach
SCHRÖDER HEINRICEI VON HESLER 181
seinem eigenen Zeugnis — ob das unbedingt für adliche abkunlt
spricht, ist erst eine zweite frage, in dem dritten werke des
dichters, von dem vHeinemann (Zs. 32 , 1 1 1 ff) und Steinmeyer
(ebda 446 ff) fragmente aufgefunden haben, nennt er sich v. 60t'
(aao. s. 112) Heinrich von Hasiliere; das ie dürfen wir sofort
durch e ersetzen, denn der Schreiber hat auch liesen für lesen,
Heren für leren, und was heifst denn Apok. 154 f Heinrich heiz
ich mines rehten namen, Hesler ist min hus genant anders als:
'ich heifse Heinrich von Hesler"? wer so bestimmt wüste, dass
er seinen namen von einem orte führte, der nannte sich um
1300 auch noch 'von Hesler'! ich gesteh, dass mir die aus-
lührungen Helms s. 166 ff ein rätsei bleiben, das ich mir nur aus
dem streben heraus zu erklären vermag, für gewisse demokratisch
klingende ausführungen des Ev. Nie. eine unterläge in dem
'bürgerlichen stände' des dichters zu gewinnen — und zum
schluss ein paar ganz gleichgiltige belege für den bürgerlichen
namen Heseler (ohne 'von') aus der ungefähren zeit des autors
beizubringen, jene stellen aber (Helm druckt sie s. 16S ab) besagen
einmal, dass alle menschen von abstammung gleich sind und im tode
wider gleich werden, — das ist ein christlicher gemeinplatz, wie
ihn auch ritterliche poeten sehr oft im munde führen; dann
aber stellt sich der dichter allerdings in lebhafter anrede den
herren gegenüber und mahnt sie, die iiber uns gestigen sind, zur
demut. der gegensatz von 'adlich' und 'bürgerlich', den hier Helm
offenbar als den natürlichen und einzig möglichen herauslist,
zeigt wider jene ungenügende bekanntsebaft mit den mittelalter-
lichen standesverhältnissen, die trotz Schuhes — ich sollte denken
eindringlicher — rüge für die deutschen philologeo charakteristisch
bleiben zu wollen scheint.
Wo Heinrich von Hesler dichtete, wissen wir Dicht : ich
folge womöglich noch entschiedener als Helm dem alten Pisan6ki,
der ihn zuerst für die preufsische litteraTgeschichte in anspruch
genommen hat. wie aber sein heimatsort hiefs, >.i-t er uns selbst
Hesler. also einen namen auf -/er, -lere nennt er da, und 'I
mit ist das colonisationsgebiet im Osten ohne weitei
sen, denn derartige namen auf ahd. -fori (heute bald -
-ler) gibt es nur im allerältesten Siedlungsgebiete dei
sie beginnen am nordraude des Thüringerwaldes und reic
in die Niederlande, dass sie geograpbisch mit den bekannten
182 SCHRÖDER
fluss- und Ortsnamen auf -apa, -affa zusammenfallen, und wie
man sie morphologisch aufzufassen hat, das denk ich ein ander-
mal zu zeigen : für heute nur soviel, dass es mit den deutungen
nichts ist, welche von länge des d ausgehn und die simplicia
Lahr, Lohr uä. in engen Zusammenhang damit hringen. speciell
der *Hasalart, *Hasilari uä. sind mir 6 hekannt, die sich auf
vier verschiedene gegenden verteilen, zunächst am weitesten öst-
lich zwischen Unstrut und Saale die heiden orte Burghess ler
und KIoster-Häseler, mit denen KRoth unsern dichter zu-
sammengehracht hat : ich lehne sie mit Helm ab, denn an einen
Thüringer, der in etwa 14000 versen1 nur einmal einen infinitiv
mit n-abfall aufweisen soll, kann man schon nicht gut glauben,
dann am südrande des gehietes Hesslar im unlerfränk. bezirksamt
Karlstadt (nördl. dem Main) : eine familie, die sich danach nannte,
kommt in Würzburger Urkunden und acten mehrfach vor, so im
ältesten lehensbuch (1303 — 1317) : Frowinus de Hesler Arch. d.
bist. ver. f. Unterfranken 24, 20 (ur 92) und 113 (ur 811); Mo-
numenta Boica 41 , 266 (a. 1347) Conradus dictus Wygant de
Heseler2. weiter im eigenlichen centrum des lar -bereichs, in
Hessen, Hesslar im amtsgericht Felsberg : a. 1295 Heskre, a. 1352
Heselere (Arnold Ansiedelungen und Wanderungen s. 144)3. schliefs-
lich zwei westfälische banerschaften, über die ich den beamteu
des kgl. Staatsarchivs zu Münster gütige auskunft und nachweise
verdanke, einmal Hessler im kirchspiel Vellern, kr. Beckum,
das zuerst 1282 in der form West Heslere begegnet (Westf. Üb.
in 1193), in der zweiten Hälfte des 14 jhs. einfach als Heslere
und Hesler erscheint; und dann das gröfsere Hessler im kr.
Gelsenkirchen, ältester beleg von 1322 Hesler (Darpe Gesch. d.
st. Bochum in, Üb. nr 4), ebenso 1354 (Essener urk. in abschritt
von Kindliugers hand, Msc. n 117,174), schon 1486 im Märki-
schen schatzbuch Hessler.
Auf keinen dieser 6 orte passt nun aber der 'dialekt' : es ligt
eben einer jener fälle vor, wo wir es mit einer neutralen, rein litte-
rarischen sprachform zu tun haben, das suchen und tasten nach
1 ich nehme an, dass auch Helms kenntnis der Apokalypse vorläufig
nicht über die 8400 verse (etwa iß des ganzen) hinausreicht, die Behaghel
abgeschrieben und Amerbach für seine zwecke ausgeschöpft hat.
2 für diesen bleibt die adliche herkunft zweifelhaft.
3 eine familie des namens ist mir hier nicht bekannt und auch bei den
gleich folgenden westfälischen orten vorläufig nicht nachgewiesen.
HEINRICH VON HESLER 183
der heimat des dichters oder auch, wie Helm sich vorsichtig aus-
zudrücken scheint, 'des gedichtes' hlofs an der band der reime
erscheint mir durchaus verfehlt. 'Thüringen ist ausgeschlossen
durch diese, Oslfranken durch jene reimgruppe' — so kommen
wir nicht vorwärts, es ist schwer zu verstehn, dass Beim in
dieser heklemmten Situation gar nicht auf den gedanken verfallen
ist, den Wortschatz zu prüfen, wir andern können es vorläufig nicht.
Aber verrät uns jene heimatsangabe in der Apokalypse nicht
vielleicht etwas mehr als einen blofsen Ortsnamen? Hesl er ist
min hus genant — wo in aller weit ist denn diese ausdrucks-
weise 'haus Hessler' im brauch aufser in Westfalen und am Nie-
derrhein, wo 'domus' synonym mit 'curia, curtis, castrum' in den
Urkunden als bezeichnung adlicher sitze urkundlich vielfach er-
scheint, in der Übersetzung meist als erve widergegeben, aber
durch zahlreiche composita wie Grotenhus, Borichus, Waterhus
auch deutsch früh bezeugt.
Freilich : Heinrich von Hesler schreibt mitteldeutsch, und
die westfälischen Hessler liegen auf niederdeutschem boden. aber
einmal hat der dichter ja offenbar im Ordenslande eine zweite hei-
mat gefunden; würde dort noch eiu ausgegangenes dorf 'Hesler1
nachgewiesen, so könnte es nur durch Übertragung des namens
aus dem westen erklärt werden, dann aber treffen wir auch tat-
sächlich in den reimen allerlei niederdeutsche spuren, dii
nicht besser als aus niederdeutscher abkunft des Verfassers erkläj i
werden können, so vor allem der im Ev. Nie. 2 mal bezeugte
reim haz : schätz, mit dem sich Helm s. 159 abquält : es isl der-
selbe reim, den Heinrich von Veldeke auch in der Eneide
haghel s. lxxiii) nicht abgestreift hat, während er doch hier die
reime t : z scharf mied und überhaupt, wie uns demnächst CKraus
eingehend darlegen wird, ein neutrales hochdeutsch zu schreiben
bestrebt war. an solcheu beobachtun^en muss die Untersuchung
aufs neue einsetzen, und sie muss vor allein auch den Wortschatz
ins äuge fassen : was davon KAmerbacb in seinem zweiten Pro-
gramm (Konstanz 18S4) mitteilt, dient nur dem zwecke, die ein-
heit des dichters der Apokalypse und des Nicodemusevangeliuma
zu erhärten, und berücksichtigt daher gar nicht das gerade in
solchen fällen so wichtige vereinzelte, rudimentäre vorkommen,
immerhin dürften schon Wörter wie klüter, bekliUeren i
und besonders das verhochdeutschte wenta 'bis* (s. 20), das
ohne reimbeleg ausreichend gesichert ist, für einen Schriftsteller
niederdeutscher abkunft sprechen.
Gerade gegenwärtig, wo die auf niederdeutschem boden i
denen dichtungeu von hochdeutschem sprachcharakter dui
und Roethe energisch in neues licht gerückt werden,
nützlich, auf Heinrich von Hesler als ein anzieht
tungsobjeet verwanter art hinzuweisen. EDWARD S( BRODER.
DAS LIED DES MÖRINGERS.
In einer abhandlung der Göttingischen gelehrten nacbrichten,
phil.-hist. cl., 1899, s. 49 — 71 hab ich mich eingehend mit der
Bern er hs. 260 (aus der Bongarsischen Sammlung) beschäftigt, als
deren wichtigster inhalt die chronik des Matthias von Neuenbürg
gelten muss. ich habe den beweis geliefert, dass sie in Strafsburg
und teilweise unter den äugen jenes geschichtschreibers in den
Jahren 1350 — 1351 entstanden ist und dass ihr die bibliothek des
grafen Albrecht v von Hohenberg-Haigerloch einen teil der vorlagen
geliefert hat; ich habe die Vermutung ausgesprochen, dass ihr be-
steller der jüngere bruder Albrechts war, graf Hugo von Hohen-
berg, der in den jähren 1350 — 1353 zum zweiten male das amt
eines kaiserlichen landvogts im Elsass versah.
Die Berner hs. hat aber auch für den germanisten interesse:
sie enthält aufser ein paar erbaulichen prosageschichtchen (auf
bl. clxxi) einmal die beste fassung von Heinzeleins von Konstanz
Streitgedicht von den zwei Johansen (bl. cxxxivv — cxxxvii, Pfeiffers
A), die einzige zugleich, aus der wir die lebensstellung des dichters
als küchenmeister jenes hohenbergischen grafen Albrecht erfahren,
und dann, lediglich zur raumfüllung eingetragen (aao. s. 55), eine
kleine Sammlung von liedern und einzelstrophen aus der guten
zeit des minnesangs, von Hausen und Beimar bis herab auf Had-
laub (bl. ccxvir — ccxvn schluss). Lachmann und Haupt (MFr. s.vn)
haben diesem teil der hs. die sigle p gegeben, die wir beibehalten
wollen.
Es sind im ganzen 36 Strophen, die letzte unvollständig : da
der Schreiber einsah, dass er die ganze Strophe (Friedrichs von
Hausen, MFr. 54 , 1 ff ) doch nicht mehr auf den rest der seite
bringen werde, brach er mit behütet ab, wo es syntaktisch mög-
lich war, und liefs lieber die letzten beiden Zeilen der spalte frei,
wir können den gesamtbestand nach herkunft und einfuhrung
folgendermafsen einteilen:
i) namenlos überliefert sind 30 Strophen:
a) davon sind in andern hss. überliefert 21, und zwar als das
eigentum t Hausens : nr 36 (CF), Morungens : nrr 17. 18
(AC), Beimars : nrr 33—35 (bE), Walthers : nrr 30—32 (C),
1 ich scheide hier stillschweigend aus, was die kritik als falsche an-
gaben einzelner hss. bestimmt erwiesen hat.
SCHRÖDER DAS LIED DES MÜRINGERS
Leutolds von Seven : nrr 28. 29 (ARC), Winlerstettens : nr 4
(C), Neifens : nrr 23. 24. 26. 27 (C), des Maruers : nr 3 (C),
Konrads von Würzburg : nrr 20—22 (C), Hadlaubs : nr 10 (C).
b) 2 mal finden sich plusstrophen gegenüber anderweitiger
Überlieferung : nr 19 ist eine von Haupt MFr. 137, 4 ff mit
starken Veränderungen aufgenommene zusatzstrophe zu einem
liede Morungens (AC), die als unecht jetzt von ELemcke
Untersuchungen zu den liedern HvM. (diss. Jena 1897)
s. 87 f nachgewiesen ist; nr 25 hat Haupt wol mit recht
als echte plusstrophe (gegenüber C) in seine ausgäbe des
GvNeifen 29, 25 aufgenommen.
c) 7 Strophen, die nur hier überliefert sind, bleiben vorläufig
herrenlos : nrr 2. 11 — 13. 14—16.
ii) mit namen eingeführt sind nur 6 Strophen:
a) auch anderwärts unter gleichem namen überliefert ist (Ins
lied nrr 5 — 9 : 'Dis ist der Rosenkrantz hem Mthartes
(ebenso im inhaltsverzeichnis); die hss. R und G (Gries-
habers bruchstücke) bieten es unter den gedienten Neid-
harts, und schon Liliencron, der zuerst die unechtheit be-
tonte (Zs. 6, 92), hat darauf hingewiesen, dass diesen autor-
namen dafür auch Heinrich vFreiberg kennt; bei Haupt
s. xxvn 9 ff unter den unechten stücken.
b) die Strophe 1, in text und register mit 'her Morung' ein-
geführt (MFr. 147, 17 ff, die letzte strophe), ist anderwärts
nicht überliefert, aber an ihre echtheit hat sich nicht ein-
mal der stets rege zweifei KSchützes (s. 13) herangewagt;
sie gilt allgemein für authentisch, so zuletzt noch im
Lemcke s. 91 und ORössuer Unlersuchun^m /u HfM.
(Rerlin 1898) s. 38. 74. ich werde unten dir gründe für
ihre echtheit aus der Überlieferung vermehren.
Es ist kein zweifei, dass der Schreiber fon p aus einer bs.
schöpfte, die mehr enthielt : er nahm nur eben so fielt
zur raumfüllung brauchte, charakteristisch für die form d< r Über-
lieferung, und zwar zu ihren Ungunsten, ist von foro
zweierlei, einmal die zerStückelung de:- meisten gediebte
Überlieferung erstreckt sich im ganzen auf 15 fei
dichte, und von 6 ist nur jedesmal eine Strophe
« dabei muss man freilich Ihm nr 1 mit der möglichen,
liehen einstroph.-keit, bei nr 36 mit dem ausgehn J- -
186 SCHRÖDER
andere sind anderwärts vollständiger und in besserer Ordnung
auf uns gekommen, zum andern das fehlen der autornamen für
fünf sechstel des Strophenbestandes : nur 2 von 15 liedern (und
liedfragmenten) tragen den dichternamen an der spitze.
Ist an diesen mangeln der Überlieferung unser Schreiber
schuld?
Ich glaube darauf mit bestimmtheit antworten zu können:
nein, was er überliefert, hat er im wesentlichen so in seiner
vorläge gefunden, wir besitzen nämlich, wie ich glaube, noch
einen zweiten auszug aus dieser vorläge, die Donaueschinger
origiualhs. des Rappoltsteiner Parzival (MFr. s. vi mit
der sigle i aufgeführt), verwendet am Schlüsse der alten dichtung
zur füllung von bl. 115v (s. Schorbach s. xiv) 7 minnestrophen,
eine achte ist am schluss des ganzen bl.320v hinter dem schreiber-
vers angebracht, diese aber wol anderer, jüngerer herkunft *.
alle 8 sind sie mitgeteilt von Uhland in Schreibers Taschenbuch
für Süddeutschland 2 (1840) s. 261—263; aus der römischen
abschrift stehn 1 — 7 in Kellers Romvart und HMS m 468 a. c. o.
Die stücke in i sind sämtlich namenlos überliefert:
a) davon treffen wir 6 in andern hss. überliefert, und zwar
unter dem namen Walthers vdVogelweide : nr 1 (Cs), Walther
vMetze : nr 2 (C), Neifen : nrr 3—5 (C), Reimar : nr 6 (ACE).
b) nur hier überliefert und daher herrenlos sind 2 : nr 7 [nr 8].
Also dasselbe nebeneinander von einzelstrophen und mehr-
strophiger Überlieferung, dasselbe fehlen der dichternamen, und
neben anderweitig überliefertem auch eigener besitz, der, wenn
auch nr 8 aus X stammen sollte, in annähernd dem gleichen Ver-
hältnis auftritt, hier 2 : 6, dort 10 : 26.
Also schon ohne dass wir in eine prüfung der lesarten ein-
treten, steht fest : keinesfalls ist eine der uns überlieferten hss., von
denen ohnedies dem alter nach nur ABC in frage kämen, quelle
von i und p, und auch eine combination reicht dazu nicht aus.
wol aber scheint es mir ganz unzweifelhaft, dass die vorläge X
aus denselben quellen wie B und insbesondere C geschöpft hat.
Von p, das 26 (21 + 5) Strophen mit andern hss. teilt2,
1 ich habe sie hier gleichwol mit eingerechnet, da sie das gesamtbild
nicht stört, und ich unterlass es, ihre Sonderstellung im nachfolgenden weiter
hervorzuheben, als durch eine [ ]. 2 das genauere ist aus der Zusammen-
stellung oben s. 184 f leicht zu ermitteln.
DAS LIED DES MÜRINGERS 187
sind 18 Strophen in C, davon 13 nur hier üherliefert. mit R
teilt es 10 Strophen, die freilich sämtlich auch anderwärts wider-
kehren, aber zunächst doch in der Überlieferung von R, dh.
seinen vorlagen, für uns in frage kommen, da die 8 (von jenen
26) Strophen, die sich in C nicht finden, sämtlich in R (resp. b)
vorhanden sind, so würden R und C zusammengenommen, dh.
immer ihre quellen, genügt haben, um diesen bestand zu decken.
Für i lassen sich alle 6 Strophen, die es mit andern hss.
gemein hat, in C und 4 nur hier nachweisen.
Das gewicht der gründe, welche dafür sprechen, die ent-
stehung von X, der vorläge von ip, in der nähe von RC und
besonders von C zu suchen, lässt sich aber noch wesentlich ver-
stärken, die lyrischen gedichte Konrads vWürzburg und Ulrichs
vWinterstetten sind nahezu ausschliefslich, die gedichte Neifens
und Hadlaubs * ganz allein in C überliefert : nur in ip sind bis-
her versprengte stücke der dichtung Hadlaubs und Neifens auf-
gefunden, und weiter, X schöpfte schwerlich aus einer ausgäbe
Neidharts, unter den sammelhss. hat aber nur R den unechten
'Rosenkranz' aufgenommen.
Der Donaueschinger Parzival (i) ist im j. 1336 zu Strafsburg
geschrieben und zwar, das hat Stosch Anz. xix 3031V bewiesen
(und sein beweis liefse sich jetzt aus dem Strafsb. HR. bd v noch
verstärken), für den Strafsburger domherrn Ulrich von Rappolt-
stein. ebendort ist im j. 1351 die Rerner bs. (p) geschrieben:
unter nachweisbarer starker benutzun^ der bibliothek des
Albrechtsv von Hohenberg, der neben seinem Konstanzer canooikal
wol schon vor 13302 ein Strafsburgisches innehatte, aufserdem
aber seit 1336, wo sein vatcr starb, nominell und seil 1338 auch
würklich landvogt des Elsass war (s. GGN aao. 8. 70). er musfi
auch der besitzer jener liederbs. X gewesen sein, der einzigen,
welche das Elsass zur gesamten Überlieferung <\<'> noinn«
beizusteuern scheint. Albrecht von Hohenberg mm bal seine aus-
1 der den Urhebern der hs. C, mag man >ie In Konstani od
suchen, persönlich nahestand.
2 vgl. die (von mir früher übersehenen regestell) AlbrechU
Regesta episc. Const. n 155 f, A. selbst bei Matthi
Studer s. 1S5, 5 : Poslea redien» in patriam reeephu ■'
Argentinensem. diese rückkehr aus Paris mnss aber iroi
fallen, wo Albrecht in Rottenburg als zeuge erschein« (F
nr 4367).
188 SCHRÖDER
bildung im zweiten Jahrzehnt des 14 jhs. in Konstanz erhalten, wo
er sehr jung, noch vor dem nov. 1317, domherr wurde und sich
wol bis in den anfang der 20 er jähre aufhielt, dort, wo er nach
seinem eigenen bekenntnis lmultum profecit in artibus', wird er
auch jenen minneliedercodex erworben oder selbst zusammen-
gestellt haben, dessen habitus uns die hss. ip im allgemeinen
widerspiegeln, die entstehung dieses codex fällt in die zeit um
1320 : nicht viel früher, denn nach Cartellieri Regg. epp. Const.
nr 4359 scheint das geburtsjahr Albrechts 1303 zu sein, aber
auch nicht viel später, denn schon im anfang der zwanziger jähre
muss A. nach Paris aufgebrochen sein , ubi stellt pluribus annis
cum magnis sumptibus et profecit in magnum clericum, et legebat
jura ad tempus multis audientibus. postea licentiatus fuit in de-
cretis causa vere scientie (Albrecht bei Matthias vNeuenburg
aao.); das alles vor 13291 in dieselbe Konstanzer zeit fallen auch die
beiden gedichte Heinzeleins. — waren also damals in Konstanz die
quellen für die hss. R und C, die sich in wesentlichen teilen mit den
quellen von ip als identisch erwiesen haben, vorhanden, so dürfte
das ein gewichtiges moment mehr für dielocalisierung beider hss. in
dieser Stadt sein, welche neuerdings wider mit der besten aussieht
auf erfolg von dem grafen Eberhard vZeppelin verfochten wird l.
Die hs. p ihrerseits ist, wie das nach der anderweit zu con-
trolierenden stumpfen gewissenhaftigkeit des Schreibers so gut
wie sicher erscheint, an ihrem teile eine genaue abschrift der vor-
läge X : insbesondere hat der Schreiber weder dichternamen eigen-
mächtig fortgelassen (wie ja auch das verwante i ergibt), noch etwa
selbständig die beiden einzigen, die er bietet, eingeschaltet.
Die unechtheit des 'Rosenkranzes' steht durch Liliencron und
Haupt fest — dass er um 1300 unter dem namen Neidharts be-
kannt war, ist anderseits sicher, für die echtheit der nur hier
überlieferten Strophe mit Morungens namen haben sich alje aus-
gesprochen, die diesem dichter eingehnderes Studium gewidmet
haben, ich mochte meinerseits nur aufzeigen, dass die Über-
lieferung noch in p, wo sie doch zum allermindesten zwei obd.
durchgangshss. passiert hat, deutliche spuren der mitteldeutschen
herkunft aufweist : das part. prät. geweset, das Haupt z. st. aus
Morungen 134,31 belegte, ist der spräche der hs. fremd, sie bietet
1 vgl. das referat von KBrunner in der beilage d. Münchner Allgem.
zeitunar vom 29 märz 1899.
DAS LIED DES MÖRINGERS 189
zb. im ersten prosastück bl. clxxi gewesen, den im reim stehnden
schwachen dat. sg. minnen hat Lemcke s. 31 (vgl. s. 34 q. 1. s. 50)
mit recht gegen Haupts änderung verteidigt und aus Morungen
gesichert; unser Schreiber bietet dagegen zb. Diut. n 260 im vers
z. 5 uf minne (so gegen Graff!), 10 der . . minne (gen.), von
werdet minne. schliefslich das vom Schreiber misverstandene en-
binnen (hs. in pinen) ist charakteristisch mitteldeutsch : vgl. die
beispiele im Mhd. \vb. i750, wo aber für die beiden Er[ec]-stellen
En[eit] (ed. Myller) einzusetzen ist. wenn das wort in der durch-
weg oberdeutschen Überlieferung Morungens nicht weiter begegnet,
so darf das um so weniger wunder nehmen, als es sehr leicht
durch darinnen, drinne (so etwa 127, 5) zu ersetzen war.
Eine weitere frage ist die, ob uusre Strophe für sich ein
lied bilde, oder nur den eingang eines liedes darstelle, wie denn
die hs. tatsächlich mit nr 3 eine erste Strophe des Marners, mit
ur 4 eine solche Ulrichs vWinterstetten, mit nr 10 eine solche
Hadlaubs gibt, und seine nr 2 gewis auch nur einen liedeingang
bietet, aber die erwägungen, welche Schütze s. 13 anstellt, sind
für mich — ausnahmsweise einmal — überzeugend, und wenn ich
ihm auch nicht in allen ausführungen über die einzelstrophen
(s. 13. 45 f. 52 lf) zustimme, so scheint er mir doch das Vorhanden-
sein einstrophiger lieder unter dem überlieferten bestand Heinrichs
vMorungen unbedingt gesichert zu haben; für ein solches wird
auch unser stück gelten dürfen.
Wir konnten von 38 in ip namenlos überlieferten Strophen
28 auf grund anderer hss. elf verschiedenen dichten) «weisen;
eine 29 (p nr 19) gieng gewis in der vorläge von \ Doch unter
Morungens namen. warum hat nun der Schreiber roo X alle
diese namen unterdrückt, und dazu vrol nocfa einige mehr, die aul
die 9 namenlos bleibenden, weil nur in ip überlieferten Strophen
entfallen mögen? und warum nennt er dann doch iwei dichter,
'liern Morung' und 'hern Nithart'? der grond hierfür »1 Dich!
schwer zu erraten : sehen wir von der meistersängertschen tra-
dition ab, die eine art primitiver litteraturgeschicbte repi bentiert,
so leben für das spätmiitelallerliche publicum mm* wenig«
aus dieser reichen poetenweit fort, und /wir diejenigen, '
in oder mit ihrer eigenschaft als minnesSnger zu beiden der
sage oder des Volksliedes geworden sind, mag an!.
stufe der Überlieferun? ihnen den nimhus des B raubt
190 SCHRÖDER
oder bis zur Unkenntlichkeit entstellt haben : ich meine einerseits
Neid hart, anderseits den Tannhäuser, Reimar vRrennenberg,
Neifen und Morungen. zwei von diesen sind es, deren namen
der Schreiber von X der bewahrung für würdig erachtete, dass
dabei der eine mit dem familiennamen, der andre mit dem Vor-
namen genannt wird ('her Morung', 'her Nithart'), entspricht der
art, wie wir heute zu citieren pflegen, und diese ist schon durch
die älteste Überlieferung vorbereitet : die hs. A hat 'der von Mo-
runge' und 'Nithart' (C 'her Nithart'). gleichwol scheint es mir
nützlich, die Übereinstimmung dieser benennungsweise mit der
volkstümlichen tradition, die nur noch einen 'edelu Möringer'
und einen 'herrn Neidhart [Fuchs]' kennt, hervorzuheben : diese
tradition geht eben nicht neben der handschriftlichen fortpflan-
zung des minnesangs her, sondern ist aus ihr geschöpft, und
mit unsrer erschlossenen hs. X kommen wir dicht an die grofsen
sammelhss. B und C heran.
Der Schreiber von X, der diese beiden namen als die einzigen
nennt, verband offenbar nur mit ihnen bestimmte Vorstellungen,
die übrigen waren ihm schall und rauch, dass Neidhart schon
bei seinen lebzeiten eine populäre und bald genug eine von
lustiger sage umwobene und getragene persönlichkeit war, ist
zweifellos, aber auch Heinrich von Morungen verdankt seine
rolle als held einer ballade gewis nicht einer litterarischen aus-
grabung des 14 oder gar 15 jhs. freilich kennt man jenes
epische Volkslied vom edlen Möringer erst aus jungen hss. (die
älteste scheint die Veesenmeyersche vom j. 1459), und mit der
erwähnung beim sog. Seifried Helbling ist nichts anzufangen : sie
nennt Morungen als 'minnedieb' und dichter von tageliedern,
wozu die ballade gewis keinen anlass geben konnte, der frühste,
bei dem sich bekanntschaft mit ihr nachweisen lässt, ist eben
unser Konstanzer Schreiber von ca. 1320 : er kannte sie in einer
form, die mit der uns überlieferten jedesfalls die bekannte lied-
einlage gemein hatte, das lied, mit dem sich der heimkehrende
Möringer einfuhrt (str. 31 f : Ein langes schweigen hob ich gedacht,
so teil ich aber singen als e, darzu hant mich die frawen bracht :
die mugen mir wol gebieten me usw.) ist bekanntlich eigentum
Walthers vdVogelweide, bei dem es (71, 31 ff) so beginnt:
Lange swigen des hat ich gedäht:
nü muoz ich aber singen als e.
DAS LIED DES MÖRINGERS 191
dar zuo hdnt mich guote Hute brdht:
die mugen mir wol gebieten me usw.
es ist nun eigentlich merkwürdig, dass FVogt, der in seiner
schönen abhandlung über den 'Edeln Moringer' (Reitr. 12) die ge-
dichte Morungens vergeblich auf anhaltspuncte in inhalt und
Stimmung durchmustert hat, an dem gleichklang mit der in der
Rerner hs. unter 'her Morung' überlieferten Strophe 1 ( = Mir.
147, 17 ff) vorbeigegangen ist:
Lange bin ich geiceset verddht
und unfrö von rehter minnen.
nü hdt man mir mwre brdht,
der ist frö min herze inbinnen.
nirgends im ganzen minnesang oder Volkslied kenn ich ein wei-
teres beispiel, dass eine Strophe, nein ein lied einsetzt mit diesem
Lange . . ich ... ddht (: brdht). und es ist doch nicht blofser
klang, sondern diesem anklang der worte und reime entspricht
auch eine gewisse, wenn auch nur vage, verwantschaf't der
Stimmung : 'Lang ists her, dass ich in trübe gedanken (in schweigen)
versunken bin' — ich weifs wol, dass die philologische inter-
pretation schärfer scheiden muss — , 'aber jetzt ist eine Wendung
zum bessern eingetreten', dass unser Schreiber die Situation
dieses 'herrn Morung' unwillkürlich mit der des 'edeln Möriogers'
in Verbindung brachte, scheint mir auch die halbmechanische
correctur zu verraten, die v. 3 bringt : für der ist frö min Itnzc
inbinnen schreibt er in piüen : dh. er hat unwillkürlich in pinen
geschrieben, wird aber durch den reimzwang, ihn- ihm im obre
ligt, auf das richtige zurückgeführt '. 'froh in pein\ das i>t eben
die Stimmung des heimgekehrten, der die gattin widersehen soll
an dem tage, wo sie sich dem freunde vermählt.
Mein ergebnis ist demnach : der Schreiber der vorläge X
unsrer Rerner hs. p kannte die ballade vom edeln Moringer
mit der liedeinlage Lange swigen des hdt ich geddht, und als ihm
ein ahnlich klingender, von ihm für identisch gehaltener, lied-
eingang Lange bin ich geiceset verddht mit dem namen des
(Heinrich) von Morungen unter die feiler kam, bewahrte
dem interesse, das er au dein beiden der ballade nahm,
namen des dichters, wahrend er die übrigen namen bia aal
1 eine rein graphische Variante ist es durchaus nicht,
kennt absolut kein p- für b-, und ebensowenig ein fit- für
192 SCHRÖDER DAS LIED DES MÖRINGERS
des gleichfalls populären Neidbart fortliefs, auch den namen Mo-
rungens bei den ihm teils zugehörigen teils zugeschriebenen
Strophen 17. 18. 19 (Mfr. 136, 25. 36; 137, 4) nicht widerholte.
Ist denn aber die Übereinstimmung des Waltherischen und des
Morungenschen eingangs, der so zum dritten male gewis nicht
widerkehrt, für die bailade selbst ganz bedeutungslos? schwer-
lich! dass etwa das gedieht Morungens ursprünglich als einlage
gedient habe und erst durch ein naheliegendes lied Walthers ver-
drängt sei, ist natürlich ausgeschlossen : das gedieht des Vogel-
weiders passt wie angegossen, die Strophe Morungens hätte gar
keinen sinn, so bleibt für jeden, der sich nicht beim reinen Zu-
fall beruhigen will, nur der eine ausweg : das gedieht Walthers
konnte deshalb so leicht dem edeln Möringer untergeschoben
werden, weil es tatsächlich ein ähnlich einsetzendes liedchen
Heinrichs von Morungen gab. diese erklärung scheint mir an sich
plausibler, als der hinweis Vogts (s. 451) auf die Weingartner
hs. (R), wo das Walthersche gedieht 'den schluss [!] einer lieder-
gruppe bildet, welche ohne neue Überschrift auf die unter HvMo-
rungen stehuden lieder folgt', hierzu ist zu bemerken, dass zwar
keine neue Überschrift, aber doch ein sehr deutlicher absatz (s.
Pfeiffer s. 95. 96) diese gruppe scheidet, die im ganzen 87 Strophen
umfasst und in der hauptsache ein zweites liederbuch Reimars
darstellt, nur jemand, der hastig blätterte wie ein moderner leser,
hätte auf den gedanken verfallen können , dass das durch 84
Strophen von dem scharf markierten Schlüsse der gedichte Mo-
rungens getrennte lied noch dem thüringischen Sänger angehöre.
Ich scheue mich nicht, am Schlüsse noch einmal zu re-
capitulieren, dass ich allerdings eine zweimalige irreleitung durch
denselben gleichklang oder anklang annehme, die ähnlichkeit der
liedeingänge Walther 71, 31 und Morungen 147, 17 war zunächst
schuld, dass der Verfasser der ballade vom edeln Möringer seinem
helden ein Walthersches lied in den mund legte, und dieselbe
ähnlichkeit ruft, vielleicht einige generationen später, in dem Schreiber
der Rerner hs. beim anblick und der niederschrift des echten
Morungenschen liedes die erinnerung an die ballade mit der ein-
lage aus Wallher wach, und indem er um ihretwillen hier aus-
nahmsweise den diebternamen 'her Morung' festhält, gibt er uns
die möglichkeit, jene dichtung wenigstens bis in den anfang des
14 jhs. zurückzudatieren. EDWARD SCHRÖDER.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT.
Aus dem stoffkreise der Dietrichssage besitzen wir über die
ersten abenteuer des Berners drei gedichte : die 'Virginal', heraus-
gegeben von Julius Zupitza in Müllenhoffs Deutschem heldenbuchv,
s. 1 — 200; 'Dietrich und seine gesellen', den 130 Strophen um-
fassenden auszug einer altern dichtung, der im Dresdner helden-
buch erhalten und von FHvdHagen und APrimisser (Der helden
buch in der Ursprache, 2 teil, Berlin 1825, s. 143 — 159) ver-
öffentlicht ist, und endlich 'Dietrichs erste ausfahrt', herausgegeben
von Franz Stark Bibl. d. litter. Vereins in Stuttgart bd 52.
Einen vergleich dieser drei fassungen hat schon FStark durch
die an den rand gesetzten Strophenzahlen der Virginal und der
entsprechenden verse des Dresdner auszugs wesentlich erleichtert;
das hauptverdienst um die klärung ihres Verhältnisses hat sich
aber WWilmanns erworben mit seiner Untersuchung 'Über Wr-
ginal' usw. (Zs. 15, 294 ff), es empfiehlt sich, die für unsre zwecke
in betracht kommenden ergebnisse dieser abhandlung hier zu-
nächst kurz zu widerholen:
Bezeichnen wir einstweilen die Virginal mit dem buchstaben
h, den auszug des Dresdner heldenbuchs mit d, Dietrichs erste
ausfahrt mit w, so ist w eine mischung aus der quelle von d
mit h; d und h ferner stimmen zu anfang völlig überein, gehe
aber dann ganz auseinander, folgender überblick über den iu-
halt möge dies — wider im anschluss an Wilmanns — deut-
lich machen :
(1 und li :
1. Dietrich und Ilildebrand tüten den beiden Or-
kise und seine genossen, welche die königm Vir-
ginal hart bedrängen.
2. Hildebrand und Dietrich kämpfen mit drachen,
Reniwin, der söhn des benogs Hetterich, wird von
Ilildebrand aus den zahnen eines solchen DOgeheuea
befreit und zieht mit seinem retter und Dietrich in
Arone, der bürg seines vaters, ein. dorthin über-
bringt der zwerg Bibung von Virginal eine einlad
an die helden. diese versprechen dir folge zu leisl
d I'
3. Bald darauf kommt Liber- 3. Sie machen sich auf deu
tein aus Palermo, um mit Dietrich nach Jeraspunt zur Vif
zu kämpfen. Dietrich überwindet rieh verirrt sieh und wi
Z. F. D. A. XLIII. N. F. XXXI.
194
LUINZER
riesenWicram gefangen nach Muter
geführt, in die bürg des herzogs
Nitger. durch die liebe der Ihelm
gelingt es ihm, Hildebrand zu he-
nachrichtigen. dieser zieht mit den
Wülfingen, Witege und Heime,
Dietleip von Steier und dem könige
Imian von Ungarn herbei, die riesen
Nitgers werden erschlagen und Diet-
rich befreit.
ihn und nimmt ihn zu seinem ge-
nossen an. alsdann treten Helfe-
rich, Dietrich, Hildebrand und Li-
bertein die reise zur königin an.
unterwegs entfernt sich Dietrich
von seinen gesellen, diese werden
durch einen boten des beiden
Janibus verführt, dessen bürg Or-
teneck zu besuchen. Janibus sucht
die beiden zu verderben, um seinen
valer Orkise zu rächen, sie be-
stehn aber alle gefahren glücklich
und befreien drei mädchen, die
Orkise seiner zeit gefangen hatte,
dann finden sie Dietrich, der eben
einen riesen besiegt und gefangen
nimmt.
4. Zug zur königin. Dietrich 4. Zug zur Virgiual. nach man-
vermählt sich mit ihr und führt cherlei kämpfen mit drachen und
sie schließlich in seine hauptstadt riesen werden sie in Jeraspunt
Bern. festlich empfangen, ein böte aus
Bern veranlasst Dietrich zur heim-
kehr in sein reich.
w bietet nun zuerst den beiden fassungen gemeinsamen iuhalt
(in der obigen inhaltsangabe die abschnitte 1 und 2), bringt dann
den abschnitt 3 aus d, hierauf den abschnitt 3 aus h und schliefst
mit dem abschnitte 4 aus d. es erscheint also der aus h ge-
nommene abschnitt 3 als fremder einschub, und dies hat Wil-
manns auch besonders hervorgehoben.
Urheber der mischung war der Schreiber der uns erhaltenen
hs. w. er hatte zwei vorlagen 1 vor sich, von denen die eine mit
der quelle von d, die andre mit h verwant war. aus der letztern
stammt einmal, was w aus der Strophenreihe h 308 — 921 bietet2,
di. aus dem 3 abschnitte von h. was noch sonst, ist erst zu
untersuchen, da sich im anfange die beiden fassungen zwar in-
haltlich im wesentlichen entsprechen, aber doch keineswegs iden-
1 es ist sicher an schriftliche vorlagen zu denken, hätte der
redactor beide gediente oder wenigstens eins mit dem gedächtnis beherscht,
so wäre die Verbindung der zwei fassungen eben vermöge dieser herschaft
über den stoff viel mehr von verstand und Überlegung geleitet und viel or-
ganischer geworden, als es tatsächlich der fall ist. aufserdem begegnen ver-
sehen von unzweifelhaft graphischer natur.
2 nicht wenig davon ist in w ausgelassen.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 105
tisch sind, vorläufig sei festgestellt : h 1 — 233 sind mit wenigen aus-
nahmen in w 1 — 352 enthalten, h 234 — 239 sind mit w 369 — 371
zu vergleichen1, ferner ist, was Stark übersehen hat, h 241 in
w 492 widergegeben, h 242—307 fehlen in w, h 308—959 liegen
dann wider mit einigen auslassungen in w vor. Stark gegenüber
ist nachzutragen, dass auch h 961 = w 800 ist. der rest von h
(962 — 1097) ist in w nicht mehr berücksichtigt.
Da nun aber w aufser den durch h oder d gestützten Strophen
auch eine erhebliche auzahl sonst nirgendher bekannter Strophen
besitzt, da es ferner in den aus h stammenden einiges vermissen
lässt und endlich auch in manchen einzelheiten der handlung,
in namen usw. eine eigene Stellung einnimmt, so ist es nötig,
bevor man auf die vorlagen schliefst, von dem Schreiber von w
selber ein bild zu gewinnen.
Der SCHREIBER.
Der wichtigste schritt dieses compilators war ohne Zweifel,
dass er den dritten abschnitt von h in das gedieht aufnahm, auf
den ersten blick mag gegen dieses vorgehn vielleicht nicht all-
zuviel eingewendet werden, der abschnitt 3 ist sowol in d als
auch in h im wesentlichen ein retardierender : in d wird Dietrichs
Zusammenkunft mit der künigiu durch die abenteuer in und bei
Orteneck, in h durch des Berners gefangenschaft in Mauter aul-
gehalten, die Verbindung beider motive in der ort, dass das eine
auf das andre folgt und so zwei hemmnisse entstehn, enthält nichts
widersinniges und müste auch vom standpuuet der dichtung aus
nicht unbedingt getadelt werden, wenn sie auch eine häufung mit
sich bringt, es kommt viel darauf an, wie der urbeber der
mischung die verschiedenen bestandteile verwob. aber gerade
wenn man dies näher betrachtet, zeigt sich die saehe als schlimmer:
sowol d als auch h lassen in ihreu abschnitten 3 und 1 neue
personen auftreten, und schon VVilmauns hat daraul hingewiesen,
dass in w, so lange dieses h 3 erzählt, die der Fassung d i
tümlichen personen verschwinden, wählend der leser /um Bchlussi
von w, wo dieses sich wider an d anschliefst, die besondi
stallen von h ganz und für immer aus den äugen verliert.
partie w 495— 766 = h 30S— 921 ist also 'in w ein
ganz roh eingeschobener beslandleil'.
1 Stark s. 332.
196 LÜNZER
Gehn wir nun auf das einzelne ein, fassen wir die schon
erwähnte Strophe w 492 = h 241 ins äuge und betrachten wir
die in w ausgelassenen Strophenreihen von h. dabei werden sich
die gründe des ausfalls herausstellen , und es wird sich zeigen,
ob und wie der Schreiber die durch seine auslassungen entstan-
denen lücken ausgefüllt oder verkleidet hat, ferner welche folgen
sein verfahren für das gedieht mit sich brachte.
Nachdem der Schreiber von w die abschnitte 1 und 2, deren
inhalt beiden fassungen gemeinsam ist, und den 3 abschnitt von
d erzählt hat, will er mit h da beginnen, wo dessen neuer in-
halt anfängt; er vermutet, dies sei bei h 241 der fall, das ist
jedoch unrichtig, denn die ganze partie h 242 — 307 enthält teils
dinge, die w schon nach der andern fassung erzählt hatte, teils
widerholungen, wie sie für h speciell charakteristisch sind, fol-
gendes ist der inhalt : h 242 — 254 : Bibung wird von Dietrich
und Hildebrand mit einem brief an Virginal entsant. 255 — 269:
er richtet seine botschaft aus. 270 — 280 : er erzählt
von seiner fahrt nach Arone und wie er dort aufge-
nommen wurde, ferner 281 — 300 : die abenteuer Rent-
wins, Dietrichs und Hildebrands. 301 — 307 : Vorberei-
tungen der Virginal, ihren gasten entgegenzuziehen, h 255 — 300
sind also reine widerholungen von dingen, die der leser ohne-
hin schon weifs, der rest der partie aber, h 242 — 254 und
h 301 — 307, also anfang und ende, berichten etwas, was w schon
einmal, wenngleich nach d und nicht nach h, erzählt hatte, näm-
lich wie Bibung mit der botschaft Dietrichs und Hildebrands von
Arone zu Virginal heimkehrt und wie diese sich auf die gaste
freut (vgl. w 362, 11 — 368, 13). hätte sich unser Schreiber dies
nur einigermafsen angesehen, so hätte er garnicht versucht, mit
h 241 anzufangen, er zeigt hier also grofse Voreiligkeit, cha-
rakteristisch ist auch, wie er mit h 241 (= w 492) umspringt,
im original enthält diese Strophe worte, die Bibung in Arone an
Dietrich und Hildebrand richtet, in w ist Bibung aber garnicht
mehr bei diesen, daher legt der Schreiber diese worte mit ent-
sprechenden änderungen teils Hildebrand , teils Dietrich in den
mund (v. 2 — 7 und v. 8 — 13). da nun aber der weitere verlauf,
h 242 ff, darauf beruht, dass Bibung jene worte gesprochen hat,
muss w sein vorhaben aufgeben und überspringt h 242 — 307.
er hatte also nicht einmal h 242 gelesen, ehe er h 241 über-
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 197
setzte, zunächst kehrt der Schreiber wider zu seiner andern, mit
d verwanten vorläge zurück — denn w 493 stammt wol aus dieser;
dann bereitet er durch eine 'selbstgedichtete' Strophe, w 494, auf
die nun folgende, aus h geschöpfte partie vor. w 494 ist aber
inhaltlich aus den von w übersprungenen Strophen h 304 — 309
genommen, diese hatte er also in seiner vorläge, ebenso aber
nach w 530, 8 auch h 242 ff. 258 ff (brief an Virginal) K
Im folgenden fehlen nun zunächst2 wider h 399 — 460. da-
für hat w nur zwei Strophen w 585. 586. inhaltlich bieten
h 399—460 zu anfang (h 400—430) und am ende (h 456—460)
widerholungen bereits bekannter ereignisse : h 400 — 430 Dietrich
erzählt der Ibelin (in vv heifst sie Lorina) die ganze geschichte
von seinem aufbruche aus Bern an, die befrei ung
der Gamazitus (in w Madius) und der Virginal, Rent-
wins rettung, den aufenthalt auf Arone, dieankunft
Bibungs, Dietrichs gefangennähme auf dem wege zu
Virginal, was alles in h 1—338 und in w 1—368 und 49511'
schon berichtet worden war. — in h 456 — 460 enthält eiu briet
die nachricht, wie es Dietrich auf Mauter gehe, w;is wir
schon aus h 369 — 394 = w 555 — 580 wissen, alle diese wider-
holungen hat w ausgelassen. — für die handlung wichtig ist nur
das mittelstück h 431 — 455 : Dietrich sendet mit hilfe der Ibelin
(Lorina) einen boten an Hildebraud mit der bitte um hilfe. dieses
mittelstück wird auch von w auszugsweise in den Strophen w 585.
586 widergegeben, nur bringt der böte nicht wie in h einen
brief, sondern richtet seinen auf trag mündlich aus.
Ursache der auslassung waren also für den Schreiber hier
die widerholungen. —
Schon nach wenigen aus h beibehaltenen Strophen lehlt in
w abermals ein grofser complex, h 468—586 , »wischen *
und 594. die übergangene partie beginnt gleichfalls mit einei
widerholung : h 468—470 : der böte berichtet über Diet-
richs läge auf Mauter. dann aber folgen, wenn auch mil
1 vgl. Stark s. vf.
2 abgesehen von h 341. 342, die der Schreiber wol übersprangen
um rascher die wichtigere begrüfsung Hildebrands zu en
3 467 ist nur umgestellt : es ist = w 589. offenbar hat i
zuerst h 453— 46G übersprungen, trägt sie aber dann doch n
unentschlossenheit, von der wir noch mehrere beispiele rinden werden.
198 LUNZER
eingeschalteten widerholungen, nur inhaltlich wichtige teile : h
471 — 484 Bibung wird von Hildebrand an könig Imian um hilfe
für Dietrich geschickt, h 485 — 531 Dietrichs böte kehrt nach
Mauter zurück und bestellt zwei b riefe. Ibelin warnt ihren
bruder. die riesen. Hülle will Dietrich töten, kommt aber da-
bei selbst ums leben, h 532 — 585 Bibung bei Imian. auch
Dietleib wird zur hilfeleistung entboten. Bibung erzählt bei-
den Virginais be freiung (560 — 564). er kehrt uach Jeras-
punt zurück, dort werden Vorbereitungen für den empfang
Imiaus und Dietleibs getroffen. Hildebrand will nach Bern, um
die Wulfinge zu holen, anlass zu dem verfahren des Schreibers
von w war auch hier die zu beginn vorgebrachte widerholung. wir
können hier jedoch noch tiefer eindringen : schon h463=w590
hatte Hildebrand seine absieht, nach Bern zu reiten und die Wül-
finge aufzubieten, ausgesprochen, bei str. 468 nun, mit welcher
die widerholung beginnt, merkt der Schreiber, dass die erzählung
wider stocke, nach dem eingange vermutet er wider eine jener
langen recapitulationen, wie er solche schon früher teils über-
sprungen, teils auch — gewis mit geringem vergnügen — ab-
geschrieben hatte (vgl. zb. w 302 — 305). ungeduldig, vielleicht
in seiner ansieht beim durchblättern auch noch durch die oben
hervorgehobenen anderen widerholungen bestärkt, überschlägt er
nun alles, bis ihn der beginn von h 586 (v. 3 ich wil da hin
gen Berne) vermuten lässt, jetzt werde Hildebrand endlich auf-
brechen, allerdings irrt er sich darin ein wenig, denn das ge-
schieht erst h 592 (= w 600), er hat aber wenigstens einen
halbwegs annehmbaren anschluss an die letzte von ihm abge-
schriebene Strophe h 466 (= w 593) erreicht1. — hier hat der
Schreiber nicht den mindesten versuch gemacht, die lücke aus-
zufüllen, die folge davon ist, dass es im weiteren verlaufe ganz
unverständlich ist, wieso Imian (in w Morilean genannt) und
Dietleib im lager vor Mauter erscheinen 2.
h 604 — 620 sind in w zwischen 611 und 612 ausgelassen,
ihr inhalt ist folgender : Hildebrand beendet vor Ute und den
1 besser wäre es freilich gewesen, etwa h 587 (= w 595) gleich an
h 463 (= w 590) anzufügen.
2 allerdings tritt Imian nicht erst, wie Stark s. vi angibt, in w 651
auf, sondern wird schon in w 650, 4 : ohne namen als 'ein kunig' eingeführt,
aber viel besser wird dadurch die sache nicht.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 199
Wülfingen seinen bericht über seine und Dietrichs erlebnisse und
fordert seine gemahlin und die beiden auf, mit ihm nach Jeras-
punt zu ziehen. Wolfhart reitet nach Raben, um auch Witege und
Heime zu laden und kehrt wider zurück, er und andere recken
äufsern ihre kampflust. — der anlass, die partie zu übergehen,
lag für unsern Schreiber wider in ihrer ersten Strophe h 604.
schon h 601 — 603, die w durch 609 — 611 widergegeben hatte,
waren eine blofse widerholung. nun beginnt h 604 : ein böte
wart nach uns gesant : z Aröne kom er uf gerant. der Schreiber
merkt also, dass die widerholung weiter geht, die in h so
häufigen botenseudungen, die ihm beim abschreiben mühe machten,
den gang der haudlung aber mehr hemmten als förderten, waren
ihm wol ganz besonders verhasst. er lässt also eine partie aus.
dass er gerade mit h 621 (= w 612) wider anhebt abzuschreiben,
erklärt sich daraus, dass er aus den anfangsworten dieser Strophe
'Ir helde, gehabent iuch gar woV die hoffnung schöpft, Hildebrand
breche nun auf, und es werde also endlich etwas geschehen,
er irrt sich jedoch abermals, denn erst in h 629 (= w 620)
reitet Wolf hart und zwar allein ab, und erst h 709 (=w641)
erfolgt der allgemeine aufbruch. — auch hier hat es der Schreiber
nicht für notwendig erachtet, die lücke auszufüllen, und auch
hier ist die folge davon, dass später (w 619, 646 ff) das auftreten
zweier personen, Wiltichs und Heimes, unmotiviert bleibt.
Es fehlen ferner1 h 651 — 710, an deren stelle in w nur
641 steht, die ich nicht mit Stark geradezu = h 7<»0 seUeo
möchte, inhalt der ausgefallenen partie : Wolfhart verlangt,
Hildebrand möge den weg nach Mauter weisen. Witege und
Heime treffen in Bern ein. 'iiit ihnen ziehen dir Wülfiage nach
Jeraspunt, werden empfangen und drei tage bewirtet. Imian und
Dietleib kommen in Jeraspunt an und werden begrQfst. aufbruch
gegen Mauter. — wir haben es hier nicht mit widerholu
zu tun, wol aber mit einer Umständlichkeit, die dem schj
überflüssig schien2. warum sollten die beiden lueral nach
1 der verlust von h 638 ist wol graphisch zu erklären.
hat dieselben endreime wie die vorhergehnde.
- vielleicht machten ihn auch h 652, 1. 2 kopfscheu :
aheftant dö kam ein böte dar gerant solche boten mo<
arbeiter gewöhnt haben als ungünstige Vorzeichen weitl
zu fürchten.
200 LUNZER
Jeraspunt und erst von da nach Mauter ziehen? der bearbeiter
hält sich an die von ihm eben übersetzten worte Hildebrands
h 650, 1. 2 Dar umbe riten wir da hin : gen Mut er stet mir
ie der sin, und springt sofort zur ausführung dieses Vorhabens
über, di. auf h 711 : Niht langer dö gebiten wart, si Uten balde
uf die vart. zur Überleitung schiebt er eine Strophe, w 641,
ein, deren anfang (v. 1 — 11) sich inhaltlich mit der vorletzten
Strophe der ausgefallenen partie deckt, nämlich mit h 709, wäh-
rend sich ihr schluss an die erste Strophe desselben abschnittes
anlehnt (s. 12. 13 vgl. h 651, 1. 2). — das ausbleiben der eben
besprochenen partie hat die folge, dass Hildebrands versprechen,
die Wülfinge in Virginais gezelt nach Jeraspunt zu bringen (w
594 = h 587, 7. 8) für jetzt unerfüllt bleibt, da sie geradewegs
gegen Mauter ziehen.
Aus ähnlichem gründe scheint h 768 — 774 in w durch 699
ersetzt zu sein1, das bestreben des Schreibers, die handlung
rascher zum ziele zu führen, zeigt sich schon in w 698 (=h 767).
er hat wol schon, eh er diese Strophe zu ende schrieb, die ab-
sieht gehabt, h 768 — 774, die Dietrichs empfang und bewirtung
im lager der Wülfinge ausführlich erzählen, zu überspringen, und
zu diesem zwecke die Strophen mit einem blicke überflogen, die
letzte der zur ausscheidung bestimmten Strophen, h 774, enthält
in v. 2 die ankündigung ich viiere iueh zuo der künegin (= zu
Virginal). nach dieser Zusammenkunft zwischen Dietrich und
Virginal, die das ende des gedichtes herbeiführen muss, drängt
der bearbeiter hin. daher ändert er h 767, 10. 11 entsprechend
um. in der vorläge lauteten die verse : si vuorten den Bernare
rilich in des küneges zeit (= in das zeit Imians). w aber
sagt (698, 10. 11) : da fürt man den Fernere frolichen zu der
kunigin zeit (= in das zeit der Virginal). nun kann der
Schreiber aber diese änderung doch nicht aufrecht erhalten, denn
h 775, mit der in h ein neuer inhalt beginnt und mit der w
daher wider einsetzen will, hebt mit den Worten an : Dö sprach
der vürste Nitger ze siner schauen swester her .... Nitger und
seine Schwester aber befinden sich in Mauter, nicht bei Virginal.
1 die in w fehlende einzelne Strophe h 744 ist oben nicht erwähnt,
sie hat in der vorläge gestanden, denn w nimmt aus ihr den namen Ger-
wart nach w 675, 1 hinüber, die kürzung entsprang wol der Ungeduld des
Schreibers.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 201
deshalb fängt der bearbeiter die Strophe 699, mit der er seine
auslassung verdecken will, mit der angäbe an Er (= Dietrich)
reit gen Maut er wider ein und lässt empfang und Bewirtung
Dietrichs, die er nun stark kürzend im anschlusse an die von
ihm ausgelassenen Strophen h 768. 770 — 772 berichtet, in Mauter
vor sich gehn. — eine heillose Verwirrung ist die folge dieser
unüberlegten änderungen : nach w 698, 11 wird Dietrich zur
königin Virginal, also nach Jeraspunt geführt, nach w 699, 1
reitet er aber nach Mauter zu Kitger und Ibelin (Lorina), nach
w 700ff ist er jedoch in Übereinstimmung mit h trotzdem noch
im lager der Wülfinge vor Mauter.
Sodann fehlen in w die Strophen h 779 — 858. der Schreiber
will rascher h 859 erreichen (v. 2. 3 si zogeten durch den grüe-
nen walt hin gegen des hrunnen vluzze = nach Jeraspunt zu
Virginal). das übersprungene ist ein inhaltlich wenig bietendes,
an widerholungen reiches stück : Kitgers gemahlin und Schwester
werden im lager empfangen, streit zwischen Wollhart und Bilde-
brand. aufbruch nach Jeraspunt, wohin der eintreffende Bibung
alle einladet. Dietrich erzählt ihm seine (dem leser be-
reits bekannten) erlebnisse (804— 826). Bibung wird mit
einem briefe entlassen und kehrt heim (827 — 837). er wird
empfangen und erstattet be rieht (838—847). aufbruch aus
dem lager. gespräch zwischen Dietrich und Hildebrand. — da-
von dünkt den Schreiber nur einiges aus dem anfing iiüHl;. in
den Strophen w 704. 705, die er an stelle der übergangenen
einfügt, gibt er ungefähr den inhalt von h 779. 781. 782 und
(durch w 705, 10. 11) den inhalt einer in unserem lexle ron ■
fehlenden1 Strophe wider. — der umstand, das* der bearbeiter
hier einen besseren text von h vor äugen gehabt bat ab beut«
wir, bewürkt, dass auch in seinem auszage die aache beaaei
stimmt als in der uns vorliegenden gestalt von h. das ist aber
kein verdienst unseres Schreibers, und das bestrebte, wider
sprüche zu beseitigen und lücken auszulüllen, war keift
die Ursache seines vorgehns. seine vorläge war eben hier »oi
1 dass hier in h eine strophe fehlt, die w vor Bich gehabt
später gezeigt werden, einstweilen genöge da Maweifl ■«
merkungen zu h 770ff (Deutsches heldenbw* * 28
schlechte beschaflenheit, die der text von h hier aal
auch von der annähme von Kicken kein befriedigend« rlet-
202 LUNZER
diesen mangeln frei, zuzugeben ist nur, dass er bei dieser aus-
lassung — ausnahmsweise — nicht selber Verwirrungen ange-
richtet hat.
Schliefslich hat vv noch die drei Strophen h 916 — 918
zwischen w 763 und 764 übersprungen, der Schreiber drängt
wider vorwärts, er will h 919 erreichen (v. 4 nu zogen über
den brunnen kalt = zu Virginal). die übersprungenen Strophen
enthalten die fortsetzung eines in h 915 begonnenen Wortwechsels
zwischen Dietrich und Hildebrand, dort hatte der Berner seine
worte mit der aufforderung beendet : lant viirbaz iuwer strafen
sin. dass nun Hildebrand doch antwortet, scheint dem schreiber
zwecklos, er nimmt aus dem folgenden gespräche der beiden
beiden nur h 917, 6 (wir suln dirre rede versteigen), legt diese
worte, die in h wider Dietrich spricht, dem Hildebrand in den
mund (Nun schweiget, sprach her Hildeprant), so dass nun beide
helden in dem wünsche, die Unterredung abzubrechen, überein-
stimmen, die unzukömmlichkeit, dass nun das gespräch nur ein-
geleitet zu sein scheint, um sogleich wider beendet zu werden,
dass ferner Hildebrand den Vorwurf der 'Verzagtheit' (h 915, 9
= w 763, 7. 10) ohne entgegnung hinnimmt, dass endlich mit
h 918 auch der bericht von dem ende des kurz vorher h 895
= w 742) begonnenen drachenkampfes ausfällt, — das alles
bekümmert unsern schreiber nicht.
Mit w 766 (= h 921) verlässt der bearbeiter die mit h ver-
wante vorläge, um nur noch einmal zu ihr zurückzukehren, in
h 920, 8. 9 hatte die vorläge angekündigt : wir sullen schiere
bevinden die küneginne Virginal. in seiner von uns schon mehr-
mals beobachteten Ungeduld nach dieser Zusammenkunft über-
setzt der schreiber, der auch einige ausdrücke nicht versteht,
diese ankündigung so, als ob nun das ereignis selbst schon
vor sich gienge. erst am ende von h 921 (= w 766) merkt
er, dass er sich dabei durch die andeutungen des originales vor-
eilig habe zu irrtümern hinreifsen lassen, uud geht nun von h
ab. man vergleiche die vorläge, h 920. 921 mit der Übersetzung
w 765. 766.
Il w
Do sprach meister Hildebrant Nun wol auf, edler herre mein!
'herre, entgerwent iueh zehant. wir wollen zu der kunigein1,
wir ligen sicherliche. vil edler Ditereiche,
1 entsre?nvent versteht der schreiber nicht.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
203
und ir, edelen ritter guot,
wesent alle höchgemuot
und sint ouch vröuden riche.
lant uns ruowen üf der wal.
wir sullen schiere bevinden
die küneginne Virginal:
under der grüenen linden
sullen wir gemaches pflegen,
tragent her vleisch, win unde bröt'.
des vröut sich manec zierer degen.
Ez was allez wol bestalt,
e si körnen durch den walt,
swaz man erdenken künde
spise reine und da bi guot,
vor allem valsche wol behuot.
si wurden an der stunde
von äventiure alda sagen
biz daz man ezzen gienge.
dö wart ouch her Wolfhart klagen
wie in der wurm gevienge.
si sprachen Huo die rede hin.
wir hän alle geliten not,
biz daz wir her bekomen sin',
tla der Schreiber nun sieht,
mit unser werden rilterschaft,
so kumen wir mit heres kraft
hin zu der künigin reiche;
wirwollen reiten perg und tal1,
pis wir die frawen finden.
es wart die kunigin Virginal
unser bei einer linden,
da wurt man unser aller pflegn
in er und hoher wirdikeit,
des frewet euch, ir kuner degn.
Die kunigin het vor bestalt,
ee das si kamen für den walt,
was man erdenken künde
von reiner edler speise gut,
als mangen werden gesten tut.
si wurden zu der stunde
von hubscher abenteüre sagen,
und wie es in erginge.
Wolfhart der ward den frawen2 clagen,
wie in ein wurm dort finge,
da er kam zu der kunigein3.
si richten sich gen dem gezelt
Hilprant und manger ritter fein.
dass er sich mit seiner eile nicht
in Übereinstimmung mit seiner vorläge befinde und dass diese
immer noch keine miene mache, die hehlen bei Virginal ein-
treffen zu lassen ( — in h wird erst noch Beldelin mit einem
briete an Virginal und von dieser mit der antwort von Dietrich
zurückgesant, und aufserdem reitet noch Bibuug den gaeten
entgegen — ), wird er der sache überdrüssig und beginnt aus
der andern vorläge sofort da abzuschreiben, wo die ankunft DieW
richs erzählt wird, w 767 : Si zugen über walt uud feit und
warnten sich gen dem gezelt .... hin da die edel kunigein trauet
mit iren megetein usw.
Unglücklicherweise hat es aber der Schreiber da od doch noch
einmal — und zwar an ganz unpassender stelle — mit h »er-
sucht und mitten in eine aus der andern bs. genommene partie
einige Strophen aus h gestellt : es sind nämlich li 923. 924.
1 wal versteht der Schreiber nicht.
2 gemeint sein können nur Virginal und ihre frauen, denn bdn
befinden sich in w keine frauen.
3 der Schreiber merkt seinen fehler, darum fiiit er bei : 'nämlich erst
später tat Wolfhart das, da er kam w der kuni^ehi.
204 LUNZER
955—959 = w 790—797 und h 961 == w 800. der compi-
lator erzählt also mit weglassung alles dessen, was ihm über-
flüssig scheint, die Zusammenkunft Dietrichs mit Virginal nach
h. da er aber dieses ereignis unmittelbar vorher (w 767 — 789)
schon einmal nach d berichtet hatte, werden nun Dietrich und
die seinen von Virginal zweimal empfangen. Stark merkt zwar
den schaden auch, aber nicht seine Ursache, er meint (s. ix):
'die begrüfsung Dietrichs durch Virginal in den Strophen 793 — 797
(h 955 — 959) zeigt, dass die königin den Berner früher noch
nicht gesehen haben kann, jene Strophen [nämlich w 767 — 789]
demnach hier ungehörig sind, der grund dieser Verwirrung scheint
in der weglassuog der in h stehnden Strophen 651 — 679 zu
liegen', dem kann ich nicht zustimmen, nicht w 767 — 789,
sondern die aus h stammenden w 790 — 797 sind hier ungehörig,
und der grund der Verwirrung ligt nur darin, dass sie hier ein-
geschaltet sind, würde man mit Stark h 651 — 679 ergänzen, so
wäre damit gar nicht geholfen; scheidet man aber w 790 — 797
aus, so verläuft alles in schönster Ordnung, denn w 789 und 798
schliefsen ohne weiteres an einander an.
Die art, wie unser redactor h verlässt, ist also um nichts
geschickter als das verfahren , mit dem er seinen grofsen ein-
schub aus dieser fassung des gedichtes beginnt, damals war er
nahe daran gewesen, denselben Vorgang zweimal, zuerst nach d,
dann nach h, zu erzählen, jetzt tut er es würklich. damals ist
er nach dem ersten mislungeoen versuch, nach h zu gelangen
(w 492 = h 241), für einen augenblick wider auf d zurückge-
fallen (w 493), um erst mit einem zweiten anlauf (durch w 494)
den Übergang zu h zu gewinnen (w 495 = h 308), — und auch
zum Schlüsse kehrt er zu h, das er mit w 766 (= h921) schon
verlassen hatte, mit w 790 (= h 923) abermals zurück und macht
nach dieser letzten einschaltung noch einen allerletzten versuch,
indem er auf die schon wider aus d geschöpften Strophen w 798.
799 noch eine aus h abgeschriebene (w 800 = h 961) folgen
lässt. sein unentschlossenes tasten, die art, wie er einerseits
zwei verschiedene vorlagen verbinden will, sich dann aber doch
von der gerade benutzten nicht trennen kann, verrät denselben
mangel an überblick und beherschung selbst des unmittelbar
folgenden, den auch im innern der grofsen einschaltuüg w495 — 766
seine auslassungen zeigen, diese haben alle ihren grund in dem
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 205
Widerwillen des Schreibers gegen arbeit, die ihm überflüssig dünkt,
er will zwar aus h alles in seinen text aufnehmen, was h an in-
haltlich neuem vor d voraus hat, aber nicht mehr, da er sich
aber nicht die mühe nimmt, voraus zu lesen, weifs er nur sehr
selten zur rechten zeit anzufangen oder aufzuhören, es ist richtig,
was Wilmanns (Zs. 15, 306) sagt, dass durch sein, verfahren
'manche lästige widerholung in Wegfall gekommen ist', ja mehr-
mals waren solche widerholungen der anlass seines vorgehns,
aber er hat doch durchaus nicht alle vermieden und sogar neue
hineingebracht, und die Unklarheiten und Widersprüche, die er
verschuldet, würden das ende seines gedientes im einzelnen ge-
radezu unverständlich machen, wenn wir nicht h und d zum
vergleiche besäfsen.
Wir haben aber noch ein mittel, den Schreiber von w kennen
zu lernen, bisher betrachteten wir sein verfahren im grofsen,
nun soll seine 'kunst' als dichter im einzelnen aufgezeigt werden.
material dazu bieten die Strophen, die nach dem vorhergegangenen
als eigentum des Schreibers von w erkannt wurden, nämlich
w 494. 585. 586. 699. 704. 705. diese sind, uzw. grofsenteils
wörtlich, aus Strophen der vorläge, die w übersprungen hat, zu-
sammengetragen, zeigen also völligen mangel au Selbständigkeit
und grofse unlust zu eigner tätigkeit. ich setze die betreffenden
stellen hierher.
w 494 benutzt aus der von w übergangenen partie h 234— -240.
242 — 307 vornehmlich die Strophen h 304— o<>7, aber Eur Her-
beiführung der Übergänge auch die in w beibehaltenen Strophen
h 229 und h 308 f.
w 494, 1 — 13: •' 307,
Manch kuner helt verwapnet wart, Diu ritterschafl schön uf die vart
die fursten da die herefart ze v.M.- da bttchonwel wart,
nit lenger wolten sparen. ir ros und ii gereite.
D 305, 11 :
BÖwil ii'li(= BlbUDC) v.imi ftf dii
da kam Bibung gefaren her,
herBlbunc ... kam in den
und wie es umb die fursten wer1
h 30 I
die mer wolt er erfaren. Diu ler b
1 vgl. h 140, 13 wiez umb die beide ergangen st, h 141
die vürslen si getan.
206
LUNZER
aufs dem gezelt het in gesant
die edel kunisinne
h 307, 11:
gezelt zuletzt erwähnt, h 304, 11
wir senden in ein boten e.
daz si
dar kamen zu der frawen schar:
si warten alle tegeleich,
und wann die fürsten kernen dar.
h 308, 11:
die wolden zuo den vrouwen komen.
305,4:
der vrouwen schar.
h229, 12. 13:
si wartent iur ein ganzez jär:
ir müezent ir ze hüse komen *.
ganz ähnlich lehnen sich w 585. 586 an verse der übersprungenen
partie h 399 — 460 an, die unser Schreiber vorher offenbar rasch
durchgesehen hat:
w 585, 1—13:
Da sprach von Pern her Ditereich :
'ir edle maget minigleich,
ein rat solt ir mir geben,
wie ich mocht einen poten han
nach manchem wunderkunen man,
das sie dort westen, wie es gat
wie ich lig hie gefangen
zu Mauter gar in grofser not,
wie es mir ist ergangen.
'ir seit gewert, ir werder man',
so sprach die maget miniglich.
w 586, 1—10:
Ein schneller pot ward hin gesant
der kunigin und her Hildeprant,
h 400, 1. 2:
Do sprach von Berne er Dieterich
Sil kiusche maget wunnenclich.
h 397, 7 :
gip mir ein getriuwen rät.
h 436, 2—4:
. . . . so gebent rät
waz botschaft wein wir senden
den vrouwen unde Hildebrant?2
h 430, 11. 12:
wisten si den kumber min,
daz ich hie gevangen bin3
h 436, 7. 8:
ir ligent ze Müter sunder danc
swaer üf den lip gevangen
h 398, 1.2:
D6 sprach diu wunnencliche magt
'min helfe si iu un versagt4.
h433, 12. 13:
den vrouwen wirt . . .
ein böte snel . . . gesant.
h436, 3. 4:
waz botschaft wein wir senden
den vrouwen unde Hildebrant?
1 vgl. auch h 232, 10-13. 2 vgl. auch h 433, 12. 13.
3 vgl. auch h 446, 11. 12 und h 435, 13. 4 vgl. inhaltlich auch
h 433, 10—13. 434, 9. 10 und zur anrede h 436, 2.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
20"
der sagt in pald die mere
wol von der jungen herzogein,
auch sagt der pot der kunigein
wol von dem Perner here,
h 455, 13:
diu maere.
h 445, 12:
ein herzogin. h 457, 5: diu her-
zoginne.
h 453, 7 : worte des boten :
'got grüeze dich, edeliu künigin'-
h 456, 3. 4: Worte des brief'es:
'man grüezet hie . . .
ein gelobeten künigin'.
h 457, 6:
des dankte der von Berne.
h 457, l. 3:
wie daz sein pfleg ein schone magt . . ein juncfrou fin : si pfliget des
heldes {des von Berne) gerne.
w 586, 11 — 13 nimmt dann den inhalt der in h (und w) folgen-
den antwort Hildebrands vorweg1, w 699 schöpft aus den öber-
gangenen Strophen h 768 — 774, aber mit inhaltlicher Änderung,
die schon w 698, 11 beginnt (zu der künigin zeit statt in des
küneges zeit) und im früheren (s.200) schon besprochen worden ist.
w 699, 2—13:
da in enpfing das megetein
und vil der schonen frawen.
vi] edler speis bracht man im dar
und auch den külen wein so klar:
sein unmut was verhawen.
was man ie hoher wirdikeit
auf erden kund erdenken,
das was im williglich bereit
geleid er ie kein ungemach,
des ward er wol ergezet seit-.
h 76S, 1:
Die enpfiengen in (juncfrou [belli)
genannt 770, 9).
h 768, 7:
die vrouwen alle gar. vgl auch 7'.
h 770, 5. 7:
brot unde win . . .
daz buten riter und kneble <l;ir.
Ii 772
machte den vürsten wol gen i |
auch h 76s, 13. 770, 2).
h 771, 2. 3:
duz man vür kflo truoe.
die nieisi.T des erdihten.
h 770, 1:
die taveln schöne Binl ben
b 772, 12.
hat iuwer sorge ein ende -
iur leit und inw.r DI
1 vgl. übrigens zu w 586, 11. 12 auch h 430, 9—13.
2 auch im reimklange erinnert manches an
so w 699, 3. 6 frawen : verhawen — h 769, 3. 6. 774,
wen; w 699, 4. 5 dar : klar — h 770, 7. 9 dar : war; w
bereit — h 770, 4. 5 bereit : geleit.
208
LUNZER
w 704. 705 stehen an stelle von h 779 — 858, von denen in w
aber nur das wichtigste, nämlich der inhalt von h 779. 781. 782
ausführlicher vvidergegeben, anderes nur gestreift wird, h ist
aber hier im einzelnen arg zerrüttet, manches, was w vor sich
gehabt zu haben scheint, findet sich in h nicht mehr, der ver-
gleich ist also, namentlich was wörtliche entlehnungen betrifft,
hier erschwert, w 704 — 705 entsprechen ungefähr h 779, 1 — 9.
w 704, 6 ist ein blofser flickvers, 7 — 10 : manch tiplich red und
süsse wort aufs rotem mund erginge, das der fürst gerne von ir
hört, den Wikram feischlich finge bezieht sich wol auf die lange
widerholung von Dietrichs Schicksalen h 804 — 826 (vgl. besonders
h 805, 1. 2 : Er was geheizen Wicram, mit valschen reden er üf
mich kam. 819, 11 roter munt u. dgl.). im folgenden vergleiche
man wider:
h 781, 9ff:
'ich (= diu herzogin)
bite iuch durch den willen min
und durch die maget reine
w 704, 11—13:
:r', sprach die edel herzogein,
olt ir uns einer pet gewern,
ch und die schone maget fein
h 775, 6ff:
bite in sunder eine,
w 705, 1—9:
s ir durch frawen hochgeert '
: burk wolt lassen unversert.
r umb, ir hochgelopter man2
»11 wir euch dienen gerne
d allzeit wesen undertan'.
daz ir
diz lant uns wellet län
enpfän von iu ze lehen:
daz er dise vesten guot
uns läze unzerstceret.
wir wellenz gerne ze 16!
hän
von ime die wile daz
leben
und solan sinen handen st
daz sol an iuwern gnaden stän
w 705, 10. 11, wo Dietrich die entscheidung der bitte Hildebrand
überlässt, bezieht sich wol auf eine in h ausgefallene Strophe,
w 705, 12. 13 geben den inhalt von h 782 wider.
Anhangsweise wäre hier noch w 641 zu besprechen , die
Stark = h 709 setzt, in Wahrheit verhält sich die sache folgen-
dermafsen : mit w 640 hatte der Schreiber die partie bis h 650
übertragen, mit w 642 setzt er bei h 711 wider ein. an stelle
der ausgelassenen Strophen h 651 — 710 steht in w nur w 611,
die zuerst den inhalt der letzten beiden Strophen des übergangenen
teiles, nämlich von h 708. 709 in engerem anschlusse an 709
widergibt, in den beiden schlussversen aber den anfang jenes
teiles, nämlich h 651, 1. 2. man vergleiche w 641, 12. 13 dar
1 vgl. h 776, 7 daz erz durch vrouwen gerne luot.
2 vgl. h 776, 13 des muoz er (= Dietrich) sin ein biderber man'.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 209
zu gab in gar weisen rat in trewen meisler Hildeprant mit li 651,
1.2: Her Hildebrant, nu gebeut rät, als iuwern eren wol an stdt.
demnach ist also auch das ende von w 641, das zunächst — im
vergleiche mit h 709 — eigentum des Schreibers von w zu sein
scheint, aus der vorläge genommen, das verfahren des Schreibers
ist also auch hier ganz so wie anderwärts '.
Die früher unternommene Charakterisierung des compilators
von w erhält durch diese betrachtung der einzelnen von ihm
selber verfassten Strophen nur eine bestätigung : er hat solche
nur notgedrungen 'gedichtet' und zeigt sich auch in ihnen nicht
schöpferisch, sondern bis auf den Wortlaut herab von seiner
quelle abhängig2.
Wir haben damit für das folgende festeren boden gewonnen :
das bild des Überarbeiters ist eindeutig, das, was ihm zugetraut
werden kann, ziemlich eng umgrenzt, und namentlich gezeigt,
dass ihm erstens gröfsere Strophenreihen überhaupt nicht und
auch einzelne Strophen dann nicht zuzuweisen sind, wenn sie
selbständiges verhalten dem Stoffe gegenüber, motivierung kommen-
der partien udgl. aufweisen, wo sich solche in w tinden, müssen
sie — einerlei ob sie durch andere fassungen des gedichtes von
Dietrichs ersten taten bestätigt sind oder nicht — jedeslälls auf
die vorläge oder besser gesagt auf eine der beiden vorlagen von
w zurückgeschoben werden.
Abgreiszumü der vorlagen.
Schwierigkeiten macht besonders der anfang. hier Dämlich
wechseln mit einander ab Strophen, die allen drei dichlUAgeo
gemeinsam sind, solche, die w nur mit h oder nur mit d t*'ilt,
und endlich solche, die ausschliefslidirs etgeotutp \<>n w uod«
da wir ein compliciertes verfahren schon im aUgenetaen eineso
compilator jener zeit nicht zutrauen werden, gan* besonder! »ber
nicht dem manne, von dessen täligkeit bisher gesprochen wurde,
muss es sache einer eingehenderen prdfung >«'m, die auf dm
ersten blick verworren scheinenden verhAllttisM MJ w '•
1 auf die formale seile der 'eigenen' slroplwn roo * i B ' "'
lieh nicht eingegangen : sie unterscheiden sieh in du •
alten nicht erheblich, da der Überarbeiter ja auch d
und sprachliche gewand seiner zeit gehüllt hat
2 sein würkliches eigentum sind fast nur fliefcw
merket mich gar eben, 704, 6 nu mügt ir hören gerne udifl.
Z. F. D. A. XLIII. N. F. XXXI.
210 LUNZER
Die Strophen w 1,2 sind nur noch iu d bezeugt, also wol
aus der vorläge genommen, die mit der quelle von d verwant
war. sie handeln vom vater und von der erziehung des heiden.
Dagegen weist die ganze partie w 3 — 37 aufser zahlreichen
plusstrophen von w nur solche auf, die sich entweder in d und
h oder, und deren sind mehr, nur in h finden, uzw. als h 1 — 12.
man darf also annehmen, dass w 3 — 37 auf grundlage von h
1 — 12 entstanden ist1, inhalt dieser partie ist die weitere Vor-
geschichte des heiden, die der Virginal und Hildebrands erfolg-
reiche bemühungen, seinen herrn zum bestehn des abenteuers
anzutreiben, die letzte Strophe erzählt, wie bürg, Stadt und land
einem biirger anvertraut werden.
Es folgt nun der abschnitt w 38 — 130. er berichtet vom
aufbruch und von der fahrt Dietrichs und Hildebrands und von
dem zusammentreffen des letzteren mit Madius bis zur ankunft
des heiden. nur h und nicht auch d kennt nach Stark die
Strophen w 45. 48. 72. 85. 94. 96 (w 68 hat mit h 24 nur den
ersten vers gemein), von diesen ist aber sogleich 94 auszu-
scheiden, denn die Strophe ist tatsächlich in d bezeugt (vgl.
w 94,7.8.12 und d 17,5.6); w 72 ist inhaltlich nicht zu
entbehren und scheint mir auch durch d 13, 9 — 11 gestützt
zu sein 2.
Aber auch die andern nur in h und w vorhandenen Strophen
haben sicher auch in der vorläge von d gestanden, die uns ja
nur durch den stark und rücksichtslos kürzenden auszug ver-
treten ist : w 85 (== h 31) und w 96 (= h 37) sprechen von
brünne, sarwat, ross und schwert des heiden, und diese wich-
tigen teile der ausrüstung werden wol auch in den 'wäpenliet'
der quelle von d nicht unerwähnt gebliehen sein, die sogar
schuhe, zäum und pferdedecke beschrieben haben (d 14, 11. 15,
7. 15, 5.) auch die Strophe w 48 (= h 17) ist erst beim an-
fertigen des auszuges weggefallen, sie schliefst : ir vüert mich
mit iu uf den pldn (: lan), vers 1 1 der unmittelbar vorangehen-
den Strophe lautet ebenso (reim : hdri). ähnlich steht es mit
w 45 (= h 14), nur dass hier der anfang schuld war : Ez reit
uz Berne, also manz seit, . . . her Dieterich von Berne, vgl. w 46
(= h 15) : Eins morgens vrüeje daz geschach, daz mans üz Berne
1 die plusstrophen von w hat unser Schreiber in seiner vorläge gefunden.
2 ich halte d 13, 11 für ein misverständnis aus h 25 (= w 72), 7. 8-
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 211
riten sach. der ausfall in d erklärt sich also graphisch durch
abgleiten des auges von einer stelle zu einer formell und inhalt-
lich ähnlichen, als entscheidend bleiben also nur die atroph d
übrig, in deren besitz w mit d gegen h zusammenstimmt, es
sind dies w 38. 39. 42. 50. 56—60. 62—65. 70. 71. 76. 8 1 86.
87. 91. 93—95. 99—102. 104. 106. 123. 124. 127. 129', von
denen Stark allerdings nicht alle verzeichnet (die nötigen hin-
weise s. u. s. 220 f). demnach beruht die partie w 38—130 auf
der mit d zusammengehörigen vorläge 2.
In w 131 — 185 wird Hildebrands kämpf mit dem beiden
erzählt, nach Stark sind nur von h bezeugt w 136. 138. 14(1.
150. 164. 168. 174. 175. 185 (von w 134 sehe ich hier ab, da
es in h an ganz anderer stelle erscheint), es ist aber nachzu-
tragen, dass von diesen zwei doch auch in d belegt sind : 140
(vers 5—13 durch d 22,5.6) und 164 (durch d 25,7-13).
die andern Strophen sind nicht beweisend : w 136. 138 = b 12.
45 standen auch in der vorläge von d und sind erst in dem
auszuge übersprungen worden, indem der Verfasser desselben
von dem ende der Strophe w 135 auf den anfang von w 139
hiuüberglitt. vgl. w 135 (= h 44) 12. 13 : der wise (= Hilde-
brant) balde ansihtec wart den starken hei denischen man und
w 139 (= h 46) 1. 2 : Der hei den zorneclichen sprach.
hern Hildebranden sach. auf ähnliche weise sind erst beim
abfassen des auszuges verloren gegangen w 168. 174. 175. der
Schreiber, der ebeu (in d 26, 10 — 13) das ende von \\ 167
widergegeben hatte, glaubte, er sei schon bis w 171'» gekommen,
und fuhr daher mit dieser strophe fort (in d 27, 1 — '.V). später
merkte er sein versehen wol, trug aber nur w 169. 170 (= h 63-
64) mit d 27, 4 — 13 nach, zum Verständnis j-'iir.s rehlers muss
auf die in h erhaltene ursprüngliche fassung von w 167 und
175 zurückgegangen werden : h 61, 8 (: 10) lautet OÜrwär da»
ist ein wunder (: bevunder), h 65, 8 (: 1»») daz nimt muh
wunder (: kunder), in beiden Strophen i>i ferner Hildebrand der
redende : h 61, 1 In zorne sprach her Hildebrant und h
Der wise (= Hildebrant) sprach. — weiter musa auch « I
(= h 7i) in der vorläge von d gestanden haben, da sich
1 w 82 und 128 scheinen mir nielit durch <l gestallt l
2 auch diese partie enthält plusstmphcn von w, ffl
gilt wie für die des frühem abschnittes.
212 LÜNZER
und 186 weder in der fassung von w noch in der alten (h 70
und 72) aneinander fügen. — w 150 ist nur zum teile = h 52.
auch diese Strophe, über die unten noch gesprochen werden
soll (s. s. 234), ist dem original von d zuzuweisen (uzw. in der
gestalt, wie sie h bietet) : das zücken der Schwerter nach dem
zerbrechen der Speere und nach dem absitzen ist in einem ritter-
lichen Zweikampfe ein zu wichtiger Vorgang, als dass er über-
gangen werden konnte, wenn der Zweikampf nur einigermalsen
ausführlich erzählt wurde, zudem passen w 149 und 152 ohne
Übergang nicht zusammen.
Es erübrigen also nur die Strophen , die w und d gemein-
sam haben : 141—144. 155. 166 K 170. 176. 180. schon w 176
genügt zum beweise, dass w in dieser partie zu d gehört, denn
abgesehen von der wörtlichen Übereinstimmung zwischen w 176,
1. 2 und d 27, 1 enthalten nur d und w die inhaltlich wichtige
angäbe, dass der beide sich Hildebrand gefangen geben will.
Darnach stammen also auch w 130 — 185 aus der mit d
verwanten vorläge, wie der vorige abschnitt.
Die nun folgende partie w 186—222 berichtet von Diet-
richs kämpf mit den 80 mannen des heiden bis zum eingreifen
Hildebrands, hier sind alle Strophen, die w mit h teilt, zugleich
in d gestützt, auch w 193 und 216, zu denen Stark keine
parallele aus d notiert, es sind nämlich w 193, 4 — 13 durch
d 31,5 — 7 wenn auch ungeschickt widergegeben (man beachte
besonders das wort kunst in w 193, 7 und 12, das sich auch
im auszuge noch erhalten hat in d 31, 7), von w 216 endlich
wird vers 4 durch d 36, 5 bestätigt, dem gegenüber aber be-
sitzen d und w im vergleiche mit h ein gemeinsames mehr wich-
tiger Strophen, (besonders von bedeutung sind hier w 197 ff.)
es bedarf keines weiteren beweises, dass auch diese strophen-
reihe mit d verwant ist.
Es schliefsen sich nun an w 223 — 338, Hildebrands und
Dietrichs gemeinsame abenteuer bis zum eintreffen Bibungs in
Arone. von den Strophen, die d bestätigt, fehlt in h nur w 268,
1 diese sind von Stark nicht vermerkt, vgl. über sie s. 220 f. dagegen
sehe ich von w 148 und 162 ab : d 23, 7 gehört nicht zu w 148, 3, sondern
stimmt viel besser zu der fassung, die wl47, 11. 12 im original (== h 50, 11.12)
hatten; d 25, 5 gehört zu w 161 (= h 58), 8. 10.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
7 — 269,6'. dagegen haben h und vv nach Stark folgend
d nicht bezeugte Strophen : w 224. 227. 246. 248. 249.
253. 256—258. 261. 272. 282. 283. 305. 319. 320. von ihnen
entfallen aber einige, die trotz Stark in d eine stütze finden, nämlich
224 (vgl. d 37, 6). 253 (2. 3 = d 45, 5). 261 (3. 4 = d 46, 7 >, 272
(5 = d 49, 8). 282 (2—4 — d 52, 13). 283 (2 = 53, 1). 305 (2. 3
= d 60,2). bei andern erklärt sich der auslall in d graphisch:
w 245 (= h 122) beginnt : Si (= diu maget) kerte von in in
den tan, dd manec kalter brunne ran, w 247 (= h 124) : Do
sach diu maget wol getan bi eime wazzer, daz dd ran. zwischen
beiden ist in d die Strophe vv 246 (= h 123) verloren gegangen.
— von vv 248, 1 Ez was gieng d über auf vv 250 = h 127, 1
Ez was und liefs so vv 248. 249 aus. — der anfang vv 256 (==
h 133) und vv 259 (= h 134), 1—4 ist ganz ähnlich:
256: 259:
Diu künegin zühteclichen sprach, 'Swaz si (= diu künegin) des inge-
sindes sach,
'so liebe geste ich nie gesach: dö gebot si unde sprach
des vröuwent iuch, ir meide. 'legt an iur beste kleider:
legent an keiserliche wät. uns koment liebe geste her.
es ist kein wunder, dass dazwischen vv 256 — 258 ausgefallen sind.
Man vergleiche weiter w 319,1.2 und 321,1.2 iu der
alten gestalt (h 196 und 198):
Als si (= Portalaphe) Helferich er- Si (= Portalaphe) gie da e
sach, vürsten (= Helferich) sach.
wider die vürsten er du sprach. Portalaphe: diu reine sprach.
so erklärt sich der verlust von w 319. 320. — w 252 ist lin-
den Zusammenhang unentbehrlich, also erst in dem gewalttätigen
auszuge weggeblieben : die worte in vröuden w 253 = h 130, 1
knüpfen an au vröude und sich vröuwen, wunne und höchgemüete
der in frage stehnden Strophe. — es bleibt ncch übrig w 227 =
h 106. die verse 1 — 5 dieser Strophe lauten fasl wörtlich gleich
mit dem anfang von vv 33 in einer partie, <n<- aus der mil h
verwanten vorläge geflossen ist. diese hat also — um gegensatze
zu h — die fraglichen verse schon an früherem orte verwendet.
das spricht, scheint mir, eher dafür, dass w an unsrei
andern texte folgt.
1 bei einigen Strophen von w hat Stark, offe
nuinmern der in h entsprechenden nicht beigesetzt; i
280. 285. 2S7. 295. 308 = h 150. 152. 156. 161. 163 174
214 LUNZER
Darauf würde auch der d und w gegen h gemeinsame be-
sitz von w 268, 7 — 269, 6 hindeuten, sowie der umstand, dass
h 166 — 169 und h 212 in d und w fehlen, allerdings sind diese
anzeiehen nicht sehr sicher1, es scheinen eben in diesem ab-
schnitte h und die vorläge von d nicht erheblich verschieden ge-
wesen zu sein, und deshalb findet sich auch kein recht deutlicher
hinweis darauf, welcher von beiden w näher steht, da w jedoch
in den vorausgehnden Strophenreihen zu d stimmt und ebenso,
wie gleich gezeigt werden wird, im folgenden, so ist die ein-
fachere annähme, dass auch das dazwischenliegende, also eben
w 223 — 338 aus der mit d übereinstimmenden quelle geschöpft
ist, umsomehr, als für den Schreiber von w gar kein grund vor-
handen war, mit seiner Strophe 223 die eine vorläge zu verlassen
und zu der andern überzugehn, die sich von der früher benutzten
gerade hier kaum unterschied.
Der nächste abschnitt beruht auf d. er umfasst w 339 — 491
und erzählt von der durch Bibung nach Arone überbrachten ein-
ladung Virginais, von den abenteuern auf Orteueck und der rück-
kehr der beiden nach Arone. der gröste teil dieser partie hat
in h überhaupt keinen beleg, nämlich w 353 — 491; nur die
Strophen w 369 — 371 sind, wie schon Stark anmerkt, mit
h 234 — 239 zu vergleichen, stehn aber d viel näher, der anfang
des abschnittes, w 339 — 352, war in h und der vorläge von d
wahrscheinlich identisch, wenn auch der auszug ein paar Strophen
übersprungen hat. nach Stark sind in d nicht bezeugt w 342.
343. 348. 351. ich glaube aber eine spur von w 342 (vers 9)
in d 70, 12 und von w 343 (vers 4. 5) in d 70, 13 zu erkennen,
w 348 ist unentbehrlich, und w 351 durch ein versehen ausge-
fallen : w 350 = h 229 beginnt Er sprach ir vürsten bedesant,
w 351 = h 230 : Ir vürsten beide. — h 231. 232 fehlen in w
und d.
Das ergebnis ist also, dass in dem ersten teile von w
(1 — 491) nur die Strophen 3 — 37 ein aus h genommener ein-
schub sind, während alles übrige aus der mit d verwanten vor-
1 es könnten nämlich w 268, 7 — 269, 6 in h, die andern Strophen in
d und w durch abgleiten des auges verloren gegangen sein : w 268, 7 lautet
der große wurm her gen im kroch, w 269, 7 in h (145) er vor dem wil-
den wurme gie. h 166, 1 ist fast identisch mit h 170,3, und h 210, 1 sehr
ähnlich mit h 212, 1.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 215
läge abgeschrieben ist. die Verhältnisse liegen also tatsächlich
einfacher, als sie nach dem ersten eindrucke erscheinen.
Der grund, warum der compilator die partie 3—37 aus h
abschrieb, ligt darin, dass h hier inhaltlich mehr bot, was schon
ein flüchtiger vergleich lehren muste, während in den folgenden
abschnitten bis vv 491 die fassung d stofflich reicher war.
Fast man alles zusammen, so ergibt sich (abgesehen von den
selbstgedichteten iibergangsstrophen des Schreibers) folgendes:
es stammen aus d: aus li:
w 1. 2 w 3—37
w 3S— 491 w 492
w 493 w 495—766
w 767—789 w 790—797
vv 798. 799 w 800
w 801—866.
die vom compilator selbst verfassten Strophen w 494. 585. 586.
699. 704. 705 lassen auch noch ihre quelle erkennen : sie be-
ruhen, wie oben gezeigt wurde, gleich ihrer Umgebung auf h.
Die mit h verwaiste vorläge.
Aufser den eben aufgezählten Strophen haben jedoch die mit
h verwanten partien von vv noch einige, die sich in der 'Virginal'
nicht finden, die aber auch nicht vom Schreiber von w herrühren
können, da sie kenntnis des weitern Verlaufs zeigen, auf diesen
vorbereiten oder ihn im voraus motivieren sollen, es sind dies
w 8—15. 17—24. 26. 28. 32. 34. 502,12—503,11. 0S5. 753.
sie müssen bereits in der vorläge von vv gestanden haben.
Von diesen Strophen sind zunächst zusammen zu betrachten
w 502, 12— 503, 11 und 685. die erstere soll etwas erklären,
was später erzählt wird, nämlich dass Dietrich ohue briinne reitet
und daher dem riesen Wicram wehrlos in die bände lallt, das
fehlen der rüstung wird später (in h321,4ff=w 509, 4ff) von
Dietrich beklagt, der interpolator der vorläge hält es nun tili
nötig, schon vorher zu berichten w 503, 1 ff : Her Diterirh mi
hamasch reit, kein waffen fürt der helt gemeit, dun gult und
licht gesteine das fürt an im der kun iceigant. aufserdem be-
richtet die Strophe noch, dass Mauter von zwölf riesen bewacht
werde, die in der näbe in einer höhle liegen. in li folgl dies
erst später, zuerst 359, 7 = w 545,7, bez. 365, :"> ff «— 55 1 . :i ff. —
216 LUNZER
als dann Dietrich in der gefaugenschaft die erlaubnis erhält, gegen
Wicram zu kämpfen, und gewappnet wird, erinnert sich der in-
terpolator, dass sein held ja ohne waffenrüstung in die gefangen-
schaft geraten war. er schiebt also die Strophe 685 ein, in der
berichtet wird, wie man diese von Hildebrand habe holen lassen,
auch den letzten vers der vorhergehnden und die beiden ersten
verse der folgenden Strophe hat er im zusammenhange damit ge-
ändert.
w 753 ist eingeschoben, um das er in h 906, 1 (= w 754, 1,
aber dort umgestaltet) deutlich zu machen, dass damit Helferich
und nicht Rentwin gemeint sei, tritt in h erst in v. 3 hervor.
Interessanter sind w 8—15. 17—24. 26 — 28. 32. 34. diese
Strophen nennen zum erstenmal den namen der weiblichen Haupt-
person, Virginal (9, 7), und erzählen von ihr und ihrem berge in
Tirol (9 — 11); sie motivieren den zug des heiden gegen Virginal
(12 — 15 : er wird auf die klage des von ihr verbannten zwerges
Elegast unternommen) und berichten von dem siegreichen kämpfe
des heiden und seiner mannen mit den riesen der königin
(17 — 24). sie zeigen ferner mit gröfserer deutlichkeil Hildebrands
bemühungen, Dietrich zur hilfe für Virginal zu bewegen, und ar-
beiten das motiv, das für letztern schliefslich entscheidend ist,
mehr heraus (26 — 28. 32. 34. in letzterer hinsieht vgl. beson-
ders 28, 9. 10 : schon frawen brachten in darzue mit irer süssen
minne). zweck dieser einschallung war also : angäbe eines wich-
tigen namens, Vorgeschichte einer hauptperson, motivierung von
Orkises zug und von Dietrichs aufbrueb.
Es ist nun auffallend, dass fast ganz demselben zwecke die
Strophen h 79 — 92 dienen, die Wilmanns völlig überzeugend
gleichfalls als eine interpolation nachgewiesen hat l. auch in
diesen wird zum erslenmale der uame Virginal genannt (87, 8,
nicht 37, wie das 'namenverzeichnis' irrtümlich angibt), aber
aufserdem auch noch zum erstenmale der ihres Wohnorts, Jera-
spunt (87, 7. 88, 9), und der ihres feindes, des heiden Orkise
(82, 12. 83, 3. 84, 11. 85, 3. 11, also nicht weniger als fünfmal);
es wird ferner von Virginal und ihrem berge berichtet (87,6 — 88,3)
und der zug der heiden gegen sie motiviert (88,7 — 13), wenn
auch anders, kürzer und geschickter als in der einschaltung von
w. über die gründe, die Dietrich zur hilfe bewegen, bringen
1 Zs. 15, 298 ff.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 217
diese Strophen von h zwar nichts, dafür aher erklären sie, warum
der heide allein (ohne seine mannen) gegen Hildebrand gekämpft
habe (83, 2 — 13), und warum sich seine mannen spater geteilt
hätten (81,3. 85,5 — 13). die frage, über die Zupitza und Wil-
manns uneins waren, was der vierte heide in Orkises gefolge
— und er ist die hauptperson in dieser einscbaltung — hier
zu tun habe, ist also dahin zu beantworten : er soll Virginais
und seines herrn namen, den wohnort der kOnigin nennen, den
zug des Orkise usw. erklären.
Die vergleichung der eben besprochenen interpolationen, von
denen sich die eine in h, die andre in der mit h verwanten
partie von w findet, eröffnet aber noch weitere ausblicke:
Der Schreiber von h und der der vorläge von w müssen
eine gemeinsame quelle gehabt haben, der jede dieser einscbal-
tungen fremd war. diese quelle braucht aber nicht erschlossen
zu werden, sie ist für uns vertreten durch die bruchslUcke der
'prachtvollen pergamenths. aus dem ende des 13 oder anfang des
14 jhs.', die Zupitza R nennt und welche in der tat h 79 — 92
ebensowenig enthält wie w8 — 15 usw. (Zupitza Deutsches beiden-
buch v s. vm, Wilmanns Zs. 15, 298 ff).
Nun hat Wilmanns nachgewiesen, dass h aus zwei teilen be-
steht, einem altern, der bis h 254 l reiche, und einer fortsetzung.
schalten wir nun aus dem altern teile mit Wilmanns h 79 — 92
als spätem einschub aus, so ergibt sich : in diesem alten stücke
fehlten nicht nur mehrere motivierungen, deren notwendigkeil
sich schon daraus erkennen lässt, dass zwei bearbeiter unabhängig
von einander das bedürfnis fühlten, sie nachzutragen, sondern es
war auch, was noch auffallender ist, die weibliche hauptpersou
namenlos, erst der Verfasser der fortsetzung nennt sie Virginal,
denn abgesehen von der einscbaltung h 79 — 92 erschein! der
name erst h260,4, bezeichnenderweise in einem briefe, der
nicht wol namenlos sein konnte, dann b 532 uö. auch den berg
Jeraspunt nennt erst der fortsetzer (von b s7 wider abgesehen
zuerst h 441). den namen Orkise kennt allerdings sei
älteste teil, bringt ihn aber nur einmal, h 132, was dem
interpolator zu wenig schien.
1 nach meiner ansieht nur bis h 239, 9.
kommt es hier nicht an.
218 LUNZER
Dass die namen Virginal und Jeraspunt eigentum des Ver-
fassers der in h 255 — 1097 erhaltenen fortsetzung sind , ergibt
sich aber aufserdem noch daraus, dass auch in d beide fehlen,
während andre, weit unbedeutendere zwar meist verunstaltet, aber
doch erhalten sind; ebenso fehlen beide in den mit d verwanten
partien von w, in denen nur der name Virginal einmal 774,9
(aufserhalb des reims) vorkommt, offenbar erst von dem Schreiber
unseres textes hereingebracht, der ihn bis dorthin oft genug in
den aus h geschöpften Strophen gefunden hatte.
Die sache ligt also bis jetzt so : der älteste teil der dichtuug,
für uns vertreten durch B, wurde fortgesetzt, aber zunächst noch
nicht interpoliert, diese fortsetzung, der erst der name 'Virginal'
mit recht zukommen würde, wurde zweimal in ihrem anfange
interpoliert, die eine bearbeitung ligt vor in h, die andre ist die
vorläge der mit h verwanten partien von w gewesen, beide be-
arbeiter sind von einander unabhängig, denn aufser dem ihnen
gemeinsamen namen der heldin, den eben jeder von ihnen aus
der fortsetzung schöpfte, und gewissen bestrebungen, die durch
die mängel des ältesten Stückes hervorgerufen wurden, haben sie
mit einander keinerlei berührung.
Die mit d verwante vorläge.
Aus einer mit d verwanten quelle flössen w 1. 2. 38 — 491.
493. 767—789. 798. 799. 801—866. von w 352 au, wo der ver-
gleich mit h aufhört, ist die Untersuchung über die plusslrophen von
w dadurch beträchtlich erschwert, dass w nur mit dem im Dres-
dener heldenbuch erhaltenen auszuge verglichen werden kann,
dennoch darf als sicher vorausgeschickt werden : alle Strophen,
die hier w gegen d voraushat, stammen aus der vor-
läge von w. für den Schreiber von w fehlte hier jeder grund,
Strophen eigener production einzufügen, insbesondre die in h so
zahlreichen langen widerholungen. auch lehrt selbst der auszug
d, dass w hier nirgends gröfsere Strophenreihen zusammengezogen
hat, und endlich führt auch in den Strophen , wie sie w bietet,
weder ein formales noch ein inhaltliches merkmal zu der an-
nähme, unser Schreiber von w sei der Verfasser.
Noch etwas zweites lässt sich mit bestimmtheit behaupten:
dievorlage von w und die von d waren nicht mitein-
ander identisch, obschon nahe verwaut. wie schon Stark
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 219
(s. x) bemerkt, weichen beide in der Schilderung der hoch
nacht (w 851— 854, d 125 — 128) vollständig von einander ab;
bezeichnen wir ferner mit W das original von w, mit D die quelle
von d, so hatte sowol D mehrfach ein plus gegen W, wie Vi
gegen D. so beweisen die in w nicht bezeugten verse d 117, 1 — S
für D das Vorhandensein von mindestens einer in W fehlenden
Strophe ('empfang des riesen bei der königin'). desgleichen
d 120, 1 — 3 ('Hildebrand als vermittler zwischen der königin and
Dietrich'), d 121, 9 — 13 ('Hildebrand als vermittler zwischen Diet-
rich und den fürsten; die Jungfrauen der königin stimmen deren
Vermählung zu'), d 124, 1 — 3. 5 — 7. 11 — 13 ('kirchgang, kleino-
dien auf den gewändern der hochzeitsgäste, gastmahl') *, d 129,
5 — 9 ('die königin will bis zur ankunft in Rem Jungfrau bleiben'),
d 130, 3—8 (vgl. d 129, 2—4) ('zweite ^od&tjeit in Bern')2. —
anderseits sind in W nicht wenige in w überlieferte atrophen
vorgekommen, die in D fehlten; näheres wird später ausgeführt
werden; hier seien nur beispielsweise genannt : w 76 — 83 ('Vor-
geschichte der Madius; ihr Christenglaube; antrag, Hildebrands
gemahlin zu werden; dessen antwort darauf; klagen') ;; w 2'.iv
299 (erweiterung von Dietrichs kämpf mit einem drachen) und
viele Strophen am Schlüsse von w. — in den ersten abschnitten
der dichtung, in denen auch h zum vergleiche herangezogen
werden kann, zeigt sich aufserdem gelegentlich, dass D mit h
noch mehr zusammengestimmt hat, als W dies tat. so hat W
die Strophe h 76 (vgl. Starks randnotizen) zwischen w 193 und
194 übersprungen und brachte sie später (in w212), d ahn be-
zeugt in str. 31 für D dieselbe ursprüngliche Strophenstellung,
wie sie h bietet.
Wäre W nur eine erweiterung von D, su liefsen sich wol
diese zusätze ausscheiden und im übrigen, wie Stark
vorschlägt, die Strophen 'aus dem zusammenhange nachweisen,
die bei der verkürzenden bearbeitung (= in d) ganz unberück-
sichtigt geblieben sind', damit wäre der Strophenbestand »on 1'
1 d sagt : „toaS guter ftei8 man bc gega«, nit man bafl
c8 ronrb ",11 tanet". das deutet wol auf einen langem befiehl •
w849, 2— 6 bietet.
2 nichts berechtigt dazu, dieses plus von d der v
und dem Verfasser des auszugs zuzuschreiben, der widern
er kürze.
3 d 14, 5 stell ich nicht wie Stnrk zu w -
220 LUNZER
reconstruiert, welches nach der aDgabe von d 130, 11 die zahl
von 408 Strophen besessen hat. da aber, wie oben gezeigt wurde,
W auch ausgelassen und geändert hat, so ist dies nicht durch-
führbar; aber auch abgesehen von dieser Unmöglichkeit würde
ich es nicht für richtig halten, dem bestreben, gerade die zahl
408 herauszubekommeo, einen mafsgebenden einfluss bei der Un-
tersuchung des Strophenbestandes von D einzuräumen, wir haben
für diese zahl keine andre gewähr als die angäbe des späten
Schreibers von d, von der sich nicht sagen lässt, ob er sie aus
seiner vorläge abgeschrieben oder durch eine vielleicht irrige
Zählung selber gewonnen hat. auch im ersten falle wäre ein ver-
lesen möglich, und im zweiten steht nicht fest, ob seine vorläge
nicht etwa lücken hatte, ich halte mich daher im folgenden zu-
nächst unbekümmert um jene zahl an das, was ein vergleich von
d und w ergibt.
Indem ich die durch d bezeugten Strophen von w zusammen-
stelle, ergänz ich im einzelnen die randnotizen von Stark durch
verweise in den anmerkungen. dabei zieh ich als belege auch
stellen von d heran, die zu w nicht wörtlich stimmen, sondern
nur inhaltlich, dass man sich mit derlei entsprechungen begnügen
muss, ligt in der natur von d und w, die beide von ihren vor-
lagen sich erheblich entfernt haben, es braucht wol kaum ge-
sagt zu werden, dass der nun folgende teil der Untersuchung
nicht auf so festem boden ruht und daher auch nicht dieselbe
Sicherheit in anspruch nehmen kann, wie die früher gewonnenen
ergebnisse. was insbesondre das vorliegende Strophenverzeichnis
betrifft, so werden viele der von mir mit d verglicheneu Strophen
auch durch ihre unentbehrlichkeit im zusammenhange geschützt.
in manchen andern fällen freilich bin ich im zweifei geblieben,
auch wo ich einen solchen nicht angedeutet habe.
Bis w 352 bietet sich auch h zum vergleiche an. es wird
daher für den genannten abschnitt auch diese fassung herange-
zogen werden.
d bestätigt folgende Strophen:
w 1. 2. 3. h 2. w 31 i. 35 2. 38. 39. 41. 42. 46. 47. 49.
50. h 19. 21 3. w 56-60. 62— 67 4. 69— 76 5. 84 6. 86— 88.
91 — 957. 97 — 102. 104—1078. 110. 111. 121 —125 9. 127.
129— 131 10. 135. 139— 147 11. -149 12. 152. 155 13. 156. 158—
161. 164". 165 — 167 1'. 169. 170. 176 — 184 16. 186. 187.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 221
191 — 195 17. 197. 199—204. 206— 209 >s. 211—2161». 219—
224*'. 226. 228—237. 240—245.247. 250. 251. 253—2
259—292 22. 294—297. 300—318 23. 321—347 2 1. 34925.
352—357. 359 26. 361—3712". 375— 404 2\ 406—408. li-
419—447 29. 449—485 30. 487— 490 31. 492 32. 770 ™. 773—
775 *K 77935. 817. 819. 821 3e. 823—827^. 832— 842:i\ 855—
859 39. 862. 864. 866 40.
1 w31 =d4,5— 11. - d 35 = d4, 12. 13. 3 hier ist in w ein
blatt ausgefallen. 4 w 62 vgl. d 12,2. 5 w 72,7.8 vgl. d 13,9—11;
w 76,1.8 vgl. d 13,12. 6 d 14, 5 stell ich nicht wie Stark zu w 82,2,
sondern zu w 73, 6. "' w 94, 7. 8. 12 = d 17, 5. 6. 8w 105,1 vgl.
dl8,7; w 107, 1 =d 18,11. 9 w 122 vgl. d 20, 3. 10 d 21, 2 zu
w 129, 1—3, nicht zu w 128, 11. " w 140—144 vgl. d 22, 3—6.
12 d 23, 7 nicht zu w 148, 3, sondern zu w 147 (= h 50), 11. 12.
13 w 155, 1. 2 = d 26, 5. 6. u d 25, 5 zu w 161, 8. 10, nicht zu w 162, 1 ;
w 164, 1—13 = d 25,7— 13. 15 w 166 vgl. d 26, 4. lü d 27, 2 zu
w 177, 3, nicht zu w 176, 8. 1T w 193, 7 = d 31, 7. ,8 w 207, 3. 4 =
d 34, 10. zugleich bewahrt d 34, 10 das endwort von w 208, 12.
19 w 216,4 =d 36,5. 20 w 224 = d 37, 6. -l w 253, 2. 3 = d 45,5.
22 w261, 3. 4 = d 46,7; w 272, 5 = d 49, 8; w 282, 2— 4 = d 52 , 13;
w 283,2 = w 53, 1. 23 w 305, 2 = d 60, 2. 24 w 342, 9 = d 70. 12;
w 343,4.5 = d 70,13. 25 d 72,9—11 zu w 349,7.8—13, nicht zu w 353,
7.13. 26 w359, 3 = d 75,4. -'■ w 363, 7—13 = d 75, 11. 12.
28 w 387,1— 4 = d 82,3— 5; w 389, 4ff = d 82, 10; w389,10 = d82,
11—13; w 392,1 = d 83, 4. -■' d 90,7 zu w 421,4, nicht zu w 418, 13.
30 w 474 vgl. d 111,8. 112,8; w 479, 6— S = d 113,8.9; w481, 11— 13 =
d 114,4; w482 = d 114, 5. 6: w 483 , 2. 4 = d 114, 7. 3l w 4^7.
1.11—13 = d 115, 1—3. 32 w492 (= h 241) vgl. d 115, 6 ff.
33 w 770,1—5 = d 116,1.2.4.5. 34 w 773,3. 5 = d 116,3; w 774, 4 =
d 115, 13; w 775,8 = d 116, 7; w 775, 10— 13 vgl. d 116, S— 10.
35 w 779, 1— 4 = d 116,6. 36 w 821, 12. 13 vgl. d 118, 5. n V 623,4
= d 118,7; w 824,4.5 = d 118, 10; w 826, 1 = d 119,4; w 826,4—13 =
d 119,3. 38 w 834,1— 13 = d 121,8; w 834, 2— 5 vgl. dl21.:>.
d 122,5. 6 zu w 837,2— 4, nicht zu 836, 10 ir; w 838,1.3.7 vgl. .1 122,
7—13; w 841. 10. 11 = d 123,6; w 842, 1 =d 123,4. " d 123, 10 zu
w 856, 1, nicht zu w S39,9; w 857, 1.4—8 = d 123,7.5; w 8i>\ 1
d 123, 11. 12. 40 w 866, 8. 12 vgl. d 130, 10.
Das sind 390 direct bezeugte Strophen '. wäre nur l>.-nl»-
sichtigt, die handschrift, auf der d beruht und die aigeblich
1 vorausgesetzt ist dabei ntürlkfa, dass die betreffend«
w (oder h), auch wenn d nur einen ihrer verae stitxt, w D
in w sind zb. das pferd des heiden, die pferdedeck«- and
einer Strophe besprochen (w 99 — 101). von diesen wird in
vers (99, 1. 100, 1. 101, 1) bezeugt (d 15.4.5.7);
222 LUNZER
408 Strophen zählte, zu reconstruieren, so wäre diese aufgahe
angesichts dessen, dass d, wie oben,:gezeigt wurde, noch eiue an-
zahl Strophen bezeugt, die in w fehlen, als gelöst zu betrachten
— die zahl der Strophen, die noch aus dem zusammenhange er-
schlossen werden dürften, könnte nur sehr klein sein, in der
tat aber braucht man, um ein zusammenhangendes gedieht zu
erhalten, zu den direct bestätigten Strophen noch ziemlich viele
andre, — mit andern worten, die vorläge von d muss, wenn sie
würklich nur 408 Strophen besafs, sehr lückenhaft gewesen sein,
und es lassen sich auch selbst aus d noch einige Strophenreihen
oder Strophen belegen, die dem gedichte angehört, aber in der hs.
wol schon gefehlt haben, dh. mit ihrem blatte ausgefallen waren.
Hierher gehören zunächst die 8 Strophen w 411 — 418. sie
berichten von der jagd, auf der Dietrich, einen eber verfolgend,
seine gefährten verliert, die einem hirsche nachjagen, und wie
sich dabei der eine und die andern verirren, diese Strophen sind
nicht nur unentbehrlich, sondern sie werden auch von d selbst
später vorausgesetzt, in str. 106,1.2 : 2)er ferner toa§ b e m
tmlben froein geloffen noefy in ben werft ein. hier hat also d den
bestimmten artikel aus seiner vorläge (vgl. w 459, 1) beibehalten,
obwol er vorher nie von dem tiere gesprochen hat. es hat also
in D entweder ein blatt mit jenen 8 Strophen gefehlt oder d hat
die partie übersprungen.
Ferner haben in D einmal gestanden w 491. (492). 493
_j_ ? 4_ w 767. 768. 769 S also 7 oder 8 Strophen, w 491 und
493 erzählen, wie Dietrich und seine gesellen von der eben er-
wähnten jagd nach Arone zurückkehren und von dort zum zweiten
dass D hier kürzer war als W, vielleicht alles das in etwa nur einer Strophe
behandelte, ich halte das aber hier wie in den meisten andern fällen nicht
für wahrscheinlich : es sind uns in d mehrere Strophen von w vollständig
erhalten, nicht nur im anfang' (d 1 = w 1 , d 2 = w 3), sondern auch viel
später (d96 = w433, d 94 vgl. w 430); ferner fallen oft Strophenanfang
oder ende von d mit Strophenanfang oder ende von w zusammen : in den
130 Strophen von d 66 mal, wenn auch bei der arbeitsweise von d nicht
immer gleich überzeugend, das scheint wol darauf hinzudeuten, dass D mit
W in dieser hinsieht meist übereinstimmte und dass also das unzweifelhafte
plus von W meist aus ganzen Strophen bestand.
1 w 494 ist, wie oben gezeigt wurde, eigentum des Schreibers von w,
495_766 sind aus H eingeschoben; w 770 ist wider (vgl. s. 221, anm. 33)
in d bezeugt.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
mal aufbrechen, um die königin zu besuchen, w 492 enthält
Hikiebrands aufforderung zum aufbruch, w 767 — 769 den
zur königin und deren Vorbereitungen zum empfange, w 492 ist
nun zwar aus h abgeschrieben (= h241), es muss aber auch in
D zwischen w 491 und 493 eine entsprechende Strophe gestan-
den haben, vorausgesetzt nur, dass in D eben w 491 und 193
vorkamen, das aber ergibt sich würklich aus d. in il ziehen
zwar die neiden nicht zuerst nach Arone und von dort erst zur
königin, sondern sogleich und ohne diesen Zwischenaufenthalt.
dass dies nicht das ursprüngliche ist, lehrt d 115,6 — S : £>etff=>
reta? ber fprctd? gar fdjone : „f>er Dtetridj, feret mit mir betn,
in§ jelt ju ber fungtne". in Helferichs munde enthalten
diese worte einen Widerspruch : er ist zu Arone daheim, es lehrt
also schon d, dass hier in der rede Helferichs eine lücke klafft.
Helferich gehört nur v. 7, die aufforderung zur heimkehr (nach
Arone, vgl. w 489, 7), die folgenden verse entstammen einer an-
dern aufforderung, von Arone nach dem zelte der königin auf-
zubrechen, diese ist uns zwar auch in w nicht aufbewahrt, da
w mit 492 aus h schöpft, wir wissen also auch nicht, welchem
der beiden sie ursprünglich in den mund gelegt war. vermutlich
aber war Hildebrand der Sprecher, denn wühlend in h 241 Bi-
bung redet, den unser Schreiber von w hier nicht brauchen k;iim '.
führt w hier, vielleicht nach einem blick auf die eben verlassene
vorläge D Hildebrand ein, dem dies ja auch zukam, da er Bchon
w 398,11— 13 zu demselben unternehmen gedrängt halte. —
w 493 und w 767 schliefsen nicht gut aneinander : in \\ 193
erklären sich die ritter (Helferichs) bereit zum aufbruche, in
w 767 v. 2 'wenden sie sich' bereits 'gegen das gezell'. es war
dazwischen wol der aufbruch selbst und der beginn der reise in
einer oder zwei Strophen erzählt worden, die freilich in w
des grofsen einschubs aus h ausgelassen worden Bind, der Ver-
lust der 7 oder 8 Strophen in d kann wider dem Schreiber *on
d oder dem ausfalle eines bl altes in D zugeschrieben werden.
Von andrer art ist eine dritte stelle, in w fehlt das blatt,
auf dem die Strophen 51—55 und der anfanj
haben, wie Stark (s. 32011) zeigt, entspricht einem
lücke h 19 — 21, von denen «I die erste und d
vereinigt, d 10, 1—3 enthalten ein plus gegen
1 s. s. 196 z. 7 II v. ii.
224 LUNZER
in w zwei stropheu mehr vorhanden gewesen sind, so wird man
mit Stark nicht anstehn, d 10, 1 — 3 einer dieser zwei Strophen
zuzuweisen.
Erst jetzt kann ich daran gehn, aus w diejenigen Strophen
herauszusuchen, die d nicht bezeugt, die aber für den Zu-
sammenhang so nötig sind, dass man sie D zuweisen muss,
und anderseits die plusstropheu von W herauszuheben.
Dabei ist zweierlei zu betonen : 1) ein blick auf die in d
würklich bestätigten Strophen von w (es sind mehrmals ununter-
brochene und lange ketten, s. die frühere Zusammenstellung) lehrt,
dass D kein unzusammenhängendes, sprunghaftes machwerk war.
wenn es also auch kaum ein meisterstück gewesen ist, so werden
wir im gegebenen falle gewis lieber dem Schreiber von d eine
gewalttätige kürzung oder ein übersehen zumuten, als «ine in-
haltlich nötige und in w erhaltene Strophe der vorläge D ab-
sprechen, dazu führt ferner die erwägung, dass D im anfange
des gedichts nach dem übereinstimmenden Zeugnisse von d und
w erweiterungen zu dem ursprünglichen kerne vorgenommen hat,
den h überliefert, wenn auch nicht so viele wie W. es war also
ein bedürfnis nach motivierungen udgl. bei D vorhanden, womit
freilich nicht gesagt ist, dass D darin schon alles wünschenswerte
oder mögliche geleistet habe.
2) Wenn in einer mit D verwanten partie gleichwol w
und h im besitze einer Strophe gegen den kürzenden auszug
d zusammenstimmen, so wird man sich kaum entschliefsen können,
eine solche Strophe ohne zwingende gründe aus dem besitze von
D auszuscheiden.
Ferner sei ein für allemal vorausgeschickt, dass das abgleiten
des auges von wörtlich gleichlautenden Strophenanfängen , ein-
gangsreimen udgl. natürlich sowol D wie d begegnet sein kann.
Im folgenden geh ich nach inhaltlichen abschnitten vor.
Zuerst möge die partie w 1—58 (bis zur ankunft der helden
im lande der königiu) betrachtet werden, sieht man dabei vor-
läufig von der aus H stammenden gruppe w 3 — 37 ab, so ergibt
ein vergleich von d und w, dass w 40. 43. 44. 45. 48 in d nicht
bezeugt sind; ferner scheint die reihenfoige der Strophen in der
vorläge von d nicht durchgängig dieselbe gewesen zu sein wie
in der von w. von den eben genannten stropheu nun stehn 45
und 48 auch in h (als 14 und 17) und sind, wie oben gezeigt
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 225
wurde, erst von d ausgelassen worden, während sie dem gemeinsamen
original angehört haben (s. s.210f). es erübrigen also als eigentum von
VV höchstens w 40. 43. 44. diese sind auch für den zusammenbang
nicht unentbehrlich : w 40 erzählt nur, dass Dietrichs befehl, ihm
sein ross und seine waffen zu bringen, ausgeführt worden sei,
was selbstverständlich ist und besonders im hinblick auf w 41, 1.2
nicht eigens gesagt werden muste. in vv 43. 44 erhält zunächst
Ute eine antwort auf ihre besorgte bitte, Hildebraud möge seinen
jungen herrn behüten; auch diese antwort scheint mir entbehr-
lich; dann wird berichtet, die beiden helden hätten sant Johannes
minne getrunken und seien daher behut vor schaden und vor leide.
das steht mit dem folgenden, wo es beiden zuerst recht übel er-
geht, geradezu in Widerspruch, allerdings schliefst sich w 45
nicht ganz glatt an w 42 an, aber es scheint eben, dass in D
eine andre Strophenfolge vorlag, die sich freilich aus d nicht
sicher erkennen lässt. auch sonst waren D und W hier vermut-
lich nicht identisch : Dietrichs äufserung d 6, 7f : ,,e§ gintpt etjm
jungen leeren rool, ba§ er fein lant Bereite" hat am entsprechenden
orte weder in w noch in h eine vollkommene parallele, denn die
worte w 33 Ach got, was sol zur weite der, und dem sein schilt
und auch sein sper doch nimmer bruch gewünne, der doch tregt
eines herren nam! des mugen sich die sein wol schäm usw. klingeu
zwar an, stehn aber in anderm zusammenhange und gehören hier
wie in w 227 , 1 ff (= h 106, 1 ff ) Hildebraud und nicht dem
Berner. vielleicht bildete in D diese Strophe, die etwa zu aufang
noch kurz angab, wer der sprechende sei, die antwort auf Uteus
bitte w 42. dann würde auch das eben erhobene bedenken weg-
fallen, dass zwei Strophen sich nicht völlig aneinander fügen.
w 3 — 37 stammen aus einer stark erweiterten fassung von
H. w 3 ist allerdings allen drei dichtungeu gemeinsam (= h 1,
d 2), gehörte also auch D an; von da ab jedoch war D hier
offenbar nicht nur kürzer als w, sondern auch als h. vor allem
fehlte in D an dieser stelle l die Schilderung von ross und wallen
des beiden (h 3 — 6 == w 4 — 7), ferner braucht es der schoenen
vrouwen nicht, um Dietrich zum anfbruche zu bestimmen (n 7. 8
= w 29. 30); endlich treten in h zwei barger auf: den einen
1 eine Schilderung dieser dinge ist nämlich i;i li zweimal tu Bndeo,
in h 3— 6 und 31—37; D bietet sie nur einmal, li 31—37 eo
dort, wie bald gezeigt werden wird, ausführlicher.
Z. F. D. A. XLIII. N. F. XXXI. 1J
226 LUNZER
lässt Hildebrand mit Zustimmung Dietrichs holen, um ihm Stadt,
bürgen und land anzuvertrauen (h 11. 12), der andre erbietet sich
beim aufbruche der beiden, sie zu begleiten, worauf Hildebrand
nicht eingeht (h 15 — 18); D aber kennt nur diesen letztern, und
er ist es, der als hüter zurückgelassen wird (d 7, 7 — 8, 13 =
w 46 — 50). D scheint also von h 1 — 10 nur 1. 2. 9. 10 vor
sich gehabt zu haben, denen w 3. 16 (erweitert). 31. 35 ent-
sprechen.
Fasst man zusammen, was sich über den anfang von D
herausbringen und vermuten lässt, so stellt sich dieser folgender-
mafsen dar : w 1. 3. 2. h 2. 9. 10. w 39. 38. 41. 42. 33. 45—50.
h 19. 21. nimmt man nur für w 33 einen etwas andern anfang
an, als ihn w bietet, so schliefsen sich diese Strophen unge-
zwungen aneinander und ergeben eine einfache und völlig ver-
ständliche erzählung.
w 59 — 137 handeln von Hildebrand und Madius bis zum
zusammentreffen des erstem mit dem heiden. zuerst sollen die
wenigstens räumlich das mittelstück bildenden und in w durch
über- und nachschrift herausgehobenen wapenlieder (= w 84 — 103)
besprochen werden, sie haben in dw verglichen mit h nicht nur
eine gewisse Selbständigkeit, sondern auch rundung gewonnen;
sie sind ein in sich geschlossenes und doch mit dem übrigen
gedichte verbundenes ganzes mit geordneter disposition l gewor-
den, die betrachtung dieser eigenschaften ist auch für das wei-
tere nützlich.
In h schliefst sich die beschreibung von waffenrüstung und
ross des heiden (h 31 — 37) unvermittelt an eine klage der Jung-
frau an und wird von Hildebrand gar nicht beantwortet, nachdem
zuerst kürzer von brünne und sarwdt und von des heiden pferde
die rede gewesen ist (31, 1 — 3. 4 — 7), folgt eine ausführliche
beschreibung des Speeres (31,9 — 33, 13); dann wird dem wdpen-
roc, dem Schilde, dem helme und dem Schwerte je eine Strophe
(34. 35. 36. 37) gewidmet, rechte Ordnung ist also nicht vor-
handen und zu einer gleichmäfsigen Verteilung nur erst ansätze
(in den letzten 4 Strophen).
Dem gegenüber sind in dw die wapenlieder eingeleitet und
1 diese ist allerdings hier nur aus w erkennbar, d hat wider alles
durcheinandergeworfen und wichtiges ausgelassen, man muss sich hier aber
eben, um auf D zurückzuschliefsen, an w halten.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
begründet durch eine ausdrückliche frage Hildebrands (w 84, 1—3
= d 14,9.10), der die antvvort der Madius ebenso ausdrücklich zur
kenntnis nimmt (w 104 = d 18, 1 — 5). die antwort nennt nach
allgemeinem lobe zuerst kurz die einzelnen teile der rüstung
des beiden, wenn auch anfangs im anschlusse an eine alle
Strophe (h 31)1 und daher so weit auch ohne Ordnung, dann aber,
selbständig werdend, doch schon mit paarender Zusammenfassung
der trutz- und schutzwaffen (harnasch, sarebat, ross; schwert,
sper ; schilt, heim); von da ab wird alles nach deutlich wahrnehm-
barer Stoffgliederung2 besprochen, uzw. so, dass jedes stück eiüe
oder zwei ganze Strophen erhält, also in einer gewissen Symmetrie:
zuerst die bekleidung der beine (86 : paingewant, schlich, sporen),
dann des rumpfes : prünn (87), loapenrock (88), hörn (91), hierauf
schilt und heim (92. 93 und 94. 95), schwert und sper (96 3 und
97.98), zuletzt das pfert (99) und dessen decke(\00), zawm (101)
und satel (102).
In w allein vorhanden, also wol erst in VV — als dritte er-
weiterung — hinzugekommen sind w 89 (gürtet), 90 (hentschuch,
fingerlein) und 103 (herkuuft des satteis), alle an passender stelle
eingeschoben.
Dadurch, dass die wapenlieder in D eine selbständige gestalt
gewonnen hatten und mehrere Strophen umgestellt wurden, ist
auch die Umgebung einigermafsen in mitleidenschaft gezogen wur-
den, so weit nun einschiebungen mit jener neugestaltun.. der
wapenlieder zusammenhängen, wird man sie wol auch D zuweisen
müssen, auch wenn sie d nicht bezeugt.
Zu diesen einschaltungen gehört zunächst w 77 — 83, von
denen auch d nichts weifs, nicht : von w 75 (= h 28) zu w 84
wäre der Übergang nicht schwerer gewesen als zu h 29, da n 8 1
und h 29 so ziemlich mit dem nämlichen gedanken beginnen.
Dagegen hat offenbar (und auch nach dem Zeugnisse ?oo d)
1 diese Strophe ist zwar in d nicht bezeugt, das hat aber bei der Un-
ordnung, die hier im auszug herscht, gegen das gemeinsame Beugt)
hw nichts zu sagen.
2 ich will diese damit keineswegs als die bestmögliche hinstellen;
einzelnen teile der ausrüstung werden gruppenweise angen
ihrer Wichtigkeit.
3 w96 ist in d nicht belegt, gehörte aber gewis d<
s. 210. sie kann aus graphischer veranlass!
Strophen beginnen hier mit er fürt oder der haiden ,
228 LÜNZER
schon D die sirophen h 29. 30 (= w 110. 111) hinter seine
wapenlieder gestellt, in welchen es h 31 — 37 schon verwendet
hatte, es bilden nun w 112 — 120 den Übergang zu h 39 (=
w 121), sie gehörten also bereits D an, obwol sie in d fehlen (viel-
leicht weil in der vorläge von d das betreffende blatt ausgefallen
war). — das gespräch zwischen Hildebrand und Madius war in
D viel länger geworden; dass der beide ihnen dazu zeit gelassen
hatte, muste motiviert werden, und dies geschah durch die auch
von d bestätigten Strophen w 123. 124 (der heide hatte unter-
dessen einen wurm gefangen, erfahren, dass die Jungfrau nicht
mehr im berge sei, und sie durch seine hunde aufsuchen lassen).
nun erst hört man sein hörn (w 125 = h 38 = d 20, 12. 13).
da h 39. 40 schon verbraucht waren, muste ein andrer Übergang
zu h 41 gefunden werden : er wird gegeben durch w 126 — 129,
von denen d wenigstens 127. 129 l belegt, da w 126 und 128
entbehrlich sind, so mögen in D würklich nur die beiden erst-
genannten gestanden haben und 126. 128 erst in W hinzuge-
kommen sein, dass D dann nicht h 41. 42. 43 in dieser folge
belässt, sondern zunächst h 42 überspringt, hat eben in der ein-
schallung von 127. 129 seinen gruud : hier war von dem er-
neuten Jammer der Madius berichtet worden , der selbst dem
wunderherten Hildebrand thräneu entlockt hatte, nun konnte nicht
eine Strophe später (h 42, 1) fortgefahren werden : diu maget was
von herzen vrö, nachdem Hildebrand nur seine Sehnsucht nach
dem Berner ausgesprochen hatte, der fern ist. D liefs also auf
w 130 = h41 zunächst folgen w 131. 134 2. 135 : Hildebraud
springt in den sattel, ergreift den speer und verspricht der Jung-
frau, für sie zu kämpfen, nun erst folgt — ganz entsprechend —
h 42 = w 136. (w 132. 133 sind wol erst erweiterungen von W.)
nun hätte sich h 45 anschliefsen müssen; das war ohne Über-
leitung unmöglich : das Der von h 45, 1 hätte keine beziehung
gehabt; D schob also w 137 ein, von dem in d allerdings eine
spur vermisst wird.
In der partie vor den wapenliedem sind nur noch w 61
und 68, 3 — 69, 2 ohne stütze aus d oder w; die stropheu wer-
1 nicht 123, s. o.
2 w 134 fehlt zwar in d, gehörte aber nach dem ausweise von h, der
sich allerdings an andrer stelle rindet (vgl. h 103), zum alten bestände der
dichlung. ebenso w 136 (= h 42).
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
den auch durch den Zusammenhang nicht gefordert, mi .
eigentum von W sein, dasselbe gilt im folgenden von w 108
in dem abschnitte w 59 — 137 nehm ich also als plusslrophen
von W an : w 61. 68, 3—69, 2. 77 — 83. 89. 90. 103. 108. 109.
126. 128. 132. 133; der ausfall von w 112— 120 erklärt ßich
für d vermutlich durch Verlust eines blatles der vorläge.
Hervorzuheben ist noch, dass durch die erweiterungen von
D mehrere contraste noch stärker hervortreten als im ursprüng-
lichen gedichte : das äufsere des beiden kann nicht glänzend
genug geschildert werden, daher werden neue Strophen in die
wapenlieder eingefügt und seine leiblichen eigenschaften eigens
gerühmt (w 105). um so schwärzer soll dagegen seine innere
Verworfenheit erscheinen : man vergleiche besonders sein vorgehen
gegen Madius w 65, 7. 8. 12. 123 f und Hildebrands urleil über
ihn 104. 115 f. demselben zwecke dient es wol , dass das Un-
glück der Jungfrau, der Jammer ihrer gespielinnen , ihre Schön-
heit uud edle abkuüft noch ausführlicher besprochen werden. —
zugleich tritt der beide in gegeusatz zu Hildebrand : auch dea
letztern ross und schwert werden gepriesen (113. 112); während
Orkise sich auf Zauberkünste (99, 7) und die hilfe seiner abgütter
verlässt (93.95) und vom teufel beschützt wird (115,4), stellt
Hildebrand alles Gott anheim und sagt von seinem rosse, i
aller krefte vol an alles Zaubers panden (113, 5. 6).
Die plusstrophen von W verfolgen meist dieselbe ricliiiin^'
weiter : 89. 90. 103 ergänzen die wapenlieder, neue klagen der
Madius enthält 68,3—69,2, von ihrer königlichen abstammung,
von dem schmerze ihrer herrin und ihrer freundinnen um sie und
von ihrem Christentum handeln 79. 83. 77 und 78, von Hildebrands
gottvertrauen 108,9. 109. 126,9. 132. 133; eine anrufung Marias
ist 128. wie es 93,13 geheifsen hatte, des beiden gölter die
fechten all aufs seiner haut, wird nun von Hildebrands beim g<
sagt: dar aufs so fecht des himels xoirt 132, 12; zu Orkises Un-
geduld, der die ausliefer ung der Jungfrau kaum erwarten konnte
(123, 4 ff), und zu seinem Übermut bildet einen neuen
Hildebrands besonnenheit und rechtes mafs (133, 10).
In w 138—186 wird der kämpf Hildebrands mit dem 1
Orkise erzählt, was in h nur die Strophen 45—7
nimmt, die erweiterungen in w betreffen bowoI den
die kampfschilderung. gewis ist, dass auch D aus < w«
230 LÜNZER
als h : für einige plusstrophen von w hat schon Stark belege
auch in d gefunden, nämlich für w 170. 176. 178. 180 ^ andres
hab ich s. 220 f hinzugefügt, so hat d sicher schon w 141 — 144
(erweiteruug der trotzreden zwischen dem neiden und Hildebrand)
vor sich gehabt. Stark stellt d 22, 1.2 zu w 139, d 22, 7—10
zu w 145; d 22, 3 — 6 übergeht er : es ist offenbar, dass sie
w 140 — 144 widergeben sollen, sie lehnen sich zwar nicht wört-
lich an eine von ihnen an (deshalb hat Stark auch keine parallel-
stelle für sie gefunden), wol aber inhaltlich; im besondern äst
d 22, 5.6 mit w 142 zu vergleichen. — vorher heifst es in d
(22, 3.4) : S)o tyrad) §tfyrant §tn ttnber: .... $ttytattt forad);
d hat also liier zwei entgegnungen Hildebrands vorsieh gehabt,
wenn die letztere, wie der vergleich lehrt, w 142 war, so muss
die erste w 140 gewesen sein, und zwischen beide muste natür-
lich eine äufserung des heiden fallen, die zwar d übersprungen
hat, aber w 141 bietet. — mit der auch durch d gestützten
strophe w 142 hängt aber w 143 als erwiderung notwendig zu-
sammen : Hildebrand hatte gesagt, der heide müsse sich schämen,
dass er eine Jungfrau bedränge und sich trotz seines königlichen
Standes wie ein strafsenräuber betrage; er müsse mit ihm um die
maid kämpfen, der heide weist zuerst die drohungen Hildebrands
zurück (143, 1 ff); auf die Jungfrau habe er rechtlichen an-
spruch, — 'es ist mein zol und ist mein recht' (143, 11). an diesen
letzten worten hängt wider w 144 (vers 4 das ist gar ein engst-
licher zol, vers 7 den zol hast noch nit hin gefürt), die über-
dies sehr gut zu der folgenden, in allen drei fassungen bezeugten
und demnach gewis alten str. 145 überleitet, indem sie (ebenso
wie w 140, 10 = h 47, 10 got) in vers 12 des himels wirt nennt,
den dann der heide 145, 12 = h 48, 12 vgl. d 22, 9 schmäht. —
dass d hier mehrere Strophen überspringt, erklärt sich leicht aus
den Strophenanfängen : w 139 Der haiden zorniglichen sprach,
141 Der haiden sprach den weisen an, 143 Da sprach der haiden
zarniglich. — 140 Des antwort im der weise (= Hildebrant) da,
142 Da antwort im her Hildeprant, 144 Da sprach zu im her
Hildebrant.
Auch w 170 — 175 gehörten schon D an : w 174. 175 werden
durch h als ursprünglich gehalten ; w 170 ist in d bestätigt, an
diese kann sich unmöglich w 174 = h 64 oder w 176 ange-
1 über w 162 vgl. meine anm. 14 s. 221. w 148 entfällt, s. ebenda anm. 12.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 231
schlössen haben; vielmehr sind die nur in w überlieferten Strophen
171 — 173 für den Zusammenhang unentbehrlich, anlass für d,
die partie zu überspringen, boten wol auch hier ähnliclikeiteo
im beginn einzelner Strophen : w 169, 1 IT : Der haiden rufte:
Machamet und det ich ie durch deine pet, des lafs mich heilt
yeniessen! Apoll und auch her Terfiant, der fird was Ju-
piter genant, es möcht euch wol verdriessen, das mich ein einig
cristenman usw. — w 173, lff:Z>a ruft der haidenische
her : 'mein got, Machmet und Jupiter, wie lafst ir mich
in nötenl Apoll und auch her Terfiant . . . wolt ir mich
lassen töten ein cristenman' usw. auch inhaltliche berüh-
rungen zwischen Hildebrands hohnworten über die heidnischen
götter in w 172 und 175 mit den von d schon widergegebenen
in w 170 mochten in dem Schreiber von d den eindruck ,,bn=
nütjer Wort" l hervorrufen.
Stammen, wie wir gesehen haben, w 170 — 175 aus D, so
folgt daraus derselbe Ursprung mehrerer andrer 'plusstrophen'
von w. es heilst nämlich w 172, 1 : Her üilprant schlug in
aber wunt und 9. 10 : du hast von mir genumen vil manche
tiefe wunden, wären nur die in hd erhaltenen Strophen voran-
gegangen, so wären diese behauptungen unmöglich, denn in jenen
war von einer Verwundung des beiden nichts gesagt worden.
es müssen also aus D auch die Strophen von w stammen, die
von wunden des beiden berichten; dies sind w 157 (3). 106(7)'-.
da aber der heide in w 157,8 klagt, dass ihm sein schild zer-
hauen worden sei, so ist auch die Strophe, die dies erzählt, all,
nämlich w 155. dieser erfolg Hildebrands, dem es nach w [52
= h 53 = d 24, 1—5 eben noch so schlecht gegangen war, dass
von seinem schild vil lützel ganz beleip, muste vorbereitet wer-
den, dies geschieht durch w l."):1.. 154 (gebet Sildebrands und
der Jungfrau), auch diese sind also notwendig.
Was w 177 anlangt, so scheint mir diese in d bezeugt zu
sein durch 27,2 „td? ergib micb (an) bia?", vgl w 177, :i II so wil
ich euch aufgeben purg unde stet usw., wahrend Stark den
wie mich dünkt, minder passend zu w 1 7<"., S stellt.
Zu w 162— 164 ist zunächst Stark gegenüber zu »erbe
1 (1 130, 13. - vgl. auch w 163, 12. dagegeu rflhi
tung, die h 62, 7ff in w 168, Tu' erlitten hat, erst von dem sc
w her, der die vorläge nicht verstand.
232 LUNZER
dass (1 25, 5 nicht zu 162, 1, sondern zu 161, 8. 10 zu stellen ist,
ferner nachzutragen, dass d 25, 7 — 13 die Strophe vv 164 vvider-
geben. von w 162, 1 (Da fraget in die kunigein : sein) ist d auf
164, 1 (Da sprach die edel kunigein : gesein) abgeglitten, sodass
w 162. 163 verloren giengen.
Aus graphischem anlass fehlt wol auch w 185 = h 71 in d:
vers 1 hat dasselbe reim wort wie 186, 1. die Strophe ist, ab-
gesehen von ihrer beglaubigung durch h, auch im zusammen-
hange nicht entbehrlich, das letztere gilt auch von der gleich-
falls von h mitbezeugten Strophe w 168.
Es verlohnt sich auch hier, nun nach dem innern wesen der
Umarbeitung zu fragen, welche D offenbar im vergleiche mit h bietet.
In h ist der hergang ziemlich einfach und ganz nach der
herkömmlichen art solcher kämpfe : die gegner 'grüfsen' einander
(45,10 — 13); es folgen wechselreden in zwei Strophenpaaren
(46 — 49), die 'tjoste' (50) und nach dem absitzen (51) der schwert-
kampf (52 — 54). dieser ist zunächst für Hildebrand ungünstig:
er wird verwundet (52, 11 — 13) und sein schild zerhauen (53),
doch sind die beiden kämpfer einander gewachsen, und es kommt
noch zu keiner entscheidung (54, 10 — 13). die Strophen 55 — 59
unterbrechen die kampfschilderung : durch einen zwerg erhält
die königin und ihre Jungfrauen die frohe künde, dass Hilde-
brand für ihre gespielin kämpfe, nun drängt Hildebrand den
beiden zurück (60); zornige schäm erfasst ihn beim gedanken
an seinen herrn (61), in einem zweiten zusammenstofse zerhaut
er die brünne des beiden (62); dieser ruft seine götter an (63),
hofft auf die hilfe seiner gesellen (64) und wird von Hildebrand
getötet (65); der schlägt ihm das haupt ab und verwünscht den
gefallenen (66).
Eine gewisse Symmetrie und ansätze zu contrastierung sind
also nicht zu verkennen : der kämpf wird durch wechselreden
eingeleitet und durch einen 'nachruf beschlossen; mitten in der
schwebe wird der bericht über ihn unterbrochen : im ersten teile,
der eben bis zu dieser einschaltung reicht, ist der beide im vor-
teil, dann tritt, allerdings durch das eingeschobene nicht moti-
viert, der Umschwung ein und Hildebrand siegt, man mag auch
im einzelnen gegenüberstellungen finden : der heide zerhaut Hilde-
brands schild, Hildebrand des gegners brünne; der eine gedenkt
seines herrn, der andre seiner gefährten, der christliche ritter
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
widersagt dem feinde um der mutter goltes willen (49, 10 — 50, 1),
der heide ruft seine gütter an; Orkise verwundet Bildebrand (52),
wird aber von ihm getötet (65).
Das streben nach parallelismus zeigt sich in D noch deut-
licher, die gegenüberstellungen sind vermehrt, die contraste rer-
schärft, und motivierungen treten neu hinzu, sowol die ge-
sprochenen partien wie die kampfschilderung sind erweitert.
Verdoppelt sind in D einerseits die den kämpf einleitenden
trotzreden (w 139 — 147,2, also 4 Strophenpaare), anderseits die
abschliefsenden reden (179 : 'nachruf, 180 : Hildebrand dankt
Gott, die Jungfrau ihrem kämpfer). auch die einschaltuug ist um
2 Strophen vergröfsert (162 : die königin fragt nach namen und
wappen ihres helfers, 163 : antwort des zwerges). aber den ent-
scheidenden wendepunct bezeichnet in D nicht mehr diese strophen-
gruppe, sondern die neue Strophe 154 : das gebet der Jungfrau
für Hildebrand, diese neuerung ist in zweifacher hinsieht ein
fortschritt : einmal ist nunmehr der Umschwung motiviert durch
den beistand Gottes, anderseits ist ein anstofs beseitigt, den man
in h empfinden kann : dort war der zwerg auf den kampfplatz
gekommen in einem augenblick, wo die sache unentschieden war,
bis zu dem es Hildebrand sogar übel ergieng; dennoch hatte er
der königin frohe botschaft gebracht, in D aber tritt er erst auf,
nachdem sich das glück gewant und Hildebrand schon schild und
heim des feindes zerhauen und diesen verwundet hatte, somil
ist auch seine freudige nachricht besser begründet, und er kann
in einer der Strophen, um die sein gespräch mit der königin ge-
wachsen ist, sagen : sein (= Bildebrands) schwere von plut ijeit
trüben schein (163,12), dh. der heide blutet, endlich i^i nun
Gott nicht nur zu anfang, in der altern Unterbrechung (h 59) und
zum Schlüsse, sondern auch in der wichtigen Btropbe w 154
uannt, und Orkises gebete wiihrend des kampfes entspricht ein
gebet Hildebrands (155, 3).
Die gegenüberstellungen der ursprünglichen rassung Bind in
D bewahrt, neue kommen hinzu : ror dein kämpfe hatte Bich der
heide geweigert, die Jungfrau durch aller frax
und sich der zarten Hellten mündlein rot zu erbarm«
zum Schlüsse antwortet die Jungfrau auf Hildebrands hra
er dem heiden das leben schenken solle : 'nein, er bi
in not mich und die könipin und ml der /<
234 LUNZER
(177). Orkise fordert Hildebrand auf, sich zu ergeben (153),
muss sich aber dann selber zu diesem anerbieten verstehn (176-
177). er hatte gedroht, seinem gegner das haupt abzuschlagen
(143, 3), das geschieht schliefslich ihm; Hildebrand hofft auf
Christus und dessen mutter auch in gefährlicher läge (153), der
heide verzweifelt an der hilfe seiner götter (174). andre cou-
trastieruugen sind in der art auf der einen seile gehäuft, dass
die Sympathie des Verfassers für das Christentum und für Hilde-
brand zu tage tritt : der heide spricht ohne acbtung von Christus
(145, 12), Hildebrand spottet über die abgütter (168. 170. 172);
den gebeten zu diesen (169. 171. 173) stehn noch zahlreichere
anrufungen Gottes und Marias gegenüber (144. 146. 153. 154.
155); Orkise zerschlägt Hildebrands schild (152), dieser den Schild
des heiden (155), dann dessen helmschmuck : kröne, zimier und
götter (155), den heim selbst (157) uud die brünne.
Nur an einer stelle erscheint in D, wie es uns durch w ver-
treten wird, ein gegensatz verwischt : die Strophe h 52 ist in w
zu zweien auseinandergezogen (150. 151), jedoch so, dass nun
Hildebraud nicht verwundet wird, diese neuerung, die dem
ganzen sonstigen verfahren von D widerspricht, gehört demnach
erst W an, während D an dieser stelle nichts änderte, wol aber
der einen Verwundung Hildebrands — im sinne der letzten bei-
spiele — mehrere gegenüberstellt : 157. 166. 172. 176. 178.
Dann aber haben wir in D ein so planmäfsiges vorgehn zu
erkennen, dass wir es als das eines mannes erkennen müssen,
dass wir also die in d nicht bezeugten 'plusstrophen' von w
(aufser 150 und 148, vgl. s. 212 anm.) nicht als erzeugnis von
W, sondern auch schon als eigentum von D, der gemeinsamen
quelle von d und W, anzusehen haben, — eine neue stütze unsrer
früher ausgesprochenen annahmen für diese partie.
Erwähnung verdient noch, dass in dem behandelten ab-
schnitte die alten, auch in h überlieferten Strophen trotz der
vielen einschöbe in derselben reihenfolge stehn wie in h; das
zusammenstimmen von hw beweist hier wider die gröfsere ur-
sprünglichkeit von w im vergleich zu d, wo auch hier wider
vieles durcheinander geworfen ist K
1 im besondern erscheint, wenn die spuren in d zu einem Schlüsse
berechtigen, dort die strophenfolge h 46 — 53. 55 — 60. 54. 61, es wäre also
h 54 an andre — allerdings nicht unmögliche stelle gerückt.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
Es fehlt auch nicht an fäden, welche die partie mit früherem
verbinden : einleitung und abschluss, erweiternde abrundung,
ordnete disposition wurden schon hei den wapenliedem bemerkt
wie in diesen die einzelnen teile der rüstung des beiden be-
sehrieben worden sind, so wird sie hier stück für stück zerhauen;
ja die ähnlichkeilen gehn ins einzelne : w 102. 103, in denen die
königin nach Hildebrand fragt und von dem zwerge auskunft er-
hält, sind im kleinen eine teilweise wörtlich anklingende parallele
zu den wapenliedern. man vergleiche:
84, 1 '. . . wie ist er ein man?
w 162, 2 'wer mag der werde ritter sein?
3 was fürt er an dem Schilde?'
7 'wie ist der helt ein man?
9 fürt er auch reichen harnasch an
10 gewapnet kunigleiche?
163, 2 sein harnasch der ist licht und klar
3 sein heim leücht von gesteine
4 er ist ein zirlich helt
5 gar adellich und wol gestelt
6 in seinem harnasch reine
7 er part eim hohen fürsten gleich
8 und streit gar ritterleichen
13 er ist von hohem adel zwar.
2 wie fürt der haiden harnascli an?
3 ist er icht wapens reiche?'
s.oben 'wie ist er ein man? (vert 1)
7 er ist gewapnet also fein
10 nach kaiserlichem solde.
87, 1 Der haiden fürt ein lichte prünn.
84, 8, 9 und leücht in clarem golde rom beim
pis auf die füesse sein. vgl.
noch 94.
84,5 kein schöner helt ward nie geporn,
vgl. noch 105, 1 //!
105, 11 sein pain sein hoch und wol ti'
S4, II sein harnasch der ist wol getan.
93, 3 von kuniglicher wirde.
106,1 Im müssen all des siges jenen
3 in stürmen und in streiten.
104, 7 . . . seins adels kraft
9 dar zu sein werde rilterschali.
zu einem vergleiche beider darstellungen lädt der dichter selbst
ein, indem er (162, S) die'königin fragen lässt : ist er (= Hilde-
brand) dem heiden gleiche? Steigerungen der contraste wurden
auch schon im frühern abschnitte wahrgenommen, das endergebnis
der betrachtung von w 138—186 ist als.», dass nur w 148 die
zerdehnung von h 52 zu w 150. 151 der vorläge W zozuwi
ist, alles andre aber schon D angehört.
Ein neuer abschnitt ist w 187—230 : der kampl mit den
80 mannen des heiden, den Dietrich zuerst allein besteht, dann
mit hilfe seines meistere beendet, in den andern fassuu
sprechen h 72—109 und d 30—38.
Zu Starks randverweisungen ist nachzutragen1
h 75), 7 vgl. d 31, 7. w 207, 3. 1 werden inhaltlich wi
1 vgl. o. s. 221 f.
236
LUNZER
durch d 34,10, dessen reimwort (jutrcmte) anderseits aus w 208, 12
(zertrant) genommen ist, sodass hier also ein vers von d spuren
zweier Strophen enthält; endlich w 216 (== h 97), 4 vgl. d 36, 5
und w 224 (= h 104) vgl. d 37, 6.
Graphisch erklärt sich, dass w 205 in d fehlt : man vergleiche
w 205, 1 : Si ritten durch den grünen tan und w 206, 1 : Si füren
furbas durch den tan; ähnlich steht es mit w 225. die Strophe
beginnt : Her Hildeprant der kam al dar, die folgende fängt
in h (105) an : Her Hiltbrant den strit ane sach. für den Zu-
sammenhang unentbehrlich ist w 198 : die vorhergehnde Strophe
hatte berichtet, wie sechs heiden mit ihren Schwertern auf Dietrich
einhieben, nun kann nicht unvermittelt folgen (w 199, 1) : Daz
plut da von den haiden ran.
Dagegen ist die zerdehnung von h 78, wie sie in w 195. 196
vorligt, erst von W vorgenommen worden, in ursprünglicher
form erscheint diese Strophe in B, wo der letzte vers überein-
stimmend mit w 196, 13 lautet : daz viere lagen vor im tot (nicht
drige, wie h angibt) '. — auch h 72 ist erst in W zu zwei Strophen
(w 186. 187) geworden 2.
Wenn nochmals daran erinnert wird, dass h 79 — 92 als
spätere interpolation von der vergleichung auszuschalten sind, so
ergibt sich folgendes bild:
w 188—190:
die heiden finden den
leichnam ihres herrn.
graf Adel, beschluss,
getrennt Orkises gegner
aufzusuchen.
h 72—78:
d 30,1—32, 6:
w 191 — 195/6:
vier heiden finden Diet-
rich 73,2.
30,4.
191,2.
einer fällt 77,9—13.
32, 1—3.
194,9—13.
die drei andern werden
getötet B 78, 7—13.
32, 4—5.
195,7—196,13.
1 vgl. Wilmanns Zs. 15, 298.
2 dies beweist d 30, 2 : 2)er ferner lang atf §ifyrcmt pett = h 72,
7 — 9 : licet er (== der Berner) sms meisters niht gebiten (des warte er vil
gerne), von dannen so wcer er geriten. w 187,7 — 9 behält zwar diese
verse bei, vorher aber (186, 8. 9) heilst es : der (= Dietrich) was von dan
gescheiden . . . fer in den tan. er hat also nur insofern gebiten, dass er
nicht nach Bern heimgekehrt war (187, 9. 10).
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
d32, 7— 34, 12:
w r. 17—209:
sechs heiden greifen Diet-
rich an 32, 7.
197,1.
fünf von ihnen fallen
32, 10.
199, 12.
der sechste entrinnt 32,
11. 13.
zehn (d irrtümlich 11)
reiten gegen ihn aus
199,13.
34,3.
2U4, 7.
sie werden getötet 34,
neun von ihnen werden
11. 12. (wol erst kür-
getötet 209, 13, der
zung von d, vgl. w.)
zehnteentfliebt209, 12.
w 210:
—
—
der Berner ruht aus
und macht sich wider
kampfbereit.
b 93—97:
d 34,13—36,5.
w 211—216:
zwölf beiden rennen
(zwanzig heiden)
(zwanzig heiden i
Dietrich an 93,4.
34, 13.
211,4.
mcmeger fällt 96, 11— 13.
36,4.
215,11—13.
der heiden schar (offen-
bar alle überlebenden)
(irrtümlich ein anbere
greift ihn an 97,4.
fd)ar 36, 5.)
wie h: 216,4.
—
—
w 217. 218:
Terlepeins rat.
b 98—109:
d 36,6—37, 13:
u 219—230:
besonders einer dringt
auf ihn ein 99, 1.
36, ü.
220, 1.
Hildebr. hört das getöse
und kommt 100 — 106.
36,10—37, 13.
221 227. (225 nm Inw.)
Triureiz bringt Dietrich
in not 107.
(SigaS) 38, 1. 2.
(Senereis]
24 heiden schlägt Hilde-
brand tot 109,7.
38,12.
1, 7.
die andern bringt Dietr.
in not 109,9—13.
»6, I
. 1,9—13.
dieser vergleich lehrt : die einfachste und ursprüngliche
hietetH; D ist um die Strophen w L97 — 209 erweitert, dh. n
die gruppen von vier und zwölf (zwanzig) heiden,
aufallen, ist noch eint- von Bechs und eine eon
238 LÜNZER
als eigentum von W lösen sich leicht ab vv 188 — 190. 195/6.
210. 217. 218. 225. das wesentliche an diesem neuen ist, dass
zwei personen (graf Adel und Terlepein) und drei motivierungen
hinzukommen, davon ist die eine in w 188 — 190 enthalten : in
h 72, 12 hatte es nur geheifsen : den (= den mannen des Or-
kise) wart kunt ir herren tot, w 188, 1 ff fügt hinzu, wie dies
geschah : Die heiden kamen dar gerant, da si im herren tode fant
dort ligen in dem walde, es war ihnen also durch den augen-
schein kund geworden l. aus welchem gründe die heiden sich
geteilt hatten, ist in h gar nicht angegeben worden; in w 190,
11. 12 erteilt Terlepein, der auch 217, 1.2 als befehlshaber auf-
tritt, diesen rat : die heiden trennen sich, um den argen man zu
suchen2, die zweite motivierung bringt w 210. sie soll erklären,
wie sich Dietrich nach so schweren kämpfen von neuem gegen
noch gröfsere Übermacht zu wehren vermag : er war abgesessen,
hatte den heim abgelegt, sich gelüftet und gekillt, dann sein ross
wider besser gegürtet, den heim aufgesetzt und Schamung be-
stiegen, von diesen motivierungen ist allerdings die erste sach-
lich unmöglich : die heiden können ihren toten herrn erst ge-
funden haben, nachdem Hildebrand den leichnam verlassen hatte.
Hildebrand war aber erst ein halbe rast (186,4 = h 72,3) weit
geritten, Dietrich zwar fer in den tan (186, 9), aber doch nur so
weit, dass sein meister den lärm seines kampfes hören kann
(w 221, 1 = h 100, 1). dieser findet seinen herrn, der in-
zwischen schon vier, dann sechs, hierauf zehn, endlich zwanzig
heiden besiegt hat und sich eben mit dem rest herumschlägt,
so viel kann sich nun aber in der Zwischenzeit doch nicht er-
eignet haben, immerhin sieht man, warum W die Strophe h 72
geändert hat : in h war Dietrich, getreu dem auftrage seines
meisters (h 23, 1), geblieben, wo dieser ihn verlassen halte; in
W entfernt er sich, es ist also doch das bestreben zu erkennen,
die zeit bis zu ihrer widervereinigung als länger erscheinen zu
lassen.
1 man beachte, dass auch dem interpolator von h 79—92 die kurze
andeutung h72,12 nicht genügte, vgl. den bericht des sterbenden heiden
h 84, 3 ff : uns seile ein wildenaere usw.
2 warum sich die heiden trennen , wird ebenfalls von h 79 — 92 be-
gründet 85, 6 — 11. eine dritte Übereinstimmung besteht zwischen h 89 und
w 189 IT : in h misbilligt des heiden vrouwe Orkises vorgehn, in w einer
seiner mannen, graf Adel.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 239
w 225 soll auf das folgende loh Hildebrands vorbereiten:
dieser sieht 225, 10 — 13 wie er (= Dieterich) nmb treib d\
den usw. w 224 (= h 104), 10. 11 hatte es im gegenteil ge-
heißen, dass si in gunden treiben.
Noch eine andre änderung, die erst aus W stammt, i-i zu
erkennen : in w steht die h 70 entsprechende Strophe nicht
zwischen w 193 = h 75 und w 194 = h 77, sondern erst Bpätei
in w 212. dagegen bezeugt d — man vergleiche nur die Ver-
weisungen Starks — die Strophe an ihrem ursprünglichen platze,
in D war also die Strophenfolge trotz der einschallungen nicht
geändert, sondern so wie in h (natürlich wider abgesehen von
h 79 — 92), — eine eigenschaft von D, die wir auch im frühem
abschnitte, dort allerdings aus dem zusammenstimmen von h mit
w erschlossen, die aber freilich nicht für alle partien gilt (vgl.
die Umgebung der wapenlieder, s. o. s. 227 f).
In w 231 — 338 werden Dietrichs und Hildebrands erlebnisse
und taten bis zum eintreffen des zwerges Bibung in Arone er-
zählt, in w allein bezeugt sind die Strophen w 238. 239. 293.
298. 299. dass die beiden erstgenannten in d fehlen, ligt an
dem anfangsverse von w 238 und w 240. jener heifst : Von dan
fürt er den helt zu stund, dieser in h (117, Ij : Vanmdn ruort er
den helt gemeit. inhaltlich sind die zwei Strophen nötig : b L16,
2.3 (= w 237, 2. 3 vgl. d 41, 4ff) hat Hildebrand seinem berro
versprochen : swaz ich sit erliten hau, diu wunder sulnt ir
schouwen. er zeigt ihm aber den erschlagenen beiden nur in
w 238. 239, während in h und d, wo beide atrophen fehlen, das
versprechen unerfüllt bleibt, sie gehörten also nicht nur 1» an,
sondern sogar schon dem ältesten bestände des gediente, auch
über die scherzende selbstironie seines meisten li 113, Hfl
(= w 234, 11 ff vgl. d 40, 711) : ich <jie vor imumjen Kimmen tanz
wird Dietrich nur in w 239, 5. 6 aufgeklärt : da* ist </-•/ Umx, dar
an ich sprank usw.
Dagegen sind w 293. 298. 2(.i'.t (erweiterungeu »on Dietrichs
kämpf mit einem dracheu) wol als einschob von \\ anzt
Die nächste partie ist die letzte, in der h noch tum rer
gleiche herangezogen werden kann; sie reicht »on ">
von Bibungs eintreffen Ins zur ankunfl Uberteins. idenlis
h sind nur w 330 — 352, ferner zeigen
schalt mit b 234—239, und ebenso
3 — 6.
240 LÜNZER
Aufser den von Stark schon angemerkten Strophen scheinen
mir noch w 359 (3 vgl. d 75,4) und 363 (7 ff vgl. d 75. 12. 13)
in d bestätigt zu sein, dann hleiben als solche, die wir aus-
schliefslich aus w kennen, nur übrig w 358. 360. 372 — 374.
die beiden ersten sind im zusammenhange nicht zu entbehren,
w 360 konnte aufserdem leicht verloren gehn. man vgl. die
ersten verse : Dar mit der red geschwigen wart, . . . in hoher art
mit 361, 1. 2 : Nit lang dar nach gepitten wart nach hofe-
licher art.
w 372 — 374 mögen erst in W eingefügt worden sein, sie
sind inhaltlich einigermafseu selbständig und können immerhin
entbehrt werden, erzählt wird, dass Dietrich dreifsig tage in
Arone weilt; inzwischen heilen seine wunden, die frauen ver-
fertigen ihm ein kostbares kleid und zieren seinen heim, in
w 352, 2 hatte Dietrich verheifsen , die köuigin zu besuchen:
wan ich nu pas gehailet pin, was Bibung 368, 10 — 12 dieser auch
gemeldet hatte, nun folgt 375 IT der kämpf des Berners mit
Libertein. es schien nötig, ausdrücklich zu sagen, dass seine
wunden vorher geheilt haben, eine Zeitangabe ('vierzehn tage')
enthält auch h 241, 1.
Genaueste betrachtung verdienen w 369—371 im vergleiche
mit h 234 — 239. es kann keinem zweifei unterliegen, dass h
hier wider das ursprüngliche erhalten hat : h 234 — 239 hangen
mit h 233 organisch zusammen. 233, 12 überlässt Helferich dem
Bibung seineu platz, 234, 1. 2 sucht er selbst den Berner und
Hildebrand auf. das gespräch, das er mit ihnen beginnt und das
den inhalt der kleinen Strophenreihe bildet, ist motiviert durch
■die eben von Bibung überbrachte einladung der königin (h 229
— 232) : Helferich beglückwünscht die beiden fürsten zu der gunst,
in der sie bei einer so schönen frau stehn. — in dw dagegen
sind die entsprechenden Strophen (h 369 — 371) von den frühern
durch einen einschub (w 353 — 368) getrennt, wohin sich Helfe-
rich, der seinen sitz verlassen hat, begibt, erfährt man nicht, das
gespräch wird recht eigentlich vom zäune gebrochen, und schon
aus der verteiluug der rollen erkennt man, dass mau nicht das
ursprüngliche vor sich hat : hier beginnt Hildebrand das gespräch,
indem er den Berner lobt; Hellerich aber warnt den alten vor
verfrühtem lobe und ermahnt ihn, seinen Zögling durch scharfe
vvorte immer von neuem anzutreiben, diese warnung hat aber
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 211
Hildebrand Dach allem frühem gar nicht nötig, das alle bietel
vielmehr h, wo Helferich den Berner in der tonn jenes glttck*
vvunschs rühmt (uzw. ganz der Situation angemessen); wegen
dieses voreiligen lohes tadelt ihn Hildebrand, was dessen bis-
herigem benelimen völlig entspricht, die mangelhafte Verteilung
des dialogs kommt eben daher, dass das gespräch in dw durch
jenen einschub seine ursprüngliche stelle verloren hat.
Nun ist es gevvis keine unwahrscheinliche annahm«', dass difl
änderungen dieser wechselrede von demselben dichter herrühre*,
der die trennenden Strophen eingeschaltet hat. dieser ab*
wider identisch mit dem Verfasser von D; das ergibt sich aus der
Übereinstimmung von d und w.
Wir fahren fort in der vergleichung von d und w (h l;i>st
von hier an aus), die Strophen w 375 — 409 (Dietrichs kämpf
mit Liberteiu; aufbruch der beiden aus Arone) werden fast durch"
gängig auch durch d beglaubigt, auch 387. 389. 392 (s. 0. s. 221>
es erübrigen nur 405 und 409. da im folgenden von einer ja^'d
die rede ist, erwähnt 405 ausdrücklich, es seien heim aufbruchc
auch bunde und falken mitgenommen worden. 409 ist eine 1 Um-
gestaltung der abschiedsscene. die strophe konnte zwar durch
abgleiten des auges leicht übersehen werden : 40S, 1. 2 Feimen
sprach : gemach, 409,1.2 sach : wigemach. entbehrlich sind »her
beide Strophen, müssen also nicht D angehört toben.
w 410 — 490 : abenteuer auf Orteneck, Dietrichs kämpf mit
einem riesen, rückkehr nach Arone. da ttbef 411 — 418 und
474.479.481—483.487 schon gesprochen i>( (s. in und s.221),
bleibt auch hier nur wenig zu sagen : 480 wird /.war durch d
nicht gehalten, ist aber in der aufeinanderfolge ron red« und
gegenrede nötig und in d oder seiner vorläge mir zufällig »er«
lorcn gegangen : 480, 1 : Der Verner sprach M Hildeprant,
487,1 : Mit züchten sprach her Hildeprant. dagegen wird 448,
eine überflüssige lobpreisung der vier recken, susati reo W sein.
Nun folgen w 491—495. 767—789. 798. 799. 801
zug der beiden zur königin, ankauft, empfang und festlicbkeitett,
Dietrichs Werbung, Vermählung, beimkehr nach Bern.
Dassw491 — 193 und 767— 769 uebsl einem zwischen I
den strophengruppen liegenden stflck in «in
gefallen waren (ein blatl im! 7 «'der S Strophen), WUI
oben (s. 222) angenommen.
Z. F. I). A. XI.I1I. N. V. XXXI.
242 LUNZER
Wir vergleichen nun zuvörderst die darstellung des empfanges
in beiden fassungen : d 116, 1 — 117, 8 und w 770—789.
d berichtet : die königin mit ihren Jungfrauen, herlich ge-
schmückt, geht den helden entgegen (116, 1 — 5), sie empfängt
die degen (116,6) und die von diesen in Orteneck befreiten
mädchen, zuletzt den riesen, den der Berner überwunden hat,
und der dessen Jagdbeute, ein wildes schwein, trägt, die königin
scherzt darüber, dass sich die gaste ihre speise selbst mit-
bringen; sie könne ihnen selber genug geben, über diese worte
lachen alle.
In w empfiehlt es sich zunächst, 779 hinter 780 zu stellen,
wie sich aus dem folgenden ergeben wird, dann ist der hergang
dieser:
Die Jungfrauen und die zwerge schmücken sich zum em-
pfang der gaste (770 und 771. 772), die königin mit ihren
maiden zieht den kommenden entgegen (773), die fürsten treten
aus dem walde, die drei von ihnen befreiten Jungfrauen eilen
ihnen voraus auf die königin zu (774), diese empfängt sie (775,
\ — 8), sie erzählen, wie es ihnen inzwischen ergangen war
(775,9 — 776,6). die fürsten kommen nun auch näher (776,
7 — 13). das gefolge der königin entfaltet sich1, die gaste ziehen
heran (777. 778) und halten an der gegenfart (780). sie werden
bewillkommt (779), die königin begrüfst sie, besonders den Berner
(781), die herren werden geküsst, Dietrich von der königin, und
treten ins zeit (782), dort empfängt sie das hofgesinde (783),
man heifst sie ruhen, fuhrt sie dann in eiue kemenate, die Jung-
frauen nehmen ihnen die sarwdt ab (784), herliche kleider,
die die königin bringen lässt, werden ihnen angelegt (785), sie
kehren ins zeit zurück und nehmen platz (786), die zwerge tragen
edle weine, met und andres getränk auf (787), die königin selbst
bietet dem Berner den wein, ihre mädchen den andern (788),
nun erst setzt sich die königin selbst (789).
d kürzt mitunter recht ausgiebig, es kommt, wenn auch sehr
vereinzelt vor, dass es 7 Strophen der vorläge in einer einzigen
streift2, allein ein zweites beispiel, dass wie hier 20 Strophen
1 sie Hessen schawen sich, sich beginiden scharn (777, 4. 9).
2 d 15 = w 86. 87. 92. 99. 100-102; d 34 = w 204. 203. 206—209.
211; d 60 = w 304. 305. 307-311; d 123 = w 839. 842. 841. 840. 857.
856. 858.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 243
zu l'/2 zusammengepresst waren, find ich nirgends, zudem
macht hier d garnicht den eindruck des zusammengepressten:
d 116, 9 — 13 ist eine völlig überflüssige widerholuog dei
schichte von dem heiden Orkfse und seinem valer (d sagt irr-
tümlich Jon) Teriufas, zu der die erzählung der drei befreiten
miidchen von ihren Schicksalen in Orteneck (w 77."), '.) — 776, 6)
vielleicht, einen anlass, aher gewis keine nötigung gegeben bat;
d 117, 1 — 8 (empfang des riesen, Scherzworte der königin) haben
in w überhaupt keine parallele; es würden also den 20 Strophen
von w inhaltlich nur 8 verse (d 116, 1 — 8), höchstens dir eine
Strophe 116 entsprechen, die darstellung in w ist ferner — wenn
man die oben vorgeschlagene Umstellung einer strophe vornimmt,
so wolgeordnet und zusammenhängend, das ceremoniell so ge-
wahrt, dass man sich auch schwer zur annähme von Interpola-
tionen entschliefsen wird; vielmehr scheint hier in \Y eine völlige
und planmäfsige Umarbeitung vorzuliegen, die allerdings noch in-
haltliche berühruugen mit dem alten aufweist (s. die zum ver-
gleiche herangezogenen stellen s. 221), aus der man aber den
ursprünglichen Strophenbestand nicht mehr herausschälen kann,
um so weniger als sie auch sachliche äuderungen eingeführt hat
und gegen d nicht nur ein mehr, sondern auch ein weniger auf-
weist : so scheinen nach d in dessen vorläge zuerst die beiden
und dann die befreiten mädcheu empfangen worden zu sein
(116,6.7), in w geschah dies in umgekehrter folge iTTl— 781),
der empfang des riesen aber ist samt dem scherze der königin
unterdrückt.
Während in d auf den empfang sofort ein mahl folgt
(117, 9 fT) , ist in w noch einiges eingeschoben, zunächst ein
kurzes gesprach 798. 799 : eine Jungfrau preist die gaste und
dankt ihnen für ihre heiden taten; die herren weisen alles ver-
dienst Dietrich zu und danken ihrerseits für die ihnen erwiesenen
ehren. 801—804 bringen ein komisches intermeuo zwischen
Dietrichs riesen und einem zwerge der königin namens Lodaber.
805 wird der riese ausgeschickt, um wild zu rangen, von all dem
fehlt in d jede spur. 805 steht sogar in Widerspruch zu d.
w 806—825 band. 'In von dem festmable. dieses isl in d mit
den 5 versen 117,9—1:'. abgetan, jedoch wird in d 118, I
eine episode, die sich während des speisens ereignet, io
breite nachgetragen.
244 LUNZER
In dem bericht über das gastmabl ist w wider sehr genau
und ausführlich : die speisen werden bereitet 806, truchsess und
küchenmeister melden der königin, es sei essenszeil 807, unter
den tönen fröhlicher musik wird wasser mit handtüchern ge-
bracht 808, den forsten werden sitze neben den mädchen ange-
wiesen 809, die gerichte werden aufgetragen, wobei wider musik
ertönt 810, die königin ladet zum speisen ein 811; 812 — 815
enthalten ein gespräch des bereits von liebe gequälten Dietrich
mit seinem meister, der ihn ermuntert, auch die andern gaste
bleiben von der minne nicht unherührt 816, man sieht tanze und
spiele, die zwerge bedienen die gesellschaft 817, des lichten maien
kleid und zugleich die gaben des herbstes erfreuen die gaste 818,
zwei fremde zwerge stechen mit Bibung und Lodaber 819 — 823,
das mahl ist zu ende 824, vor dem zelte ertönt musik, man
wäscht sich die hände, das wasser wird fortgetragen, herren und
frauen gehn von tische 825.
Auch hier war die vorläge von d, aufser was d 118 anlangt
(== w 819 — 825), worüber gleich gesprochen werden soll, gewis
kürzer als W, ohne dass sich aber, wie ich meine, D aus W
durch blofse annähme von einschaltungen gewinnen Iiefse; auch
hier stellt sich W als eine planmäfsige neubearbeitung dar; nur
w 819 — 825 haben, wie ein vergleich mit d lehrt, das alte ziem-
lich gut bewahrt, zum Verständnis ist nur vorauszuschicken, dass
der Verfasser des auszugs d 6inem grofsen irrtum zum opfer
gefallen ist, der sich durch den grösten teil seiner Strophe 118
hindurchzieht : in w 819 — 823 wird erzählt, wie Bibung und Lo-
daber gegen zwei fremde zwerge tjostieren, d aber fasst das falsch
auf und lässt Bibung und Lodaber gegen einander stechen, sonst
aber werden die einzelnen momente des ritterspiels fast vollzählig
auch in d bestätigt und damit, wie s. 221 schon angedeutet ist,
die Strophen w 819. 821. 823—825. der ausfall von w 820 er-
klärt sich wie schon so oft : man vgl. w 820, 1. 2 : Sie kamen
schnell da her gerittn zu dinst nach ritterlichem sittn und 821, 1.2:
Die zwerg gar ritterlichen rittn zu dinst nach lobelichem sittn.
w 822 ist inhaltlich unentbehrlich : w 823, 4 erzählt, dass dem
Lodaber sein heim aufgebunden wird, er hat ihn also verloren,
und das steht in 822, 13; sie ranten aber faste in 823, 6 setzt
voraus, dass sie schon einmal gegen einander geritten sind : das
wird in 822, 8 ff berichtet, und auf eben dies bezieht sich die
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 245
äufserung der künigiu 823, 1 — 3. hier sind wir also widei ein-
mal in der läge, ein Stückchen der gemeinsamen vorläge von d
und w aus dem zusammenstimmen heider fassungen zu erkennen
w 819 — 825 hahen ihr augehört.
Auf das mahl folgt in d und in w ein gemeinsamer Bpazier*
gang der fürsten mit der künigin und ihren Jungfrauen ""/ ein
anger weit (w 826, 1) oder, wie d sagt (119, 1) für benn percf.
w 826 und d 119, 1 — 4 stimmen wenigstens der Bache nach
überein. dafür hat wider d 119,5 — 8 in w nichts entsprechen-
des, die verse enthalten eine reminiscenz der zweigt: an die
frühere not. dass die zwerge an dem Spaziergang teilgenommen
hätten, erzählt w nicht, auch ein rückhlick auf die Vergangenheit
fehlt hier in w.
Stark auseinander gehn beide fassungen von da ab in dem
berichte über Dietrichs Werbung : in d fragt die köuigio Bilde-
brand nach der Ursache von Dietrichs trauer (120, 1 — 3j. Hilde-
brand erfährt von seinem herrn dessen liebe zur kr-mum (120,
4 — io), berichtet ihr dies (120, 11 — 13), erhält ihre Zustimmung
zur ehe (121, 1.2), meldet dies wider dem Beruer (121, 3j, ritt
ihm, sich an den rat der fürsten zu wenden (121,4—6), trägt
dort die sache vor (121,7) und findet billigung (121, 8). ebenso
teilt die künigin ihren juugfraueu ihr vorhaben mit (121,9. 10),
und auch diese stimmen zu (121,11—13). nun überbringen die
fürsten der künigin Dietrichs Werbung (122, 1 — 3); sie nimmt
sie an (122,4 — 6). der Beruer und die künigin werden zusammen-
geführt (122, 7. 8). sie gibt nach bescheidenem sträuben ihre
eiuwilligung (122, 9—11) und Dietrich antwortet dir (122, 12. 13
Ohne so viele förmlichkeiten kommt dasselbe ergebnia in «
zu stände : die künigin fragt den Beruer nach seinem ungemach
(827), dann forscht — ohne ihr zutun — Hildebrand darnach
(832) und verweist ihn an der Fürsten i -■• Btimmen
zu und treten vor die künigin (834), Helferich trägl die Werbung
vor (835Q und findet geneigtes gehör (837), Dietrich wird
und empfängt das Jawort der künigin (838).
Dass in d Hildebrand so in .Im Vordergrund tu".
scheint mir etwas ursprüngliches erhalten : der I
ganzen verlaufe der dichtuog als kint cbarakteri
Übergewicht seines meisters so oft hervorgehoben woi
es begreiflich erscheint, wenn er äich auch In"
246 LUNZER
gebieters annehmen muss. anderseits mochte gerade die Ver-
mittlerrolle Hildebrands und die behandlung der liebe als einer
Staatsangelegenheit, die an die Zustimmung zunächst unbeteiligter
geknüpft ist, einem dichter nicht zusagen, der etwa den stand-
punct der minnepoesie einnahm, dieser — seine Umarbeitung
ligt in w vor — lässt die königin ihre erste frage an den Berner
selbst richten, drängt Hildebrand auch sonst einigermafsen zurück,
übergeht von den Verhandlungen wenigstens die eine, die der
königin mit ihren gespielinnen, und schiebt lieber eine zt. theo-
retische erörterung über die minne ein (828 — 832). kürzer als
die vorläge von d ist also w auch an dieser stelle nicht.
Was die Schilderung der vermählungsfeier betrifft, so wurde
schon oben (s. 219 f) erwähnt, dass von dem in d 124, 1 — 3 aus-
drücklich hervorgehobenen Itrdjgcmgf in w keine rede ist, und
dass in der beschreibung des hochzeitsmahls die vorläge von d
ausführlicher gewesen zu sein scheint; dafür weifs d nichts von
den Amelungen, von den fünfhundert bürgern aus Bern und von
könig Floris von Dänemark, die in w zum feste kommen, em-
pfangen und herlich bewirtet werden (843 — 850).
Die brautnacht verläuft ebenfalls in beiden fassungen ganz
verschieden : conventioneller und wider ganz im sinne der minne-
poesie gehalten ist w 851 — 854, charakteristischer und sogar sehr
realistisch1 d 125 — 128. mir scheint wider d älter : dass Diet-
rich nicht zum ziele gelangt und sich von Hildebrand verspotten
lassen muss, passt ganz zu manchen frühern stellen des gedichts.
die scene hat aber bei einem Überarbeiter anstofs erregt und
wurde darum geändert.
Die erklärung der königin d 129, 2—6, sie wolle nach Bern,
um dort auch etjnn ^odjfcett zu halten — so lange werde sie
Jungfrau bleiben — , hängt mit dem eben besprochenen zusammen
und hat sowie d 130, 3 — 8, wo diese zweite 'hochzeit' samt der
auf sie folgenden nacht geschildert wird, in w keine parallele,
wird aber, wenn d 125 — 128 das ursprüngliche vertreten, auch
alt sein : wider ist es Hildebrand, an den sich die königin wendet
(129, 1), der dann ihren wünsch dem Berner mitteilt und zum
auf bruche auffordert (129, 7 — 9). er behält also in D consequent
1 manches davon mag allerdings auf die rechnung der auch anderwärts
nicht sehr feinen ausdrucksweise unsers auszugs zu setzen sein.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 247
die rolle des meisters bis zum ende des gedichts, bis zur heim-
kunft nach Bern. —
Der leichtem übersieht halber stelle ich das gewonnene zu-
sammen, dabei sind in klammern jene Strophen verzeichnet, die
in d nicht belegt sind, es gehörten zum bestand von D:
w 1. 3. 2. h 2. 9. 10. w 39. 38. 41. 42. 33. (45). 40. 17.
(48). 49. 50. h 19. 21. w 56—60. 62—67. h 24. w 70— 7»i.
84.(85). 86—88. 91—95.(96). 97—102. 104—107. 110. 111.
(112—120). 121—125. 127. 129—131. (134). 135. (136—138 ,
139—146. h50. wl49. h 52. w 152.(153. 154). 155.156.1
158—161. (162. 163). 164—167. (168). 169. 170. (171—175).
176 — 184. (185). 186. 187. 191 — 194. h 78. w 197. (198).
199—204. (205). 206—209. 211—216. 219—221. 226. (227).
228—237. (238. 239). 240—245. (246). 247. (248. 249). 250.
251. (252). 253— 255. (256— 258). 259— 292. 294-207. :inu —
318. (319. 320). 321—347. (348). 349. 350. (351). 352— \\:>1.
(358). 359. (360). 361 — 371. 375—404. 406 — 40S. HO.
(411_418). 419—447. 449—485. (486). 487—100. (491ff).
Der Strophenbestand des Schlusses lasst sich bis auf kleine
partien (zb. w 819 — 825) nicht mehr eruieren.
Einschöbe von W, bez. erweiterungen einzelner Strophen EU
je zweien, sind : w 40. 43. 44. 61. 68. 69. 77—83. 89.
103. 108. 109. 126. 128. 132. 133. 148. 150. 151. 188—190.
195. 196. 210. 217. 218. 225. 293. 298. 299.372—374. 105.
409. 448.
Das ende des gedichts war stark erweitert und umgestaltet
Das ursprüngliche gedicht.
Nach Wilmanns hätten wir in D das alte gedichl tu er-
kennen, von dem sich in h nur der anfang erbalten hatte, wah-
rend der groTsere teil von h, wie Wilmanns unzweifelhaft nach-
gewiesen hat, eine spatere fortsetz ung ist. wenn h 254 — oder
wie ich meine h 240 — bis 1097 nicht von demselben vei
herrührt wie der anfang, so ist allerdings die nächstliegende
rung die, dass das ende des ursprünglichen gedichts dui
die mit d verwanten abschnitte von w vertreten wird,
die nächstliegende möglichkeit, aber es ist nicht di<
ist nicht ausgeschlossen, dass der dichter von h 1
Überhaupt nicht vollendet bat
248 LUNZER
Wenn nun auch ein stricler beweis dafür, dass auch fort-
setzung und schluss von D einem andern Verfasser angehören,
sehr schwer zu führen ist, da wir diese partien nur aus einer
späten bearbeitung und einem noch spätem auszuge kennen, die
beide die sprachliche und metrische gestalt ihrer vorlagen völlig
verwischt haben, so scheint es mir doch nicht überflüssig, hier
zusammenzustellen, was dazu führt, diese zweite möglichkeit ins
äuge zu fassen.
Zunächst ist im anfange, so weit sich D inhaltlich mit der
andern fassung so ziemlich deckt, di. bis w 352 = h 233, D
ganz gewis nicht das ursprüngliche gedieht, sondern eine viel
ausgiebiger umgestaltende und erweiternde bearbeitung als h.
Das stück w 353 — 371, welches zu den nur aus dw be-
kannten abschnitten hinüberleitet, ist gleichfalls gewis minder
ursprünglich als h 234— 239 (s. s. 240 f)-
Wie ferner in der fortsetzung h 340 ff neue personen auf-
treten, alte vergessen werden und der Schauplatz sich ändert, so
geschieht es auch in D von w 372 an : der heide Orkise, dessen
vater von D schon zu anfang erfunden worden war, hat nun auch
eine gemahlin * (w 450) und einen erwachsenen söhn, Janapas,
der in Orteneck wohnt, einer bürg, von der wir bis dahin eben
so wenig etwas gehört haben wie von Janapas selbst und seineu
50 mannen, ganz neu und unerwartet sind die drei von Hilde-
brand und seinen gesellen befreiten Jungfrauen, neu sind Liber-
tein, der riese, der zwerg Lodaber usw. unter den heidnischen
göttern erscheint der früher nie genannte Mercurius2 (440,12),
während Machemet und Terviant nun fehlen, auch die anwen-
dung eines heidnischen kauderwälsch kommt erst jetzt auf:
433, 4. 442, 1 (die 'Übersetzung' wird beidemal beigefügt) : löwen
(428 ff. 470,5) waren früher nie zu bekämpfen, dagegen fehlen
nun die wurme. — von den personen des anfangs verschwindet
bald Helferichs gemahlin Portalaphe (mit dem aufbruche von
Arone 407), und, was das auffallendste ist, von Madius ist in
der ganzen fortsetzung D nicht mit einem worte mehr die rede.
Ein kleiner, aber charakteristischer unterschied zwischen dem
anfange des alten gedichts und der fortsetzung D ligt in folgen-
1 auch die Interpolation h 79 — 92 weist ihm eine vrouwen zu h 88, 5 ff.
2 h 79 — 92 bringt einen sonst unbekannten götzen Medelbolt herein
91, 12.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 249
dem : dort war regelmäfsig, wenn einer der beiden rotn
stieg, gesagt worden, was mit diesem geschah : als Bildebraod
absitzt, um seinem herrn gegen einen wurm beizustehn, gibt er
sein pferd Rentwin zum halten h 171, 2. 3. Dietrich hat das Beine
an einen ast gebunden; der wurm will es forttragen, aber der
Berner rettet es h 146,7 — 12. spater holt es Hildebrand von
dort und führt es seinem herrn zu h 185. vor Arone sitzt Diet-
rich ab, Helferich nimmt das ross in empfang und bindet es an
einen zäun h 190, 8 ff; von Rentwins ross erfahren wir, das«
wilde wurme es fortgetragen haben, während sein herr schlief
h 163,4.5. 180, 11; Bibung bindet sein pferd an, ehe er ein-
lass in Arone erbittet 223, 6. die fortsetzung D aber kümmert
sich um dergleichen nie : Dietrich und seine gelahrten reiten auf
die jagd : der Berner muss mit dem riesen kämpfen , die an-
dern geraten in Orteneck in not, — was indessen mit ihren
rossen geschieht und wie sie sie widerfiuden, davon böreo
wir nichts.
Dagegen zeigt die erzählung von den abenteuern auf Orteneck
und von Dietrichs Vermählung ganz dieselbe geistesart wie die
Umarbeitung des anfangs, die uns in D vorligt : es ist gani
besonders auf contrastwürkung abgesehen, und die fortsetzung
bringt fast nur gegenstücke zu den einzelnen teilen der frühern
partie : wie vorher Hildebrand einen eiuzelkampf mit dem Über-
menschlich starken heiden, Dietrich aber ein gefecht gegen die
Übermacht der 80 mannen Orkises zu bestehn gehabt hat. so
muss nun der Berner mit einem gegner kämpfen, der ein riese
ist (46011), Hildebrand mit seinen drei gesellen aber bal aich mil
den 50 mannen des heidnischen Janapas herumzuschlagen i 133 ff);
früher hatten Dietrich und sein meister mil drachen gekämpft,
nun werden löwen auf den alten und die seinen loc
(428ff), und der Berner wird von dem riesen ror eine hflhli
trieben, die voll löwen ist (470). zu beginn der abenteuer war
Madius aus der gewalt Orkises befreit werden, nun werden drei
Jungfrauen aus der gefangenschaft Beines Bobnes erlöst auch
innerhalb der fortsetzung whrd das mittel der contrastierui
gewendet : Dietrich besiegt in dreimaligem rennen d< d
Libertein (37511), die zwerge Bibung und Lodabei
zwei fremde zwerge (819 ff), wohn es auch im
zusammenstöTsen kommt.
250 LUNZER
Wie im grofseD, so zeigen sich beziehungeo zum erweiterten
ersten teile und ähnlichkeiten in der arbeitsweise auch in einzei-
heiten. den wapenliedern uzw. in der neuen gestalt entspricht
die beschreibung des riesen , seines gewandes und seiner waffen
461, 1—464,3 : sein leib 461,1 — 462,6 (äugen, brauen, ange-
sicht, rücken, bauch, länge und stärke — vgl. Orkises beschrei-
bung in den nur D1 angehörenden Strophen w 105. 106: antlitz,
kehle, haar, gröfse, brüst, Seiten, beine, stärke), bekleiduug des
leibes 462,8 — 10, drachenhaut (anstatt des hämisches) 462, 11. 12,
heim 463, 2. 3, schild 463, 4. 5, kolben 464, 1—3.
Der kämpf Dietrichs mit dem riesen ist zu vergleichen mit
Hildebrands kämpf gegen Orkise : er wird gleich diesem einge-
leitet durch einen streit um das recht 465, 4ff (vgl. 143, 11 ff)
und die drohung des riesen, seinen gegner zu töten 465, 10
(vgl. 143, 3), beschlossen durch das widerholte anerbieten des
riesen, sich zu ergeben und seinem überwinder zu dienen 477, 7 ff.
478, 4ff. 479, 1 ff (vgl. 176, 7 ff. 177, 1 CT), während des kampfes
ruft der Berner Gott und Maria an 466, 6ff. 471, 12.13. 474,8,
wie damals Hildebrand, er denkt an seinen meister 474, wie da-
mals dieser an ihn gedacht hatte, zuerst zerhaut der riese den
waffenrock Dietrichs 466, 12, aber dieser spaltet ihm den schild,
469,7.8, dann wird des Berners brünne und die drachenhaut
des riesen zerhauen 472, 3. 8; lange ist der kämpf unentschieden:
die gegner verwunden einander abwechselnd : Dietrich den riesen
469, 11 ff. 472, 6 ff. 476, 7 ff und dieser ihn 472, 3 ff. 473, 9 ff.
zum Schlüsse geht es ans verbinden der wunden 479, 6 ff. 484, 8 ff,
die befreiten Jungfrauen umarmen und küssen ihre retter 484
(vgl. 180, 7 ff).
Das gespräch Dietrichs mit seinem meister 485 — 488 er-
innert an 231 — 237 (= h 110 — 116) : der junge beklagt sich
über den erzieher und die frauen, um derentwillen man abenteuer
bestehen müsse, Hildebrand gibt ihm gute lehren.
Wie in Dietrichs kämpf gegen die 80 mannen des beiden
die zahl der jedesmal gefallenen angegeben wird (D hat an den
angaben der vorläge nicht genug und vermehrt sie) 2, so geschieht
es auch in dem berichte über den streit Janapas und seine
1 auch im folgenden sind die zum vergleich herangezogenen slrophen
des anfangs eigentum von D. - vgl. die Zerlegung der zahl 80 in
4 + 6 + 10-J-20 + 40 in w 188—230.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 251
50 mannen : zwölf dringen auf Hildebrand ein 435, G; elf liegen
tot da 438, 3; mit einem schlage tötet Liberlein drei 43S, 12;
bald sind dreifsig erschlagen 440,5; Janapas selbst füllt 445,3,
und nun müssen alle ihr leben lassen 445, 7. 12. unter den
beiden ragt hier wie dort ein namentlich genannter hervor 436,4;
Hildebrand erinnert sich im getümmel seines herrn 442, 12. 13,
die beiden rufen ihre götter an 440, 7 ff, die Christen Gott und die
Jungfrau 441, — alles parallelen, die sich noch vermehreu liefsen.
Gemeinsam ist ferner den iuterpolationen, die D im beginne
des gedichts einfügt, und der fortsetzung eine vergröberte auf-
fassung der beiden : in der alten dichtung erscheint Orkise nur
als erbarmungsloser feind, D aber häuft auf ihn und sein ge-
schlecht alle erdenkliche schmach : sein vater sei ein menschen-
fresser gewesen w 1, 4 ff, der in teüfels weise gelebt habe 1, 10;
der söhn habe die art des alten angenommen 1 , 13. die ihm
ausgelieferten Jungfrauen tötet er nicht nur, er nimmt ihnen vor-
her die ehre 65,7—13. 117,7.8. 120, 7ff; der teufel hat ihn
bisher am leben erhalten 115, 4, besiegt, fleht er um gnade.
ganz in diesam sinne meldet die fortsetzung von der pofsheit
seines sohnes Janapas 418, 9 ff : er was aller eren frei und aller
schänden schätz, sein herz ivas aller trewe los, keins mordes in
auch nie verdrofs, unkeüschheit in behaicset, auch das er stets
mainaides pflag, wie sein vater, dem auch vor eren grawset. ?on
seinem boten heifst es, dass er die herren da betrog, sein falscher
munt den fürsten log 427, 1.2, und so sind alle seine mannen,
die in selbs schände merten so gar mit mördiglicher tat. der
dichter verflucht ihren falschen rat, der ere kan vergiften, wäh-
rend Orkise nach dem alten gedichte in ritterlichem kamp
fallen war, greift Janapas zu hinterlist und verrat, wie D im
anfang den gegensatz zwischen der glänzenden erscbeinui.
beiden und seinem schwarzen innern so recht herausgearbeitet
hatte, so würkt hier der contrast zwischen der prachl und festigkeil
der heidenburg 4171'. 447,8 ff. 449 und der verworfenheil ihres Wirtes.
Dies alles legt den gedanken nahe, dass die fortsetzung D
von demselben Verfasser herrühre, wie die Umgestaltungen, di«
D im anlange aufweist.
Formelle kriterien können in unserm falle naturj
schwach sein, nichsdestoweniger will ich hier anfügen, was
mir darüber angemerkt habe.
252 LUNZER
Wie Zupitza zu Virginal 224, 4 constatiert, kommt das wort
recke (im ältesten teile) nur an dieser stelle vor, und zwar 'in
etwas humoristischer anwendung' : der kleine recke = Bibung.
die Fortsetzung h, so lang sie ist, bietet keinen einzigen sichern
beleg für das wort, dagegen ist es in D ganz gebräuchlich, uzw.
ohne humoristische färbung; meist erscheint es in w im reime,
gelegentlich wird es auch durch d bestätigt : w 208, 6R. 420, 3 R
(= d 90, 3). 436, 3R (vgl. d 97, 4R. 99, 4). 480, 8R. 481, 3.
auch im umgearbeiteten Schlüsse1 erscheint es : w 789, 3R.
843, 3R. 845, 10 R. in d kommt es noch an einigen stellen vor,
wo unsre hs. w2 ein andres wort aufweist, ihre vorläge aber viel-
leicht wie d recke gehabt hat : d 93, 9 (w 428, 9 herren, 429, l
fursten). 100, 4 (w 441 , 1 cristen). 100, 13 (w 443, 9 degenl).
101, 12 (w 447, 2 fursten). 102, 4 (w 449, 1 fursten). 119, 3
(w 826, 3 herren, 826, 7. 11 fursten).
Auffallend ist ferner, dass der ausdruck vrech, den der äl-
teste teil gar nicht, die fortsetzung h nur einmal (711, 3) gebraucht,
ein lieblingswort von D war : w 105, 13. 112,4. 141, 3 R. 141,12.
143, 6. 371, 9. 376, 1. 391, 10R. 412, 8. 434, 1 R. 438, 8R.
469, 9 R. 471,7. 486,10. der umgearbeitete schluss wendet
dies wort nicht an; von d wird es nicht bezeugt, offenbar, weil
es für den späten Verfasser des auszugs schon die nhd. tadelnde
bedeutung angenommen hatte, unser Schreiber von w hat es,
so weit w mit h verglichen werden kann, nicht hereingebracht.
Andre worte, durch deren gebrauch sich D von dem alten
anfange und h unterscheidet, sind (stahel)zein 86, 4 R. 97, 10 R.
137, 4R. 148, 1R. 380, 4R. 435, 12. 774, 5R; wedel 269, 1R.
463, 1R; vruot 71, 1R. 451, 4R. 789, 13R3; geblüemet (in über-
tragener bedeutung) 376, 10 R. 482, 12 4; (über)krcenen (gleich-
falls in übertragener bedeutung) 366, 2. 369, 5R. 456, 13.
839, 8R. 856, 6 R (vgl. 482, 8)5; der sorgen stric 400, 13 R.
814, 9R6.
Was die metrik betrifft, so hat Wilmauns die spätere ab-
fassung von h 250 ff aus dem gebrauche klingender reime, die
1 einmal auch in einer plusstrophe von W : w 448, 8R.
2 einigemal hat allerdings erst unser Schreiber von w das wort ein-
geführt : w 595, 3R (h riehen). 663, 12. 706, 2. 3 374, 9R plusstrophe
von W, 4 448, 13 ebenfalls. 783, 11 in der eigentlichen bedeutung.
5 448, 10 plusstrophe von W. 6 409, 5R plusstrophe von W.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
mbd. die gestalt 1,^ haben würden, erkannt, solche reime bat
nun allerdings auch unser Schreiber von w hereingebracht, aber
in den 208 Strophen, die w aus dem ursprünglichen, von dieser
metrischen neuerung noch freien stücke des gedichts erhalten
hat, nur 5 (w 98, 8. 191, 3. 6. 265, 8. 10) '. dagegen erscheinen
in den 80 Strophen, die D in diesen kern eingeschoben hat,
29 derartige reime (w 56, 6. 58,8.10. 65,8.10. 71,8.10.
114, 3. 6. 120, 8. 10. 142, 3. 6. 157, 8. 10. 177, 3. 6. 197, :;. &
S. 10. 200,3.6. 208,8.10.209,8.10. 239,3.6) und in den
138 Strophen von D bis w 770 28 fälle dieser art (355, 8. 10.
375, 8. 10. 384, 3. 6. 3S8, 8. 10. 397, 3. 6. 399, 3. 6. 423,
443, 3. 6. 446, 8. 10. 464, 8, 10. 479, 3. 6. 482, 3. 6. 768, 3. 6),
in den 88 Strophen des umgearbeiteten Schlusses 5 : Sil , 8.
844, 3.6. 857, 3.6. das erlaubt wol die folgerung, dass auch
die interpolationen und die fortsetzung D bereits worte von der
gestalt mhd. ~L^ als klingende reime verwendet hat, also nicht
von dem dichter jener partie herstammen, der dieser gebrauch
noch fremd war.
Fragt man : warum sollte der Verfasser des anfangs sein ge-
dieht unvollendet gelassen haben? so lässt sich, abgesehen von
der möglichkeit eines aufsein hindernisses, leicht eine innre Ur-
sache angeben, die ihn bewogen haben kann, gerade mit h 2:\'j
abzubrechen : die handlung war bis zu einem entscheidenden
punete gediehen : zu beginn hatte der dichter angekündigt, was
für taten seine beiden würden zu verrichten haben : es gelte, die
königin von ihrem heidnischen bedränger zu befreien li 2, 8 — 13.
w 25. d 4, 6 ff. dabei sollte Dietrich aueb mit wurmen utrUmn
h 18,6. w 49,6. d 8, 6 (d irrtümlich mit Reiben, weil bisher nur
von dem beiden [Orkise] die rede gewesen war-), ferner h !9, 12.
d 9,3 und h 21,6. d 9, 10 (in w fehlt das betreffende blau), die
absieht Hildebrands dabei i>t , dass sein berr, der Ins dahin da-
heim gelegen ist und gemaches gepflegen hat (h 18, I. 5. »i 1'.'. 1- 5.
1 von der fortsetzung li hat w 2(>5 Btrophen übernommen; in
hat er 20 reime der neuen art seihst gemacht, 5 (zoflHKg) bese I
gibt sich also auch liier nur ein plus von 15 reimen.
2 auch Znpitza (anm. zu Virg. 18,6) meint : 'stall
man heideri und wirft dem dichter 'gedankenlestgkett' ror :
aber, dass der Verfasser hier den zweiten pum
Dietrich soll eben nicht nur mit Heiden, Bonden auch mit wurmt
254 LUNZER
(1 8, 4. 5), nun äventiure kennen lerne (h 2,13. 18, 3. 13.
w 49, 3. 13. d 8, 3) : dieses ganze programm ist bis h 239 aus-
geführt : die königin ist befreit1, der Berner hat mit neiden
(h 72—109. w 187—230. d 30—38) und mit drachen gekämpft
(h 143—146. 168. 169. 171—176. w 266— 270. 291—298. d 48.
56, 1 — 58,4). mit diesen abenteuern war also geschehen, was
der dichter verheifsen hatte*; nur die Zusammenkunft der königin
mit ihren rettern, deren notwendigkeit sich im verlaufe der er-
zählung ergeben hat, steht noch aus, und hier beginnt die
Schwierigkeit, — hier bricht auch das alte gedieht ab : wie soll
sich die sache weiter entwickeln? wenn ein ritter eine Jungfrau
vor einem ungeheuer befreit hat, so schliefst sage oder märchen
naturgemäfs mit ihrer Vermahlung, in unserm gedichte hat Hilde-
brand die Madius gerettet; ein interpolator denkt denn auch einen
augenblick daran, aus beiden ein paar zu machen : w 79, 4 ff, —
es ist aber untunlich, da Hildebrand schon eine gemahlin, Ute,
besitzt. Dietrich würde seinem ränge nach zu der königin passen,
allein auch von dieser Verbindung weifs die echte sage nichts,
die ihm Herrat zugedacht hat. der Verfasser des anfangs wollte
nun einerseits nicht gegen die tradition verstofsend ihm die be-
freite königin vermählen, anderseits widerstrebte es ihm vom poe-
tischen standpunete, das gedieht mit einem kühlen auseinander-
gehn schliefsen zu lassen, und so blieb es unvollendet, von den
beiden fortsetzern aber hat jeder eine der beiden möglichkeiten
durchgeführt : D schliefst mit der heirat, h mit dem abschiede
Dietrichs2, im alten kerne aber weist nichts darauf hin, dass
dem dichter eine Verbindung des Berners mit der königin als ziel
vorgeschwebt habe3, die königin hat nicht einmal einen namen.
Dietrich wird bei jeder gelegenheit als sehr jung, unerfahren und
der schule des lebens bedürftig hingestellt; nicht er erwirbt sich
um die befreiung der königin das gröste verdienst, sondern
Hildebrand, der ihren bedränger Orkise tötet, während sich der
1 die worte Bibungs Nun sin wir noch niht erlöst usw. (h 232, 1 ff)
stehn in einer Strophe, die dw nicht kennen, aufserdem ist das nur eine
höflichkeit, die die einladung dringender machen soll.
2 allerdings auch nicht, ohne das minnemotiv mehrmals anzuschlagen,
am deutlichsten h 972—974.
3 stellen wie h 239, 7 ff sind ganz allgemein gehalten und widersprechen
eher einer solchen Vermutung.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT 255
Berner nur mit dessen mannen herumschlägt und auch diesen
kämpf nur mit hilfe seines meisters beendet l.
Nach all dem scheint mir, dass das alte gedieht sich nur bis
zu der stelle reconstruieren lasse, wo das gemeinsame Zeugnis
der drei fassungen aufhört, das ist bis h 239. weiter reicht der
älteste teil auch in h nicht; zwar finden sich die ersten klingen-
den reime vom typus mhd. i^ erst h 258, 3.6, allein schon 211
wird die abfassung eines jener briefe angeregt, die für h cha-
rakteristisch sind, und in 240 erscheint ein neuer name — Fa-
lentrins — für das tüchterlein Helferichs, das bis dahin naineu-
los gewesen war.
Als sichrer bestand des kerns lassen sich erkennen die
Strophen h 1. 2. 9. 10. 13—78. 93—165. 170—211. 213—215.
217—230. 233—239.
Dieser kern enthielt schon die keime, die dann jede der
beiden fortsetzungen nach ihrer art weiter entwickelt hat : die
wichtigsten personen und ihre Charaktere; die art, die beiden
beiden ihre abenteuer gesondert bestehn zu lassen und sie dann
zusammenzuführen; eine bequeme technik, die die interpolatoren
und fortsetzer keineswegs durch strenges beispiel bindet, indem
weder widerholungen'2 noch Widersprüche3 vermieden werden;
beispiele für kampfschilderungen und höfische empfange und vor
allem einen charakteristischen landschaftlichen Hintergrund : das
1 dass der interpolator und fortsetzer D auch nicht anders verfährt als
der dichter des kernes, ist doch wol anders zu beurteilen : er hatte eine ge-
gebene Sachlage vor sich, und wenn er auch motiviernngen udgl. einschob
und in manchem über die andeutungen seines Originals hinausgieng, so konnte
er sich doch in anderm an das beispiel der vorläge hallen, und Beine \"i
sorge für kommendes erstreckte sich nicht allzuweit voraus.
2 schon Zupitza vergleicht h 16, 11 = 17, 13. 52, 8 — 95, 8. 120, 10. 12
= 123,10.12. 178,6-9=192,6-9. 183,7 — 194,13. 202,11 =22:.. H.
201ff und 225, 7 fT. man füge etwa hinzu 57, 5— 11 und 133. 135 f; 110—115
vgl. 175,7 fr. 204f. 235 f. dinge, die der leser schon erfuhren hat, ••
durch personen des gedichts wider erzählt: 116 vgl. 5U— 55. tiu— 71. I"i>
132 vgl. 50-55. 60—78. 93—109; 180 vgl. 154; 1811 vgl. 141
vgl. 124ff. die art, in der die lortsetzum; h das gedieht durch hl
botengänge verlängert, ist bereits durch die rolle Bibnngs vor(
3 das gedieht behandelt Dietrichs erste ausfahrt und stellt den
immer wider als ganz jung und anerfahren bin; gleicl
und breit berühmt : 69, 1.2. 162,6-11. auch II. 2.
wenitc.
256 LUNZER
richtig angeschaute und mit lebhafter empfindung widergegebene
bild der sommerlichen gebirgsnatur mit ihren schroffen gegen-
sätzen von Wildheit und anmut1.
Von den beiden fortsetzungen heftet sich h mit Strophe 240
unmittelbar an das alte gedieht, D gestaltet die letzten Strophen
(h 234 — 239) um und fährt erst dann mit eigenem fort, die
fortsetzung h scheint mir die ältere zu sein, das ergibt sich ein-
mal aus der ungeänderten fassung, in der sie diese letzten Strophen
bietet, dann daraus, dass die interpolationen des anfangs von D
den namen Madius2 Kennen; dieser ist aber von dem Verfasser
der fortsetzung h erfunden, in der er zuerst in Strophe 260, 7
— in einem briefe — erscheint, auch sonst erklärt sich die ent-
stehung von D leichter, wenn die fortsetzung von h bereits vor-
lag, als das umgekehrte : der ältere dichter liefs das gedieht, der
echten sage zu liebe, ohne Vermählung Dietrichs enden; dies ge-
fiel dem Jüngern nicht; wollte er aber den Berner mit der Kö-
nigin verbinden, so war die episode auf Mauter wegen der be-
ziehungen, in die dort Dietrich zu der Jungfrau Ibelin (in w Lo-
rina) tritt, störend und wurde deshalb durch die abenteuer auf
Orteneck ersetzt, auch die vielen briefe mit ihren endlosen wider-
holungen konnten dem Verfasser von D zuwider gewesen sein. —
wäre dagegen D das ältere gedieht, so müste man annehmen, der
spätere fortsetzer habe mehr rücksicht auf die heldensage ge-
1 rauhe steige, eng und schmal, führen über hohe berge, wilde tobel
und tiefe täler; der kalte brunnen bricht aus harten felsen, er nimmt manchen
fall und rinnt durch den grünen tann mit seinem vogelsang und seinen
Schrecknissen hinab in die blühende aue, die sich vor des Steines wand hin-
zieht; dort lachen blumen durch den klee , von kühlem taue nass, und die
töne von galander und nachtigall hallen durcheinander; eine hohe feste zieht
sich auf gegen die lüfte, zu ihren türmen reicht keine Schleuder mit ihrem
wurf, der graben ist wol hundert klafter tief in ganzen fels gehauen, ein
schnelles wasser läuft hindurch; vor der bürg ligt ein anger mit blumen
und gras, auf ihm steht eine linde, die gibt schatten für tausend mann und
tost vom winde, und über alles breitet sich der wolkenlose sonnenglanz
des leuchtenden sommertages, oder es fahren gewitterschläge hin, von denen
der wald entbrennt.
2 den namen Virginal konnte D nicht brauchen, da seine bedeutung
(virgo) dem Schlüsse widersprach, den er dem gedichte zu geben beabsich-
tigte. — vielleicht hängt Gamazitus, wie der name der von Hildebrand be-
freiten Jungfrau in h zuerst lautet, mit ital. gamoscio (gemse), der ihres be-
drängers Orkise mit ital. orco (Werwolf) zusammen : an deutsch- welscher
Sprachgrenze spielt sich ja die ganze handlung ab.
ÜBER DIETRICHS ERSTE AUSFAHRT
nommen als sein Vorgänger; auch wüste man eicht, warum er
die Ortenecker episode durch Dietrichs gefahgensebaft au! Mauter
ersetzt hätte; das Verhältnis zu lhelin führt ja auch in h zu nichts;
sagte dem Verfasser von h Dietrichs beirat nicht zu, so hätte ei
nur nötig gehaht, den schluss von D zu ändern.
Dass dann noch heide fortsetzungen oder bearbeitungen, uzw.
jede mehrmals und von verschiedenen männern, ioterpolierl wor-
den sind, und die art, wie sie schliefslich in w zu ei Dem ganzen
zusammengeschweifst wurden, hahe ich im frühem zu zeigen
gesucht.
Weitere aufschlösse haben wir zu erwarten, wenn Schönbach
seinen plan ausführt und sich nach den dichtungen, die er in Beinern
werke Das Christentum in der altdeutschen heldendichtung schon
untersucht hat, auch der Virginalgruppe (aao. s. vj zuwendet.
Feldkirch in Vorarlberg. JUSTÜS LUNZER.
ZU MORIZ VON CRAON.
1) Cassaisdra die Stickerin, die zeitliche aiiselzung uVs 'Moriz
von Craon', den ich (Zwei altdeutsche rittermaeren s. xlV) im
gegensatz zu Haupt und Scherer ins zweite Jahrzehnt d*'s 13 |hs
hinabgerückt habe, hat im allgemeinen, in der kritik wie in pri-
vaten Zuschriften, beifall gefunden : der Widerspruch RMMeyera
(Zs. 39, 324 ff) stand in zu engem zusammenhange mit seiner mir
unannehmbaren bypothese von der Zugehörigkeit des werkchens
zu Bliggers verlorenem 'Umbehanc', als dass er mich hätte um-
stimmen können, die zweifei freilich, die Meyer speciell -
eine benutzung von Gottfrieds Tristan durch den dichter des
MvC. geäufsert hat, sind mir öffentlich (von Schönbach Österreich.
litieraturbl. 1S95 nr 2) und in zuschritten der freunde widerholt
entgegengehalten worden — und heute hm ich selbst in der
läge, die wichtigste stütze dieses Zusammenhangs bedenklich cu
erschüttern, wo nicht gar umzustofsen.
Es handelt sich um die merkwürdige stelle v. 1135 ff, ""
es von dem kostbaren bette dessen unverbrennbares
Vulcanus1 (v. 1122) war, weiter heifst:
1 die hs. hat bulcanut, und gerade durch dies«
Vulcanus für ihre dem original sein oaJx
kann mich darum auch jetzt oichl enlsch ii
folgt) eine Verderbnis von ebanut (odei /
Z. F. D. A. XLIII. N. F. WM
258 SCHRÖDER
dar obe lac ein golter da,
ich wcene, frou Cassandrd
ie bezzer werc gemehte
oder dehein ir geslehte.
für die meisterschaft der Cassandra in weiblicher handarbeit fand
ich früher in der mittelalterlicben litteratur so wenig einen an-
hält wie in der antiken : mit alleiniger ausnähme einer stelle
des Tristan, wo einigermafsen auffällig der göttliche schmied
Vulkan (4930) und min frou Cassander (4948) in einem atem
genannt und nachher geradezu zu einem künstlerpaar Vulkan
und Cassander (4970) zusammengeschlossen werden, jetzt aber
hat mir das Studium des Roman d'Eneas und seine vergleichung
mit Veldekes Eneide, die zu einer fortwährenden rücksichtnahme
auf die lesarten nötigte, die bekanntschaft einer stelle verschallt,
die zu beweisen scheint, dass das mittelalter schon vor Gottfried
von Strafsburg der Cassandra eine hervorragende begabung in
der vornehmsten weiblichen handarbeit, in der stick kunst zu-
schrieb — und gerade davon ist im MvC., nicht aber im Tristan
die rede! bei der eingehnden beschreibung der totenbahre der
Camilla heifst es in der ausgäbe des Roman d'Eneas von Salverda
de Grave (Halle 1891):
7451 coste de paile ot en la biere
ki kovri tote la litiere
7457 la coste esteit* et longue et lee, *fu EFG
de cafe enbafe (1) esteit brosdee.
hierzu ist zunächst zu bemerken, dass, wie ich schon bei Kraus
Veldeke und die mhd. dichlerspracbe s. 185 ausgesprochen habe
und wie mir inzwischen Herrn. Suchier bestätigt und erläutert
hat, für coste das colte der hss. H1AD l einzusetzen ist : 'coste
7451. 7457 [uö.] ist eine späte, also hier schlechte form für
colte (in Jüngern hss. auch coute, couste) mit stummem s, und o
für ou'. — 'de cafe enbafe' 7458 ist dem herausgeber selbst
(Glossaire p. 419\ 428b) kauderwälsch, das er, der hs. A folgend,
nur darum im text belassen hat, weil ihm, wie er mir freundlichst
schreibt, 'wegen der partiellen Übereinstimmung mit D in diesem
1 der apparat schreibt die la. colte nicht nur 7451, sondern auch 7457
diesen vier hss. zu, aber nach der (richtigen) angäbe zu 7455 fallen die
hss. HI für v. 7455—7459 aus.
ZU M0R1Z VON CK AON
unverständlichen ausdruck doch wol das rechte zu stecken Bchien'.
in betraclit kommen, da III hier ein« Ittcke aufweisen (s. laa. zu
7455), die hss. I) : de catalafe, C : doer en autre, und Bchliefslich
die zur gruppe y' (Salverda de Grave p. xn) gehörigen mss. EFG
deren lesung ich hier, aufs liebenswürdigste unterstütz! von
Suchier und dem herausgebet* selbst1, buchstäblich genau an-
führen kann:
E : a .1. cass andre estoit brosdee
V : a .1. c aus andre estoit brosdee
G : od ./. cassand' estoit orlee1.
ein appellativum cassandre (causandre) gibt es nicht : dir schreibet
haben mit dem hier vorliegenden eigennamen sämtlich nichts an-
zufangen gewust; Suchier vermutet zweifelnd für du' gruppe EFG
(a un cassandre) eine muttetiesart a ues Cassandr?,'' , für dir
hss. ACD, die den vers sämtlich mit de beginnen, aber das fol-
gende wort total zerstört haben, de Cassandra. in jedem falle
steht soviel fest, dass im Roman d'Eneas bei der beschreibung
einer kostbar ausgestatteten bahre die gestickte 'colte' mii dei
persou der Trojanerin Cassandra zusammengebracht , wahr-
scheinlich ihrer kunstfertigkeit zugeschrieben wurde, da Camilla.
die auf dieser bahre beigesetzt wird, eine Zeitgenossin der Cas-
sandra war, so erscheint die sache nicht ohne weiteres sinnlos.
im 'Moriz von Craon' handelt es sich um ein prunkbett, Ar^^n
golter so kunstreich war, dass Miau Cassandra' Kein bes
werk geschaffen haben könne, neben der deutlichen Überein-
stimmung dieser beiden stellen tritt die Tristanpartie durchaus zu-
rück: zu ihr hab ich ja meine Zuflucht überhau pl nur genommen, weil
ich die rolle der Cassandra als meisterin in weiblicher hand-
arbeit für eine erfindung Gottfrieds hielt, mochte min .'in,- trü-
bung seines gedäcbtnisses vorliegen, oder mochte '•< im Beben
die wise Trojerinne (4949) ans der prophetie an die Bufg
des frauengemachs zurückverweisen, im Tristan heifsl es ron
der ausrüstung des beiden, 'Vulkan nml Cassandra' bätten dir
einzelnen teile, jener die waffen, diese die gewänder oichl kos
1 den mein briel gerade in Frankreich erreicht
war, die hss. selbst in l';ms aufs neue eu vergleichen.
- orlee (nfz. ourlee) ist eine bedeutung«
(nfz. brodee).
3 a ues (-ad opus') im Binne unseres 'für*.
260 SCHRÖDER
barer herstellen können, und mit anscheinend humoristischer lob-
preisung der schneiderkünste Cassandras wird hinzugefügt : der
geist ze himele, als ich ez las, von den goten gefeinet was.
Nun hab ich RitterniBeren s. xn gezeigt, dass der dichter
des MvC. , der, wie ich unten nochmals erhärten werde, eine
französische vorläge benutzte, aufserdem des Benoit de SMore
Roman de Troie im original gekannt hat; durch Martin Zs.
36, 203 f wissen wir ferner, dass der prolog, welcher die Über-
tragung des rittertums von Griechenland über Rom nach Frank-
reich darlegt, dem Cliges des Chrestien nachgebildet ist. es steht
nichts im wege, in seine kenntnis der französischen lilteratur
auch den Roman d'En6as einzuschliefsen und in der erwähnung
von Cassandras stickkunst eine reminiscenz aus ihm zu erblicken.
Geb ich also meine frühere auffassung, unser poet habe sein
wissen von Cassaudra als meisterin im frauenwerk aus Gottfried
von Strafsburg geschöpft, preis, so ist damit keineswegs gesagt,
dass nunmehr die von Meyer aao. 325 empfohlene umgekehrte
ausdeutung des Verhältnisses am platze sei. denn nachdem wir
in der französischen litteratur die Cassandra würklich als Stickerin
eines 'golters' gefunden haben, hat die ähnlichkeit der stellen des
Tristan uud des MvC. ihr auffälliges eingebüfst. wir werden also
derjenigen deutung den Vorzug geben, welche die beste Inter-
pretation Gottfrieds liefert, ich habe aao. s. xv hervorgehoben,
dass der ganze abschnitt des Tristan 'von liebenswürdiger ironie
gegen meister Veldeke . . . durchtränkt' sei, und Meyer Zs. 39,325
stimmt mir darin ausdrücklich bei. Gottfrieds scherz ist etwa
der : 'ja, wenn ich es machen wollte wie HvVeldeke in seinem
Aeneas-romau, dann müst ich jetzt für Tristans waffen den götter-
schmied Vulcan und für seine kleider die fürstliche Schneiderin
Cassandra bemühen', wie kam er zu dieser Verknüpfung? schwer-
lich wie Meyer meint, indem seine erinnerung von jener stelle
der Eneide, die von dem smedegode Vulcan handelt (En. 5602 ff),
auf das holz von Vulcdnus, das un verbrennbare holz von einem
feuerspeienden berge MvC. 1122 f, überglitt, und er nun auch die
kunstverständige Cassandra von ebendort 1136 ff heranholte, viel-
mehr combinierte er die Eneide, in der nur von den künsten des
Vulcan die rede ist, unwillkürlich oder in übermütiger laune mit
dem Roman d'Eneas, wo auch die kuustfertigkeit der Cassandra
gerühmt wird, aber ohue dass davon etwas in Veldekes bearbei-
ZU MORIZ VON CRAON 261
tung übergegangen wäre : denn Veldeke beschreibt das im R
man 7451 ff geschilderte kolter v. 9300 ff mit eigenen färben, ohne
die Cassandra zu erwähnen.
Also Gottfried soll ebenso wie der dichter <\r> MvC. (der ja
auch kenntnis Veldekes verrät) neben der Eneide den Roman
d'Eneas gekannt haben? heifst das nicht, der litteraturkenntnis
der poeten um 1200 etwas viel zugemutet? ich glaube nicht,
vielmehr bin ich der meinung, dass wir im allgemeinen die be-
kanntschaft der litteraturfreunde und der dichter jener ta^i- mit
französischen originalwerken leicht unterschätzen, es ist damals
nicht anders gewesen wie heute, wo wir uns zwar für Zola un I
Paul Bourget mit dem original — oder mit der Übersetzung be-
gnügen, aber wenn Ludwig Fulda den Cyrano de Bergerac über-
setzt, das geistreiche werk Edm. Rostands in doppelter gestalt ge-
niefsen. speciell für Gottfried mücht ich hier recht nachdrück-
lich auf ein Zeugnis hinweisen, das mir lange nicht genügend
gewürdigt scheint, es handelt sich um die berühmte kritik,
welche der Strafsburger im Tristan 4663 ff an dem deutschen
Parzival, dh. an dessen sechs ersten büchern übt. die worte, mit
denen seine Charakteristik des ungenannten Wolfram einsetzt i
vindeere wilder meere, der moere wildenwre haben nur im munde
dessen sinn und berechligung, der sich in der läge sah, den
'phantastischen roman' seines deutschen kunstgenossen mit der
quelle zu vergleichen — und diese erblickte er wol mit recht
in dem werke Chrestiens von Troyes, dem die beiden ersten
bücher Wolframs fehlen.
2) Die quelle des deutschen Gedichtes, ich darl die«
legenheit nicht vorübergeh n lassen, ohne noch einmal auf die
frage nach der unmittelbaren vorläge unseres werkehena lurück-
zukommeu. Gastou Paris hat in einer anzeige der Riltermaeren in
der Romania 23,46611', durch welche er Beine landsleute mit
dem interessanten deutschen poem bekannt machte, gleicbseil
abgelehnt, in der quelle desselben eine bereieberung der alt-
französischen litteratur zu erblicken, und mit grofser entacl
heit betont (s. 472), dass die gereimte abfassung und ▼erbreiti
eines derartigen scandalgeschichtchens mit ungescheuter i nnuu«
der hauptpersonen, die der besten ariatokratiachen
angehörten — und min gar bei lebzeiten de« einen odei
beteiligten! — etwas unerhörtes und undenkbares
262 SCHRÖDER
inilieu courtois et galant du xnc siecle, on sait que la premiere
condition imposee ä l'expression poetique de l'amour [!] 6tait le se-
cret le plus absolu sur la dame mise en cause', nun, zunächst
gilt dies verschweigen des namens der dame doch nur für die
lyrische poesie und für den liebhaher seihst — und soweit wird
es ja in Deutschland ganz ähnlich gehalten wie in Frankreich,
möglich auch und begreiflich, dass die höfische gesellschaft trotz
allen klatschsüchtigen elementen, die sie gewis barg, in der Wah-
rung dieses brauches vor der öffentlichkeit ein stillschweigendes
einverständnis zeigte, aber ich bin auch ganz und gar nicht der
meinung, dass das französische gedieht, das ich als vorläge an-
nehme, aus dieser gesellschalt selbst hervorgegangen sei, dh.
einen ritterlichen herrn zum Verfasser habe, warum es jedoch ein
anglonormannischer Jongleur etwa nicht gewagt haben sollte, von
den angevinischen liebesabenteuern Morizens am englischen königs-
hofe auszuplaudern und ihm dabei eine bisher herrenlose pikante
anekdote anzuhängen — das seh ich in der tat nicht ein. wir ge-
winnen doch wahrlich nicht viel, wenn wir nach dem vorschlage
von GParis (s. 473) eine lateinische version an die stelle setzen:
auch der geistliche anekdotensammler, dem wir diese wol zu
verdanken hätten, müste doch ein Zeitgenosse der hauptbeteiligten
gewesen sein und in einer gegend und für ein publicum ge-
schrieben haben , für das die geschichte mit eben diesen namen
erhöhten reiz erhielt, ich kann also diese allgemeinen bedenken
nicht anerkennen und verdanke dem vielseitigsten kenner der
mittelalterlichen poesie für diesmal nur eben die belehrung, dass
das verlorene gedieht in der altfranzösischen litteratur genau
ebenso isoliert dastehu würde, wie das uns durch eine günstige
fügung erhaltene in der deutschen.
Wenn GParis weiterhin (s. 473) meint, die namensform
Mauricms lasse gar keine andre erklärung zu als die aus einer
lateinischen quelle, so irrt er aus entschuldbarer Unkenntnis der
deutschen namenkunde. namen wie Mauritius, Laurentius waren
damals in Deutschland teils noch garnicht im brauch, teils entbehrten
sie der nationalen Umbildung : die kürzung zu Moriz ist ganz
jung, die einzig mögliche form für einen autor um 1200 wäre
Maurizie gewesen (wie Egidie, Gregorie) : es ligt auf der band, dass
ein reimender dichter mit dieser form nicht viel anfangen konnte
(vgl. aber im vers 608 hern Mauricien). anderseits aber war ihm
ZU MOHIZ VON CRAON
die namensform Mauritius doch zu bekannt, als dass er Bich zur
beibehaltung der französischen form Maurice (Mormes) .
«leren Umformung (etwa zu Morls) hätte enlschliefsen m
hat doch auch Hartmann von Aue in seinem 'Guten Sünder*, für
den er eine französische quelle benutzte, die form Gregorim
(llectieri Gregorio, Gregorium) für reim und versinneres absolut
festgehalten! dem gegenüber sind die durch den renn gesicherten
formen Craün (621. 825, dazu im vers 272) und Beamunt (268)
entscheidende beweise gegen eine lateinische quelle, in der unsei
autor doch wol nur das V/e Credone' der Urkunden und bistorikei
und ganz gewis nur 'de Bellomonte' gefunden haben könnte.
Wenn ich den Widerspruch von GParis, wie ich vermute,
durch meinen ersten — und einzigen! — versuch, deutsche verw
ins allfranzösische zu retrovertieren, nocli verstärkt haben sollte
(aao. 473), so geh ich das Ungeschick, mit dem ich dem einen
eine silhe zuviel aufgebürdet hahe, gern zu, ohne dass an dei
sache etwas geändert wird, eine lateinische quelle, welche ritter-
liche angelegenheiteu und zustände mit einer derartigen liebe für
das detail schildert, ganz so wie wir es sonst nur in der dicb-
tung jener zeit gewohnt sind, erscheint mir auch, ganz allgemein
genommen, höchst fremdartig und unglaublich : unglaublicher Mi-
die indiscretion, die GParis keinem seiner dichtenden landsleute
zutrauen möchte.
Ich halte heute noch entschiedener als früher an der fran-
zösischen quelle fest und bin darin nicht zum wenigsten bestärkt
worden durch eine Untersuchung, die einer meiner frühem Zu-
hörer, herr dr HWilhelmi, schon vor jähren angestellt hat, ohne
sie zum druck zu bringen, wahrend ich (Rittermseren s. \wu
in dem von EMartin (QF. 42, 28*. Zs. 36,203) nachgewiesenen
altl'ranz. fableau 'Le revenant' oder 'Du Chevalier qui rei
l'amor de sa dame' (zuletzt bei Montaiglon el Raynaud Rei
general des fahliaux vi 138—146) nur eine selbständige ausge-
staltung der gleichen namenlosen anekdote erblickte, welche auch
der quelle unseres MvC. zu gründe gelegen hahe. hat mich
dr Wilhelmi belehrt, dass zwischen heulen ein directer iitl
rischer Zusammenhang bestehn >>. es linden siel
Verschiedenheit anklänge, die bei mündlicher iraditioi i
unwahrscheinlich sind, wie bei dem von GParis
gang des MvC. durch eine lateinische fass
264 SCHRÖDER ZU MORIZ VON CRAON
zwei hervorheben, die mir jetzt wider bei eigener durchmusteruug
aufgestofsen sind, die eigentliche erzählung setzt im deutschen
gedieht ganz ähnlich ein wie in dem fableau :
fableau v. 2. 5. MvG. v. 263.
m'estuet conler d'un Chevalier Da was ein ritter, deist niht
[lanc.
n'a pas lonc tans, en Normandie.
als der held in die kammer des ehepaars eindringt (in MvC. noch
eh er es tut) heilst es:
fableau v. 190 f. MvC. v. 1510 f.
une lampe avoit en la chanbre , JSü bran ein Hehl in einem glas,
et par costume ardoir i siaut. daz alle naht da was.
dieser zug ist für die handlung an sich bedeutungslos, aber
er veranschaulicht im französischen gedieht im rechten moment
die Situation : beim spärlichen lichte dieser lampe erblickt der
ehemann den 'faux revenant'l bei dem deutschen dichter hin-
gegen wird diese würkung dadurch zerstört, dass das nachtlicht
erwähnt wird, noch ehe Moriz sich entschliefst, die kammertür
zu öffnen, ja dass hier noch ein monolog von 6 versen einge-
schaltet ist1.
Das uns verlorene französische gedieht, welches die nameu
des Maurice de Craon und der vicomtesse de Reaumont nannte,
war entweder aus der gleichen quelle mit dem fableau oder gar
aus diesem selbst geschöpft, es besafs gewis nicht das hohe
litterarhistorische interesse, welches unser 'Moriz von Craon' für
die deutsche und indirect, als beredter zeuge für den mächtigen
eindruck der überlegenen französischen eultur, auch für die ro-
manische philologie besitzt, aber es war der deutscheu, stark er-
weiternden nachbildung zweifellos überlegen durch eine straffe
composition und durch die klarheit der Situationsschilderung,
unsere nachbarn dürfen das fehlen des werkchens gewis beklagen
— und ich würde mich herzlich freuen, wenn sich GParis nach-
träglich doch entschlösse, diesen Verlust anzuerkennen und den
verlorenen oder doch deutsch verkleideten sprössling altfranzösi-
scher novellistik nicht noch obendrein zu verstofsen.
Marburg i. H. EDWARD SCHRÖDER.
[' eine mir von Roethe unter der correctur vorgelegte ältere Göttinger
seminararbeit (von WBortfeldt) kommt zu ganz ähnlichen ergebnissen wie
die Untersuchung von dr Wilhelmi.]
EREK UND LANZELET.
Seit Lachmann in seiner Iweinausgabe die frage aufgeworfen
hat, ob der Lanzelel Ulrichs von Zatzikhoven von Hartmanns
poesie beeinflusst sei, hat sich die litterarische forschung wider-
holt mit diesem gegenstände beschäftigt, trotzdem ist man bis
jetzt noch zu keiner allseitig befriedigenden antwort gekommen.
die eine gruppe der litterarhistoriker, uzw. die stärkere, betrachte!
Ulrich als den uachfolger und gleichzeitig auch als den ersten
nachahmer Hartmanns, zu ihr geboren neben vielen andern:
Gervinus, der den Lanzelet 'um die scheide des 12 und 13 jhs.,
später als Hartmanus Erec, noch ganz in dem trocknen tone der
meisten gedichte des 12 jhs. geschrieben' sein lässt (Gesch. d. d.
dichtung i5 442. 43); Koberstein, der von Ulrichs 'bekanntschali
mit Hartmanns Erec' spricht und den Lanzelet um 1195 setzt
(Gesch. d. d. natl. i5 172); ferner WScherer, der gleichfalls Ulrichs
'anschluss an Hartmanns Erec' behauptet (Gesch. d. d. litt.5 186);
endlich FVogt, der von Hartmanns 'bescheidnem einflusse' auf
Ulrichs Lanzelet redet (Pauls Grundr. u 1, 275).
Der andern gruppe zufolge ist Ulrich der Vorgänger Hart-
manns, sie hat nur wenige, aber durchweg sehr beachtenswerte
Vertreter; zunächst VVWackernagel, in dessen Geschichte d. d. litt.
(i2 244) Ulrichs Lanzelet an der spitze der höfischen epik steht:
'der zeit, aber nicht dem werte nach, noch halb altertümlich und
ungeschickt als in den anfangen einer neuen rieh tu ng^. als
zweiter ist KGoedeke zu nennen, bei dem es heifst : 'es schein!
nicht, dass Ulrich sich einen deutschen dichter zum muster ge-
nommen habe, die vermeinten anklänge an Hartmanns Erec sind
nicht überzeugend' (Grundr. i2 84). der dritte schließlich ist
Jßaechtold, der sich am rückhaltslosesten ausspricht : 'der älteste
hötische epiker unsers landes, überhaupt neben 'lern Niederrhein-
länder (!) Eilhart vOber»e und dem mastrichter Heinrich vVeldeke
der früheste bearbeiter höfischer Stoffe in Oberdeutschland, isl
Ulrich vZatzikhoven, der dichter des Lanzelet Ulrich be-
einflusste offenbar einen gröfsern, Hartmann fAue, and wies
diesem die bahn usw.' (Gesch. d. d. litt, in d. Schweiz s. v~
diese anfahrungen zeigen zur genüge, welche unsicherheil in dei
chronologischen einorduung Ulrichs vZatzikhoven berschl der
eiuzelforschung ligt es oh, hier den boden zur versUlndiguD
ebnen.
266 GRUHN
DeD reigen derer, die in Ulrich einen nachfolger Hartmanns
sehen, eröffnet RLachmann. die oft citierte stelle in den anmer-
kungen zum Iwein v. 5426 lautet (4 ausg. s. 496) : 'was will also
die erdichtete jahrzahl (1192) gegen Rudolf vEms, der den
vZetzinchoven im Alexander zwischen Gravenberc und Rliker stellt,
und im Wilhelm vOrlens zwischen Rlikker und Gravenberc? dass
er altertümlich reich in der spräche und ärmlich in der dar-
stellung ist, kann nicht beweisen, dass er vor dem Erec oder,
wie gar behauptet ist, vor der Eneide gedichtet habe, höchstens
kann man daran denken, dass der Erec und der Lanzelet vielleicht
mögen gleichzeitig sein : der herausgeber des Lanzelets hat zu
untersuchen, ob sich der einfluss Hartmannischer poesie nach-
weisen lasse', in dieser bemerkung sind folgende puncte wichtig:
1) für die Chronologie beruft sich Lachmann auf das zeugnis
Rudolfs vEms; 2) die abhängigkeit des Lanzelet vom Erek wird
nicht behauptet, sondern nur als möglich angedeutet; 3) es wird
nicht bestritten, dass Erek und Lanzelet gleichzeitig sein könnten,
dieses letzte Zugeständnis ist besonders beachtenswert, da es der
unter 1) angerufenen autorität Rudolfs widerspricht, es lässt aber
auch sonst noch die ganze Unsicherheit der Lachmanuschen anmer-
kung erkennen, wenn nämlich Ulrich einerseits ein Zeilgenosse
von Wirnt und Rligger, andrerseits ein solcher von Hartmann
sein soll, so muss er auch mit Gottfried vStrafsburg und Wolfram
vEschenbach gleichzeitig sein, und man braucht dann nur noch den
einen schritt bis zu Heinrich vVeldeke zu tun, um sämtliche sieben,
beziehungsweise (mit Konrad vHeimesfurt) acht dichter, welche die
verzeichnisse-bei Rudolf beginnen, als Zeitgenossen erscheinen zu
lassen, zu dieser inconsequenz ist Lachmann lediglich durch das
altertümliche element im Lanzelet verleitet worden, das ihm nicht
gestattete, Ulrich einfach an den platz zu setzen, den ihm Rudolf
anweist.
Lachmanns ansieht ist auch von Renecke, wie die anm. z.
Iw. v. 6943 zeigt, geteilt worden; doch hat sich R. nicht ein-
gehender darüber geäufsert.
Um so eifriger ist MHaupt dafür eingetreten, jüngere forscher
berufen sich gewöhnlich auf das, was er in der eiuleitung zu
Hartmanns liedern und büchlein (1842) s. 12 mit bezug auf die
dichterlisten des RvEms sagt : 'man sieht, Rudolf nennt nicht in
beiden gedichten durchaus dieselben, und er ordnet gleichzeitige
EREK UM) LANZELET
dichter nicht das eine mal ganz so wie das andre (und warum
oder nach welcher regel hätte er es denn tun können?), aber es
ist deutlich, dass er im ganzen die Zeitfolge, in welcher diese
dichter bekannt wurden, beobachtet, und dass wir berechtigt Bind,
einen dichter, den er zwischen Wirnt vGrafenberg (oder Ulrich
vZatzighofen oder Blicker vSteinach, denn diese drei sind gleich-
zeitig) und Freidank aufzählt, um das jähr 1220 zu setzen'.
Diese Hauptsche Schlussfolgerung ist in die lul't gebaut, um
die verschiedene anordnuug der dichter in den beiden Verzeich-
nissen Rudolfs zu erklären, griff mau zu der annähme, dass sie
gleichzeitig seien; Haupt dreht nun die sache um uud fragt, was
daran verwunderlich sei, wenn Rudolf gleichzeitige dichter einmal
so uud das andre mal so aufführe, ein ähnlicher fehlschluss ligt
in den Worten : 'es ist deutlich, dass er im ganzen die Zeitfolge,
in welcher diese dichter bekannt wurden, beobachtet', woran ist
das deutlich? würden wir von anderwärts her diese Zeitfolge
kennen, dann wäre des Streites ja sofort ein ende. — was soll
man aber unter einer 'Zeitfolge im ganzen' verstehn? meint
Haupt, dass Rudolf den einen oder andern dichter an einen
falschen platz gestellt habe? wenn dem so ist, dann hat das
ganze Verzeichnis keinen wert für uns, wenn wir nicht wissen,
welche dichter das sind, oder meint er, dass Rudolf sich um
den unterschied von ein paar jähren, sagen wir drei, vier oder
iünf, nicht gekümmert habe? wolan, auch dann sind die Ver-
zeichnisse für Untersuchungen, wo es sich um so geringe /«ii-
differenzen handelt, unbrauchbar.
Spätere forscher haben sich vielfach auf Haupts autoritär be-
rufen, und ich kann nicht finden, dass JSchinidt (PBBeitr. 3,
140—181), KRartsch (Germ. 24, 1—9) und andre die beiden
litterarhistorischen stellen bei Rudolf vEms erschöpfend behandelt
hätten, ich selbst will darauf nur soweit eingeh n, *\> es fül
meinen nächsten zweck erforderlich ist.
Die gründe gegen die chronologische deutung der genannten
stellen lassen sich drei gesicbtspuncteo unterordnen.
Es sind erstens gründe der Wahrscheinlichkeit, ich sehe da-
von ab, wie unpoetisch der blofse gedanke chronol an-
ordnungin einem zusammenhange, wie er sali bei Rudoll
wäre, für mich ist das princip der anordnung da«
nicht oach dem geburtsjahr, Dicht Dach dem t< - tudoll
268 GHUHN
seine Verzeichnisse angelegt haben — denn die kenntnis jener
daten traut mau ihm nicht zu — , sondern nach der Zeitfolge, in
der die dichter bekannt wurden, bekannt wurden? da fragt man
doch : wo bekannt wurden? wem bekannt wurden? soll ein sinn
in den worten liegen, so müssen sie sich auf Rudolf selbst be-
ziehen; es muss also eigentlich heifsen : nach der ansieht Rudolfs
bekannt wurden, nun repräsentiert Rudolf nicht ganz Deutsch-
land, sondern allenfalls nur den litterarisch hochstehenden Süd-
westen, dem, wie ich zugeben muss, ja auch die mehrzahl der
von ihm genannten poeten entstammt, ihm fehlt die unmittelbare
kenntnis dessen, was in den landesteilen, die ihm ferner lagen,
vorgieng. davon erfuhr er erst, wenn die nachricht davon zu
ihm drang, nehmen wir einmal an, dass es im mittelalter ganz
anders gewesen sei als heute, dass jeder poet sofort die gröste
auerkennung gefunden habe, dass alle weit begierig gewesen
sei, seine geistesproduete zu lesen : wie langsam muste dennoch
sein ruf sich verbreiten, da die abscbrilten mühsam und kost-
spielig waren und das werk wol durch günstige Verbindungen
gelegentlich früh weithin geführt werden, ebenso gut aber selbst
in der nächsten nähe unzugänglich bleiben konnte, wann durfte
nun so ein dichter als bekannt gelten? jetzt hatte der eine von
ihm gehört; von dem erfuhr es ein andrer; dieser sagte es einem
dritten, und ein vierter oder fünfter erzählte es endlich Rudolf
vEms. ob der letzte berichterstatter wol wüste, wann der dichter
sein werk abgeschlossen und zuerst einem gönner eingehändigt
hatte? denn von einer Veröffentlichung im modernen sinne darf
man für jene zeit doch nur mit vorbehält reden, ein moderner
litteraturfreund ersteht alle neuigkeiten aus der ersten aufläge des
buchhandels : Rudolf vEms war wol nur selten in der läge, die
werke seiner alten Zeitgenossen aus den dedicationsexemplaren
oder deren nächsten abschriften kennen zu lernen, man denke
auch an die eigentümliche entstehung derEneidel war nicht ein
grofser teil davon schon ein Jahrzehnt vorher vollendet und rhei-
nischen wie thüringischen hofkreisen zugänglich, ehe das ganze,
hier darf man wol sagen : veröffentlicht wurde? im übrigen be-
ruf ich mich auf die tatsachen der gegenwart.
Ich zweifle, dass irgend ein moderner dichter, ohne Zuhilfe-
nahme einschlägiger lexika, von 16 oder 18 kunstgenossen der
letzten vierzig oder fünfzig jähre die reihenfolge angeben kann,
EREK UND LANZELET
in der sie bekannt wurden; und trügen unsre heutigen di uck-
werke die Jahreszahl ihres erscheinens nicht auf der Mim, so
dürften selbst unsre besten litteraturkenner in Verlegenheit ge-
raten.
Der zweite grund gegen die chronologische auslegung ist
ein formeller oder auch methodologischer, die beiden Verzeich-
nisse Rudolfs stimmen nämlich nur ungefähr mit einander (lber-
ein. ich setze sie, soweit sie für uns iu betracht kommen, hierher,
im Alexander: im Wilhelm vOrlens:
1) Veldeke, Veldeke,
2) Hartmanu, Hartmann,
3) Wolfram, Wolfram,
4) Gottfried, Gottfried,
5) Konrad vHeimesfurt, Bligger,
6) Wirnt, UvZatzikhoven,
7) UvZatzikhoven, Wirnt,
8) Bligger. Freidank.
Es ist für meinen zweck ganz gleich, welches der Verzeich-
nisse man als das ältere bezeichnet, in dem einen ist Bligger
nr 5, also unmittelbarer nachfolger oder Zeitgenosse Gottfrieds,
in dem andern ist er nr 8, und drei Vorgänger trennen ihu von
Gottfried, der ihm doch im Tristan 4690 ff bereits die eingehndste
Würdigung zu teil werden lässt. um dies zu erklären, sind min-
destens drei hypothesen nötig:
1) Wirnt, Bligger und Zatzikhoven müssen zu Zeitgenossen
gestempelt werden; 2) Konrad vHeimesfurt muss, wenn der Wil-
helm später ist, als vom dichter vergessen betrachtet werden;
denn sein tod wäre kein grund zur auslassung gewesen, lebten
doch auch Veldeke und Hartmann zur zeit der Abfassung nicht
mehr; 3) ist aber der Alexander später, dann muss man an-
nehmen, dass Rudolf bis dahin von Konrad noch nichts
hört hatte.
Alle diese hypothesen sind höchst willkürlich und als grund-
lage für weitere Schlüsse unbrauchbar.
Drittens aber liegen tatsächliche gründe gegen dii itliche
auffassung vor. da ich Bartschs behauptung, Konrad vB
gehöre dem zweiten Jahrzehnt des 13 jhs. an (Germa
nicht eingehend nachprüfen kann, leg ich hiei
dem nachdruck darauf, dagegen wissen wij ius .Mir. 11
270 GRUHN
dass Bligger wenigstens als lyriker schon vor 1193 gedichtet hat,
also mindestens als ein Zeitgenosse Hartmanns betrachtet werden
muss. das hat auch MHaupt in der anordnung von Minnesangs
Frühling anerkannt, wo er den dichter vor Hartmann gestellt
hat : freilich wagt er es nicht, zwischen den verschiednen trägem
des gleichen namens, die sich in Urkunden finden, eine entschei-
dung zu treffen und hat darum absichtlich hier die urkundlichen
Zeugnisse fortgelassen.
Man darf also Rudolfs Zeugnis nicht mit in rechnung setzen,
wenn man beweisen will, dass Ulrich der nachfolger Hartmanns sei.
Man hat denn auch zeitig nach andern anhaltspuncten gesucht
und sprachliche und inhaltliche Übereinstimmungen zwischen dem
Erek und dem Lanzelet für Hartmanns priorität geltend gemacht.
Hahn, der herausgeber des Lanzelet, der als erster seine
aufmerksamkeit auf eine etwaige stilistische und phraseologische
verwan tschaft. Ulrichs und Hartmanns richtete, ist zu keinem be-
stimmten resultate gekommen, es schien ihm, als hätte 'der
Erec in mancher stelle unserm dichter vorgeschwebt' (einl. s. xiv).
was Hahn nicht zu leisten vermochte, haben andre in reichem
mafse nachgeliefert : Schilling De usu dicendi Ulrici de Zatzik-
hoven. Halle 1866; Jacob Raechtolds dissertation Der Lanzelet
des Ulrich vZatzikhoven. Frauenfeld 1870 1; Alex. Neumaier Der
Lanzelet des Ulrich vZatzikhoven. zwei programme von Trop-
pau 1883/84.
Das ergebnis dieser drei eiuzelforschungen ist übereinstim-
mend dieses, dass Ulrichs Lanzelet sprachlich und inhaltlich auf
Harlmanns Erek beruhe.
Alle drei arbeiten sind einseitig, sie stellen einfach ähnlich
lautende stellen aus dem Erek und Lanzelet nebeneinander und
erklären dann kurzer hand, dass der Erek dem Lanzelet als
muster gedient habe, hierbei wird die frage , ob diese ähnlich-
keiten nicht noch aus andern Ursachen herzuleiten seien, ganz
unberücksichtigt gelassen, und doch sind verschiedene andre
1 Baechtold hat die auffassung seiner erstlingsarbeit später überwunden,
indem er in s. Gesch. d. d. litt, in d. Schweiz (s. o.) den Lanzelet vor den
Erek stellte, und so ist unsre kritik seiner person gegenüber hinfällig, da
aber das, was er 1870 zu stützen glaubte, noch heute überwiegend als das
richtige gilt, hab ich auf eine polemik gegen seine damaligen gründe unten
nicht verzichten mögen.
EREK UND LANZELET 271
quellen bei einer solchen Untersuchung wol zu beachten, ich
stelle hier deren fünf zusammen, die anklänge und Überein-
stimmungen im Lanzelet und Erek konnten noch zurückzu-
führen sein:
1) auf die französische epik. Hartmann sowol wie Ulrich
haben französische vorlagen benutzt (über Ulrich s. Märtena in
Boehmers Romanischen Studien 5, 557 ff. bes. 689; GParis Romania
10, 4ü5ff) und sind im grofsen und ganzen nur Übersetzer. Über-
tragung und original decken sich meist sehr genau . fast wört-
lich t. 9) auf die deutsche epik vor Hartmann und Ulrich, selbst
ein so talentvoller dichter, wie Hartmann ist nicht als ausgebil-
deter künstler vom himmel gefallen, sondern hat von mit- und
vorweit gelernt und ist aus der spräche seiner zeit herausge-
wachsen. Hartmann hat zweifellos die Eneide und Eilharts Tristrant
und Isalde gekannt (vgl. Behaghel, Lichtenstein, Kinzel). 3) auf
die gleiche alemannische mundart der vff. gerade bei Hartmann
lässt sich beobachten, wie er allmählich gewisse dialektische eigen-
tümlichkeiten abstreift, die er im Erek noch reicher und un-
genierter zeigt. 4) auf das formelhafte der poesie überhaupt und
der epischen insbesondere, die tradition der reimpoesie und ihre
natürliche technik übermittelt dem anfänger eine fülle von ty-
pischen Wendungen, solche braucht durchaus nicht ein dichter
von dem andern zu entlehnen; denn sie liegen gewissermaßen
auf der heerslrafse der dichtersprache. 5) auf sogenannte ter-
mini technici. rilter- und turnierleben musten selbstverständlich
gewisse stereotype redensarten ausbilden, jeder sport hat sein«
kunstausdrucke, dasselbe gilt auch für sitten und gebrauche,
besonders für die mode in wohnung und kleidung.
Die drei oben genannten arbeiten sind aber nicht blofs ein-
seitig, sondern verraten auch mangel an logik. ßie machen alle
drei einen ganz falschen inductionsschluss, dessen princip be-
sonders von Neumaier (n 7) unverhüllt ausgesprochen wird : 'die
einzelne stelle beweist freilich garnicbts, aber die Vielheit lässl
doch Schlüsse zu', gerade der umgekehrte grundsatz muss I • i «• t
gelten : die menge mts freilich nicht, sondern das eil
schlagende beispiel. denn wir haben eben nacbgewii
1 über den Erec vgl. in dieser beziehnng Bartsch Gei
Reck Das Verhältnis des Bartmannschen Erek zu - I
Greifswald 1898].
272 GRUHN
liei dichtungen derselben gattung, derselben zeit, derselben
spracbe uud muudart gewisse äbnlicbkeiten geradezu unvermeid-
lich sind.
Gleichen mangel an Überlegung zeigt ein andrer, in jenen
Untersuchungen anerkannter grundsatz. es wird als selbstver-
ständlich hingestellt und das gegenteil für absurd erklärt, dass,
wenn zwischen zwei dichtem, die einen gewissen Zusammenhang,
eine art verwantschaft verraten, entschieden werden soll, wer von
ihnen der abhängige teil sei, es unbedingt der kleinere dichter
sein müsse, beweist die litteraturgeschichte nicht vielfach gerade
das gegenteil? durch zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahr-
zehnte, mögen sie nun Walther vdVogelweide und Reimar oder
Shakespeare und Marlowe gegolten haben, sind wir von diesem
Vorurteil ja gründlich curiert worden, mit jener verkehrten Vor-
stellung verknüpft sich aber noch eine andre, nämlich die, dass
der grofse dichter gleich von hause aus von seiner einstmaligen
gröfse objectiv überzeugt gewesen sei. Hartmann wüste, als er
zu dichten begann, dass er ein grösserer dichter als Ulrich sei?
Ich will den nachweis führen , dass die meisten der von
Schilling und Neumaier beigebrachten belege ohne beweiskraft
sind, weil sich ihr Vorhandensein noch anders als durch directe
entlehnung erklären lässt. dabei werd ich anmerken, ob Hart-
mann derartige stellen aus seiner vorläge, dem werke Chrestiens,
übernommen hat, oder ob es ihm eigentümliche Zusätze sind : die
Schlussfolgerung spar ich mir bis gegen den schluss hin auf.
Schilling stellt zunächst aus dem Lanzelet und dem Erek
ähnliche Wendungen zusammen, die sich auf den ritterlichen
kämpf beziehen, hier findet im allgemeinen das oben über den
terminus technicus gesagte seine anwendung.
1) Lanz. 2014 daz sper er undem arm sluoc.
Er. 809 daz sper er undem arm sluoc.
bei Hartmann aufserdem noch : Er. 5502. Iw. 5025. Greg. 1725
u. sonst, ein formelhafter turnierausdruck. Eilh. Trist. 854 f zu
samene neigtin sie ir sper under die arme sie si slügen. in der
spätem litleratur sehr häufig; vgl. Renecke-Müller und Lexer s.v.
sper. der ausdruck scheint mir Chrestiens wendung v. 4441 :
Erec lor vint lance sor fautre zu entsprechen, ohne dass er ihn
genau widergibt, er steht meines erachtens auf derselben stufe
wie ein andrer, oft genug in der epik widerkehrender : diu ros
EREK UND LANZELET 273
si ndmen mit den sporn vgl. Er. 701.5504, Lanz. 5286, Wigalois
58,5 (ähnlich En. 7526. 8669. 90061).
2) Lanz. 2022 IT dö liezens dar strichen
so si beide mit ir ahten
aller meist gewinnen mähten.
Er. 812 ff si liezen zesamen strichen
also krefteclichen
so si meiste von ir sinnen
üz den rossen mohten gewinnen,
dar strichen Idn ist formelhart, kehrt im Lanz. 3285. 4468 wider;
ebenso En. 7530. 8935. 11958. 12364 uö. stets si Helen dare
striken; die für Hartman n charakteristische Variante zesamne
strichen begegnet schon Er. 766. Ulrich steht also Veldeke naher
als Hartmann ! ferner braucht Ulrich wie hier an stelle des dem
Hartmann geläufigen sinnen : gewinnen sein beliebtes ahte : mähte,
vgl. Lanz. 6547. 6583. 6693. 7749; 6615 f. er ist also in dieser
an sich wenig charakteristischen phrase Hartmann gegenüber
zwiefach altertümlich und eigenartig. Chrestiens v. 866 por as-
sanbler les chevaus poingnent sieht fast so aus, als ob er den
deutschen nachdichter des Erec veranlasst hätte, in der ihm ge-
läufigen wendung das dar durch zesamne zu verdrängen (ESchröder).
und diese stelle ist noch eine der besten, die Schilling und Neu-
maier für ihre these aufzuweisen haben.
3) Lanz. 20661' und von den helmen sprungen
die fiures flammen blicke.
Er. 91491' die heizen fiuwers blicke
frumten diu wdfen.
das bild kehrt im Lanz. 3172. 4496 wider und beidemal in der
charakteristischen begleilung : von den helmen sprangen resp.
vlugen, die Hartm. fehlt, es gehört zu jenem phrasenschatz, den
Ulr. der volkstümlichen epik entlehnt reiohe parallelen biete!
PSchütze Das volkstüml. dement im stil U?Z. (Greifsw. L883)
s. 28; vgl. auch Lanz. 531711. — dass ähnliches bei Chrestien
v. 5966 (also uicht an entsprechender stelle) begegnet, i>i bei
dieser naheliegenden und weilverbreiteten Vorstellung aichl weiter
auffällig.
4) Lanz. 1518.1 tim di-gen er iif den schilt erriet
gegen den vier nageln hin.
Z. F. l>. A. XL1II. Y I. XXXI.
274 GRUHN
Er. 2794 f nu erriet er in, daz ers enphant,
zen vier nageln gegen der hant.
Er. 9090 zno den nageln gegen der hant.
für den technischen ausdruck von den 'vier nageln', der bei
Chrestien fehlt, genügt es jetzt, einfach auf FNiedner Das deutsche
turnier s. 57 ff zu verweisen, auch das verbum erraten (vgl.
Er. 9202) begegnet in ganz ähnlichem gebrauch schon lange vor-
her : Rul. 224, 17 erriet er in mitten üf den heim; 284, 25 mit
dem swerte er in erriet. — zu dieser und andern stellen bemerkt
übrigens prof. Roediger, dass gerade die reime nicht stimmen,
die sich doch dem gedächtuis zuerst hätten einprägen müssen.
5) Lanz. 2552f diu ros in ouch gesdzen
uf die hehsen dernider.
Er. 774 ff diu just wart so krefteclich
daz diu ros hinder sich
an die hähsen gesdzen.
ganz ähnlich noch Er. 4390 ff. Lanz. 4481 ff. — aber auch schon
En. 7368 f (Ettm. 201, 16) her beider ros gesäten op die hassen
neder. da Rehaghel (einl. z. Eneide ccix) zeigt, dass Lanz. 4471 — 81
fast wörtlich aus En. 7357 — 69 entlehnt ist, hat man keinen
grund, für 2 oder 3 verse innerhalb dieser partie eine entlehnung
von Hartmann anzunehmen, dieser selbst wird wol die wenduug,
wenn er sie nicht aus der turniersprache schon kannte, von
Veldeke oder einem andern übernommen haben, vgl. auch Gudr.
1408, 2; Bit. 11971; Parz. 197, 8; Wig. 6655; Loh. 2110;
jTit. 1376; UvLicht. 87, 15.
Hartmann stimmt dem sinne nach mit Chrestien 3782 : et
li destrier sont aterre, weniger mit 872 ff guerpir lor estuet les
estriers. contre terre anbedui se ruient, li cheval par le chanp
s'an fuient.
6) Lanz. 2574 ff krütes wart diu erde blöz,
wan si vertrdtenz in den hert,
her slahende und hinwert.
Er. 9162 ff der ke're si so vil taten
unz daz si gar vertraten
beide bluomen unde gras.
die hervorhebung dieses und ähnlicher momente ist dem volks-
epos eigentümlich, ich erinnere an Rul. 157, 13 f. 279,20. 293,11 I.
nach Schütze s. 31 steht die stelle im Lanz. vereinzelt. Hartmanns
EREK UM) LANZELET 275
wendung erinnert mehr als an den Lanz. an Ecken). 107, 9
vor ir füezen niht beleip so vil so in der hende : so <j<ir ver-
träten si daz gras, daz nieman mohte kiesen waz dd gestan-
den was. hervorzuheben ist, dass Hartman ns quelle nichts aho-
liches bot. Bartsch bemerkt Germ. 7, 176 z. st. : 'der weitere
verlauf des kampfes zeigt nicht so genaue Übereinstimmung, na-
mentlich von 9155 an weicht H. stärker ab und folgt eigner er-
lindung'.
7) Lanz. 693 ff unz daz den wiganden
beleip vor den banden
niht wan daz arm g est eile.
Er. 9140 ff die schilde buten si dar:
die wurden ouch also gar
unz anz g es teile zerslagen.
hier kann man die Übereinstimmung nur in dem worte gestehe
linden; denn dass die schilde gänzlich zerhauen wurden, ist ge-
radezu stehend, vgl. auch Schütze s. 29 f. das simplex gestelle
(vom schilde) begegnet auch schon En. 5760, während armgestelle
eben nur an der Lanzeletstelle bezeugt scheint. — Chrestien hat
nichts entsprechendes, vgl. das unter 6 gesagte.
8) Lanz. 2561 ff als in beiden wcere
der lip ze nihte mcere.
Er. 708 f jungelinc, ob in wäre
der lip ze ihte mwre.
ähnlich noch Er. 6679 f. 8472 f. ze ihte oder ze nihte mcere be-
gegnet auch zb. Kehr. 6923. Wig. 60,32 f. WvdVog. 51, 6; für den
hundertfach bezeugten reim wcere : mwre genügt ein verweis auf
Berger Orendel s. 170. bemerkenswert ist immerhin, dass die
phrase beidemal dasselbe subjeet lip hat. Zusammenhang wäre
also möglich, im Erek ist die wendung eine zutat rlarlmanns.
9) Lanz. 1980 f dö was er varlds unde bleich
und er si gen von dem blnote.
Er. 5720 (T des bluotes icas er gar ersigen,
die siege heten in er w igen
daz im diu varwe gar erbleich.
da ersigen des bluotes oder von dem blnote eine gani gebrauch-
liche wendung ist (sie kehrt auch Lanz. 5328 und Er, 5418
wider), so ligt eine äbnlichkeii nur in dem gleichzeitigen binw«M
auf die gesichtsfarbe vor. darin aber stimmt der Lanz. wörüich
18«
276 GRUHN
überein mit Eneide 10509 so varelös end so bleich; 10722 dd
bleif si varelös ende bleich.
Den grofsen blutverlust, aber nicht den färben Wechsel, hat
Hartmann hier aus Chrestien 4598 car toz ses cors an sanc beignoit,
et li cuers faillant li aloit.
10) Lanz. 1167 si spülen noetlich dne bret.
Er. 942 f doch jener die besten würfe warf
der kein zabelcere bedarf.
der kämpf und insbesondre der einzelkampf mit einem würfel-
oder brettspiel verglichen, das ist etwas so gewöhnliches in der
mhd. poesie, dass es genügt, an Wolframs riterschaft ist topelspil
zu erinnern, da anderseits bei Chrestien das bild fehlt, so hat
es Hartmann gewis aus der deutschen Überlieferung geschöpft,
und die knappe form der metapher bei Ulrich gegenüber der
breiten ausspinnung des bildes bei Hartmann spricht zum min-
desten nicht gegen die priorität des Thurgauers.
11) juste Lanz. 5297. 5465. 6352. 6371. 6486; Er. 769.
774. 784. — justieren Lanz. 5297. 6416. 6454. 6468; Er. 2427.
2460. 2602.
juste ist die altertümliche form für tjoste; ihr vorkommen im
Lanz. und Er. beweist zunächst, dass diese gedichte noch ins
12 jh. gehören, den ausdruck brauchte sich Ulrich natürlich
nicht erst aus dem Er. zu holen, da ihn die ältere epik schon
kennt, zb. En.7358 si ddden eine juste; dazu justieren 5219.9053.
wenn Hartmann in seinen spätem werken die form tjoste an-
wendet, so scheint sich daraus zu ergeben, dass er im Er. noch
von seinen Vorgängern abhängig ist.
Es folgen nun bei Schilling ähnlich lautende Wendungen für
wallen und kleidungsstücke. dabei ist alsbald zu erinnern, dass
in beschreibungen gleicher gegenstände beinahe notwendig ge-
wisse züge widerkehren müssen.
12) Lanz. 4420 f sin schilt was, als er wolde,
von sinopele rät genuoc.
Er. 2296 der ander [schilt] von zinober rät.
die form sinopel ganz allein wäre schon ein augenfälliger be-
weis, dass Ulrich diese stelle nicht aus dem Erek , sondern aus
seiner 'welschen' vorläge genommen hat, wenn wir uns auf die
überlieferuns unsers Erek verlassen könnten.
EREK UND LANZELET
2i >
Im übrigen waren schilde von dieser färbe sehr häufig; der
allfranzösische Lancelot wie der Erec Chrestiens kennen sie
Jonckbloet s. lix l'escu d'or d leoncel de sinople; ib. s. lxviii mes-
sires Yveins l'escu de sinople. vgl. Märtens aao. s. 672 escu de
sinople. Chrestien Rom. de la cbarette v. 5957 As armes de si-
nople taintes; Er. 2153 tanz bnens escuz fres et noviaus, d'arjant
et de sinople biaus; ib. 2143 (lances) d'arjant et de sinople taintes.
Konrads F\irtonopier 19793 (sin schilt) gemdlet von zinober rot.
13) Lanz. 6304 f dar üf ist in allen vliz
ein mouwe von zobel gemäht.
Er. 2306 f dar üf ein mouwe zobelin,
daz diu niht bezzer mohte sin.
ein frauenärmel als schildzeichen war ein sehr beliebtes wappen:
vgl. Ledebur in s. Arch. f. d. adelsgeschichte i 265 ff. im roman
van Lancelot spielt der ' ridder metter mouwen' eine besondre
rolle, vgl. zb. Jonckbloet s. clxxiii.
Nach KKochendörffer Zs. 28, 246 ff bezeichnete das wort
zobel in der spräche der mittelalterlichen heraldik nichts weiter
als die schwarze färbe, wie hermin die weifse. sable bedeutet
noch heute in der französischen heraldik 'schwarz' (Berger Orendel
s. 165 zu v. 116).
Die erwähnung eines schwarzen frauenärmels als wappen
kann in der ritterlichen epik also nicht als auffallend gelten.
Hartmann nennt im Er. 2293 noch eine seidene und 229S eine
silberweifse mouwe. auch Ulrich kennt 4433 sidin mouwen.
Dass beide dichter sich des niederdeutschen ausdrucks mouue
statt lies oberdeutschen stüche bedienen, könnte vielleicht dem
eintlusse der Eneide zugeschrieben werden, vgl. En. 122 10 hedd
er doch mine mouwe an den armen sinen. man beachte auch,
dass das ritterceremoniell aus den Niederlanden nach Oberdeutsch-
em! gekommen ist (Roediger Zs. 21, 320).
Ob der frauenärmel als schildzeichen in Chrestiens Erec über-
haupt vorkommt, habe ich nicht festgestellt; an der entsprechen-
den stelle fehlt er.
14) Lanz. 5736IT mentel vil lange,
gezobelt wol unz an die haut,
mit den besten dachen diu man ■
in allen k'unicrkhen
mit invillen riehen.
278 GKUHN
Lanz. 8864 ff hermin wizer danne ein swan1
waren diu inville12.
Er. 1567 IT mit eim mantel langen
der im ze mäze mohte sin,
daz geville härmin,
daz dach ein richer sigeldt.
disiu künecliche wdl
was gezobelt üf die hant.
dass zwischen diesen stellen des Lanz. einerseits und des Erec
anderseits ein Zusammenhang besteht, wird kaum abzuleugnen
sein : wenn auch keinerlei züge vorgeführt werden, die sich nicht
anderwärts in ähnlichen beschreibungen widerholten, so ist doch
das zusammentreffen so vieler und zum teil nicht gerade geläu-
figer ausdrücke frappant. Hartmanus quelle hat, wie schon Bartsch
Germ. 7, 150 hervorhebt, eine viel ausführlichere beschreibung,
die der nachdichter knapp und keineswegs genau widergegeben
hat. im frz. Erec heifst es 1594 ff Li a le mantel aporte Et le
bliant qui jusqu'as manches Fu forrez d'erminetes Manches, das
entspricht zwar dem hermelinfutter in Lanz. und Erek, aber
keineswegs dem gezobelt (unz) uf die hant der beiden deutschen
werke, dazu kommt weiter, dass Hartm. dies verbum resp. part.
gezobelt und ebenso das subst. geville nur eben im Erek an-
wendet, man kann die Vermutung kaum abwehren, dass sich ihm
hier bei der kürzenden Übertragung des französischen textes re-
miniscenzen aus einem deutschen gedichte — und wahrscheinlich
auch aus dem Lanzelet — dazwischen geschoben haben, wie
früher das deutlichere, aber seltenere armgeslelle vor Hartmanns
gestelle, so hat Ulrich hier das archaische irwiUe* vor Hartmanns
geville voraus — und auch das spricht für seine priorität.
15) Lanz. 5798f mit eime riemen von Iberne
was si begürtet harte wol.
Er. 1556 ff ouch wart der frouwen Eniten
gegurt umbe ir siten
ein rieme von Iberne.
Haupt verweist zu der stelle im Erek auf seine anmerkung zu
Neidhart 125,27, wo gezeigt ist, dass das mittelalter kostbare
1 vgl. En.772f end einen mantel goeden hermin wit alse ein swane.
2 vgl. Roth. 1862 (ed. Rückerl) die inville wären herinelin; das wort
ist später nicht mehr bezeugt!
EKEK UND LANZELET 279
gürtel, borten und schnüre besonders aus Irland bezog, in der
Krone 553 ff wird das ausdrücklich gesagt : uz Irlant von Lecester
vil manec guot kleinöt, lüler und von golde röt, riemen unde hilf-
telin etc.; ebda 8276 der rieme was von Irlant. — hiernach ist
es deutlich, dass die übereinstimmende erwähnung eines gürteis
aus Irland bei zwei höfischen dichtem au sich nicht viel besagen
will, für einen directen Zusammenhang der beiden stellen spricht
aber doch wol die gelehrte form Iberne1 (beidemal : gerne), die
neben Irlant doch immerhiu die seltenere ist. auch Chrestien
braucht Er. 2176 (un cheval d') Irlande und öfters Irois (3866.
6646), anscheinend niemals Ibernois. und gegen Hartmanns Pri-
orität kommt überdies der umstand in betracht, dass seine quelle von
Irland, wenigstens an der stelle, nichts weil's, Chrestien 1649 ff
st se caint, d'un orfrois a un tor s'estraint; dass im übrigen auch
die franz. quellen den cuir d'Irlande kennen, zeigt Haupt z. Erek-
stelle. es wird sich also bei Hartmann auch hier wider um eine
reminiscenz aus deutscher lectüre handeln, und da muss man
doch wider in erster linie an Ulrich denken.
Schilling bringt im weiteren einige ähnlichkeiten, die sich
auf pferde beziehen.
16) Lanz. 4412 f sin ors was, so" man uns seit,
zundervar vil tiure.
Er. 9015 f si7i ros was gröz utide ho,
stark röt zundervar.
Haupt z. st., der ausführlich über das wort handelt und allerlei
parallelen beibringt, kennt doch eben nur diese beiden alten
litterar. belege, also auch dies wort braucht Hartmann nie wider,
und da ist es doch merkwürdig, dass gerade wider diese an
Ulrich erinnernde stelle ein besondrer zusatz Hartmanus zum
Erec Chrestieus ist. vgl. Bartsch aao. 175.
17) Lanz. 8876 ff ir pherit und ir kasteldn
diu waren so daz man niht vant
ze Piddn noch ze Spangenlunt
(al. ze Spangen noch ze Tenelant).
Er. 2327 fünf ros von Spanje.
spanische pferde waren im mittelaller in Deutschland so allgemein
bekannt, dass das wort kasteldn als appellativum in die laodes-
1 die Wigaloisstelle 10558, welche die gleiche form {einen riemen von
Ibeme) aufweist, ist natürlich als entlehnung aufzufassen.
280 GRÜHN
spräche übergegangen ist, wofür gleich die Lanzeletstelle einen
amüsanten beleg bildet : kasteläne kommen danach auch aus Püldn
(Apulien? oder Polen?) resp. Dänemark.
An sich ist die stelle also wenig geeignet, um auch nur
einen Zusammenhang zu constatieren. gegen Hartmanns Vorrecht
würde aber wider sprechen : 1) dass der Erec Chrestiens eben an
der entsprechenden stelle (21 56 ff) nichts von spanischen rossen
weifs; 2) dass Ulrichs pferdekenntnis hier weiter ausgreift1.
Im Lanzelet und Erek finden sich ähnliche beschreibungen
von zelten.
18) Lanz. 47781T ein guldin knoph het es bedaht,
der was lobebcere.
von golde ein ar vil mcere
was dar uf gemezzen.
Er. 89 15 ff daz der knoph wesen solde,
daz was ein wol geworht ar,
von golde durchslagen gar.
Behaghel hat in der Germ. 25, 346 gezeigt, dass Ulrich an dieser
stelle Veldeke nachgeahmt hat : En. 9224 der knop ivas goldin,
dar op sat ein goldin are. da Chrestien von dem zelte nichts
weifs, worüber noch weiter unten, so hat Hartmann wahrschein-
lich Veldeke oder Ulrich zum vorbilde gehabt.
Der goldene aar muss übrigens eine sehr beliebte zier ge-
wesen sein, vgl. Eckenl. 95, 4 ein adelar dar obe swebt von
golde reht alsam er lebt; Jans. Enik. Weltchr. 16043 ein ar von
gold dar ob (auf dem heim) swebt, er icas reht als er lebt; ebda
noch 16387.
19) Lanz. 4819 ff dar an rötiu bilde,
glich vogelen und wilde,
meisterliche tool geworht.
Er. 8908 ff da stuonden antworfen an
beide xoip unde man,
und die vögele sam si fingen, ....
diu tier wilde unde zam.
ähnliche Stickereien auf vorhängen und gewändern werden in der
epik sehr oft erwähnt, zb. Athis C 24. D 134. viele belege schon
1 zu Hartmanns hippologischen Studien vgl. jetzt Schönbach Über HvA.
s. 319 fT.
EREK UND LANZELET 2s l
aus dem Rolandsliede bei Golther s. 138 f. vgl. auch Herzog
Ernst 2586 ff.
Als muster für solche Schilderungen konnte Lamprechts
Alexander dienen, besonders die beschreibung von Candacis schloss
v. 5736 lf. daraus mag nur eine stelle hier platz finden v. 5798 ff.
da hinc ein Iure umbehanc,
der was breit unde lanc,
von edelen golde durchslagen.
mit sidin waren dar in getragen
vögele unde tiere
mit manicfalden ziere
unde mit manigerslahte varwe:
daz merketih alliz garwe.
man mohte dar an scouxcen
riter unde frouwen
obene unde nidene
mit wunderlichen bilide.
Die stelle fehlt wider bei Chrestien!
20) Lanz. 4874 diu wintseil geflöhten
von deiner bortsiden.
Er. 8921 f disse zeltes snüere
wären sidin garwe.
von altern parallelen geb ich nur Raiserchr. 11892. En. 7988.
9108 (die snüre) wären goet siden; 9298 sidin wären die seil;
1779 (seil) geflöhten van siden. — fehlt bei Chrestien 1
Bei Schilling folgt jetzt eine vergleichung zwischen der be-
schreibung des waldes Behforet im Lanzelet und der des gartens
Mabonagrins im Erec.
21) Lanz. 3944 ff da stuont manic boum so frumer,
der aldaz jdr obez truoc,
zitig unde guot genuoc
und anderhalp doch bluote.
Er. 87 19 ff boume maneger slahte,
die einhalp obez baren
und andersit wären
mit wünneclicher blüete.
eine ähnliche beschreibung aus der altern epik vermag ich oichl
beizubringen.
282 CRUHN
Hartman u folgt inhaltlich seiner vorläge Chrestien 5699
i avoit ßors et fruit meür.
Auch Ulrich wird wol von seiner vorläge abhängig sein ;
denn für die französische dichtung hat es nichts befremdendes,
wenn darin von der gleichzeitigkeit von blute und frucht ge-
sprochen wird, selbst für Deutschland war eine solche gleich-
zeitigkeit nicht ausgeschlossen ; denn die Jahrbücher von Basel
bemerken zum 15 aug. 1276 : 'an demselben tage trugen mehrere
bäume zugleich fruchte und bluten' (Schönbach 465).
22) Lanz. 3981 ff so was der wert und der walt
allez sumerlich gestalt.
daz was billich genuoc.
swaz ungemüetes ieman truoc,
der disiu beidiu durchgienc,
ein sö'lhe vreude er gevienc,
daz er trürikheit vergaz.
Er. 873011 nü was der wdz also guot
8734 und solch diu ougenweide,
swer mit herzeleide
wäre beva?igen,
kam er dar in gegangen,
er müeste ir da vergezzen.
dazu vgl. man den zauberwald in Lampr. Alex. 5220 ff ih unde
mine helede halt, vergdzen unse herzeleit und der grözen
arbeit und alliz daz ungemah und swaz uns leides ie gescach.
Ebenda 5230 ff da vergaz ih angist unde leit unde min ge-
sinde, unde swaz uns von kinde ie leides gescach biz an
den selben tach. mir dühte an der stunt, ih ne wurde niemer
ungesunt; ob ih dar imer müste loesen, so wäre ih garwe ge-
nesen von aller angistlicher not und ne forhte niwit den tot.
Bei Ulrich kehrt die Vorstellung von einer solchen wunder-
kraft noch in einer andern Verbindung wider.
Lanz. 6197 ff der manlel het noch einen site,
swer in truoc, daz er vermite
jdmer unde senedez clagen.
vgl. auch 4767 ff.
Aus Chrestien liefse sich der gedanke nur indirect folgern;
5755 ff ne soz ciel n'a oisel volant, qui f leise a home, qui n'i
chant, yor lui deduire et resjoir, que Van n'an i potst o'ir plusors
EREK UND LANZELET
de chascune nature; et terre, tant com ele dure, ne yorte espice
ne racine qui vaille a nule mediane que Van rian i eilst planti.
Mau wird demgegenüber die Vermutung Dicht abweisen dürfen,
dass Hartmann auch hier wider deutschen mustern folgt; denn
es wäre doch höchst verwunderlich, dass gerade seiue Zusätze zu
Chrestiens Erec so sehr mit den gedanken und ausdrücken an-
drer dichter harmoniereu.
23) Lanz. 3993 ff swin und swaz man jagen teil,
des icas dd mer danne vil
ze rehler tagalte.
Er. 7151 ff nnd also daz dehein man
der doch gerne wolte jagen
nimmer dürfte geklagen
daz er niht icildes funde.
einen eigentümlichen gedanken wird man in diesen versen kaum
erblicken, eine eiuigermafsen ähnliche stelle steht En. 38911' dat
ie fonden sohle werden in water joch in erden, des vant man
alles dd genoech, des water ende lant droech. — bei Chrestien
wider nichts entsprechendes (Bartsch aao. 171).
24) Lanz. 400811' daz wazzer brdht ouch genuht
von allerhande vischen,
die man ze küneges tischen
mit e'ren mühte bringen.
Er. 7 124 ff ez (daz hüs) stuont enmitten in eime se:
der gay im gnuoc und dannoch me
der aller besten vische
die ie ze küneges tische
dehein man gebrühte.
die naheliegende reimverbindung vische : tische ist typisch, vgl.
Lampr. Alex. 75. 4036; Orendel 1532. 3404. trotzdem ist die
idiulicbkeit beider stellen nicht zu leugnen, und da Cbrestiei
nichts entsprechendes bietet (Bartsch 171), lijU die Wahrschein-
lichkeit, dass Hartmann entlehnt hat, nahe.
Im Lanzelet wie im Erek finden sich sehr ähnliche beschrei-
bungen eines netzes.
25a) Lanz. 85081V daz netze was ouch genannt,
als ez von rehte sulde,
von Stilen und von golde
hurte wol gestricket.
284 GHÜHN
Er. 7 7 1 5 ff daz was ein netze guldin,
gebrüen von goltdrceten
vesten unde statten.
ich füge gleich die andern parallelen an:
25b) Lanz. 8512 ff uf die waschen wdrn geschicket
guldine kästen reine,
dar inne edel g est eine
von alder weit daz beste.
Er. 7719 ff darumbe waren geleit
edele steine genuoge,
an ieglicher fuoge,
dd sich die ma sehen strihten.
25c) Lanz. 8522 ff daz netze was sinewel,
in einen knoph wol gemäht,
der was ein stein von fremder slaht.
Er. 7724 ff an iegliches knophes stat
was ein rubin üf gesät
in lazürvarwe1 kästen.
an und für siel) wäre es nicht geradezu unmöglich, dass Ulrich
sowol wie Hartmann hier selbständig sind, solcher netze wird
in der mittelalterlichen epik sehr oft gedacht, zb. Gudr. 1683, 3 ff;
auf weitere beispiele fuhren die mhd. wbb. s. v. netze, beachtet
man aber, dass die beschreibung des netzes wie die ganze um-
gebende partie abermals ein zusatz Hartmanns zu seiner vorläge
ist [s. zuletzt Reck s. 18 oben], dann wird es doch wahrschein-
lich, dass er sich an deutsche Vorbilder angeschlossen hat.
26) Seine hauptbeweise schliefst Schilling mit der gegen-
überstellung von Lanz. 6730ff und Er. 1753 ff, wo die jagd auf
den weifsen hirsch und der damit verbundene brauch beschrieben
wird, da diese jagd zweifellos ein wesentlicher bestandteil der
Artussage ist, wird sie im französischen Lancelot wol nicht ge-
fehlt haben, in dieser hinsieht sind also die stellen belanglos.
wenn Schilling aber hervorhebt, dass in beiden fällen Utpandragon
als Artus vater und urheber dieses Jagdvergnügens genannt werde,
so verweis ich auf den altfranzösischen roman von Lancelot, wo
Uter-Pandragon widerholt als der vater des Artus aufgeführt wird
(Jonckbloet vm. xn. lxxi).
1 hs. saurvarbe.
EREK UND LANZELET 285
Ich verwerte diese stellen aber in einem ganz andern sinne
Clirestien nämlich hedient sich irn Erec der form Pandragon, ib.
1811 *. Hartmaun dagegen schreibt Utpandragon (bs. Urpandragon,
vgl. Lachm. zu Iweiu 897). da uns diese form in seiner quelle
nicht überliefert ist, müssen wir wol nach einem andern gewährs-
mann suchen. Uterpandragon ganz wie der frz. Lancelot Jonck-
bloels bietet nun freilich auch Chrestien im Yvain 663, aber wenn
Hartmann schon im Erek, wo er nur die dreisilbige form vor-
fand, die aus der erweiterten fünfsilbigen zusammengezogene vier-
silbige form braucht, wie sie unsre Überlieferung des Lanz. 6734
bietet (Urprandagoti W, Upandagron P), so ist das doch wol Zu-
sammenhang und nicht zufälliges zusammentreffen.
Bevor ich Schillings kleinere beweisstücke der kritik unter-
werfe, will ich aus dem bisher besprochenen einige allgemeine
Schlussfolgerungen ziehen, von den 26 resp. 28 belegen, die die
verwanlschaft des Lanzelet und Erek erweisen sollten, haben sich,
wenn man die bezugnahme auf Cbrestiens Erec aufser betracht
lässt, nur zwei vor der kritik einigermafsen bewährt, nämlich nr 2
und nr 24. eine ganz andre bedeutung jedoch erhalten die
meisten dieser stellen durch eine vergleichung mit Chrestiens
Erec. da zeigt sich die seltsame tatsache, dass nur 8, und dazu
noch unbedeutende stellen mehr oder minder direct auf Chrestien
zurückführbar sind (nrr 1. 3. 5. 9. 12. 14. 21. 22), dass dagegen
für 19 — nr 11 scheidet aus — , wozu alle umfangreicheren ge-
hören, bei dem Franzosen kein analogon sich findet, das ist un-
bedingt entscheidend zunächst gegen Hartmann als vorläge Ulrichs;
denn niemand wird glauben oder uns glaubhaft machen, dass
Ulrich fast instiuetiv Hartmanns eigne zusätze zum Erec erkannt
und als Schmuckstücke seinem werk einverleibt bat. das umge-
kehrte Verhältnis ist hei solcher Sachlage unbedingt das wahr-
scheinlichere : Hartmaun, der sein original oft auf lauge strecken
'wörtlich (so viel ihm die gebundenbeii des verses und reimes
es erlaubte) widergibt' (Bartsch s. 1S1), schiebt da und dort Zu-
sätze ein, die er der mehrzabl nach Ulrichs Lanzelet, teilweise
andern deutschen epen entlehnt hat. niemand wird dem An-
fänger, der bewust und weit mehr noch unbewust mit dera
remiuiscenzen arbeitete, daraus einen Vorwurf machen.
1 die lesarten zeigen daneben Pendragon, Pandagron.
286 GRÜHN
Ich will jedoch dieser Schlussfolgerung einen noch höhern
grad von Wahrscheinlichkeit geben. Schilling hat seine beispiele
recht ungeschickt gruppiert, er bietet meist nur einzelne, aus-
einandergeworfene splitter statt eines möglichen gesamthildes.
man muss ganze partien des Lanzelet und Erek vergleichen, um
resultate von einigem gewicht zu gewinnen, was ich hier flüchtig
skizziere, dürfte einer ausführlichen behandlung wol würdig sein;
für unsern zweck aber, die priorität des Lanzelet zu erweisen, wird
schon dieses hinreichend sein, den umfang und grad der be-
einflussung festzustellen, muss ich andern überlassen.
nrr 1. 2 und 5 gehören im Lanzelet und Erek einer und
derselben Schilderung an. im Lanz. 2011 ff handelt es sich um
den Zweikampf zwischen Lanzelet und Linier, im Er. 755 ff um
den kämpf zwischen Erek und Iders.
Hartmann weicht nun bei dieser Schilderung in den einzel-
heiten recht erheblich von Chrestien ab (Bartsch s. 146; Reck
s. 14 f). vergleicht man Chrestien 857 ff mit den genannten stellen
im Erek und Lanzelet, so erkennt man ganz deutlich, wie da
züge aus dem Lanzelet in die Schilderung Chrestiens hinein-
gearbeitet worden sind, neben den stellen, deren Wortlaut oben
unter nrr 1. 2 und 5 mitgeteilt ist, hat Hartmann noch eine viel
umfangreichere dem Lanzelet entnommen. Hartmann weicht näm-
lich von Chrestien darin ab, dass er den Erek während des
Schwertkampfes in die knie sinken lässt. dieser zug ist zweifel-
los dem werke Ulrichs entlehnt, man vgl.
Lanz. 2073 er treib in schiere hin wider.
ze jungest slnoc der wirt nider
den gast, daz er kom üf diu knie . . .
2083 er spranc üf als ein degen.
des schiltes moht er niht gepßegen:
hinder rücke er in stiez,
als in sin grimmer muot hiez.
der kämpf düht in enblanden:
er nam mit beiden handen
daz swert, da mit er vaht.
Er. 846 des triben si vil unde gnuoc,
unz daz Iders Erecken sluoc
üf den heim, daz er gie
von dem slage üf diu knie.
EREK UND LANZELET
855 üf sprang er und begnnde sd
den schilt ze rücke tvenden
und gap ze beiden henden
daz swert mit grimmen muote
und vaht sam er tcnote.
Zwei andre unter sich zu vergleichende Schilderungen betreffen
Walweins kämpf mit Lanzelet (Lanz. 2539 ff) und Erecs kämpf
mit Mabonagrin (Er. 9071 ff). Hartmann macht auch hier wider
bedeutende Zusätze zu Chrestien 5940 ff (vgl. Bartsch s. 175), und
in diesen Zusätzen zeigen sich wider deutlich bruchstücke jener
Lanzeletschilderung. es gehören hierher nr 7, nr 6 und nr 3.
nr 7 ist besonders interessant, bei seinen planlosen vergleichungen
hat nämlich Schilling hier eine falsche parallele aus dem Lanzelet
aufgeführt; das wort gestelle hat ihn dazu verleitet, zu
Er. 9140 ff die schilde buten si dar:
die wurden ouch also gar
unz anz gestelle zeslagen,
daz si ir niht tne're getragen
vor den armen mohten,
gehurt
Lanz. 2563 (f ouch buten si die schilte dar
und zerhiwen die so gar,
daz si an in kiime gehiengen.
In dieser weise müsten sämtliche kampfscbilderuogen in
Chrestiens und Hartmanns Erek und in Ulrichs Lanzelet mit
einander verglichen werden, dazu ist aber hier nicht der platz,
und wir können nur noch kurz auf ein paar andre vergleichungen
hinweisen.
Die zeltbeschreibung im Erec hat, wie schon oben ange-
deutet, Hartmann nicht von Chrestien. bei diesem heifst es Dur
(5878 ff) : et eil s'an va tote une sante seus, sanz compaignie
de jant, tant qu'il trova un lit d'arjant , covert d'iin drap
brosde a or. aus diesem lit d'argent ist bei Bart mann ein seil
geworden, das in 24 versen (8901— S922) beschrieben wird, zu
mindestens zwei dritteln dieser versc lassen siefa parallelen aua
einer zeltbeschreibung im Lanzelet beibringen, in den bierber-
gehörigen nrr 18. 19. 20 ist noch nachzutragen:
Lanz. 4809 siu icas hoch unde wit.
Er. 8994 beide hoch unde irit.
288 GRUHN
Lanz. 4750 f röt wiz weüvar,
brun grüene unde gel,
swarz mervar icolkenhel usw.
Er. 8924 f röt grüene wiz gel
brun, geworht sinwel.
da die beschreibung im Lanzelet eine viel compliciertere ist —
sie umfasst über 180 verse (4745 — 4926) — , indem zb. der aar
auf dem knöpfe durch einen eigentümlichen mechanismus zum
siugen gebracht werden kann (wozu eine parallele in Lampr.
Alex. 6001 ff) oder indem die einzelnen, verschiedenen teile des
Zeltdaches näher beschrieben werden, was Hartmann nur kurz
andeutet : aus diesem gründe muss Hartmanns beschreibung als
ein kurzer auszug aus der Ulrichschen betrachtet werden.
Nicht ganz so abhängig zeigt sich Hartmann in der dar-
stellung mittelalterlicher tiergärten und parkanlagen. denn um
solche handelt es sich Lanz. 3939 — 4014, wo der 'schöne wald'
Behforet beschrieben, und Er. 7130 ff, wo das Jagdhaus Penefrec;
Er. 8698 — 8753 , wo die bürg Brandigan geschildert wird, bei
der stelle über das jagdgehege zu Penefrec, wo Hartmann von
Chrestien unabhängig ist (Bartsch 171), tritt auch wider der
einfluss Ulrichs am meisten hervor, es gehören hierher nrr 23.
24 der Schillingschen belege, die nunmehr eine ganz andere
beleuchtung erhalten, während nrr 21. 22 in dem teile über die
bürg Brandigan vorkommen, auch hier sind noch nachtrage
möglich.
Ich muss schliefslich noch einige bemerkungen zu den netz-
beschreibungen (nr 25 a. b. c) nachholen, bei Schilling wird ver-
schwiegen, dass es sich um zwei ganz verschiedene netze handelt:
bei Hartmann um eiuen pferdeschmuck , bei Ulrich um eine art
fliegennetz, unter dem man ruht (vgl. Mhd. wb. n331a). bei
Hartmann sind die troddeln oder fransen , vielleicht auch jede
einzelne masche, mit steinchen verziert; bei Ulrich trägt jeder
knoten zwar auch einen edelstein, das himmelartig ausgespannte
netz wird aber aufserdem noch von einem besonders grofsen
edelsteiue (galacia 8525) im scheitelpuucte zusammengefasst. von
hier aus führt eine goldene kette zur aufhängevorrichtung. bei
dieser Sachlage ist es fast unmöglich, dass Ulrich die Hartmann-
sche beschreibung nachgeahmt haben sollte, da er mehr als Hart-
mann darzustellen und ein ganz andres bild zu zeichnen hatte;
EREK UND LANZELET 289
dagegen ist das umgekehrte durchaus wahrscheinlich, weil die
Hartmannsche beschreibung in der Ulrichschen mitentbalteu ist.
Das ergehnis der bisherigen Untersuchung ist also dieses,
dass Schillings belege mehr für Hartmanns als für Ulrichs ab-
bängigkeit sprechen.
Wenn ich hiernach die oben unterbrochene kritik fortsetze,
so geschieht es nur, um vollständig zu sein und jedem mistrauen
zu begegnen.
Das subst. adel findet sich Lauz. 33. 260. (1705). Er. 1837.
(9349). Schilling betont, dass es bei höfischen dichtem selten
sei und im lwein, Tristan und Parzival fehle, was kann aber
hiermit bewiesen werden? doch nur, dass der Lanzelet und der
Erek in gleicher weise der frühzeit der höfischen epik angehören,
und allenfalls dass Hartmann im Erek noch von seinen mustern
abhängig ist.
invanc 'abgegrenzter platz' Lanz. 208. in vdhen 'einfassen',
Er. 7134. 7845. seltsam! Ulrich soll sich ein eigenes Substantiv
aufgrund der seltenen Hartmannschen verbalform gebildet haben?
nach Staub-Tobler i 860 ist infangen = 'einfassen' ein schwei-
zerischer Idiotismus. Hartmann und Ulrich verraten durch den
gleichen ausdruck ihre alemannische herkunft; das geläufigere wort
ist bevähen (s. die wbb.).
Lanz. 896 getuht (im plur.); 9023 getühtk; Er. 996. 2587
tuht. — das wort gehört zu denen, die in Oberdeutschland früh
veralten : von einer abhängigkeit kanu nach keiner seile hin die
rede sein, um so weniger als Ulrich es bereits in einer »od der
etymologie völlig abweichenden bedeulung verwendet ('wolerzogen-
beit', fast wie zuht).
Was Schilling über den adverbialen gebrauch vou nllcr-
ncehste (Lanz. 903) und der erste (Er. 2566) und von der an-
weudung des bindeworls oder als eiuleitung eines adversativs.it/r-
sagt, würde nur dann etwas beweisen, wenn diese syntaktischen
eigentiimlichkeilen sich bei Hartmann und Ulrich allein fänden,
aber auch dann kaum mehr, als dass beide dichter derselben
heimat entstammen, die Voraussetzung trifft aber ganz un
nicht zu.
menegin Lanz. 1326. 5489. 6105; Er. L699. 9657. auch
hier handelt es sich um ein worl , das Hartmano oichl ersl zu
der engern bedeutung 'höfische gesellschaft, Umgebung' umgeprttgl
Z. F. D. A. XLI1I. N. F. XXXI.
290 GRUHN
hat, das er vielmehr der altern epik (vgl. zb. Orendel 346)
gemäfs gebrauchte, aber später aufgab.
zürnen an Lanz. 4300. Er. 5774 mag eine von Hartmanu
später als landschaftlich gefärbt aufgegebene ausdrucksweise sein,
für die das Mhd. wb. in 908a belege aus Rudolfs Barlaam und
aus der (Basler?) fortsetzung des Trojanerkriegs gibt.
zehenzic Lanz. 6426. Er. 1917 ist der epik des 12 jhs. bis
zu Eilharts Tristrant (ix 175. 3594. 6787) noch ganz geläufig.
slahen zuo (intrans.) entsprechend unserm 'stoßen zu, zu-
stofsen' lässt sich in guten parallelen zb. aus Ottokars Reim-
chronik nachweisen, zu Lanz. 8383 diu lantmenege zuo im sluoc
vgl. Ott. 84476 die warn zuo im geslagen; zu Er. 5141 kein übel
nie dar zuo gesluoc vgl. Ott. 12009 daz ungelucke sluoc dar zuo.
Im Erek und Lanzelet führt der schmähsüchtige seneschall
oder truchsess, Chrestiens Keu(s), Ke(s), die gleiche namensform
auf -in resp. -in, die durch folgende reimbelege gesichert ist:
Lanz. 5939 Keim : schin; Er. 1153 u. 4678 : sin, 4694 : bin; im
verse bietet Hahns text des Lanzelet die -In-formen durchgeh nds:
Keiin: 2890. 2907. 2911. 2933. 2982. 6146. 9266; Kaiin : 5946.
5956. 5971 *; Haupt im Erek (vgl. die anm. zu 1153) 4730. 4735.
4756. aber Hartmann, der schon Erek 4664. 4723 daneben Keii
verwendet, hat diese form ohne n im Iwein allein noch ange-
wendet (s. Lachm. zu Iw. 74). auch die Wolfenbüttler hs. des
Erek (Zs. 42, 261 anm.) nahm an dem n anstofs.
Eilharts Tristrant hat nur Keie im vers (8 beispiele in
Lichtensteins register), keinen reimbeleg.
Da Hartmann später sich durchweg der form Keii bedient,
wird man schwerlich annehmen dürfen, dass die form Keiin resp.
Keiin (auch dies schwanken in der quantität ist charakteristisch)
seine eigne erfindung sei. der gedanke ligt nahe, dass er sie
übernommen und nachher seinem Sprachgefühl entsprechend um-
gebildet hat. er konnte sie aber von niemandem anders als von
Ulrich entlehnen, ob er bei diesem auch das schwanken schon
fand, das für den Erek charakteristisch ist, lässt sich schwer sagen,
da die grofse mehrzahl der Lanzeletbelege auf das versinnere fällt.
Von keinem grofseren wert, als ihn diese zweite classe der
1 die Wiener hs. des Lanz. zeigt noch folgende Varianten : key (2890);
keye (29t 1); kay (2981. 5939. 5946. 9266); chay (5956); chein (6146);
chayn (5971).
EREK UND LANZELET 291
Schillingschen belege hat, sind die von Baechtold und Neumaier
gelieferten nachtrage.
Baechtolds dissertation ist sehr arm an eignen gedanken. für
ihn hatte Schilling 'den einfluss Erecs auf Lanzelet tiberzeugend
dargetan' (s. 35). doch spricht er von dem bösen zwerge, der
im Lanzelet wie im Erek eine rolle spiele (Lauz. 426 IT. Er. 1 1 ff),
als ob es in der mittelalterlichen epik nicht allerorten von zwergen
spukte I zu Lampr. Alex. 6063 bemerkt Kinzel mit recht: 'zwerge
gehören zur Staffage einer holhaltung. sie waren meist nicht
gerade als wol gezogen gerühmt', um böse zwerge zu entdecken,
brauchte Baechtold nicht bis zum Mabinogion hinabzusteigen;
schon im allfranzösischen romau wird Lancelot von einem zwerge
mit dem stocke geschlagen (Märtens 692 f).
Charakteristisch für Baechtolds Jugendarbeit ist, die frage : 'es
ist doch nicht wol das umgekehrte anzunehmen, dass Hartmann
aus Ulrich geschöpft hat?' (s. 37). warum nicht? was hinderte
ihn? die autorität Haupts oder Schillings? später hat er <\<-n
mut gefunden und die frage unbefangen geprüft, eine special-
arbeit darüber hat er nicht veröffentlicht, aber in seiner litteratur-
geschichte vertritt er, wie wir in der einleitung sahen, den seiner
dissertation entgegengesetzten standpunct.
Auf Schilling und Baechtold baut Neumaier seine abhandlung
auf, welche für PPiper 'die abhängigkeit Ulrichs von Hartmanns
Erek zur gewisheit erbebt' (Höf. epik [Kürschner] u 169). ich
finde nicht einmal, dass Neumaier die 'nötige Sorgfalt', von der
er spricht, seiner 'compilation von da und dort zerstreuten an-
merkungen' hat zu teil werden lassen (n s. 5). wie kritiklos er die
anmerkungen aus den ausgaben des Lanzelet und Erek zusammen-
getragen hat, dafür nur ein beispiel. neizwie und neizxcaz werden
als eigentümliche ausdrücke des Lanzelet und Erek hingestellt,
bei einiger Sorgfalt hätte sich Neumaier auch Haupts recension
der Hahnsehen Lanzeletausgabe angesehen, wo ihm dann folgende
bemerkung begegnet wäre : 'v. 2774 wird das ganz bekannte h«*-
wie am unrechten orte erklärt (denn es steht schon 99) und zum
Überflüsse mit einer stelle aus dein Erek belegt, aus dem I
doch gewis nicht solche Wörter zu lernen brauchte' (Jahrb. l.
wiss. krit. 14, 110). dementsprechend ist der -'.m/r aa<
Neumaiers zu Schillings belegen mit der grösten wiss
lieben naivetät zusammengestellt, es genügt zu der menrzabl der
292 GRUHN
Neumaier aulfällig erschienenen Wörter und Wendungen einfach
auf die lexika zu verweisen, die Neumaier offenbar nicht immer
zur hand gewesen sind : für das angeblich seltene entwichen stv.
in der bedeutung 'nachgeben, gehorchen' Lanz. 590. Er. 4701
gibt zahlreiche belege aus der Kehr. Schröder im glossar s. 417.
— gerech adj. Lanz. 3328; gereche adv. Lanz. 5967. 6252. Er. 4665
zeigen von spätem landsleuten unserer dichter HvLaügenstein
Martina 22, 27 und in engerer bedeutung (körperlich gerade und
in Ordnung) KvVVürzbnrg Part. 1113; weiter verbreitet scheint
das su bst. gerech stn., das auch im Lanz. 1747. 6586. 8069 vor-
kommt (immer im plur. formelhaft). Hartmann, der nur einmal
das adv. anwendet, hat dieses offenbar später als landschaftlichen
ausdruck gemieden. — ersigen part. c. gen. oder von 'erschöpft'
Lanz. 1981. 5328; Er. 5418. 5720. das Mhd. wb. n 2, 286"
liefert reichliche belege aus der obd. litteratur des 12 u. 13 jhs. —
vespereide für das später durchdringende vesperte (vgl. galeide
neben gälte) Lanz. 2855. Er. 2454 bat auch noch KvWürzburg
im Engelhard 2475. — zu uf legen Lanz. 4934. 5445. Er. 5679
genügt es, an die lehrreiche anmerkung Beneckes zu Iw. 1190
zu erinnern. — sweifen stv. intr. Lanz. 5590. Er. 7331 (vgl.
2083. 7587, immer mit präp.); s. Lexer n 1351. für das fehlen
des Wortes im Iwein muss wider die möglichkeit herangezogen wer-
den, dass Hartmann es als dialektisch zu fühlen glaubte; von einer
'entlehnung' kann bei derartigem nicht die rede sein. — geniez
stm. Lanz. 7494. Er. 7176. zu Lexer i 858 f nehme man See-
müllers glossar zu Ottokar s. v. — holde swm. Lanz. 1946. 4645.
Er. 9963. in volkstümlicher dichtung speciell mit dem stehen-
den reim holden : wolden dutzendfach belegt, von Hartmann später
als unhöfisch gemieden. — also gröz als umb ein hdr Lanz. 726.
4774 (ähnlich 5867. 5949. 6965. 7102). Er. 7521. 7388; die
wendung kehrt nicht blofs wörtlich im lw. 7269 (vgl. auch 579.
4607. 6063) wider, sondern gehört zu einer ganz vulgären Sipp-
schaft, für die es genügt, auf Zingerles bekannte abhandlung WSB.
39, 4 1 4 ff zu verweisen. — fürdermdle Lanz. 5904. Er. 4266; s.
Lachmann zu Iw. 8080 , wo noch weitere belege aus Hartmann.
Er. 1199 wird ein stein auf Artus bürg erwähnt, dessen man
sich beim absitzen von den rossen bedient, dieser stein soll nach
der ansieht Neumaiers möglicherweise das muster zu Ulrichs
'ehrenstein' abgegeben haben.
EREK UND LANZELET 293
Ob wol Neumaier die stelle im Lanzelet mit «1er rechten
aufmerksamkeit gelesen hat? sie lautet.
v. 5177 IT Nu saz Wdlwein der reine
uf der Eren steine.
von dem ist iu gesaget gnuoc,
daz er den man niht vertruoc
an dem was falsch oder haz.
wo findet sich im Erek auch nur der geringste hiuweis auf diese
bedeutung des Steins? wo steht im Erek die als bekannt voraus-
gesetzte bezeichnung : 'der ehrenstein'? ich dächte, hier konnte
man es mit händen greifen, dass an dieser stelle Ulrich einer
andern quelle folgt.
Aber bei Ulrich dient dieser stein auch zum absteigen von
den rossen, v. 5189 : (Lanzelet) erbeizte bi dem steine. Ulrich hat
einen grund, seinen beiden gerade dort absitzen zu lassen, weil
er ihn damit zugleich die probe auf seinen Charakter bestebn
lässt. bei Hartmann fehlt die molivierung. sollte also hier um
jeden preis einer von dem andern abhängen, so müste es unbe-
dingt Hartmann sein.
Nach diesen beispielen, glaub ich, wird man den scharfen
tadel, den ich über Neumaier ausgesprochen habe, nicht für un-
berechtigt halten, um so weniger aber, wenn ich nunmehr zeigen
werde, dass er ebenso wie Schilling und Baechtold gerade die
wichtigsten punete, die bei der frage nach dem abhängigkeits-
verhältnis des Lanzelet und Erek erörtert werden müssen, nicht
einmal bemerkt hat.
Im Lanzelet begegnet ein einziges mal der uame Euite v. 609S.
woher hat Ulrich diesen namen? in der deutschen liiteratur vor
Hartmanns Erek fehlt er. wie konnten nur Schilling, Baechtold
und Neumaier an dieser frage stillschweigend vorübergelm !
Zunächst ist die müglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Ulrich
vZatzikhoven, welcher der welschen spräche doch vollkommen
mächtig war, Chrestiens Erec kannte, bevor Hartmanns Über-
setzung erschien, an analogien fehlt es nicht; so wenn man
annimmt, dass Wolfram im Parzival (3S7 , 1 IV. 58
Chrestiens Roman de la charrelte anspiele (Baechtold s. 18), oder
dass Hartmann den Chevalier au lyon schon vor sich lull-'. •'!>
er den Erec verdolmetschte (Henrici vorr. xi anm. 8) — oder dass
294 GRUHN
Gottfried vSlrafsburg bei der bekannten kritik Wolframs dessen
quelle, den Perceval Chrestieus, im sinne hatte.
Gegen jene Voraussetzung spricht aber ein sehr gewichtiger
umstand, der zugleich die annähme, dass Ulrich den oameo aus
Hartmanns Erek geschöpft habe, hinfällig macht. Enile tritt nicht
aufalsEreks 'freundin', dieser erscheint vielmehr im ganzen ge-
dichte als unverheiratet, man beachte in dieser hinsieht beson-
ders solche stellen wie 7430 ff und 77 16 ff, wo der dichter un-
möglich die erwähnung der freundin hätte unterlassen können,
wenn Erek eine solche besessen hätte.
Welche möglichkeil bleibt da noch übrig? textverderbnis
oder interpolation ! sehen wir zu, ob sich anhaltspuncte dafür
finden.
Es fällt zunächst auf, dass Enite vollständig isoliert steht;
sie ist ohne freund, und von ihrer herkunft und Stellung erfahren
wir nichts, eine solche einfühi ung von frauen ist in der höfischen
epik ungewöhnlich.
Der zweite grund wigt schwerer. Enitens namhaftmachung
an jener stelle des gedichts steht mit dem voraufgegangenen in-
halt in unlösbarem Widerspruch.
Es handelt sich um die bekannte episode der mantelprobe,
die botin der meerfee hat, um die von Lanzelet verlassene lblis
für ihre treue auszuzeichnen, den könig Artus veranlasst, die
tugend der an seinem hofe versammelten frauen durch anlegen
des mantels zu prüfen, je treuer die frau ist, um so besser passt
er ihr. neun frauen müssen sich der tugendprobe unterwerfen
und bestehn sie mehr oder minder übel, bevor lblis an die reihe
kommt, welcher der mantel vortrefflich sitzt.
Diese 9 frauen sind folgende:
1) Ginovere, 5857 — 5832;
2) Orphilets freundin, 5897 — 5926;
3) Walweins * , 5927—5938;
4) Keiins frau, 5939-5970;
5) Loifilols freundin, 5971—6016;
6) Givreiz * , 6017—6031;
7) Kailets * , 6032—6051;
8) Malduz * , 6052—6074;
9) Iwans * , 6075—6094.
EREK UND LANZELET 295
man sieht, Enite fehlt in dieser reihe, was um so verwunderlicher
ist, als sie nachher mit namensnennung besonders hervorgehoben
wird, da heilst es nämlich:
v. 6095 ff Als ir unz her hdnt vemomen,
der mantel wcere genuogen komen
vil wol unz an ein deine.
Enite diu reine
und Wdlweines vriundin,
der vrowen mohte manegiu sin,
diu in vil wol haben solte,
wan daz diu maget enwolte
diu in dar brdhte.
diese stelle steht aber noch in andrer weise in Widerspruch zu
dem vorangegangenen, unter jenen neun frauen ist es einzig
und allein Walweins freuudin, die bei der probe einigermafsen
gnädig fortkommt, diese ihre einzigkeit wird von dem dichter
stark genug betont:
v. 5935 ff koeme der mantel nieman baz,
so trüege in billich dne haz
diu vrowe diu in an hat:
siu lebt ab der er baz stdt.
also, wenn Iblis, die in dem letzten verse gemeint ist, nicht lebte,
dann hätte Walweins freundin den nächsten anspruch auf den
mantel, und niemand hätte grund, ihr ihn zu beneiden, wo bleibt
da Enite diu reine, die ?. 6098 noch vor Walweins freundin ge-
nannt wird?
Wenn man nicht annehmen will, dass Enite und 'Walweins
freundin' identisch sind, dann steht jene aufserhalb jeder be-
ziehung zum gedichte und sogar in Widerspruch mit ihm, und
die vermutuug einer interpolalion hat mehr als blofse Wahrschein-
lichkeit für sich, diese 'interpolation' kann aber harmlos und un-
freiwillig sein : der text ist Lauz. 609S tf überhaupt nicht in ord-
nung; Rüdiger will lesen : dne diu reine Wdlweines friundin.
Auf keinen fall aber spricht das vorkommen des namens
Enite im Lanzelet dafür, dass Ulrich den Erek Bartmanns
kannte.
Die frage Iigt nahe, wie es in dieser hinsieht um die |
Ereks bestellt sei. er tritt im Lanzelet sehr oft auf und spielt
eine ziemlich bedeutende rolle, vgl. Lanz. 2
296 GRUHN
2996. 3006. 6234. 6377. 7001. 7259. 7277. 7296. 7332. 7459.
7485. 7580. 7622. 7664. 7723. 7778. 8074. 9022.
Er gehört zu dem kreise der ersten beiden der tatelrunde,
den Walwein, Lanzelet, Tristan und Karjet bilden, besonders mit
Walwein erscheint er in engster Waffenbrüderschaft : mit ihm
kämpft und leidet er. was von ihm erzählt wird , erinnert aber
keineswegs an Hartmanns Erek; es sind taten eigentümlicher art,
die zum inhalte des Lanzeletromans gehören, ähnliches wird schon
im altfrauzösischeu roman von Lancelot über Erec berichtet (s.
Jouckbloetl). unter den wenigen Zügen, die an Hartmanns Erek
erinnern, ist, glaub ich, irgendwo schon einmal darauf aufmerk-
sam gemacht worden, dass Erek auch im Lanzelet herr von
Destregals ist (Lanz. 8076). ich seh in dieser Übereinstimmung
nichts besonderes, da die beziehung Ereks zu Destregals wol
keine erfindung Chrestiens, sondern ein typischer zug der Artus-
sage ist. demnach konnte die französische vorläge Ulrichs darüber
ebensogut unterrichtet sein wie der Erec Chrestiens.
Es wird nicht überflüssig sein, wenn ich bei dieser gelegen-
heit gleich noch einige namen vor den äugen der kritik revue
passieren lasse, die tatsache, dass Lanzelet in Hartmanns Erek
keine rolle spielt, obwol er v. 1631 genannt wird, ist immerhin
beachtenswert, wenn sie auch für sich allein nichts beweist;
Hartmann ist in dieser hinsieht eben seiner vorläge treu geblieben,
anders verhält es sich mit der tatsache, dass Parzival nicht in
Ulrichs Lanzelet auftritt, da die Gralsage im altfranzösischen
roman (s. Jonckbloet!) in engster beziehung zur Lanzeletsage steht,
ist die Vermutung nicht abzuweisen , dass entweder Ulrich oder
schon sein original die Gralabenteuer absichtlich ausgeschieden
haben, da sich aber trotzdem gewisse anklänge daran im Lan-
zelet finden, zb. der wunderbare stein galacia (v. 8524 ff), so ist
die meinung nicht ganz grundlos, dass Ulrich des Grals oder
Parzivals gedacht haben würde, wenn er bereits vor der abfassung
seines werkes das grofse gedieht Wolframs gekannt hätte, dar-
nach müste der Lanzelet vor 1203 oder 1204 verfasst sein.
Mehr gewinn für unsre Untersuchung werden wir haben,
wenn wir jetzt unsre aufmerksamkeit dem beiden Walwein zu-
wenden, der name Walwein begegnet schon im altfranzösischen
Lancelotroman, zb. Jonckbloet s. xxi. Ulrich wird ihn demnach seiner
vorläse entnommen haben, sieht man von dem handschriftlichen
ERER UM» LANZELET 297
Walwin ab (W), so linden sich bei ihm 2 formen, ich bei
reimbelege hei beulen durch einen stein hervor.
1) Wdlwein 2297. 2312. 23135. 2381. 2397. 2400. 2404
*2444. 2466. 2494. 2539. 2572. 2582. 2650. 2659. 2688. 2698.
2726. 2704. 3012. 3032. 3247. 3373. 3404. 3445. 3454. 3482.
3500. 4961. 5177. *5190. 5199. 5208. 5213. 5221. 5239. 5754.
5928. 0099. *6141. 0229. *6391. *0411. 0127. 6437. 6620.
6696. *G825. 7007. 7259. *7277. *7333, 7459. 7484.
*7622. 7664. *7723. 8000. *9020.
2) Wälwdn *5372. *7296. *7778.
In Hartmanns Erek begegnet che letztere form zweimal : 1 152
und*9915 l. Chrestien hat den namen nicht; an der v. 1152 eul-
sprechenden stelle steht bei ihm (v. 1090) der oame Gauvain, an
der 9915 entsprechenden fehlt auch dieser, da Hartman d Chre-
stiens Gauvain sonst im Erek mit Gd wein verdeutscht, zb. 1512.
1029.2229.2500.4785, so muss die namenslorm Wälwdn bei ihm
als durch fremden einfluss eingedrungen betrachtet werden, db. der
uame Walwan muss ihm geläufig gewesen sein, neben der form
Gawein, die Hartmanns eigne erfindong ist, macht die form
Walwan durchaus den eindruck einer reminiscenz. wo aber
konnte Ilartmann den namen so oft gelesen haben, da>> er ihm
unwillkürlich in die feder lloss? nur Ulrichs Lauzelet kann ernst-
haft in frage kommen, zwar steht der name auch in Eilbarts
Tristrant (s. die belege in Lichtensteins namensverzeichnis s. 17 Ij,
aber sein träger ist hier blofs eine episodische ßgur, welche nur
in einer kurzen parlie (5027 — 5484) erscheint, sodass sieb der
name dem gedüchtnisse ganz und gar nicht aufdrangt, da auf
die besondre form Walwein oder Walwan kein gewicht zu legen
ist, so ist unsre Schlussfolgerung diese : Hartmann rerdeutsehl
den namen Gauvain durch Gdwein, welche form ihm gehört und
erst seit dem Erek üblich wird; wäre Ulrich von ihm abhangig,
dann müste er nach allen gesetzen der Wahrscheinlichkeit eben-
falls Gdwein zeigen; zum mindesten wäre denkbar, dass er ein-
mal aus versehen Gdwein statt Wdlwein setzte, dieses fers
passiert ihm aber nicht, im gegenteil ist er in der namenssei
1 die Wolfenbüttlet Erekfragmenle i/-. 12, 261 anm.) -
// atiwan auch v. 1785 ein, indem sie den namen aua dem
hui. -ic bringen; liier möchte prof. Schrödei allerdings ei I
annehmen.
298 GRUHN
wenigstens was die erste worthälfte anbetrifft, durchweg einheit-
lich, dagegen trifft die annähme bei Hartmann zu, der zwischen
seine neue uamensform Gdwein zweimal die ältere Wdlwdn hinein-
mengt, unsinnig wäre es, anzunehmen, dass Ulrich mit dem in-
stincte für Hartmannsche Seltenheiten, den ihm die gegner seiner
Priorität zutrauen, die beiden ganz versteckten formen Wdlwdn
— sie sind so versteckt, dass noch Neumaier (n 23) und Hagen
(Zs. f. d. phil. 27,473) nur eine kannten — aus dem Erek sofort
herausgefunden und als bessere Verdeutschung des französischen
Gauvain Hartman us Gdwein vorgezogen habe.
Eine eingehude namenuntersuchung dürfte für unser thema
noch manches brauchbare ergebnis liefern; ich will aber hier
nur noch einen Ortsnamen behandeln.
Neben Kardigdn (Lanz. 4949. 4983. 5162 uü.), für welches
aber im Erek (1101. 1112. 1151. 1197. 1798. 2853) Bech mit
recht die viersilbige form Karadigdn im anschluss an die hs. und
in Übereinstimmung mit Chrestien hergestellt hat, begegnet ein-
mal der name einer zweiten Artusburg, Karidöl.
Er. 7806 ff wir vinden in ze Karidöl
ode benamen ze Tintajöl.
bei Chrestien 5320 fehlt der name; im Iwein 32. 3066 treffen
wir ihn wider, und hier hat er im frz. Yvain v. 7 Carduel als stütze,
aber woher die form Karidöl! im Lanzelet, an dessen priorität
wir schon kaum noch zweifeln können, treffen wir ihn in dieser
Schreibung widerholt an : 2730. 4973 (vgl. auch la. von P zu 7035).
Fraglich bleibt es, ob die beiden erwähnungen der zauber-
kundigen Femurgdn im Lanz. und im Erek (Fdmurgdn) in irgend
einem zusammenhange stehn. im alten Lancelotroman spielt die
fee Morgain oder Morguein eine grofse rolle, sie ist die Schwester
des königs Artus und erst die freundin, nachher aber die un-
versöhnliche feindin der königin Ginover. als solche verfolgt sie
Lancelot, den liebhaber Ginovers, in jeder weise, bekommt ihn
endlich in ihre gewalt und hält ihn lange gefangen, als freundin
Merlins ist sie in alle geheimnisse der Zauberei eingeweiht (vgl.
zu dem allem Jonckbloet s. Lxxivff). wenn also Ulrich v. 7185ff
einmal vergleichsweise die fee heranholt:
dne Femurgdn die riehen
so enkund sich ir geliehen
kein icip von der ich ie vernam,
EREK UM) LANZELET
so brauchen wir nicht weiter zu fragen, woher er diese künde
hatte, anderseits aber kann diese spärliche notiz oicht etwa die
einzige quelle jenes langen excurses über Famurgan sein, den
llartmann im Er. 5150 — 5242 selbständig der darstellung seiner
tjuelle einfügt (Bartsch Genn. 7, 105). denn wenn es auch Dicht
viel tatsächliches ist, was llartmann bringt, so ist doch etwas
darunter, was er bei Ulrich nicht finden konnte : er weifs zwar
nicht, woher ihre Zauberkünste stammen (5172 ich enweiz wer
siz leite), aber er nennt sie richtig des küneges swester (5157).
Wird man hier vorsichligerweise jeden Zusammenhang ab-
lehnen, so bleiben doch im vorausliegenden beweise und kriterien
genug für das gesamtergebnis : nicht der Lanzelet ist vom Erek,
sondern der Erek vielmehr vom Lanzelet abhängig; Ulrich von
Zatzikhofen ist der Vorgänger Hartmanns von Aue!
Zu diesem durch negative kritik gefundenen resullate stimmt,
was als positive bestätigung gelten mag, der ganze Charakter der
Lanzeletdichtung aufs vortrefflichste.
Schon Ulrichs spräche verrät, dass er noch ganz im banne
der alten epik steht. Schilling, Mllaupt und besonders Schütze
haben das volkstümliche elemeut im Lanzelet seinem ganzen um-
fange nach übersichtlich dargelegt. Ulrichs epischer wort- und
phrasenschatz zeigt noch einen ausgesprochen archaischen Charakter,
auch gegenüber dem Erek, der doch unter den dichtungen Bartmanns,
wie man längst weifs, eine Sonderstellung einnimmt. Ulrichs spräche
ist noch sehr durchsetzt mit ausdrücken der nationalen diohtung
(Schütze s. 23). der dichter steht aber nah an der schwelle der
höfischen epoche, die von llartmann bereits überschritten i-t.
Zu dieser ansieht kommt man auch, wenn man Ulrichs in. -
trik ins äuge fassi. einen ersten anlanf zu ihrer Charakteristik
hat Neumaier gemacht : zu einer abschließenden Untersuchung
bedürfen wir unbedingt einer neuen ausgäbe. Neumaier zufolge
ist die poetische technik Ulrichs keine unbeholfene, 'im ganzen
sind die verse von gefälligem llu^s und bezeugen ein nicht un-
bedeutendes feingefühl' (i (i). Ulrich steht nach ihm aber Eilhart
und Veldeke, aber an die vollkommenheil Hartmanns reicht er
doch noch nicht ganz heran; denn 'vierhebige klingende ver*
gegnen im Lanzelet sehr oft', und hierin 'erinnert der *;
noch an die alte zeit' (i 7). Ulrich erhall also nuh hiei
seinen platz vor Hartmann.
300 GKUHN
Auch Ulrichs darstellungsart ist in dieser (rage vod hoher
bedeutung. wie Cervinus und VVackernagel darüber urteilen,
ist schon in der einleitung mitgeteilt, ich reihe hieran noch
einige andre meinungsäufserungen. WGrimm (Athis u. Proph. 371)
stellt Ulrichs Lanzelet, im gegeusatze zu Ilartmanus dichlungeu, neben
Eilharts Tristrant und Lamprechts Alexander, 'wo die darstellung
der ereiguisse noch ihr recht behauptet und dem gefühlsieben kein
solcher räum vergönnt wird', nach MHaupt ist Ulrich 'ärmlich in der
darstellung' (Jahrbb. f. w. kr. 14, 113). Schütze schreibt : 'nicht nur
im häufigen gebrauch altherkömmlicher formelu und ausdrücke be-
tätigt sich Ulrichs volksmäfsige natur, sondern auch in seiner
ganzen darstellungsweise, für ihn ist noch der alte künstlerische
standpunct malsgebend, dem zufolge die handlung im Vordergründe
des interesses steht, während das strengere höfische epos auf die
darlegung seelischer zustände und auf die beschreibuug von
gegenständen das Hauptgewicht legt' (s. 26). Goedeke erklärt (i 84) :
'Ulrichs darstellung ist nicht darnach angetan, als ob er durch
Hartmanns manier gebildet wäre, der stoff ist ihm offenbar ein
neu entdeckter, dessen er nicht sonderlich meister geworden',
treffend ist auch die Charakteristik, die JBaechtold in seiner
Schweiz, litteraturgesch. s. 90 gibt : 'von einer Vertiefung des
überlieferten rohen Stoffes keine spur, dagegen zeichnet sich das
gedieht durch einfachheit der erzählung, klarheit und knappheit
der darstellung aus. der deutsche Übersetzer verharrt ganz auf dem
altmodischen slandpuncte der frühern Spielmannsdichtung, nach
welchem die handlung die hauptsache ist; von der Schilderung
seelischer Vorgänge, von der descriptiveu weise des strenghöfischen
epos ist er noch weit entfernt, an seinem werke lässt sich der
Übergang von der alten zur neuen kunstübung am deutlichsten
verfolgen'.
In diesem urteil sind, was doch sehr beachtenswert ist, alle
forscher einig, sie mögen nun anhänger oder gegner der ansieht
von Ulrichs priorität vor Hartmann sein, selbstverständlich beugt
sich auch Neumaier vor soviel autorität, aber er kann doch die
bemerkung nicht unterlassen, dass im Lanzelet eigentlich auch
eine sehr umfangreiche beschreibuug von 400 versen vorkommt,
die man wol der berüchtigten Hartmannschen beschreibuug von
Enitens pferd in 500 versen (7286 — 7766) vergleichen dürfte
(n 9). Neumaier meint damit die mantelepisode, die ihm so sehr
EREK UND LANZELET 301
misfällt, dass er sie missen möchte, wie kann man aber Ulrichs
Schilderung, die voll dramatischen lebens, voll bandlung und
Spannung ist, der langweiligen begeh reibung von Enitens pferd
vergleichen! ich möchte umgekehrt Neumaier den ganzen Lan-
zeletroman preisgeben und nur diese eine, hochdramatische Bcene
der mantelprohe zurückbehalten.
Es bleibt zum schluss noch übrig, die wahrscheinliche ab-
fassungszeit des Lanzelet festzustellen. Ulrich erzählt selbst
v. 9324 — 9349, dass er seine vorläge, daz welsche buoch von hm-
zelele, das nach G Paris Romania 10, 253 zweifellos nordfranzö-
sischen Ursprungs war, von Hugo vMorville erhalten1, und dass
dieser Hugo zu den geisein gehört habe, die um könig Richards
von England willen an den hof kaiser Heinrichs vr gekommen
seien, jener Huc vMorville ist nach dem Dictionary of national
biography 39, 168 unter den verschiedenen trägem des gleichen
namens höchst wahrscheinlich derjenige, welchen die haupi-
schuld an der ermordung Thomas Reckets trifft und der 1204
gestorben ist. es Tragt sich, wann die englischen geisein in
Deutschland eingetroffen sein dürften, gewöhnlich nimmt man
als zeitpunet den februar 1194 an, in welchen monat Richards
freilassung zu Mainz fällt2, es ist aber mehr als wahrschein-
lich, dass ihre ankunft um r> jähr früher anzusetzen ist.
schon iu dem vertrage zu Hagenau, mitte april 1193, zwischen
Richard und Heinrich vi wird des ersteren befreiung davon ab-
hängig gemacht, dass er 70000 mark zahle und für den res! des
lösegeldes geisein stelle (Rloch Forschungen z. poIitik k. Hein-
richs vi [Berlin 1892] s. 63). auch in dem Wormser rertrage
vom 29 juni 1193 heifst es : Alias quoque 50000 marcas dabü
imperatori et dtici Austriae, et pro Ulis ponet ohsides (Bloch
Richard, der seine freilassung aufs sehnlichste wünschte, bat
sicherlich die geisein so schnell wie möglich zur stelle geschafft.
in einem an seine multer gerichteten, aus BagenSU v. \\\ ;i|>i. 1193
datierten briefe (Rymer Foedera i 26) fordert Richard bereits aufs
dringendste die absendung der geisein, tu liberatio nostra per
1 9340 f in des geioalt uns vor erschein duz welsche buot
zelele — danach lial llv.Morville dein Dllich resp. dessen
das buch gewis nur geliehen and nicht etwa dauernd aul
besitz verzichtet (ESehrüder).
2 Bloch aao. TS : 4 Februar, nachmittags :f ohr.
302 GRUHN EREK UND LANZELET
absentiam obsidum et negligentiam vestram moram patiatur. sie
dürften also wenigstens teilweise schon im sommer oder herbst
1193 am kaiserlichen hofe angelangt sein1, hiernach könnte
Ulrich schon im j. 1193 die Übersetzung begonnen haben, da
nicht anzunehmen ist, dass man von dem französischen original
erst eine abschrift genommen hat, und da deshalb an Ulrich die
anforderung berantrat, die Übersetzung möglichst zu beschleu-
nigen, damit die hs. an Hugo noch vor dessen rückkehr nach
England zurückerstattet werden konnte, so kann man das jähr
1195 als das späteste ansehen, in dem der Lanzelet vollendet
wurde, diese datierung haben auch Koberstein (s. einl.), APeter
(Germ. 28, 131) und andre angenommen.
Hiernach ist die obere grenze für die abfassungszeit von
Hartmanns Erek bestimmt. Naumann, Fßech, Eggert und andre sind
also im irrtum , wenn sie die entstehung des Erek in die jähre
1192 — 93 verlegen; dagegen hat Lachmann (Eggert 6; Iw.4 s. 479)
mit der vorsichtigen datierung 'vor 1197' das richtige gewählt.
Unsre Untersuchung2 kommt, wenn ich nicht irre, gerade
zur rechten stunde, um einer neuen Verwirrung in der Chrono-
logie der Hartmannschen werke vorzubeugen, erst eben wider
hat Piquet Romania 28, 135 gegenüber Maxeiner sich für die
Priorität des Erek vor dem Lanzelet mit grofser Zuversicht auf
eine ganze reihe von gewährsmännern (Vogt, Golther, Piper,
Henrici, Martin [bei Wackernagel i 145]) berufen, und Saran im
neusten hefte der Sieversscheu ßeiträge 24, 36 macht den versuch,
den Ivvein vor 1189, den Erek noch höher hinauf zu datieren.
[Die weiterfuhrung der arbeit : 'Hartmann unter dem einfluss
Ulrichs' muss ich einem andern überlassen, es wird ihm , hoff
ich, nicht schwer fallen, auch die neuen gründe hinwegzuräumen,
mit denen jetzt Singer (Bemerkungen zum Parzival s. 81 f) den
Lanzelet gar unter den Wigalois herabdrücken möchte.]
1 anderseits wurden die geisein, wie ein brief Goelestins m an den
bischof Adelard vVerona (Rad. de Diceto ed. Stubbs n 119, Rymer Foedera
i 28) zeigt, bis in den sommer 1194 zurückbehalten, damals verlangte der
papst nachdrücklich ihre freilassung.
2 prof. ESchröder ist für die fassung mehrerer stellen mitverantwort-
lich, die arbeit wurde schon 1895 niedergeschrieben uzw. ziemlich flüchtig,
eine nachprüfung war erforderlich, und prof. Schröder hat sich ihr unter-
zogen, soweit es seine zeit erlaubte.
Berlin. ALBERT GRUHN.
WULPENWERT UND WÜLPENSAND.
Das local der sagenhaften küstenschlacht, in welcher Betel
seinen tod findet, ist durch JGrimm Zs. 2,4 als die landschall
Wulpia festgelegt worden : die gegend an der Scheidemündung,
die heimat der homines Wulpingi einer Urkunde von 1190, da
wo noch karten des 14 und des 17 jhs. (bei Ploennies) einen ort
Wulpen kennen, und auch in der etymologischen deutung des
Ortsnamens scheint man sich sicher zu fühlen; ich habe we-
nigstens bei deutschen forschem noch keinen protest gegen die
landläufige auffassung gefunden, die zuletzt Martin kl. ausg. s. xxix
widergibt: 'Strand der Wölfinnen'1, richtiger wäre wol zunächst
'Strand der wölfin', denn in derartigen Ortsnamen pflegt der name
des (grofsen) tieres in der alten spräche und vielfach auch noch
heute im sing, zu stebn : also Wolfsberg, Schweinsberg, Heninberc
O üenneberg), Arnsberg, Rabensberg. das fem. will ich an sieb
nicht anstofsig finden; so gut wir neben Fuchsicinkel (Voswinkel)
auch Vohenwinkel, Vohwinkel haben usw., könnte etwa einem
* Wolfeswert (falls es den gäbe) auch ein Wülpenwert zur seile
treten, nur freilich scheint mau sich niemals überlegt zu haben,
dass die gegend um die Scheidemündungen zu keiner zeit ein
aufeuthalt für wölfe gewesen ist, ja dass überhaupt ein sandiger
wert wenig geeignet scheint, nach diesem raubtier benannt zu
werden.
Die richtige erkläruug hat schon vor jähren JteWinkel in 8.
Geschiedenis der nederlandsche letterkunde i (1887) s. 35 n.
geben, indem er auf den 'an der friesischen küste sehr bekannten'
namen eines oder vielmehr zweier Strandvögel hinwies ; 'numenius
arquatus' de groote wulp, 'numenius phaeopus' de kleine wulp ol
regenwulp; er verweist dafür auf HSchlegel Geweryelde dieren,
Vogels s. 182 IT. da die mir zugänglichen nieder), lexica und idiotika
das wort nicht enthalten, so bin ich auf JANaumanns Naturgesch. d.
vögel Deutschlands bd vin (1836) s. 478. 506 angewiesen : diesei
gibt ua. als deutsche di. niederdeutsche na D Für beide brach-
1 an eine andre erklärung (etwa wulp nl. = toelp 'catulus
Piper zu denken, wenn er in 8. ausgäbe B. \i i behaupte!
ist jedesfatis niederdeutsch', auch Bartsch freilich hielt (Kudru
p in Wülpenwert fflr 'niederdeutsch', und bei ihm wai es i
den er spater erkannt hat.
304 SCHRÖDER WÜLPENWERT UND WÜLPENSAND
vogelarten regenwölp, -worp, -wulp, aufserdem citiert er s. 478
für den groflsen brachvogel, 'numenius arquatus', Sepp Nederl.
vog. ii 109 graauwe wulp, s. 506 für den kleinen oder regen-
brachvogel, 'numenius phaeopus', ebendaher iv 305 de kleine regen-
wulp. auf deutschem bodeu sclieinl nur noch das compositum
regenwulp uä. vorhanden, das auch als regenwolf umgedeutet wird
(DWb. viii 526). bei ten Doornkaat-Koolman in 24 find ich regen-
gilp, regen-wilp, mit einem hinweis auf Dähnert (Pommern, 1781):
regenwölp. wer die Schilderung der brutstatten dieses strandvogels
in den diinen der deutschen und holländischen nordseeküste bei
Naumann s. 498 gelesen hat, wird nicht mehr zweifeln, dass es
eben der grofse brachvogel ist, dessen friesisch -niederdeutscher
name an dem Wülpenwerde und Wülpensande haftet.
Ein litterarisches vorkommen des 'numenius arquatus' in der
altgerm. poesie ist bisher nicht als solches erkannt worden, es
findet sich in der ags. elegie vom Seefahrer : der Seefahrer
nennt uns die geräusche und insbesondere die vogeltöne, die ihm
da draufsen den geselligen lärm der menschen ersetzen müssen:
ylfete song (19), ganetes hleopor(20), maew singende (22), dazwischen
v. 21 and huilpan siveg fore hleahtor wera.
Grein Sprachsch. n 110 begnügt sich damit, das wort als dunkel
zu bezeichnen, Rosworth-Toller 565 bringt — offenbar verleitet
durch Grein, der es mit hu- statt hv ins aiphabet eingestellt
bat, — die in jeder beziehung schaurige ansetzung ihü-ilpa . . .
the name of a bird so called from its note [cf. germ. uhu owl]'.
wie passt denn das zu der ganzen Umgebung : dyde ic me tö ge-
mene . . . hwilpan sweg fore hleahtor weral Sweet schließlich
(Stud. dict. of anglo-saxon s. 97) gibt eine vorsichtige erkläruug
('a sea-bird'), setzt aber ohne mir ersichtlichen grund im gegen-
satzzuGreins undBosworth-Tollers swm. ein l'em.hwilp(e) an, gegen
das das deutsche und niederländische masculinum protestieren.
Es dürfte den leser interessieren, dass auch ein kenner wie
Naumann die töne des wülp, die dem ags. Seefahrer offenbar be-
sonders anmutig klangen, mit wahrer begeisterung beschreibt, in-
dem er aao. s. 494 f fast zwei Seiten darauf verwendet, 'er hat
unter allen Sumpfvögeln die angenehmste stimme .... keiner
hält einen so tiefen ton , keiner flötet so eigentlich wie er. ...
seine abgerundeten, vollen, herlicheu töne sind wahren flöteu-
tönen zu vergleichen, und dabei so kräftig, dass sie bis in weite
ferne die luft erfüllen, sie haben für viele menschen einen eigen-
tümlichen, für den jagenden naturforscher aber einen hohen, un-
vergleichlichen reiz'.
Marburg. EDWARD SCHRÖDER.
RÜDIGER VON BECIILAREN UND DIE
HARLUNGENSAGE.
Für die sagengestalt des markgrafeo Rüdiger bat man bishei
vergeblich nach einer geschichtlichen anlehnung gesacht da ein
markgraf dieses namens, von welchem aufser dem epos seit dem
13 jh. auch gelehrte geschichtsconstrnction allerlei zu berichten
wüste, im hereich der bairischen Ostmark nicht aufzufinden war
(Dümmler Piligrim 9211', Waitz Jahrb. Heinrichs i 239, VG. ni 7 1
u. 4), hielt man seine geschichtliche herkunft Oberhaupt tu i
zweifelhaft und eine solche mythischen Charakters für um so
wahrscheinlicher, als auch gewisse momente seines Wesens und
seines auftretens diese auffassung zu unterstützen schienen (Lach-
mann Kritik 338, WGrimm HS.3 110, Müllenholf Zs. 10, 162.
30, 237 ff, Heller Bll. des ver. für laudesk. von Nieder- österr.
7,15111', vMuth W'SB. 85, 2651T). andern erschien Rüdiger im
allgemeinen als Vertreter der Ostmark innerhalb der deutschen
heldensage (WMüller Myth. der hlds. 32), specieller als ein die
doppelstellung des bairischen greuzadels vergegenwärtigender typus
(Lämmerhirt Zs. 41, 111), oder überhaupt als eine rein poetische
gestalt (Symons Germ, hlds.2 702).
Auch wenn in Rüdigers auftreten ein Übergewicht mythische!
motive anzuerkennen wäre, würde seine mythische herkimli noch
keineswegs erwiesen sein; seine Stellung in der beldensage aber
erscheint anderseits zu festgegründet, als dass die annähme eines
rein poetischen Ursprungs im schofs eines Zeitalters, welches
heldensage als geschichtliche Überlieferung naiv hinnahm und naiv
weiterbildete, innere Wahrscheinlichkeit beanspruchen konnte,
wenn nun zb. dicht neben ihm der letzte ThOringerkOnig im
epos (iN'ib. 2008, 3) als 'landgraf' erscheint, so ligl die mOglich-
keit nahe, dass auch Rüdiger seine markgrafenwürde einem naiven
versuch verdankt, seine Stellung den zustanden einer bestimmten
periode der sagenbildung anzugleichen, betör man daher auf eine
geschichtliche losung des Rüdigerproblems vollkommen fenicbtet,
dürfte die frage gestattet sein, ob denn die eigentliche belden-
generation, in deren mitte er erscheint und zu deren bauptver-
tretern er in festausgeprSgten beziebungea sieht, keinen Inhalt
für eine solche lOsung bietet
Z. F. l>. A. XLIII. N. F. XXXI.
306 MATTHAEI
i.
Versuchen wir der ältesten Überlieferung über Rüdiger so
nahe als möglich zu kommen, so ist zunächst festzustellen, dass
in der ältesten fassung der Thidrekssaga der herr von Bechlaren
(Bakalar) nicht Rüdiger, Rofiingeirr, sondern Rodulf, Rofoolfr, ge-
nannt wurde (de Boer Zs. f. d. phil. 25, 443 ff), was diese fassung
über Rodolf berichtete, lässt sich infolge der nicht überall mehr
klar erkennbaren Überarbeitung nur ganz im allgemeinen fest-
stellen, unzweifelhaft berichtete sie, dass Rodolf dem könig
Attila durch Überredung und list seine gattin Erka (Helche),
Osantrix tochter, zuführte und dadurch selbst deren Schwester
Bertha zur gemahlin gewann (cc. 43 — 56), dass er Dietrich nach
seiner Vertreibung durch Ermenrich bei der aufnähme im Hunnen-
lande Unterstützung gewährte (cc. 289. 290) , dass er zusammen
mit Dietrich im dienste Attilas sich an kriegsfahrten gegen sla-
vische Völkerschaften beteiligte (cc. 291 — 311), wobei er einmal
in gefangenschaft geriet (c. 293), endlich dass er an der spitze
von Attilas hilfsheer Dietrich auf dem feldzug gegen Ermenrich
begleitete (cc. 331—338).
Der erste Überarbeiter der ThS. liefs den namen Rofiolfr in
der Erka-Berthaepisode und im c. 293 ungeändert, ersetzte ihn
dagegen in allen übrigen partien durch Rofiingeirr (was ver-
sehentlich nur an einer stelle des c. 326 unterblieb, de Boer
aao. 444). er erweiterte ferner den altern bericht durch gröfsere
hervorhebung der besondern Verdienste dieses helden um Dietrich
und Hildebrand auf den östlichen feldzügen (cc. 297. 298) und
bei der Unternehmung gegen Ermenrich (vgl. cc. 334 und 338),
führte c. 289 Gudilinda als seine gattin ein und erzählte in der
Niflungasaga, die er hinzufügte, die geschichte seines Untergangs
(cc. 357. 368 ff).
Nach der ansieht de Boers (aao. 443) unterblieb die er-
wähnte namensänderung in der Erka- Bertha -episode, weil der
Überarbeiter wüste, dass Rüdigers gattin nicht Bertha, sondern
Gotelinde hiefs. wäre ihm aber die entfiihrung Helches durch
Rüdiger aus der oberdeutschen sage, mit welcher er sich sonst
durchaus vertraut zeigt, bekannt gewesen, so würde er kaum
austand genommen haben, nicht nur wie in den übrigen fällen,
Rofoingeirr einzusetzen, sondern auch Bertha in Gudilinda zu ver-
RÜDIGER UND DIE HARLUNGENSAGE
wandeln l. es scheint aber grund zu der annähme vorzuliegen,
dass den oberdeutschen quellen des ersten Überarbeiters Rüdigers
verdienst um die erwerbung Helches unbekannt war. wenn der
sagenkundige vf. des Bit., der Rüdigers umsieht sonst nicht ge-
nug zu rühmen vveifs, trotz zwiefacher gelegenheit dieser tatsache
zu gedenken (vgl. v. 345 und 376), darüber vollkommen schweigt,
so kann sie ihm nicht bekannt gewesen sein, da nun vermutlich
auch im c. 293 Rodolfs name deshalb nicht geändert wurde, weil
die oberdeutsche sage von einer gefangennähme Rüdigers nichts
wüste, so ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Überarbeiter
grundsätzlich nur in denjenigen partien änderte , wo ihm die
Identität der beiden hehlen unbedingt sicher erschien.
Dürfen wir also diese letztem partien der ThS. als beweis
dafür ansehen, dass in älterer zeit der herr von Bechlaren nicht
Rüdiger, sondern Rodulf hiefs, so darf doch kein zweifei obwal-
ten, dass auch der Rodolf der Erka-Berthaepisode (und des
e. 293) dem Rüdiger der mini, epen entspricht, dass auch er
(c. 43) seinen sitz in Bechlaren {Bakalar) hat, ist hierfür beweis
genug, aber auch die Vertrauensstellung, welche Rüdiger nach
der gesamten Überlieferung bei Helche, Oserichs (Osantrix) tochter,
einnimmt, tritt durch die in jener episode zwischen ihnen auf-
gedeckten beziehungen erst in ihr rechtes licht, ebenso erscheint
seine Sendung nach Worms, von wo er Etzels zweite gemablio
ebenfalls durch kluge Überredung heimführt, als eine nachbildung
seiner werbefahrt zu Osantrix2, wie denn überhaupt sein rühm
als botschafter (en goüe sendematür ThS. c. 47) in den Nib. und
besonders im Bit. vor allem durch jene glänzendste probe Beiner
umsieht und Zuverlässigkeit sich erklärt, vielleicht darf man end-
lich auch Dietrichs Verbindung mit Helches Dichte Herrad, welche
seine frühere gatlin Godelinda (ThS. c. 240) verdrängt, als ein
seitenstück zu Bodulfs Vermählung mit Helches Schwester aufTassen.
Mag nun auch die in cc. 43 ff der ThS. vorliegende einkleidung
1 dass er dies letztere zb. in c. 289 getan hat, dürfte deshalb wahr-
scheinlich sein, weil bei Dietrichs aufti hme in Bechlaren eine erwähne
RoSolfs galtin kaum zu umgehn war; danach hat c. 289 v.Timillich DUI
starke Umarbeitung erfahren und ist nicht (nach de Boer) gänzlich
schoben.
2 der in der altern fassung der ThS. c. 35t; hier n H
scheinende Osiö spielt dabei eine ganz passive rolle.
308 MATTHAEI
jener entführungssage verhältnismäfsig jung sein ], so dürfen wir
doch ihren kern als altertümlich in anspruch nehmen 2. die gründe
für das frühe verblassen dieser sage in Oberdeutschland werden
sich uns später ergeben.
Gerade diese episode aber gestaltet uns, soweit wir alten
sagengehalt in ihr voraussetzen dürfen, in Kodulfs ursprüngliche
Stellung innerhalb der heldensage einen wichtigen einblick. der
burgherr von Bechlaren steht hier dem künig Altila als mäch-
tiger Häuptling und freund gegenüber (mikiü hoßingi ok vinr Allila
konongs c. 43); erst nachdem er Erka gewonnen hat, empfängt
er, ohwol als 'mar greift' schon c. 43 bezeichnet, von ihm eine
herschafi (mikit riki i Hunalandi c.56). man darf daraus schliefsen,
dass die ältere sage eine lehnsrechtliche, dienstliche Unterordnung
Rodulfs unter Attila überhaupt nicht kannte. Rodolf steht Attila
ungefähr ebenso gegenüber wie Sigurd, dessen namen er sich
(c. 56 ff) bei Osantrix bezeichnenderweise beilegt, dem Gunnar;
er leistet ihm bei der erwerbung seiner gattin einen ähnlichen
dienst wie jener dem Burgunderkönig und trägt einen ähnlichen
lohn davon — aber auf grund eines freundschafts-, nicht eines
dienstverhällnisses. dasselbe mythische motiv, welches dazu diente,
die Siegfrieds- und Burgundersage zusammenzuknüpfen, setzte
hier Rodulf und Attila zu einander in die nächsten beziehungen.
diese Selbständigkeit Rodulfs gegenüber Attila weist darauf hin,
dass beide sagengestalten einander ursprünglich fremd gegenüber-
standen, vermutlich weil sie, ihre beiderseitige historische herkunft
vorausgesetzt, durch ein zeitliches auseinander getrennt waren,
welches die sage in ähnlicher weise wie bei Theoderich und Attila
zu überbrücken wüste.
Ergibt die ältere fassung der ThS. also nach dieser seile hin
keinen historischen anhält, so steht es nicht ganz so mit dem
freundschaftsverhältnis zwischen Rodulf und Dietrich, welches
schon der eigentliche sagaschreiber möglichst deutlich aus licht
zu setzen bemüht war.
Die gesamte heldensage hat Rüdigers ursprünglich isolierte
1 Heinzel WSB. 119,83 will in c. 55 ein motiv der französischen epik
finden.
2 an eine selbständige niederdeutsche Spielmannsdichtung, welche die
Rother-Osantrixsage umbildete (Symons aao. 701), vermag ich aus den an-
geführten gründen nicht zu glauben.
RÜDIGER UND DIE HARLUNGENSAGE
Stellung dadurch gekennzeichnet, dass sie ihn mit keinem andern
helden in blutsverwantschaft setzt; sie schweigt vollständig von
seinem vater; erst späte dichlung (Bit.) gibt ihm in Nudung einen
söhn (IIS.3 1120; aucn m'1 ^tzt'l kann er our künstlich in Verbin-
dung gebracht werden : um so beachtenswerter erscheint das in dei
gesamten Überlieferung zwischen ihm und Dietrich als bestehend
anerkannte Freundschaftsverhältnis, die älteste datierbare nachrii bl
über Rüdiger (um 1160) nennt ihn und den 'alten Dietrich' als
diejenigen beiden, welche die gegend an der Erlaf, db. Bechlaren,
berühmt gemacht hätten x. dies lässt darauf schliefsen, dass ihm
Rüdiger sein gastfreies haus nicht blofs bei seiner flucht geüffnel
hat. wie tief dies Verhältnis in der sage wurzelte, zeigt sich be-
sonders darin, dass es als bereits vor Dietrichs Vertreibung vor-
handen angenommen wird, wie ThS. c. 2S9 eilt Dietrich auch
nach dem anh. zum HR. (IIS.3 333) von Bern direct nach Bech-
laren, als oh er dort hilfe erwarten dürfte, auch in DD., wo ihn
Rüdiger auf hunnischem boden, in Gran, in empfang nimmt und
seine aufnähme bei Etzel vermittelt, ist diese freundschaft voraus-
gesetzt : beide helden kennen sich längst, sie küssen sich bei der
begrülsung, sie duzen einander und versichern sich ihrer gegen-
seitigen anhänglichkeit (v. 4741. 4748. 47SS ich und du wir sin
ein leben. 4790).
Wenn die sage dieses freundschaftsverhältnis als etwas ge-
gebenes, nicht erst zu motivierendes betrachtete, so legt dies den
gedanken nahe, dass wir das historische urbild Rüdigers — «venu
es ein solches gab — zwar nicht unter Attilas, aber docb unter
Theoderichs Zeitgenossen zu suchen haben werden.
Eingang in die heldensage kann aber auch dun — wie liu-
fried oder Günther — nur ein die Zeitgenossen nachhaltig er-
schütterndes ereignis, dessen mittel punct er bildete, verschaff!
haben, in seinem Untergang muss der grund seines fortlebens
in der sage zu suchen sein.
Allerdings haben wir nur eine und zwar »'in.' Verhältnis-
mäfsig späte iradition über seinen lod, diejenige, welche ihn mil
seinem dienstverhältnis zu Etzel und mit der Nibelungen«
Verbindung bringt (ThS. Nib. KL), es fragt sieh, ob Rfl
Untergang an der spitze seiner mannen die späte erfindung eines
1 Met. Tegerns. HS.3 49 : regia fhtmine nobiUt Brtaji '
tonibui eelebri, inclita Rogerii cumitis ro
310 MATTIIAEI
willkürlich schaltenden epischen dichters oder in alter überliefe-
rung hegriindet und durch die natürliche entwicklung der sage
in den jetzt vorliegenden Zusammenhang gebracht worden ist.
alle innre Wahrscheinlichkeit spricht für das letztere.
Für die grofsen schlachten der Völkerwanderung, welche von
der sage allmählich cyklisch zusammengefassl wurden, bot ohne
zweifei der dreijährige kämpf um Ravenna (491 — 493) den äl-
testen vereinigungspunct dar. der Untergang von Atlilas söhnen
in der schlacht am Nedao (Jord. 50), welche das Schicksal des
Hunnenreichs entschied, wurde zu einer episode der Rabenschlacht
(Heinzel WSB. 119,57); aus späterer zeit verschmolzen die kämpfe
der Amelunge mit den Griechen, die zt. ebenfalls um den besitz
von Ravenna geführt wurden, mit jenen frühern in dem grade,
dass der Griechenkaiser (Ermenrich) Theoderichs eigentlichen
gegner Odoaker verdrängte1, die hauptvertreter der Amelunge,
Wolfhart und Helferich, fallen nach ThS. c. 333. 334 in der
schlacht bei Gronsport, welche der Rabenschlacht der mhd. epen
entspricht; auch noch nach den darstellungen in Dfl. und Rab. ver-
liert Dietrich in diesen kämpfen den eigentlichen kern seiner mannen,
seitdem jedoch die Nibelungenkatastrophe den grofsen kämpfen
der heldensage einen neuen rahmen bot, löste sich ein teil der-
selben aus dem bisherigen Zusammenhang oder es bildeten sich
neue fassungen der alten sagenmotive : wider treten Helferich und
Wolfhart (neben dem der altern heldengeneration angehörigen
Hildebrand) als die ersten beiden der Amelunge nun im ver-
nichtungskampf mit den Burgundern hervor, wider findet der
erbe von Etzels reich seinen tod durch feiudeshand. wir sehen
keinen grund gegen die annähme, dass auch Rüdigers Vor-
läufer Rodulf nach einer altern sagenfassung in den kämpfen
vor Ravenna seine treue gegen die Amelunge mit dem tode be-
siegelte2, im Hinblick auf die Nibelungenscblacht bleiben in
Dfl. und Rab. Helferich und Wolfhart beim kämpf mit Ermenrich
verschont; ebenso behält schon in der ThS. Rodingeir bei Grons-
1 dieser kämpf schob sich in die geschichle Dietrichs, der als einziger
Vertreter seiner Schöpfung erbelos stirbt, ebenso ein wie der Untergang der
Helchesöhne in diejenige Etzels. vgl. auch WMüller Myth. der hs. 159.
2 dass die sage gerade Nudung, welcher nach ThS. c. 332 seinen tod
durch Witig ebenfalls vor Raben (Gronsport) fand, zu Rüdigers söhn machte,
dürfte vielleicht mit der erinnerung zusammenhängen , dass Rüdigers her-
schaft und geschlecht nach älterer Überlieferung eben dort ihr ende nahmen.
RÜDIGER UND DIE HARLUNGCNSAGE 311
port das leben, um zunächst noch einmal zwischen Dietrich und
dem hunnischen herscherpaare den Vermittler zu spielen und dann
hei dem kämpf mit den Burgundern gegenwärtig zu sein, wie
auch die notwendigkeit, Dietrich an diesem kämpfe teilnehmen
zu lassen, seine unmotivierte riickkehr zu Attila erklärt1, die
handgreiflichen Widersprüche aber in c. 338 der ThS., au! welche
de Boer (aao. 445) hinwies, haben die spuren einer altern Bagen-
fassung übrig gelassen, aus welchen hervorgeht, dass Attila
die nachricht vom tode seiner söhne ursprünglich nicht von
Rodingeir erfuhr — vermutlich weil dieser nach einer altern auf-
fassung überhaupt uicht mehr widerkehrte, jedeslälls lässt uns
der Untergang Rüdigers an der spitze seiner mannen, mag er nun
erst mit der INibelungenschlacbt oder schon mit der Rabeuschiacht
verflochten worden sein, auf den reflex eines geschichtlichen er-
eignisses schliefsen, welches, wie etwa der Untergang [rnfrieds,
mit der heldensage fühlung suchte und fand, so dürfen wir auch
in seinen 500 mannen, wie in den 600 mannen Dietrichs. (Im
1000 mannen Irnfrieds, die Vertreter desjenigen volksstamms sehen,
welcher dieser katastrophe erlag2.
Diesen ergebnisseu, zu welchen uns eine prüfung der äl-
testen erschliefsbaren Überlieferung führt, entspricht nun die ge-
schichtliche gestalt des Herulerkönigs Rodulf, eines zeitgen
Theoderichs, der ihn 'per arma' adoptierte, um ihn so lest als
möglich an sich zu ketten, nachdem dieser Rodulf in Oberungarn,
in derselben gegend, wo 60 — 70 jähre früher Attila den mittel-
punct seiner macht gehabt hatte, an der spitze der Heruler ein
1 die Edda (n und in Gudrunlied) kennt zwar Dietrichs aufentlialt bei
Atli, weifs aber noch nichts von seiner teilnähme am kämpf mit den Nif-
lungen.
2 das unbedingte verfügungsrecht, welches Rüdiger, obwol selbst ein
vasall Elzels ohne eigene allodien (1619, II. aber dieses ingesinde in an-
sprach nimmt, zeigt auch in den Nil>. noch die ursprüngliche selbst
keit seiner Stellung (vgl. 1095, I. 1206, 1. 1647, 1. 1 *-*:*«» , J. 2106, 1,
sonders 120(i, 1 : ich hän fünfhundert mannt- und otteh der ndge min).
aus der fremde kann er die^c mannen kaum mitgebracht haben (kl. 1111
der lantliute künne körnen niwan riben), wie er ihrer auch I
ausstattnng seiner tochter nicht gedenkt (1620), Bie können all
den lehen, die er seihst von Etzel empfangen hat (2094, '■'•■ 211
gestattet worden sein, unter diesen umstanden hat m •
Stellung, die ihn mit Dietrich, aber uicht mit den Q
auf gleiche stufe stellt, etwas befremdendes.
312 MATTHAEI
mächtiges reich begründet und die benachbarten Germanenstämme
zinspflichtig gemacht hatte, fand er gegen das jähr 512 mit dem
grösten teil seines Volkes in einer feblschlacht gegen den Lango-
bardenkönig Tato seinen Untergang, wodurch seine Schöpfung für
immer zusammenbrach.
Der parteiische bericht l'rokops l (B. Goth. n 14) und der
sagenhafte des Paul. Diac. (i 20) geben uns nur ein getrübtes
bild dieses herschers; als ebenbürtiges glied der germanischen
heldengeneration lernen wir ihn in dem schreiben Theoderichs
kennen, durch welches dieser ihn an sohnes statt annimmt2, es
heifst darin : per arma fieri posse filium grande inter gentes con-
stat esse praeconium, quia non est dignus adoptari nisi qui for-
tissimus meretur cognosci . . . et ideo more gentium et con-
ditione virili filium te praesenti munere procreamus : ut compe-
tenter per arma nascaris qui bellicosus esse dignosceris.
damus quidem tibi equos enses clypeos et reliqua instrumenta
bellorum : sed quae sunt omnimodis fortiora, largimur tibi nostra
iudicia 3. summus enim inter gentes esse crederis, qui Theoderici
sententia comprobaris , . adoptat te talis, de cuius gente tu potius
formideris. nota sunt enim Herulis Gothorum deo iuvante
solatia. nos arma tibi dedimus, gentes autem olim vir-
tutum pignora praestiterunt . . wenn Theoderich bei der
Plötzlichkeit der eintretenden katastrophe seinem adoptivsohn keine
hilfe gewährte, so spricht dies nicht gegen die festigkeit der ge-
knüpften beziehungen ; es steht fest, dass er flüchtigen Herulern
in seinem reiche aufnähme und Versorgung verschaffte (Var.iv45.
aao. 134). eine noch längere fortdauer dieser freundschaft würde
sich dann ergeben, wenn die nachricht des Jordanes (c. 3), nach
1 seine feindselige gesinnung gegen die Heruler erhellt auch aus
B. Vand. ii 4; vgl. auch Zeufs 480.
2 Cassiod. Var. iv 2 (Auct. antiqu. xii 114). dass das regi Erulorvm
der Überschrift (wie auch in dem schreiben in 3) sich nur auf Rodulf be-
ziehen kann, ist allgemein angenommen (zb. von Ranke Weltgesch.iv 1,444).
die 'adoptatio per arma' wird auch Var. vm 1 und 9 (aao. 231 und 239)
erwähnt. Theoderich war von kaiser Zeno in derselben weise adoptiert
(Jord. 57). er selbst sante in diesem sinne auch dem Suebenkönig Remis-
mund warfen (Isid. Hist. Goth. c. 90). zur sache vgl. Paul. Diac. i 23. 24,
auch iv 38 und vi 53.
3 iudicium = 'sententia regis, vox sollemnis in dignitatibus confe-
rendis' (Mommsen aao. 554).
RÜDIGER UND DIE HARLUNGENSAGE 313
welcher ein aus Skandinavien stammender könig namens Rodvulf
nach freiwilligem verzieht auf sein Königreich am bufe Theude-
richs eine Zuflucht fand, sich auf den Herulerkönig dieses namens
heziehen liefse I; angesichts der bestimmten angäbe Prokops (n 1-Jj,
dass der letztere in der feldschlacht seinen tod gefunden habe,
scheint jedoch diese möglichkeit ausgeschlossen 2.
Rodulfs identität mit dem Rodolf der ThS. wird aber vor
allem durch die Verbindung des letzleren mit der bürg Pecblam
bewiesen, welche noch im 9 jh. den Herulernamen trug, denn
die in einer urk. des Jahres 832 3 an der milndung der Erlaf er-
wähnte Herilungoburg , deren feste gewölbe man noch beute in
den baulichkeiten des Schlosses von Pechlarn widerzufinden glaubt
(Keiblinger Gesch. von Melk i2 73), kann ihren namen nur von
den Herulern empfangen haben.
Auf der Weltkarte des Houorius im 4 jh. erscheint der He-
rulername im norden der mittlem Donau zwischen Markomannen
und Quaden (Müllenhoff DAk. in 221. 312). wenn nun aueb die
grofse masse dieses volkes auf dem linken Douauufer verblieb
und hier im anfang des C jhs. unter Rodulf jenes grofse Heruler-
reich (Herolia Paul. Diac. i20) begründete, so traten doch im laufe
des 5 jhs. sehr bedeutende teile dieses 'flüchtigsten' aller deutschen
stamme (Zeufs 476) nach Noricum über (vgl. Paul. Diac. l 19).
bildeten doch die Heruler die hauptslütze Odoakers, der selbst
(Jord. 46, Paul. Diac. aao., epit.) als konig der Turcilingen,
eines den Herulern nabverwanten volkes bezeichnet wird (Aschbach
Gesch. der Heruler s. 9). ums jähr 477 zerstörte ein Heruler-
haufe Salzburg (Eugipp. Vita Sever. 24), in dessen nahe noch
heute das dort' Hörlfing, im 8 jh. Herolvinga (Förstemann u"750,
vgl. Heller aao. 154) ihren namen bewahrt, ebenso zeigt das
verbrüderungsbuch von SPeter in Salzburg widerholt die namen
llarilunc, Herilunc uä. (Förstemann i 617). in Noricum ripense
weisen so zahlreiche spuren dieses namens in das Erlafgebiet,
speciell in die umgegend von Pechlarn, dass man eine geschl
1 über diese controverse vgl. bea lers rGntschmid in .lalni- Jahrb.
der phil. 85, 124 gegen die »on Schirren uritl Aschbach behau] ■
tat der beiden Rodulfs, auch Möllenhofl acheidel beidi
n 57 iii.
■ nach Edict. Rothar. (praef.J tötete ihn könig I
3 .Mon. Bo. 2S\ 21 : ubi antiquitu* cattrum fuit q
hingobvrg. — IVz Thea. tom. i pars, m 16 hat Hartwti
314 MATTHAEI
ansiedelung von Herulern in der nähe des römischen castells
Arelape (Erlaf) und des anliegenden Donauhafens Augusta Praeclara
mit Sicherheit voraussetzen darf1, neben der Heriluugoburg, für
welche eine mythische beziehung auf die neffen Ermenrichs we-
nigstens denkbar wäre, erscheint in einer Urkunde von 853 auch
ein HeiilungoveW2, bei welchem wir nach einer solchen beziehung
vergeblich suchen3, es sind die heutigen Harlandwiesen, so ge-
nannt nach dem dorfe Harlanden bei Pechlarn, welches also noch
heute den alten Stammesnamen bewahrt 4. ein zweites Harlanden
finden wir oberhalb Pechlarn an der Erlaf (bei Blindenmarkl),
ein drittes Harlanden Östlich Pechlarn unweit SPölten (Keiblinger
aao., Förstemann n2 750). auf der sog. fränkischen Völkertafel
(um 520) ist nach dem Zusammenbruch von Rodulfs reich der
Herulername bereits verschwunden (Miillenhoff DAk. m 331), und
die norischen bestandteile dieses volkes waren den Markomannen
zu schwach, um auf die bilduug des bajuvarischen Stammes we-
sentlichen einfluss zu gewinnen (vgl. Riezler Gesch. Baierns
i 15; Bachmauu WSB. 91,829), dennoch wird man bei den
dortigen Herulern die fortdauer selbständiger sagenüberliefe-
rungen ebenso voraussetzen dürfen, wie bei den resten der
Goten in Südtirol (Waitz VG. i 9 n. 3) oder der Skiren in Steier-
mark5, dass die erinnerung an den mächtigen könig Rodulf
und das jähe ende seines reiches und seines hauses bei den
resten der Heruler, wenn auch in andrer form, ebenso fortlebte
wie noch zwei bis drei jhh. später bei den Langobarden ü, ist
ebenso verständlich wie die Verlegung seines sitzes nach der alten
römerfeste bei Pechlarn, welche augenscheinlich den mittelpuuct
1 es ist beachtenswert, dass die Vita Sever. nirgends mehr dieser Ort-
schaften als römischer Zufluchtsstätten gedenkt.
2 M. B. aao. 48; Pez aao. 22 Havlungevelt (rebus quae yertinent ad
Erlaffa et in H.).
3 Heller aao. 154 vergleicht das 'Herulerfeld' mit dem 'Rugierfeld' in
Kärnthen (Ruginesvelt, Förstemann n2 1269, der diesen namen aber von
einem nom. pr. desselben Stammes ableitet).
4 Keiblinger aao. 43. es ist vermutlich dasselbe 'velt', auf welchem
Nib. 1599 die knechte der Burgunder ihr lager aufschlagen.
5 über das fortleben der Wulfingensage bei den nachkommen der Skiren
vgl. JGrimm Gesch. d. d. spr. i3 327, Mone Teutsche hlds. 16fT.
6 soeben liefert Brückner Zs. 43, 55 den erwünschten nachweis, dass
dem bericht des Paul, über Rodulfs tod ein deutsches lied über die kämpfe
der Langobarden mit den Herulern zu gründe gelegen haben muss.
RÜDIGER UND DIE HARLÜNGENSAGE 315
ihrer ansiedelungen, eine Zeitlang vielleicht den wohnsitz eines he-
rulischeu fürslengeschlechts bildete (vgl. auch Dümmler aao. 1 92
D. 17). die Verlegung von Hagens wohnsitz nach Tournay (Tronje),
dem alten hauptort der salischen Franken, wäre hierzu ein
sprechendes Seitenstück (WMüIIer Mylh. d. hs. 51).
Rodulfs Freundschaftsverhältnis zu Dietrich entspricht sowol
der geschichte wie den nahen beziehungen der von beiden
herschern repräsentierten germanischen stamme, sein wohnsitz an
den grenzen des spätem Avarenreichs ermöglicht zugleich einen
bequemen auschluss an den hunnischen Sagenkreis; dennoch gehörl
er ebensowenig schlechthin der Etzelsage wie der Dietrichsage an.
Bei seiner ursprünglich isolierten Stellung darf es durchaus
nicht befremden, dass ihn weder die Eddalieder noch die ältere
Walthersage am hofe Etzels kennen, vielmehr, da sein aul-
treten an Pechlaru geknüpft ist und seine engere Verbindung
mit dem Hunnenreich den begriff der markgrafschaft voraussetzt,
werden wir diese Verbindung keinesfalls vor dem ende des
8 jhs., vor begründung der avarischen mark, ansetzen dürfen,
inzwischen war unter der fast zweihundertjährigen Avarenber-
schaft die alle Ilerilungoburg jedesfalls in trümmer gesunken
(tibi antiquüus castrum fuit, qu. d. H.), fremdsprachige be-
vülkerung hatte sich in der verödeten landschaft eingenistet (nun
Sclavis ibidem commanentibus in d. urk. v. 832), und nach einem
Jahrhundert legte eine neue 50jährige barbarische Überflutung die
deutsche cultur dieser landschaft abermals brach, es konnte
nicht ausbleiben, dass iu diesen zeiten die alten ethnologischen
grundlagen der bajuvarischen sagen, zb. die kämpfe der Heruler
mit den Langobarden, allmählich in Vergessenheit gerieten, dass
die uameu selbst sich verschoben und von Westen her die Nibe-
lungensage allmählich alle alten sagenreste in ihren bereicb sog
Der verlust der altern Überlieferungen seigl Bicb beson-
ders in dem kritiklosen bestreben, die ältere geschichte des
landes mit den Goten in Verbindung zu bringen (Ddmmler aao. 92
so localisierte man in Göttweih (bei Mautern), dessen Damen
man von den Goten ableitete, wegen einer dortigen alten
1 Riezler Gesell, Baierns i 822 macht darauf aufmerksam,
die Donau als nonifirenze Baierns ansehen, ein verhälti
744 und 831 würklich bestand, dies weiat auf die \
in Baiern im '.) jli.
316 MATTIIAEI
einen gotischen beiden Gotefridus (Vita Altmanni c. 26). 'Gotele
der marcman' wird eine vielgenannte localfigur der österreichischen
sage (Bit., Dfl., Rab.). da sich aber der historische Gotenname
am längsten in Spanien erhalten hatte, so brachte man die ein-
heimischen sageuheldeu zugleich mit diesem lande in Verbindung.
Biterolf und Dietleib, als Goten schon durch ihre verwantschaft
mit Dietrich gekennzeichnet, führen schliefslich ihr ganzes volk
aus Spanien nach Steiermark (Bit. 133861). auch der vogt von
Bechlaren erhält an stelle der in Vergessenheit geratenen mythi-
schen schwester Helches eine gotische gemahlin, Gotelinde, die
sowol mit Dietrich als mit Dielleib verwant ist (HS.3 116. 139),
ihn selbst liefs man dann aus Spanien — dem arabischen Spanien —
als flüchtling nach der Donau kommen (Bit. 751. 4107. 8958),
man legte ihm den Westgotennamen Roderich bei (Dümmler
aao. 94), bezeichnete ihn geradezu als 'Goten' (ib. 192). diese
gotisierung des landes unter der Enns wird etwa im letzten drittel
des 10 jhs. eingesetzt haben, als nach zurückdränguug der Ungarn
die Ostmark wider hergestellt wurde, wenn im 9 jh. der name
Heriluugoburg noch in der erinnerung erhalten war, um seitdem
vollkommen zu verschwinden, so wäre immerhin möglich, dass
auch der name Rodulf hier zwar die avarische invasion über-
dauerte — nicht aber die magyarische; die letzten spuren jener
frühern sagenschicht finden wir so nur noch in den niederdeut-
schen quellen der ältesten fassung der ThS. spätestens nach der
widerherstellung der Ostmark im 10 jh. dürfte Rüdiger ganz an
Rodulfs stelle getreten sein, um 980 finden wir einen grafen
Rüdiger, des grafen Markward bruder, in Tuln : die zwischen
beiden uamen vorauszusetzende ideenverbindung lässt vermuten,
dass damals auch der name Rüdiger im sinne von 'grenzwart'
geläufig war1, der weitruf, welchen dann die normannischen
träger dieses namens im 11 und 12 jh. gewannen2, umgab wol
auch den österreichischen neiden mit einem gewissen uimbus.
als Rogerius comes bezeichnet ihn unser ältestes Zeugnis (HS.349),
sein ross erhält einen normannischen namen (Poimunt Kl. 1426),
auch seine beziehungen zu den Arabern erinnern an das halb-
arabische reich der unteritalischen Normannen.
1 dieses brüderpaar nimmt Heller aao. 155 f für die Eppensteiner,
Lämmerhirt aao. 20 mit mehr Wahrscheinlichkeit für die Aribonen in an-
spruch. - vgl. den Roditigeirr af Salerni der ThS. c. 1 ff.
RÜDIGER und DIE HARLUNGENSAGE 317
Die frage, wie jene namensverschiebung eiotreteo konnte,
ist im gründe vou untergeordneter bedeutung. wie Sifrii um!
Sigurftr, Ge'rnöt und Gutpormr (Godomar), so Btehn auch /•' <<
und lloüolfr nebeneinander — zwei nordgermanische namen,
für die wir in Österreich und Baiern die gleiche Vorliebe wahr-
nehmen l. nebeneinander erscheinen aucli im Widsid \. 1."» als
geschwisterkinder die dänischen künige Hrüpvulf und Hrößgär.
es ist möglich, dass auch dem Rodulf der sage von anfaag an
ein Rodgar zur seite stand2, doch dürfte es kaum nötig Bein, zu
einer solchen annähme seine Zuflucht zu nehmen.
Fester als der name behauptete sich durch den Wechsel der
zeiten die Verbindung dieses hehlen mit der bürg vou Pechlam.
denn die annähme, dass diese bürg würklich einmal, im 10 Jb.,
sitz der markgrafen der Ostmark gewesen sei, i>t mit der tat-
sache unvereinbar, dass bürg, Stadt und umgegend seit dem 9 jh.
im besitz des Stiftes Regensburg verblieb (Keildiuger aao. i2 73)
und durch die immunität vor dem eintritt königlicher beamten
geschützt war3, ferner erhielt sich seil dem G jh. die Überlieferung
von seinen beziehungeu zu Dietrich (HS.3 49).
Aus der rolle eines hilfsbereiten beschützers, welche ihn die
sage seinem freunde gegenüber spielen liefs, seitdem die flucht
desselben zu Elzel feststaud, erklärt sich das lob der Freigebig-
keit, welches schon Spervogel (MFr. 26, 1.2) ihm spendet, ihr
entspricht seine treue gegen Etzel , welche diesen emportr&gl
aham die veder tuot der winl (Kl. 1021). diese eigenschafleo
gaben der dichlung eine ausreichende grundlage Mir ethischen
Vertiefung seines wesens. so wie Rüdiger jetzt im epoa vor uns
steht, als ritler ohne furcht und lade!, i>i er im wesenüichen
eine Schöpfung des 12 jhs., welches die Forderungen und begriffe
des lehnswesens in allen ihren consequenzen ausprägte, in dei
arglosen treuherzigkeit, die ihn schließlich ins verderben BtOrzt,
dürfte aber die sage bewust oder unbewust zugleich einen zug
1 vgl. Förstemann ua 792 f ; üroäolvingm, Ruotbhingen, llrmlolfn-
husiin usw. in Baiern, Ruadkertdorf in Österreich, doch lach //■
in Haiern.
2 leider verschweig! am Paul. Diac. d SO) de« Mi
Kodulfs, dessen treulose ermordang darch eine locht I
dein unglücklichen krieg der Heruler mit den I mg« bai l<
3 was Bädingei <>-i<rr. geacb. i 466 ffli dk v
doch nicht aus dieses bedenken ^u entkril
318 MATTHAEI
österreichischen wesens vergegenwärtigt haben , welcher seinem
Charakter eine beimischuug landschaftlicher besonderheil verleiht.
n.
Die localisierung Rüdigers auf Herilungoburg hat bekanntlich
der mythischen erklärung dieser sagenfigur zur wichtigsten stütze
gedient, da die ahd. Herilunga denselben namen führen wie die
ags. Herelingas (Widsid v. 112) und die mhd. Harlunge , so hat
man wie den namen der bürg so auch Rüdiger selbst mit der
Harlungensage in Verbindung gebracht, deren rein mythischer und
zwar alemannischer Ursprung seit Müllenhoffs aufsatz über Frija
und den halsbandmythus (Zs. 30, 217 ff) im ganzen als gesichertes
ergebnis der neuern sagenforschung gilt (Heinzel WSR. 119, 5.
Jiriczek Dtsche. hldss. i 110 ff. Niedner Zs. 42, 253. 257. Symons
in Pauls Grdr. n2 616. 621. 685). in der tat bedarf der Zusammen-
hang der Herilunga von Pechlarn und der Harlunge der sage
einer aufklärung, ohne welche die von uns versuchte lösung des
Rüdigerproblems nicht allseitig befriedigen dürfte.
Die identität der Harlunge mit den Herulern ist bereits von
JGrimm (Gesch. d. d. spr. i3 330) behauptet worden, dem sich
andre angeschlossen haben1; auch Müllenhoff, der sich später
(Zs. 30, 222) so schroff dagegen aussprach, hat sich dieser an-
nähme früher zugeneigt (Nordalb. stud. i 122 n. 3) 2. die latei-
nischen quellen kennen zwar nur die form Heruli, wie ent-
sprechend Amali, dass aber die patronymische form daneben schon
früh im gebrauch war, wird besonders durch die eigennamen
Harilunc, Herilunc, auch Herulinc, neben welchen das eponyme
Heril viel seltner erscheint, wahrscheinlich gemacht3, wenn nun
der name Harlunge nicht ethnologischen, sondern mythologischen
Ursprungs wäre und mit dem kriegerischen wesen des diosku-
1 Mone hlds. 84. Rieger Zs. 9, 20t. WMüller Myth. d. hlds. 170. Förste-
mann i G17. n2 750.
2 von den historikern halten Keiblinger aao. 43 und Heller aao. 154
die österr. Herilunge für Heruler; auch Büdinger (Österr. gesch. i 465 n. 3)
und Lorenz (Drei bücher gesch. u. pol. 628), welche Rüdiger für eine my-
thische figur halten möchten, äufsern sich skeptisch gegen die mythische
ableitung des namens Herilungoburg; auf einen träger des eigennamens Heri-
lunc lässt sich aber mit ihnen der name des orts wegen des gen. plur. Heri-
lungo nicht zurückführen.
3 Förstemann i 617. Mone aao. vgl. den fingierten Harelus als vater
der Harlunge (Zs. 15, 312) neben Härtung (anh. d. HB. HS.3 331).
RÜDIGER UND DIE BARLUNGENSAGE :;pi
rischen Zwillingspaars zusammenhienge (Zs. 30, 219) ', so mn
zunächst befremden, dass wir ihn eben dort, wo auch historische
Zeugnisse uns herulische Wohnsitze vermuten lassen, zb. in ihr
umgegend von Salzburg, besonders zahlreich antreffen , während
dieser name gerade da, wo der Flarlungenmythus entstanden Bein
soll, im Oberelsass und Breisgau, in älterer zeit nirgends nach-
zuweisen ist. denn was die quellen über ein im Breis^au an-
sässiges geschlecht oder volk der Harlunge berichten, kommt, als
der sage entlehnt, ebenso wenig in betracht, wie das Harlunge-
lant des Bit. (4594. 10683) oder das Aurlungaland der ThS. 274;
der familienname Härtung aber tritt in Freiburg erst im spätem
ma. auf (Mone 81). auch in ganz Alemannien linden wir nur
sehr wenig namensspuren dieser art, während sie in Baiern ver-
hältnismäfsig zahlreich sind (Mone aao.). Ortsnamen dieser art,
welche im Südosten ebenfalls in grüfserer zahl begegnen (Förste-
mann lla 742), fehlen im südwestlichen Deutschland gänzlich.
ebensowenig lässt sich aus dem Verbreitungsgebiet der namen der
beiden Harlunge Ambrihho (der 'unermüdliche') und Frltilo
('Schönle' Zs. 30, 222) eine locale beziehung auf Alemannien er-
kennen (Förstemann i 80. 423).
Für die ethnologische grundlage des Harlungennamens sprich!
nun auch der zuerst i. j. 1166 (aber noch 1632) erwähnte
'■Harlungeberg' bei Brandenburg (HS.3 490). wir linden in zwei
der besten codd. Adams von Bremen (l und 6) über dem namen
der in dieser gegend ansässigen Hevelli, germanisiert Heveldi, daa
superscriptum vel Her uli (MG. Script. wn 312), eine glosse, die von
hier aus in den text des Annal. Saxo a. 983 und Helmold i 2
übergegangen ist. der gelehrte geistliche, der sie in den teil
Adams hineinbrachte, kann auf jene identificierung nur durch das
vorkommen des Harlungennamens im Havelgau gebracht worden
sein2, veranlassten doch diese havelländischen Harlunge auch den
1 auch KMeyer Dietrichs. 32 leitete den namen Uartune \
und verwarf die identität mit den Herniern, wobei <i die von JGrimm >nf-
gestellte ableitung (von got. hairtu) als zutreffend voraussetzte, scho
B. 47t) aber leitete den namen richtiger von Bgs. eorl, alto. fori i
auch Aschbach s. 9), womit die von I>id. flispal. gegebene Übert
mini' stimmt, vgl. Maack Germ. 4, 399.
- schon Gondling De Heim. auc. 159. 161 behaupte
angäbe Helmolds die Identität der Hernier und Harlunge, Befll
Brandenbi*. 25.
320 MATTIIAEl
Pegauer aonalisten, den vater der Harlunge nach Brandenburg
zu versetzen (HS.3 55). die locale tradition wüste dieses erscheinen
der Harlunge au der Havel — auch der ortsname Harlungate er-
scheint hier ende des 12 jhs. (Heffter aao. 25) — nicht anders zu
deuten, als dass sie eine ahteilung der Breisgauer Harlunge, die sie
als volk auffasste, als von Karl d. Gr. angesiedelte grenzwächter hier-
her versetzte (Heffter aao. 25; vgl. HS.3 490). daran ist schon
deshalb nicht zu denken, weil Heinrich i hier nur Slaven vorfand
(Slavos qui dicuntur Heveldi Widuk. i 35). dass die germanischeu
eiuvvanderer, welche nach der mitte des 12 jhs. diese gegend be-
siedelten, den namen erfunden hätten, ist schon deshalb un-
wahrscheinlich, weil der cod. 6 Adams vielleicht noch dem 11,
spätestens dem aufang des 12 jhs. angehört; auch würden die Ann.
Pegav. in diesem falle schwerlich noch im 12 jh. aus einem so
jungen namen derartige folgerungen gezogen haben, vielmehr ist es
wahrscheinlich, dass nach dem abzug der Semnonen würkhch ein
teil der Heruler in den Havelgegenden seinen sitz nahm (Asch-
bach 36. Müllenhoff DAk. m 313). der name 'Harlungeberg' lässt
also nicht auf einen schatzberg — man wüste nicht, wie man
hier auf eine solche Vorstellung hätte geraten sollen — sondern
auf einen alten, vielleicht schon von den Semnonen1 benutzten
opfer- und versammlungsplatz der Heruler schliefsen, der bei den
einwandernden Slaven wie bei den Germanen den ruf einer ge-
wissen heiligkeit behauptete (hier stand ein slavischer tempel, an
dessen stelle später eine Marienkirche trat), germanische namen
haben sich innerhalb der slavischen bevölkerung in noch gröfserer
entfernung erhalten (vgl. Bügen, Bügenwalde, Meklenburg, Müllen-
hoff DAk. ii 372); in den slavisch- deutschen grenzlandschaften
zeigen nicht nur die flüsse Spree und Havel (Müllenhoff aao.),
sondern auch der name Brandenburg germanischen Ursprung2,
die Brennen, Brenten oder Brendinge, nach welchen die Ortschaft
vermutlich von anfang an heifst, sind ein mit den Herulern so
eng verbundenes volk, dass sie mit diesen identificiert werden und
1 wie ein solcher zb. oberhalb Brandenburg unweit Nedlitz bei Pots-
dam erhalten ist.
2 die ältesten Zeugnisse haben bereits den namen Brennaburg oder
Brandenburg, Heffter 27 anm. 3, Österley Gesch. geogr. lex. d. mas. 84.
gegen die gewöhnliche ansieht, dass der name aus slav. Brennibor = 'wol-
befestigte Waldgegend' germanisiert sei, erklärte sich schon Buttmann Deutsche
Ortsnamen 69. ,
RÜDIGER UND DIE HARLUNGENSAGE 321
wahrscheinlich als eine Unterabteilung dieses Stammes zu be-
trachten sind !.
Als gesichert darf jedesfalls die tatsache gelten, da>
schichtskundige geistliche des 11 und 12 jhs. über die identitai
der Harlunge und Heruler ebensowenig im Zweifel waren, wie
etwa über die der Amelunge und der Goten, nicht überall freilich,
wo der Ilarluugenname auftritt, werden wir ursprüngliche Heruler-
sitze zu vermuten haben, zuweilen mag ein Zusammenhang mit
der friesischen landschaft Harlingen vorliegen'2, anderwärts mag
würklich an die Harlunge der heldeusage gedacbl worden Bein : .
wenn wir aber im Rreisgau diesen namen nur in der sage, nicht
au örtlichkeiteu oder personen erhalten finden, so entspricht
dies der tatsache, dass diese landschaft seit römischer zeit nur
alemannische bevölkerung kennt : die Harlunge leiden, weil die
Heruler fehlen, schon Mone (aao.) zog aus diesem mangel ao
altern zeugnisseu den schluss, dass den alten Alemannen die
Harluugensage ursprünglich unbekannt war.
Dass die Harlunge von anfang au in einer gewissen be-
ziehung zur Ermenrichsage gestanden haben, ist durcb die tat-
sache sicher gestellt, dass die 'Herelingas' Emerca und Fridla im
heldenkatalog des Widsid, 7 Jh., unter dem gesinde des Ermenricb
(v. 112. 113) — nicht jedoch als seine n eilen — erscheinen.
dies würde mit der nachricht des Jord. (c. 25) im einklaog
stehu, dass die Heruler an der Mäotis durcb Ermenrich unter-
worfen und dem Goteureich einverleibt wurden, den Damen
1 über die Bleuten vgl. .AlülletiholT Nordalb. stud. i 151, Pallmann Gesch.
der Völkerwanderung n 143. Widsiö v.25 erscheinen die Brondioge Deben den
Warnen (in Meklenburg), ibre altern sitze in Schleswig («<> die Ortsnamen
Branderup , Brandsbfill uaa.) zeigen sie als nachbaut der (nach Mullrnholl
ursprünglich auf den dänischen inseln ansässigen) Beruler. die Wenden über-
setzten den namen verständnislos mit Zkorcelika db, 'ort, wo es gebrannt bat'
(Hefter 28).
2 so bei Harlinghausen in Westfalen (Neumann Geogr. lex. d. d. reichs
i 438), vielleicht auch bei Barlungerode an der Ockei (vgL das von I
albingem gegründete Elbingerode, Helmold i 26; Osterle] Bistor. g«
d. mas. 256). auch diese nacl dem Qüsschen Bari genannten
llarlinge halten Kieger Zs. 11, 201 und Volckmai Zui Bta
Friesen und Chauken 29 fl Im llciubr.
3 so vielleicht bei dem von Otto iv an der Ockei ei
Uarlungenberch (Arnold Chr. Slav. 14,5), w
halb gelegenen llailungerode milgewürkt haben dürft«
Z. F. I». A. XLIII. N. F. XXXI.
322 MATTHAEI
Herelingas als specielle bezeichnung eines brüderpaars zu fassen,
ligt kein grund vor; er bezeichnet ein edles geschlecht, wie das
ihm untergebene volk. wir haben ferner keine Veranlassung, auch
wenn zwei Herulerfürsten darunter zu verstehn sind, vorauszu-
setzen, dass Ermenrich in der sage von anfang an eine feindselige
Stellung gegen sie eingenommen habe, denn da der von ihm unter-
worfene Herulerkönig Alarich hiefs (Jord. 25), haben wir in jenem
paar vermutlich ältere Vertreter jener pontischen Heruler vor uns,
welche im übrigen mit ihren überwindern schnell verschmolzen
(Zeufs 477). auch zeigt sich in jenem briefe Theoderichs an
Rodulf nichts von einer traditionellen feindschaft des Heruler-
und Gotenstammes, sondern durchaus das gegenteil. nichts be-
rechtigt auch zu der annähme, dass der vf. des Widsid Ermen-
rich und die Harlunge sich anderswo als im Ostgotenreiche an-
sässig gedacht habe.
Dagegen beweisen zwei nachrichten aus dem 8 jh. aller-
dings die Verbreitung zweier Ermenrich betreffender sagen im
Breisgau. in einer SGaller Urkunde vom jähre 786 (Müllen-
hoff Zs. 12, 302) erscheinen nebeneinander im Breisgau die
namen Heimo, Suanailta, Saraleoz und Eghiart; im Beowulf
(v. 1197—1201) neben Eormenric Hämo, (Heime) in Verbindung
mit dem schätz Brisinga mene, dessen localisierung in Breisach
unbestritten ist. es war also im 8 jh. unzweifelhaft im Breisgau
bekannt 1) die gotische Suonhiltsage (vgl. Symons aao. 683),
2) eine locale schatzsage, in welcher neben Ermenrich auch
Heime, vermutlich auch Ekkehard, eine rolle spielte, die ent-
stehung einer schatzsage bei Breisach erklärt sich wie unterhalb
bei Worms aus dem goldreichtum des Rheinsands (vgl. Simrock
Myth.3 378); ihre Verbindung mit dem Brisingo meni, dem hals-
band der Frija, beruht auf der Verehrung dieser göttin am 'mons
Brisiacus', dem Kaiserstuhlgebirge, das so geheimnisvoll aus der
Rheinebene emporsteigt l. diese halskette galt also als das kost-
barste stück dieses ursprünglich der göttin gehörigen, in ihrer
behausung inmitten des berges lagernden Schatzes und gab ihm
1 Venusberge gab es mehrere am Oberrhein; noch Fischart kannte
sagen von einem ßreisacher Venusberge (Hertz Deutsche sagen im Elsass 235).
gewöhnlich denkt man an den bei Ufhausen, östlich Breisach, gelegenen
Venusberg (Zs. 12 aao.), ursprünglich bildete aber wol der ganze mons
Brisiacus einen mittelpunct des Frija-(Berhta-)cultus.
RÜDIGER UiND DIE HARLUNGENSAGE
den namen. man darf Ekkehard als Wächter dieses schätze« auf-
fassen, wozu die läge des schon im 12 jh. erwähnten Ekkehards-
berges (HS.3 50), gegenüber dem Kaiserstuhl, sehr wol stimmt
wie anderwärts steht Ekkehard auch hier in einem dienstverhältnis zu
frau Venus (Frija), die in der sage allmählich zur ältesten beherscherin
des Rreisgaus herabsank, wie nach altgermanischer anscbairung
an jedem fürstenhof der kämmerer und die aufsieht Qber den
schätz der königin zugewiesen sind (Waitz VG.- u 403). dass die
Alemannen, die selbst einer einheitlichen stammesüberlieferung
entbehrten, den könig Ermenrich, den mächtigsten herscher der
vorzeit, zum besitzer des grösten Schatzes, von dem sie künde
hatten, machten, ist um so natürlicher, als sie während ihrer
Vereinigung mit dem Gotenreiche (Agathias i 6) zu Theoderichs
zeit mit gotischer sage bekannt geworden waren.
Man darf annehmen, dass an den besitz dieses schaizes
sich ein fluch knüpfte, wie an den Nibelungenschatz, wenn es
auch unmöglich ist, aus der dürftigen nachricht hei Benwulf sich
eine bestimmte Vorstellung von dieser sage zu bilden, die bekannt-
schalt der Alemannen mit der Suonhiltsage lässt ferner vermuten,
dass auch diese schatzsage mit der aulfassung Ermenrichs als
eines tyrannischen Wüterichs in einklang gestanden haben wird;
ein zeugnis dafür aber, dass er im Beowult bereits als vernichter
dee Ilarlunge gedacht ist, ligt nicht vor, und das Harlunge golt
Dfl. 7835 mit einer fünf Jahrhunderte altern nachricht, welche
nur von Heime etwas zu melden weifs, zu cembinieren, muss
bedenklich erscheinen.
Dass aufser dieser schatzsage im directen Zusammenhang mit
dem Frijacultus eben hier auch ein altgermanischer Dioskuren-
mythus localisiert war, ist nach Müllenhoffs darlegungen Zs
30, 217 ff) kaum zu bezweifeln1, es dürfte jedoch gestattet Bein,
dem allgemeinen typus dieses mytbus hier eine locale ergänzuog
zu geben, wenn Irmintiu die beiden Jünglinge mil dem lede be-
strafte, welche ihm sein.' zukünftige gattin (Frija) zuführen Bullten,
sie aber selbst zu gewinnen suchten und ihr das güldene hals-
band entwanlen, sn dürfte auch der aul diesem balsl
bauptstück des Breisacher Schatzes ruhende Quch ein<
1 möglicherweise fanden die Aleina >n BDI diee lÜti
einen derartigen mytlius bereits vor; Timaens (Diod. I.
verehrten ftoXtora xmv &eüv roi» Jtomtovfovr, Myrianl
324 MATTHAEl
rolle in diesem mythus beansprucht haben : man darf annehmen,
dass der gott die beiden frevler mit jener goldenen halskette er-
drosselte, erwürgung mittelst einer goldenen halskette erscheint
in einer bekannten erzählung bei Widuk. i 22 als ein sagenhaftes
motiv, welches weitere Verbreitung gehabt zu haben scheint
(Ynglingasaga 33, Simrock Myth.3 377). unter dieser Voraussetzung
prüfen wir die frage, wie die Harlunge, die wir mit den beiden
dioskurischen heroen nicht ursprünglich für identisch halten
können, in diesen Zusammenhang hineingerieten.
Die Ileruler hatten mit dem Untergang von Rodulfs reich
ihre weltgeschichtliche rolle noch nicht ganz ausgespielt : die
reste des Stammes fanden unter eigenen führern in den kriegen
Justinians als Söldner beschäftigung; ihrem beistand vor allem
verdankten die Byzantiner die Unterwerfung der Vandalen (Proc.
B. Vand. j 11 ff), Ostgoten (Procop. B. G. n 1 3 ff. in 13 usw.) und
die Vernichtung der fränkisch-alemannischen scharen des Bucellin
(Agath. Hist. n 7 ff), wobei es freilich sehr schwierig war, ihre
ungebändigten scharen im zäume zu halten (vgl. Procop. B. G. n 22,
Agath. n 7). der letzte Herulerführer Sindwal oder Sindwald,
welchen Paul. Diac. n 3 (ep.) einen 'regulus Herulorum' nennt,
machte schliefslich eiuen versuch, das ganze reich in seiue ge-
walt zu bringen, wohei er seinen Untergang fand. Paul. Diac. ii 3
berichtet über dieses letzte auftreten der Heruler : habuü Narsis
certamen adversus Sinduald, Brentorum regem (vgl. oh.
s.320), quiadhuc de Herulorum stirpe remanserat, quos
secum in Italiam veniens olim Odoacar adduxerat. huic Narsis
fideliter sibi primum adhaerenti multa beneficia contulit; sed no-
vissime süperbe rebellautem et regnare cupientem, bello
superatum et captum celsa de trabe suspendit. man
könnte fast glauben, dass Paulus die geschichte dieses letzten Har-
lung (de Herulorum stirpe) nach der Harlungensage ausgestaltet
habe, aber das ereignis, um welches es sich handelt, wird auch
bei Marius Avent. (Scr. ant. xi 238) z. j. 566 berichtet : eo anno
Sindewala Erolus tyrannidem assumpsit et a Narseo patricio inter-
fectus est. dass es sich hierbei um ein sehr gefährliches unter-
nehmen handelte, ergibt sich daraus, dass Marius die Überwäl-
tigung des Sindwal auf dieselbe stufe stellt wie die der Ostgoten;
vgl. a. 568 (aao.) Hoc anno Narses . . post tantos prostralos ty-
rannos id est Baduilam et Tejam reges Gothorum et Buccelenum
RtDIGER UND DIE HARLUNGENSAGE
ducem Francorum et Sindevalum Erolum . . . de ltalia a tupra
d. Augmio remotus est. ganz ebenso verknüpft Paul. Diac. u l — 3
die kriegstateu des Narses. der Untergang der letzten Amelunge
und der letzten Harlunge erscheint hier unter einen) gleichen
gesichtspunct : er ist das werk desselben inannes, des ersten be-
amten des griechischen kaisers, welcher dem selbständigen auf-
treten der Germanen in Italien vorläufig ein ende bereitete.
An stelle der gotischen und herulischen epigonen erscheinen
nun in der sage die älteren Vertreter dieser stamme, Dietrich,
Fritilo und Ambrihbo, an stelle des Narses Sibich, an stelle des
Justinian Ermenrich. nicht überall, aber doch in den ober-
deutschen gebieten gewöhnte sich die historische volksauffassung
daran, den tückischen und grausamen Gotenkönig sich als ost-
römischen kaiser zu vergegenwärtigen, er erscheint als herr Ra-
vennas und Unteritaliens, dh. des griechischen exarchats, um
dessen besitz im 7 und 8 jh. Langobarden und Griechen un-
ablässig krieg führten, in dieser zeit, in welcher germanische
heldenkraft und "griechische hinterlist sich mafsen, muss sich im
Süden dieser neue historische hintergrund der Ermenricbsage ge-
bildet haben, während die nordgermanischen stamme die älteren an-
schauungen festhielten und weiterbildeten1, nur im Alpbart —
unter dem eiudruck staulischer kaiserherlichkeit — wird dem
mächtigsten herscher der sage die rolle eines römisch-deutschen
kaisers zugewiesen 2. als dieser eindruck verblasste, im laufe des
13 jhs., tritt die ältere Überlieferung wider deutlicher hervor,
im Rit. hat er seinen sitz in Raben, der hauptstadl des exarchats
(4749), seine leute heifsen Rabenare (5697.8813); in DO. und
Rab. erhält er Apulien, Calabrien und 'Werners mark* ; auch nach
der Überlieferung, aus welcher ThS. c. 13 schöpfte, feilt ihm als
kaiser Unteritalien und das gebiet bis zu den griechischen inseln
zu4, die eriuneruug an Justinian und Narses, die eigentlichen
1 als Gotenkönig erscheint er noch bei den Angelsachsen (WidsiB), in dei
Kdda, in QW., in den von Ekkebard kritisierten Überlieferungen, b< S
scheint bereits eine gemischte Vorstellung zu gründe zu lii
'- als solcher fordert e<-, wie es scheint, ib. von Dietrich n
liehen beistand gegen die Barlange (so erklären sieb wol 31 l 9
auch die etwa gleichzeitigen Pegauer annalen fassen ihn
als 'rex Teutoniae' |HS.S 55).
3 di. Spoleto, Gamarino and Ancona,vgl.Gies(
Rab. S48. 4 vgl. auch K.M. y r Dietrichsage 23, WM
326 MATTHAEI
vernichter der Amelunge und Ilarlunge, verblasste; dass gerade
Ermenricli und Sibich sich an ihre stelle schoben, zeigt, wie
allgemein die südgermanischen stamme die widereroberung Italiens
durch die Griechen als ein werk ruchloser tücke und treulosigkeit
betrachteten, die älteren Überlieferungen über Dietrichs kämpf
mit Odoaker traten gegen die eriunerung an diese späteren kämpfe
zurück : der kampfplatz zwar blieb Raben, aber die letzten Ame-
lunge, welche den Griechen erlagen, traten unter die Führung
Dietrichs, Odoaker räumte Ermenricli den platz1, auch ein andrer
von Odoaker verfolgter herscher, Friedrich, der Rugenkönig, ge-
sellte sich zu den opfern von Sibichs und Ermenrichs bosheit-
(QW. ThS. 278. Dfl. 2455). die verwantschaftliche Verbindung,
in welche diese letzteren zu Ermenrich gesetzt wurden, beruht
auf einer nachwürkung der älteren auffassung dieses herschers
als eines Wüterichs gegen sein eigenes geschlecht, wie sie in der
nordischen sage zu tage tritt, wobei hinsichtlich Dietrichs ihre
beiderseitige Zugehörigkeit zum Amalerhause mitgewirkt haben mag.
Es entzieht sich, wie bemerkt, unsrer kenntnis, ob schon in
der altern sage Ermenricli den beiden Herulerhelden gegenüber eine
feindliche haltung einnahm, dass aber die herschend gewordene
form der sage sich unter dem eindruck des schmachvollen Unter-
gangs Sindwals und der letzten Heruler bildete, dafür ist zunächst
die combination derHarlungenkatastrophe mit der Überwältigung der
Amelunge durch Ermenrich, wie sie überall in der heldensage zu tage
tritt, ein deutlicher beweis, ferner aber muss die festigkeit über-
raschen, mit welcher im einklang mit Paul. Diac. n 3 ein im ganzen
doch nebensächlicher zug — die hinrichtung des brüderpaars am
galgen — in allen Fassungen der sage widerkehrt, während scheinbar
wichtigere momente der sage schwanken, wir finden sie in QW.,
wo die Harlunge als Ermenrichs 'patrueles', bei Saxo, wo sie als
seine 'sororii', in den übrigen quellen, wo sie als seine bruders-
sühne erscheinen; mögen sie nun gewaltsam bezwungen (Saxo,
ThS., anh. z. HB.) oder durch list an Ermenrichs hof gelockt
1 s. oben s. 310. die dem Hildebrandslied zu gründe liegende Über-
lieferung kennt zwar Dietrichs Verbannung, aber noch durchaus Odoaker als
seinen gegner. zuerst erscheint die neue Fassung in QW. (HS.3 35).
2 der Widsiö 124 neben Wudga und Hämo, genannte Freofoeric ist
wol als ein gotischer held aufzufassen und vielleicht mit Friderich von
Raben (HS.3 213) identisch.
RÜDIGER UND DIE BARLUNGENSAGE :;_'T
werden (Dil.), endlich darf man auch die verwantschaft nicht
übersehen, welche der ausführliche bericht Saxos mit den histo-
rischen Vorgängen aufweist : empörung der oeffen gegen den
oheim, Überwältigung durch krieg, gefangennähme durch Bikkos
rat, erdrosselung, Vernichtung ihres gefolges1. dass die Härtungen-
sage im norden im übrigen vollkommen fehlt, beweis! aufs schla-
gendste, dass sie nicht zu jener älteren sagenschjcht gehört,
welche dort ihre Weiterbildung gefunden hat, und dass Sibichs
(Rikkis) gestalt nicht erst zugleich mit den Harlungen in die
deutsche heldensage eingetreten ist (Sigurdarkv. n Gl. Gudru-
narhvöt pros.) 2.
Die Alemannen nahmen an den kämpfen der Amelunge mit
den Griechen lebhaften anteil, während die Raiern sich vollkommen
passiv verhielten : Narses, aber auch die Heruler unter Sindwal,
traten ihnen selbst im kample gegenüber (Agath. i 20 11). da sie
uns im gegensatz zu ihren nachbarn im G jb. noch als vollkom-
mene heiden geschildert werden (vgl. Agath. i 20. n 1. Vita Columb.
c. 27), so ist es erklärlich, dass sie die zu ihnen gelangenden
sageustolfe in dieser zeit und noch lauge darüber hinaus mit rer-
wanten motiven des bei ihnen noch kräftig entwickelten heid-
nischen uaturmythus in Verbindung setzten, so wurde zb. Dietrich
als dracheutüter einer hier verbreiteten form der Dioskurensage
dem mythus von Sintram und Paltram, eingefügt (Wackernagt I
Zs. 10, 156. KMeyer Dietrichs. 49), so traten auch die «im galgen
erdrosselten Harlunge an die stelle derjenigen beiden di<>>ku-
rischen heroen, welche durch jenes verhängnisvolle balsband,
Rrisinga meni, erwürgt worden waren, wenn aber hier Ermenrich
1 lib. viu, s. 413 ed. PE.Müller : qui ex torore Jarmeriei apud Ger-
manium orti educatiquc fuerant, avito nomine freti, in acitncitluin arma
suseipiunt aeque sibi regnu?n atque ei deberi certante*. quontm mitiu-
tiones rex apud Germanium machinis demolittu . . . incruentam ad
victoriam reportavit . . . rurtum Hierum* inttinetu Germanium potent
captit hello sururiis laqwo spiritum eripere nun dubitavit. <y-
timatvs quoque convivii limuiatione contraclot eodem exempla eontäwun-
dos curavit.
- Heinzel WSB. 119 wollte, um die berechende aofluenng u -
annehmen, dass uns die auf die Harlangensage beiügliehea
seien. — die erhängung Handvers durch Jörmunrek darf nicht
stück zu derjenigen der Harlunge BnfgefaMt werden.
citus (Germ. 12) erwähnte binrichtnngaart galt den Germam
Bchimpflich (JGrinun RA.' I
328 MATTHAEI
schon früher mit dem schätz des mons Brisiacus einen sagen-
haften Zusammenhang gewonnen hatte1, so traten nunmehr auch
die Harlunge in diese heziehungen ein. da ihre Verpflanzung
hierher zugleich die identificierung des Narses mit Sibich, des
Justinian mit Ermenrich voraussetzt, werden wir frühestens
das 7 und 8 jh. als denjenigen Zeitraum betrachten dürfen,
in oder seit welchem sich die specifisch alemannische fassung
der Harlungensage ausbildete, dass sie im Beowulf als be-
reits bekannt vorauszusetzen ist, erscheint demnach zwar immer-
hin chronologisch als möglich, ist aber nicht erweislich, das
erste positive Zeugnis über die Breisgauer Harlungensage reicht,
soweit ich sehe, nicht über die erste hälfte des 12 jhs. zu-
rück, wo Ekkehard der sage gedenkt, dass der Breisgau fertur
olim fuisse illorum qui Harelungi dicebantur (HS.3 42). sie er-
scheinen also hier als herren des landes, vermutlich, weil sie
nun die besitzer des grofsen Schatzes wurden (Dfl. 7835). denn
der alte mythus erfuhr weitgehnde Veränderungen : die Harlunge
wurden von Ermenrich wegen des fluchbeladenen Schatzes ge-
tötet, in dessen besitz sie als söhne der vermenschlichten frau
Venus gelangt waren, diese letztere annähme stützt sich zwar
zunächst nur auf den bericht der ThS. c. 275, 281 ff, wo die
brüder, welche von Ermenrich verfolgt werden, als söhne der
Bolfriana erscheinen, der 'minniglichsten aller frauen' (allra
knenna frtöust c. 269. 275), deren buhlerisches Verhältnis zu dem
Wilden Jäger2 sie deutlich als frau Venus kennzeichnet; sie ist
aber auch nötig, um die Stellung Ekkehards zu begreifen, der
als kämmerer der königin und hüter ihres Schatzes zum pfleger
und beschützer ihrer söhne wind, nach ThS. c. 272 erschlägt
er den Wilden Jäger3, aber er nimmt auch räche an Bibstein
(Dfl. 9788) und Sibich (Bab. 864), ja nach einer isolierten nach-
richt erschlägt er den Ermenrich selbst (anh. z. HB. HS.3 326),
dem danach der schätz ebenfalls den tod bringt, als eingeborener
1 ob